Geschichten:Blutige Spuren - Auf Fuchspfaden: Unterschied zwischen den Versionen

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»Ihr seid des gemeinschaftlichen Mordes an ihrer Hochgeboren der Baronin von Aschenfeld angeklagt!«
''Im Phextempel zu Uslenried
Wulf glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, als die Worte des Hauptmanns in seinem Kopf nachklangen. So bemerkte er nicht, wie Meister Datierlich, sein erster Schreiber, just bei den Worten des Hauptmannes mit hochrotem Kopf in die Halle gelaufen kam und beinahe wieder rückwärts herausgestolpert wäre, als er die Anklage vernahm. Schnell fing er sich jedoch wieder, eilte hinaus und sah nach Storko,, der noch vor der Hohen Halle herumlungerte.


»Schnell, Storko, verständige die Leibgarde! Sie sollen schnellstens herkommen!«. Der Knecht stellte keine weitere Fragen und stürmte von dannen. Datierlich lief zurück in die Hohe Halle, drängelte sich an den Soldanten vorbei und stellte sich neben seinen Dienstherrn.
Durchnässt verließen die sechs Geweihten den geheimen Gang und betraten die unterirdische Tempelhalle des nächtlichen Gottes. Auf dem Weg aus der Burg heraus hatten sie kein Wort gesprochen und sich stattdessen bemüht, so schnell wie möglich im Tempel unterzutauchen. Sinya und Yassia hatten ihren Begleitern vor dem Verlassen des Fluchttunnls aus der Burg abermals die Augen verbunden, um den geheimen Einstieg zu wahren und dieses Stück des Weges hatte sei schon genug Zeit gekostet. Umso froher waren sie nun, wieder im Trockenen zu sitzen.


Die ungeheuerliche Anschuldigung zog einige lange Augenblicke sprachlosen Erstaunens nach sich, bis Sinya schließlich die Frage nachfragte. »Wir sollen unsere Mutter ermordet haben?«
»Puh«, stöhnte Jalika, »Sachen gibt’s, die gibt’s gar nichtDie junge Geweihte wischte sich eine nasse Strähne ihres blonden Haares aus dem Gesicht.
Hautpmann [[Kolran von Treuenbrück]] nickte.


»So ein Unsinn«, schimpfte Cern. »Mutter starb während der Blutnacht, und wir waren hier auf der Burg. Was soll dieses Gerede? Wollt ihr allen Ernstes behaupten, das wir unser eigen Fleisch und Blut ermorden?« Er war außer sich und musste sich beherrschen, den Hauptmann nicht anzuschreien.
»In was für eene Sache biste da bloß reengeschlittert«, setzte Tsafried hinzu.


»Leugnen ist zwecklos. Eure Geschwister sind bereits überführt und festgesetzt. Die Anklage lautet auf Mord..
Sinya zuckte mit den Schultern. Sie konnte es selbst noch kaum glauben, was sich zuvor in der Hohen Halle von Burg Greifenklaue zugetragen hatte. Es war hinlänglich bekannt, dass ihr ältester Bruder Adram seinerzeit zu den Schwarzen Horden des Dämonenmeisters übergelaufen war, doch ihre Schwestern waren treue Diene des Reiches. Silvana war gar Hohe Richterin zu Rommilys und seit dem unsäglichen Mord an ihrer Mutter Alruna Nella Baronin der immer noch besetzten Aschenfelder Lande, die mittlere, war Obristin im Reichsheer. Und nun kam dieser Hauptmann an und gab ihr und Cern die Schuld am Tod der Mutter? Sie verstand es nicht.


»Das ist lächerlich!« herrschte Wulf ihn an.
Derweil hatte ein Novize ein paar trockene Tücher und Roben herangebracht, so dass die sechs aus den nassen Kleider schlüpfen konnten. Danach versammelten sie sich in der Stube des Vogtvikars.
So gut sie konnte berichtete Sinya ihren Gefährten, was sich zugetragen hatte, doch niemand konnte sich einen Reim auf die Ereignisse machen. Es nutze nichts, sich den Kopf zu zerbrechen, es mussten Ergebnisse her. Doch das würde eine Weile dauern; eine Zeit, die Cern vielleicht nicht hatte.
Eine Weile saßen sie schweigend da. »Ich werde nach Rommilys reisen und eigene Nachforschungen anstellen. Außerdem muss ich auf meinen Bruder aufpassen. Wer sonst sollte diese ganze Angelegenheit aufklären wenn nicht ich?« Fragend blickte Sinya in die Runde.


»...und Reichsverrat«, ergänzte Kolran. »Wenn Ihr es nicht glaubt, hier habt Ihr es schriftlich!« Er zog das Dokument aus dem Gürtel und reichte es Wulf, der es las und kopfschüttelnd an seine Gemahlin und seinen Schwager weiterreichte.
»Die Brieder im Tempel zu Rommilys werden schon uff Dich uffpasse«, entgegnete Tsafried, »immerhin ham se uns ja och verständigt – gerade rechtzeetig, wie ich meene.«


»Erst Mord, dann Reichsverrat. Was wollt Ihr uns als nächstes vorwerfen? Sie sind beide unschuldig, so wahr ich es sage. Und das Wort eines Streitzigs ist ein Ehrenwort!«
»Dennoch werden wir Augen und Ohren aufhalten und versuchen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen«, ergänzte Gilian.


»Schweigt still, Hochgeboren! Ihr selbst waret wie Euer Hauptmann auch Knappe des Verräters Paske von Roßhagen, des früheren Grafen von Ochsenwasser! Glaubt Ihr etwa, dass Euer Wort in dieser Angelegenheit auch nur einen Pfifferling wert ist?«
»Damit hast Du wohl recht« antwortete Tameus, »dann soll es so sein. Ist jemand dagegen?« Niemand hatte Einwände. »Dann lasst uns die trüben Gedanken erst einmal beiseite schieben, eine kleine Stärkung wird uns nun gut tun.« Er winkte die übrigen mit sich.


»Was fällt Euch ein?« herrschte Wulf den Hauptmann an. »Meine ehrenwerte Frau Mutter starb fand durch die Hand des verräterischen Answinistenpacks, und ihr bezichtigt mich, selbst dazuzugehören? Untersteht Euch
Sinya nahm [[Yassia Sandström|Yassia]] beiseite. »Du wirst heute Nacht noch einmal in die Burg zurückkehren. Ich benötige noch einige Dinge für die Reise; bis zum Abend mache ich eine Liste. Und nimm Jalika mit, da kann sie noch etwas lernen.« Yassia grinste. »Das wird schon klappen, da mach Dir mal keine Sorgen


»Ich habe meine Befehle. Alle Anverwandten der Alruna Nella von Aschenfeld sind festzusetzen und zur Aburteilung nach Rommilys zu geleiten.« Kolran wandte sich an Cern und Sinya. »Entweder Ihr begleitet
Im Speiseraum angekommen nahmen sie ein einfaches Mahl zu sich. Tsafried und Gilian verabschiedeten sich danach. Sie wollten sich noch etwas in der Stadt umsehen, im Dukatenmaul übernachten und schließlich am nächsten Tag nach Gareth zurückreisen. Dort würden sie sich umhören, ob es irgendetwas gab, was ihnen weiterhelfen mochte.
mich freiwillig, oder ich muss Euch in Ketten legen lassen!«


»Das ist ein Hohn«, schimpfte Cern. Währenddessen öffnete sich die Tür der Hohen Halle, und Jessa Alt Tern, Söldnerführerin und Korgeweihte am Uslenrieder Hof, trat ein, gefolgt von vier Soldaten der barönlichen Leibgarde. Irritiert drehte sich Hauptmann Kolran von Treuenbrück um und zuckte innerlich zusammen, als er die Kämpfer des Barons erblickte. Zwei seiner königlichen Soldaten zogen bereits ihre Schwerter, Jessa tat es ihnen gleich. Die Leibgardisten drängten sich durch die königlichen Soldaten, um ihre Herrschaften zu schützen.
In der Nacht machten sich Yassia und Jalika auf in die Burg. Trotz der noch immer dort herrschenden Aufregung gelang es ihnen, Sinyas Sachen ungesehen zu entwenden – Umhang, Waffen, Siegelring und etwas Geld. Völlig untypisch für Diebe ließen sie auch etwas zurück – eine Nachricht an Wulf, die Sinya in den Abendstunden verfaßt hatte. Sie wollte, dass ihr Gemahl sie in Sicherheit wusste, wenngleich sie ihm nichts von ihrem Vorhaben schrieb, um ihn nicht unnötig zu sorgen.


Meister Datierlich, der erste Schreiber, nahm den Baron beiseite. »Mit Verlaub, Hochgeboren«, flüsterte er ihm zu, »es erscheint mir sinnvoller, diese leidige Zusammenkunft nicht eskalieren zu lassen. Dennoch müssen wir uns bemühen, eine Klärung der Vorwürfe herbeizuführen. Wenn mich nicht alles täuscht, hat der werte Hauptmann noch nicht einmal erwähnt, worin der Reichsverrat bestehen soll. Und so ist jener Punkt doch ein arg vage Anschuldigung, findet Ihr nicht?«
Kurz nach Mitternacht waren sie zurück. Sinya schlief bereits, und auch Yassia beeilte sich, noch etwas Schlaf zu finden. Sie würde Sinya begleiten, denn zu zweit reiste es sich besser als allein, und auf dieser Mission mochte etwas Unterstützung sicherlich nicht schaden.


»Was gibt es da zu tuscheln?« fuhr Hauptmann Kolran dazwischen.
Als der Morgen graute, wurden sie von Tameus geweckt. »Es ist an der Zeit. Die Praiosscheibe wird sich bald erheben. Ihr müsst aufbrechen.« Schlaftrunken erhoben sich die beiden Frauen. Nach einer Katzenwäsche kleideten sie sich an. Sie wählten die Tracht reisender Handwerker, um wenig Aufsehen zu erregen.


Auf einen Wink von Wulf hin straffte sich Meister Datierlich. »Sagt, Herr Hauptmann, hättet Ihr wohl die Güte, uns zu berichten, worin der Reichsverrat bestehen soll?«
Tameus und Jalika begleiteten sie durch den geheimen Gang bis vor die Stadt. Morgennebel lag über den Feldern – ein gutes Zeichen, Phex war mit ihnen.


Kolran von Treuenbrück wurde unruhig, uns sein Gesicht rötete sich. Genaugenommen wusste er auch nicht recht, wie die genaue Anklage lautete. Mochte ihm dies nun zum Verhängnis werden? »Das weiß ich nicht genau«, entgegnete er daher.
Sie fielen sich zum Abschied in die Arme, und Tameus sprach einen Segen über Sinya und Yassia.
Dann machten sie sich auf den Weg in Sinyas darpatische Heimat.


»Soso, dass wisst Ihr also nicht«, sinnierte Wulf.
»Und wenn ihr dies nicht wisst, so seid ihr doch nur eine von des Staatsrates Mirhamionetten« ergänzte Sinya, und Cern setzte noch einen drauf: »Ein Befehlsempfänger des Marschalls, der nur handelt, aber nicht selber denkt. Ein Soldat, der seine Befehle ohne zu fragen ausführt.«
Kolran wurde rot, beherrschte sich aber. »Es ist genug«, sagte er schließlich. »Führt sie ab!« Zögerlich näherten sich die Soldaten, während die Uslenrieder abwarteten. Die fragenden Blicke seiner Leibgarde beantwortete Wulf mit einem Kopfschütteln.
Als die Soldaten Sinya fast erreicht hatten, wurde die Hohe Halle schlagartig von dichtem Nebel erfüllt. Fünf graue Schatten huschten zielstrebig durch die eintretende Verwirrung, und Hauptmann Kolran hatte dass ungute Gefühl, dass die Angelegenheit gewaltig aus dem Ruder zu laufen drohte. Seine Soldaten verloren wie er selbst die Übersicht über das was geschah. Die Schatten stießen die Soldaten zur Seite, und neben Sinya flüstere eine vertraute Stimme »Keine Angst. Folge mir!«. Sinya spürte, wie ihr ein Mantel um die Schultern gelegt wurde. Jemand ergriff ihre Hand und zog sie mit sich. So schnell wie sie gekommen waren huschten die Schatten auch wieder von dannen.
Als der Nebel sich gelichtet hatte, war Sinya verschwunden. Hauptmann Kolran von Treuenbrück brauchte einen Moment, bis er das Ausmaß der Ereignisse wirklich begriff. »Dies ist nun wohl ein weiterer Fall von Verrat, ja ein Schuldeingeständnis, will ich meinen!«
»Wer schuldig ist oder nicht mag ein Gericht feststellen, nicht Ihr« entgegnete Datierlich.
»Oder die Zwölfe mögen dies in einem Götterurteil entscheiden« sprach Jessa, und Wulf nickte zustimmend.
»Es ist mir gleich«, antwortete Kolran. »Dies alles wird zu Rommilys zu klären sein.«
»Ich werde mitgehen«, antwortete Cern, auch wenn ihm nicht wohl bei dem Gedanken war. Sinya war in Sicherheit, und seine Schwester wusste auf sich aufzupassen. Alles weitere würde sich finden.
»Das wirst Du nicht! Hast Du eine Vorstellung davon, was Dich erwartet?« Wulf war entschlossen, Cern sein Vorhaben auszureden.
»Es geht um die Ehre der Familie«, entgegnete Cern. »Du weißt selbst, wie wichtig diese ist, schließlich hast Du oft genug davon gesprochen. Bedenke, dass die Familie Aschenfeld zwar nicht so bedeutend ist wie das Haus Streitzig, aber doch eines der älteren darpatischen Häuser ist. Und wenn die alten Häuser nicht mehr zu den althergebrachten Sitten stehen, wie sollten dass die jungen Adelsfamilien dann erst können?«
Wulf nicke betrübt. Innerlich wusste er, dass Cern recht hatte, doch trotzdem hätte es gerne verhindert. Doch Cern war alt genug, über sein Schicksal selbst zu bestimmen, und es stand Wulf nicht zu, über Aschenfelder Familienangelegenheiten zu entscheiden. »Wenn es Dein fester Wille ist, so geh. Doch ich hoffe sehr, dass ich Dich alsbald wiedersehe!«
»Das, Hochgeboren, habt Ihr ebenso wenig zu entscheiden wie ich«, mischte Kolran sich ein. »Ich kann mir freilich vorstellen, dass dies ein wahrlich sehr unangenehmer Augenblick ist. Doch diese Misere habt Ihr Euch selbst eingebrockt. So die Götter wollen, mag dies alles noch zu einem gutem Ende kommen, wenngleich Eure Gemahlin alles andere getan hat als die Umstände aufzuklären.«
»Meine Gemahlin hat getan, was sie für richtig gehalten hat, und Ihr tut, was ihr für richtig haltet, wenngleich dies falsch ist. Doch Ihr müsst wissen, was ihr tut. Oder wisst Ihr nur, wem Ihr blindlings zu gehorchen habt?« Alle Abscheu und Verachtung, die Wulf gegenüber Marschall und Staatsrat aufzubringen vermochte, schwang in den letzten Worten mit, ebenso wie die Sorge um Sinya.
Kolran von Treuenbrück versuchte die Fassung zu wahren. »Ihr solltet aufpassen, was ihr sagt, und auch wie ihr es sagt.« Es war schon schlimm genug, seine Mission nur halb erfüllt zu haben. und es war ihm bereits klar, dass er die andere Hälfte kaum mehr erfüllen würde. Das Verschwinden der Baronsgemahlin war nicht mit rechten Dingen vor sich gegangen, doch darüber würde er in Gareth Bericht erstatten. Um dieses Vorfall sollten sich andere kümmern.
Derweil hatten die Soldaten Cern die Waffen abgenommen, den Wappenrock ausgezogen und ihm die Hände gebunden. Er fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut, und die Unwissenheit um das, was geschehen würde, trug ein übriges zu seinem üblen Befinden bei. Dennoch versuchte er, die Situation mit Fassung zu tragen, was ihm jedoch nur schwerlich gelang.
»Abrücken!« befahl Kolran, und die Soldaten nahmen Cern in ihre Mitte und führten ihn aus der hohen Halle.
»Wehe Euch, wenn ihm etwas geschieht?« sagte Wulf.
»Das soll nicht Eure Sorge sein. Und richtet Eurer Gemahlin aus, dass es besser für sie wäre, sich zu stellen!« Kolran wandte sich ab. »Halt, noch etwas: Kommt ja nicht auf dumme Gedanken; bedenkt, dass ihre Exzellenzen um die Vorfälle weiß. Wenn Ihr einen wohlmeinenden Rat wollt: Wartet ab. Wenn ihr die Wahrheit gesprochen habt, werden sich die Vorfälle wohl alsbald aufklären, wenngleich Eure Gemahlin nicht gerade dazu beigetragen hat. Das wiederum könnte schwerwiegende Folgen haben, doch das vermag ich nicht zu entscheiden.«
Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, winkte Wulf seine Leibgarde heran. »Ihr werdet Hauptmann von Treuenbrück mit vier Mann bis an die Grenzen Uslenrieds begleiten; ich will nicht, dass unnötig Unruhe und Aufruhr gestiftet werden. Doch lasst sie in Frieden ziehen und behelligt sie nicht; wir wollen hoffen, dass dieser Spuk alsbald ein Ende haben wird. Leutnant ___, Ihr übernehmt derweil die Aufgaben von Hauptmann von Aschenfeld. Auf, an die Arbeit!« Die Leibgardisten verließen den Raum. Datierlich, Jessa und Wulf blieben allein zurück.
Die Korgeweihte warf ihrem Soldherrn einen fragenden Blick zu, den Wulf mit einem leichten Nicken beantwortete. Sie kannten sich inzwischen lange genug, um strategische Belange mittels Blicken klären zu können, und dieser Befehl war mehr als eindeutig gewesen. Jessa verließ den Saal und eilte aus der Burg hinunter ins Söldnerquartier. Dort packte sie ihre Sachen zusammen, sattelte ihren Rappen und machte sich auf den Weg, ihren Auftrag zu erfüllen.




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Version vom 31. Mai 2007, 15:19 Uhr

Im Phextempel zu Uslenried

Durchnässt verließen die sechs Geweihten den geheimen Gang und betraten die unterirdische Tempelhalle des nächtlichen Gottes. Auf dem Weg aus der Burg heraus hatten sie kein Wort gesprochen und sich stattdessen bemüht, so schnell wie möglich im Tempel unterzutauchen. Sinya und Yassia hatten ihren Begleitern vor dem Verlassen des Fluchttunnls aus der Burg abermals die Augen verbunden, um den geheimen Einstieg zu wahren und dieses Stück des Weges hatte sei schon genug Zeit gekostet. Umso froher waren sie nun, wieder im Trockenen zu sitzen.

»Puh«, stöhnte Jalika, »Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht.« Die junge Geweihte wischte sich eine nasse Strähne ihres blonden Haares aus dem Gesicht.

»In was für eene Sache biste da bloß reengeschlittert«, setzte Tsafried hinzu.

Sinya zuckte mit den Schultern. Sie konnte es selbst noch kaum glauben, was sich zuvor in der Hohen Halle von Burg Greifenklaue zugetragen hatte. Es war hinlänglich bekannt, dass ihr ältester Bruder Adram seinerzeit zu den Schwarzen Horden des Dämonenmeisters übergelaufen war, doch ihre Schwestern waren treue Diene des Reiches. Silvana war gar Hohe Richterin zu Rommilys und seit dem unsäglichen Mord an ihrer Mutter Alruna Nella Baronin der immer noch besetzten Aschenfelder Lande, die mittlere, war Obristin im Reichsheer. Und nun kam dieser Hauptmann an und gab ihr und Cern die Schuld am Tod der Mutter? Sie verstand es nicht.

Derweil hatte ein Novize ein paar trockene Tücher und Roben herangebracht, so dass die sechs aus den nassen Kleider schlüpfen konnten. Danach versammelten sie sich in der Stube des Vogtvikars. So gut sie konnte berichtete Sinya ihren Gefährten, was sich zugetragen hatte, doch niemand konnte sich einen Reim auf die Ereignisse machen. Es nutze nichts, sich den Kopf zu zerbrechen, es mussten Ergebnisse her. Doch das würde eine Weile dauern; eine Zeit, die Cern vielleicht nicht hatte. Eine Weile saßen sie schweigend da. »Ich werde nach Rommilys reisen und eigene Nachforschungen anstellen. Außerdem muss ich auf meinen Bruder aufpassen. Wer sonst sollte diese ganze Angelegenheit aufklären wenn nicht ich?« Fragend blickte Sinya in die Runde.

»Die Brieder im Tempel zu Rommilys werden schon uff Dich uffpasse«, entgegnete Tsafried, »immerhin ham se uns ja och verständigt – gerade rechtzeetig, wie ich meene.«

»Dennoch werden wir Augen und Ohren aufhalten und versuchen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen«, ergänzte Gilian.

»Damit hast Du wohl recht« antwortete Tameus, »dann soll es so sein. Ist jemand dagegen?« Niemand hatte Einwände. »Dann lasst uns die trüben Gedanken erst einmal beiseite schieben, eine kleine Stärkung wird uns nun gut tun.« Er winkte die übrigen mit sich.

Sinya nahm Yassia beiseite. »Du wirst heute Nacht noch einmal in die Burg zurückkehren. Ich benötige noch einige Dinge für die Reise; bis zum Abend mache ich eine Liste. Und nimm Jalika mit, da kann sie noch etwas lernen.« Yassia grinste. »Das wird schon klappen, da mach Dir mal keine Sorgen!«

Im Speiseraum angekommen nahmen sie ein einfaches Mahl zu sich. Tsafried und Gilian verabschiedeten sich danach. Sie wollten sich noch etwas in der Stadt umsehen, im Dukatenmaul übernachten und schließlich am nächsten Tag nach Gareth zurückreisen. Dort würden sie sich umhören, ob es irgendetwas gab, was ihnen weiterhelfen mochte.

In der Nacht machten sich Yassia und Jalika auf in die Burg. Trotz der noch immer dort herrschenden Aufregung gelang es ihnen, Sinyas Sachen ungesehen zu entwenden – Umhang, Waffen, Siegelring und etwas Geld. Völlig untypisch für Diebe ließen sie auch etwas zurück – eine Nachricht an Wulf, die Sinya in den Abendstunden verfaßt hatte. Sie wollte, dass ihr Gemahl sie in Sicherheit wusste, wenngleich sie ihm nichts von ihrem Vorhaben schrieb, um ihn nicht unnötig zu sorgen.

Kurz nach Mitternacht waren sie zurück. Sinya schlief bereits, und auch Yassia beeilte sich, noch etwas Schlaf zu finden. Sie würde Sinya begleiten, denn zu zweit reiste es sich besser als allein, und auf dieser Mission mochte etwas Unterstützung sicherlich nicht schaden.

Als der Morgen graute, wurden sie von Tameus geweckt. »Es ist an der Zeit. Die Praiosscheibe wird sich bald erheben. Ihr müsst aufbrechen.« Schlaftrunken erhoben sich die beiden Frauen. Nach einer Katzenwäsche kleideten sie sich an. Sie wählten die Tracht reisender Handwerker, um wenig Aufsehen zu erregen.

Tameus und Jalika begleiteten sie durch den geheimen Gang bis vor die Stadt. Morgennebel lag über den Feldern – ein gutes Zeichen, Phex war mit ihnen.

Sie fielen sich zum Abschied in die Arme, und Tameus sprach einen Segen über Sinya und Yassia. Dann machten sie sich auf den Weg in Sinyas darpatische Heimat.


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