Geschichten:Blutige Spuren - Mörder & Verräter: Unterschied zwischen den Versionen

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»Ihr seid des gemeinschaftlichen Mordes an ihrer Hochgeboren der
Baronin von Aschenfeld angeklagt!«


Wulf glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, als die Worte des Hauptmanns
in seinem Kopf nachklangen. So bemerkte er nicht, wie Meister
Datierlich, sein erster Schreiber, just bei den Worten des Hauptmannes
mit hochrotem Kopf in die Halle gelaufen kam und beinahe wieder
rückwärts herausgestolpert wäre, als er die Anklage vernahm. Schnell
fing er sich jedoch wieder, eilte hinaus und sah nach Storko, der noch
vor der Hohen Halle herumlungerte.


»Schnell, Storko, verständige die Leibgarde! Sie sollen schnellstens
herkommen!«. Der Knecht stellte keine weitere Fragen und stürmte von
dannen. Datierlich lief zurück in die Hohe Halle, drängelte sich an den
Soldanten vorbei und stellte sich neben seinen Dienstherrn.
Die ungeheuerliche Anschuldigung zog einige lange Augenblicke
sprachlosen Erstaunens nach sich, bis Sinya schließlich die Frage
nachfragte. »Wir sollen unsere Mutter ermordet haben?«
Hautpmann Kolran von Treuenbrück nickte.
»So ein Unsinn«, schimpfte Cern. »Mutter starb während der Blutnacht,
und wir waren hier auf der Burg. Was soll dieses Gerede? Wollt ihr
allen Ernstes behaupten, das wir unser eigen Fleisch und Blut
ermorden?« Er war außer sich und musste sich beherrschen, den Hauptmann
nicht anzuschreien.
»Leugnen ist zwecklos. Eure Geschwister sind bereits überführt und
festgesetzt. Die Anklage lautet auf Mord...«
»Das ist lächerlich!« herrschte Wulf ihn an.
»...und Reichsverrat«, ergänzte Kolran. »Wenn Ihr es nicht glaubt, hier
habt Ihr es schriftlich!« Er zog das Dokument aus dem Gürtel und
reichte es Wulf, der es las und kopfschüttelnd an seine Gemahlin und
seinen Schwager weiterreichte.
»Erst Mord, dann Reichsverrat. Was wollt Ihr uns als nächstes
vorwerfen? Sie sind beide unschuldig, so wahr ich es sage. Und das Wort
eines Streitzigs ist ein Ehrenwort!«
»Schweigt still, Hochgeboren! Ihr selbst waret wie Euer Hauptmann auch
Knappe des Verräters Paske von Roßhagen, des früheren Grafen von
Ochsenwasser! Glaubt Ihr etwa, dass Euer Wort in dieser Angelegenheit
auch nur einen Pfifferling wert ist?«
»Was fällt Euch ein?« herrschte Wulf den Hauptmann an. »Meine
ehrenwerte Frau Mutter starb fand durch die Hand des verräterischen
Answinistenpacks, und ihr bezichtigt mich, selbst dazuzugehören?
Untersteht Euch!«
»Ich habe meine Befehle. Alle Anverwandten der Alruna Nella von
Aschenfeld sind festzusetzen und zur Aburteilung nach Rommilys zu
geleiten.« Kolran wandte sich an Cern und Sinya. »Entweder Ihr
begleitet mich freiwillig, oder ich muss Euch in Ketten legen lassen!«
»Das ist ein Hohn«, schimpfte Cern. Währenddessen öffnete sich die Tür
der Hohen Halle, und Jessa Alt Tern, Söldnerführerin und Korgeweihte am
Uslenrieder Hof, trat ein, gefolgt von vier Soldaten der barönlichen
Leibgarde. Irritiert drehte sich Hauptmann Kolran von Treuenbrück um
und zuckte innerlich zusammen, als er die Kämpfer des Barons erblickte.
Zwei seiner königlichen Soldaten zogen bereits ihre Schwerter, Jessa
tat es ihnen gleich. Die Leibgardisten drängten sich durch die
königlichen Soldaten, um ihre Herrschaften zu schützen.
Meister Datierlich, der erste Schreiber, nahm den Baron beiseite. »Mit
Verlaub, Hochgeboren«, flüsterte er ihm zu, »es erscheint mir
sinnvoller, diese leidige Zusammenkunft nicht eskalieren zu lassen.
Dennoch müssen wir uns bemühen, eine Klärung der Vorwürfe
herbeizuführen. Wenn mich nicht alles täuscht, hat der werte Hauptmann
noch nicht einmal erwähnt, worin der Reichsverrat bestehen soll. Und so
ist jener Punkt doch ein arg vage Anschuldigung, findet Ihr nicht?«
»Was gibt es da zu tuscheln?« fuhr Hauptmann Kolran dazwischen.
Auf einen Wink von Wulf hin straffte sich Meister Datierlich. »Sagt,
Herr Hauptmann, hättet Ihr wohl die Güte, uns zu berichten, worin der
Reichsverrat bestehen soll?«
Kolran von Treuenbrück wurde unruhig, uns sein Gesicht rötete sich.
Genaugenommen wusste er auch nicht recht, wie die genaue Anklage
lautete. Mochte ihm dies nun zum Verhängnis werden? »Das weiß ich nicht
genau«, entgegnete er daher.
»Soso, dass wisst Ihr also nicht«, sinnierte Wulf.
»Und wenn ihr dies nicht wisst, so seid ihr doch nur eine von des
Staatsrates Mirhamionetten« ergänzte Sinya, und Cern setzte noch einen
drauf: »Ein Befehlsempfänger des Marschalls, der nur handelt, aber
nicht selber denkt. Ein Soldat, der seine Befehle ohne zu fragen
ausführt.«
Kolran wurde rot, beherrschte sich aber. »Es ist genug«, sagte er
schließlich. »Führt sie ab!« Zögerlich näherten sich die Soldaten,
während die Uslenrieder abwarteten. Die fragenden Blicke seiner
Leibgarde beantwortete Wulf mit einem Kopfschütteln.
Als die Soldaten Sinya fast erreicht hatten, wurde die Hohe Halle
schlagartig von dichtem Nebel erfüllt. Fünf graue Schatten huschten
zielstrebig durch die eintretende Verwirrung, und Hauptmann Kolran
hatte dass ungute Gefühl, dass die Angelegenheit gewaltig aus dem Ruder
zu laufen drohte. Seine Soldaten verloren wie er selbst die Übersicht
über das was geschah. Die Schatten stießen die Soldaten zur Seite, und
neben Sinya flüstere eine vertraute Stimme »Keine Angst. Folge mir!«.
Sinya spürte, wie ihr ein Mantel um die Schultern gelegt wurde. Jemand
ergriff ihre Hand und zog sie mit sich. So schnell wie sie gekommen
waren huschten die Schatten auch wieder von dannen.
Als der Nebel sich gelichtet hatte, war Sinya verschwunden. Hauptmann
Kolran von Treuenbrück brauchte einen Moment, bis er das Ausmaß der
Ereignisse wirklich begriff. »Dies ist nun wohl ein weiterer Fall von
Verrat, ja ein Schuldeingeständnis, will ich meinen!«
»Wer schuldig ist oder nicht mag ein Gericht feststellen, nicht Ihr«
entgegnete Datierlich.
»Oder die Zwölfe mögen dies in einem Götterurteil entscheiden« sprach
Jessa, und Wulf nickte zustimmend.
»Es ist mir gleich«, antwortete Kolran. »Dies alles wird zu Rommilys zu
klären sein.«
»Ich werde mitgehen«, antwortete Cern, auch wenn ihm nicht wohl bei dem
Gedanken war. Sinya war in Sicherheit, und seine Schwester wusste auf
sich aufzupassen. Alles weitere würde sich finden.
»Das wirst Du nicht! Hast Du eine Vorstellung davon, was Dich
erwartet?« Wulf war entschlossen, Cern sein Vorhaben auszureden.
»Es geht um die Ehre der Familie«, entgegnete Cern. »Du weißt selbst,
wie wichtig diese ist, schließlich hast Du oft genug davon gesprochen.
Bedenke, dass die Familie Aschenfeld zwar nicht so bedeutend ist wie
das Haus Streitzig, aber doch eines der älteren darpatischen Häuser
ist. Und wenn die alten Häuser nicht mehr zu den althergebrachten
Sitten stehen, wie sollten dass die jungen Adelsfamilien dann erst
können?«
Wulf nicke betrübt. Innerlich wusste er, dass Cern recht hatte, doch
trotzdem hätte es gerne verhindert. Doch Cern war alt genug, über sein
Schicksal selbst zu bestimmen, und es stand Wulf nicht zu, über
Aschenfelder Familienangelegenheiten zu entscheiden. »Wenn es Dein
fester Wille ist, so geh. Doch ich hoffe sehr, dass ich Dich alsbald
wiedersehe!«
»Das, Hochgeboren, habt Ihr ebenso wenig zu entscheiden wie ich«,
mischte Kolran sich ein. »Ich kann mir freilich vorstellen, dass dies
ein wahrlich sehr unangenehmer Augenblick ist. Doch diese Misere habt
Ihr Euch selbst eingebrockt. So die Götter wollen, mag dies alles noch
zu einem gutem Ende kommen, wenngleich Eure Gemahlin alles andere getan
hat als die Umstände aufzuklären.«
»Meine Gemahlin hat getan, was sie für richtig gehalten hat, und Ihr
tut, was ihr für richtig haltet, wenngleich dies falsch ist. Doch Ihr
müsst wissen, was ihr tut. Oder wisst Ihr nur, wem Ihr blindlings zu
gehorchen habt?« Alle Abscheu und Verachtung, die Wulf gegenüber
Marschall und Staatsrat aufzubringen vermochte, schwang in den letzten
Worten mit, ebenso wie die Sorge um Sinya.
Kolran von Treuenbrück versuchte die Fassung zu wahren. »Ihr solltet
aufpassen, was ihr sagt, und auch wie ihr es sagt.« Es war schon
schlimm genug, seine Mission nur halb erfüllt zu haben. und es war ihm
bereits klar, dass er die andere Hälfte kaum mehr erfüllen würde. Das
Verschwinden der Baronsgemahlin war nicht mit rechten Dingen vor sich
gegangen, doch darüber würde er in Gareth Bericht erstatten. Um dieses
Vorfall sollten sich andere kümmern.
Derweil hatten die Soldaten Cern die Waffen abgenommen, den Wappenrock
ausgezogen und ihm die Hände gebunden. Er fühlte sich sichtlich unwohl
in seiner Haut, und die Unwissenheit um das, was geschehen würde, trug
ein übriges zu seinem üblen Befinden bei. Dennoch versuchte er, die
Situation mit Fassung zu tragen, was ihm jedoch nur schwerlich gelang.
»Abrücken!« befahl Kolran, und die Soldaten nahmen Cern in ihre Mitte
und führten ihn aus der hohen Halle.
»Wehe Euch, wenn ihm etwas geschieht!« sagte Wulf.
»Das soll nicht Eure Sorge sein. Und richtet Eurer Gemahlin aus, dass
es besser für sie wäre, sich zu stellen!« Kolran wandte sich ab. »Halt,
noch etwas: Kommt ja nicht auf dumme Gedanken; bedenkt, dass ihre
Exzellenzen um die Vorfälle weiß. Wenn Ihr einen wohlmeinenden Rat
wollt: Wartet ab. Wenn ihr die Wahrheit gesprochen habt, werden sich
die Vorfälle wohl alsbald aufklären, wenngleich Eure Gemahlin nicht
gerade dazu beigetragen hat. Das wiederum könnte schwerwiegende Folgen
haben, doch das vermag ich nicht zu entscheiden.«
Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, winkte Wulf seine
Leibgarde heran. »Ihr werdet Hauptmann von Treuenbrück mit vier Mann
bis an die Grenzen Uslenrieds begleiten; ich will nicht, dass unnötig
Unruhe und Aufruhr gestiftet werden. Doch lasst sie in Frieden ziehen
und behelligt sie nicht; wir wollen hoffen, dass dieser Spuk alsbald
ein Ende haben wird. Leutnant Gerhold, Ihr übernehmt derweil die
Aufgaben von Hauptmann von Aschenfeld. Auf, an die Arbeit!« Die
Leibgardisten verließen den Raum. Datierlich, Jessa und Wulf blieben
allein zurück.
Die Korgeweihte warf ihrem Soldherrn einen fragenden Blick zu, den Wulf
mit einem leichten Nicken beantwortete. Sie kannten sich inzwischen
lange genug, um strategische Belange mittels Blicken klären zu können,
und dieser Befehl war mehr als eindeutig gewesen. Jessa verließ den
Saal und eilte aus der Burg hinunter ins Söldnerquartier. Dort packte
sie ihre Sachen zusammen, sattelte ihren Rappen und machte sich auf den
Weg, ihren Auftrag zu erfüllen.
'''ENDE




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[[Kategorie:Geschichten Waldstein|Uslenried]]
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[[Kategorie:Geschichten 1026 BF|04-16]]
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Version vom 9. Juli 2007, 12:08 Uhr

»Ihr seid des gemeinschaftlichen Mordes an ihrer Hochgeboren der Baronin von Aschenfeld angeklagt!«

Wulf glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, als die Worte des Hauptmanns in seinem Kopf nachklangen. So bemerkte er nicht, wie Meister Datierlich, sein erster Schreiber, just bei den Worten des Hauptmannes mit hochrotem Kopf in die Halle gelaufen kam und beinahe wieder rückwärts herausgestolpert wäre, als er die Anklage vernahm. Schnell fing er sich jedoch wieder, eilte hinaus und sah nach Storko, der noch vor der Hohen Halle herumlungerte.

»Schnell, Storko, verständige die Leibgarde! Sie sollen schnellstens herkommen!«. Der Knecht stellte keine weitere Fragen und stürmte von dannen. Datierlich lief zurück in die Hohe Halle, drängelte sich an den Soldanten vorbei und stellte sich neben seinen Dienstherrn.

Die ungeheuerliche Anschuldigung zog einige lange Augenblicke sprachlosen Erstaunens nach sich, bis Sinya schließlich die Frage nachfragte. »Wir sollen unsere Mutter ermordet haben?«

Hautpmann Kolran von Treuenbrück nickte.

»So ein Unsinn«, schimpfte Cern. »Mutter starb während der Blutnacht, und wir waren hier auf der Burg. Was soll dieses Gerede? Wollt ihr allen Ernstes behaupten, das wir unser eigen Fleisch und Blut ermorden?« Er war außer sich und musste sich beherrschen, den Hauptmann nicht anzuschreien.

»Leugnen ist zwecklos. Eure Geschwister sind bereits überführt und festgesetzt. Die Anklage lautet auf Mord...«

»Das ist lächerlich!« herrschte Wulf ihn an.

»...und Reichsverrat«, ergänzte Kolran. »Wenn Ihr es nicht glaubt, hier habt Ihr es schriftlich!« Er zog das Dokument aus dem Gürtel und reichte es Wulf, der es las und kopfschüttelnd an seine Gemahlin und seinen Schwager weiterreichte.

»Erst Mord, dann Reichsverrat. Was wollt Ihr uns als nächstes vorwerfen? Sie sind beide unschuldig, so wahr ich es sage. Und das Wort eines Streitzigs ist ein Ehrenwort!«

»Schweigt still, Hochgeboren! Ihr selbst waret wie Euer Hauptmann auch Knappe des Verräters Paske von Roßhagen, des früheren Grafen von Ochsenwasser! Glaubt Ihr etwa, dass Euer Wort in dieser Angelegenheit auch nur einen Pfifferling wert ist?«

»Was fällt Euch ein?« herrschte Wulf den Hauptmann an. »Meine ehrenwerte Frau Mutter starb fand durch die Hand des verräterischen Answinistenpacks, und ihr bezichtigt mich, selbst dazuzugehören? Untersteht Euch!«

»Ich habe meine Befehle. Alle Anverwandten der Alruna Nella von Aschenfeld sind festzusetzen und zur Aburteilung nach Rommilys zu geleiten.« Kolran wandte sich an Cern und Sinya. »Entweder Ihr begleitet mich freiwillig, oder ich muss Euch in Ketten legen lassen!«

»Das ist ein Hohn«, schimpfte Cern. Währenddessen öffnete sich die Tür der Hohen Halle, und Jessa Alt Tern, Söldnerführerin und Korgeweihte am Uslenrieder Hof, trat ein, gefolgt von vier Soldaten der barönlichen Leibgarde. Irritiert drehte sich Hauptmann Kolran von Treuenbrück um und zuckte innerlich zusammen, als er die Kämpfer des Barons erblickte.

Zwei seiner königlichen Soldaten zogen bereits ihre Schwerter, Jessa tat es ihnen gleich. Die Leibgardisten drängten sich durch die königlichen Soldaten, um ihre Herrschaften zu schützen.

Meister Datierlich, der erste Schreiber, nahm den Baron beiseite. »Mit Verlaub, Hochgeboren«, flüsterte er ihm zu, »es erscheint mir sinnvoller, diese leidige Zusammenkunft nicht eskalieren zu lassen. Dennoch müssen wir uns bemühen, eine Klärung der Vorwürfe herbeizuführen. Wenn mich nicht alles täuscht, hat der werte Hauptmann noch nicht einmal erwähnt, worin der Reichsverrat bestehen soll. Und so ist jener Punkt doch ein arg vage Anschuldigung, findet Ihr nicht?«

»Was gibt es da zu tuscheln?« fuhr Hauptmann Kolran dazwischen.

Auf einen Wink von Wulf hin straffte sich Meister Datierlich. »Sagt, Herr Hauptmann, hättet Ihr wohl die Güte, uns zu berichten, worin der Reichsverrat bestehen soll?«

Kolran von Treuenbrück wurde unruhig, uns sein Gesicht rötete sich. Genaugenommen wusste er auch nicht recht, wie die genaue Anklage lautete. Mochte ihm dies nun zum Verhängnis werden? »Das weiß ich nicht genau«, entgegnete er daher.

»Soso, dass wisst Ihr also nicht«, sinnierte Wulf.

»Und wenn ihr dies nicht wisst, so seid ihr doch nur eine von des Staatsrates Mirhamionetten« ergänzte Sinya, und Cern setzte noch einen drauf: »Ein Befehlsempfänger des Marschalls, der nur handelt, aber nicht selber denkt. Ein Soldat, der seine Befehle ohne zu fragen ausführt.«

Kolran wurde rot, beherrschte sich aber. »Es ist genug«, sagte er schließlich. »Führt sie ab!« Zögerlich näherten sich die Soldaten, während die Uslenrieder abwarteten. Die fragenden Blicke seiner Leibgarde beantwortete Wulf mit einem Kopfschütteln.

Als die Soldaten Sinya fast erreicht hatten, wurde die Hohe Halle schlagartig von dichtem Nebel erfüllt. Fünf graue Schatten huschten zielstrebig durch die eintretende Verwirrung, und Hauptmann Kolran hatte dass ungute Gefühl, dass die Angelegenheit gewaltig aus dem Ruder zu laufen drohte. Seine Soldaten verloren wie er selbst die Übersicht über das was geschah. Die Schatten stießen die Soldaten zur Seite, und neben Sinya flüstere eine vertraute Stimme »Keine Angst. Folge mir!«.

Sinya spürte, wie ihr ein Mantel um die Schultern gelegt wurde. Jemand ergriff ihre Hand und zog sie mit sich. So schnell wie sie gekommen waren huschten die Schatten auch wieder von dannen.

Als der Nebel sich gelichtet hatte, war Sinya verschwunden. Hauptmann Kolran von Treuenbrück brauchte einen Moment, bis er das Ausmaß der Ereignisse wirklich begriff. »Dies ist nun wohl ein weiterer Fall von Verrat, ja ein Schuldeingeständnis, will ich meinen!«

»Wer schuldig ist oder nicht mag ein Gericht feststellen, nicht Ihr« entgegnete Datierlich.

»Oder die Zwölfe mögen dies in einem Götterurteil entscheiden« sprach Jessa, und Wulf nickte zustimmend.

»Es ist mir gleich«, antwortete Kolran. »Dies alles wird zu Rommilys zu klären sein.«

»Ich werde mitgehen«, antwortete Cern, auch wenn ihm nicht wohl bei dem Gedanken war. Sinya war in Sicherheit, und seine Schwester wusste auf sich aufzupassen. Alles weitere würde sich finden.

»Das wirst Du nicht! Hast Du eine Vorstellung davon, was Dich erwartet?« Wulf war entschlossen, Cern sein Vorhaben auszureden.

»Es geht um die Ehre der Familie«, entgegnete Cern. »Du weißt selbst, wie wichtig diese ist, schließlich hast Du oft genug davon gesprochen. Bedenke, dass die Familie Aschenfeld zwar nicht so bedeutend ist wie das Haus Streitzig, aber doch eines der älteren darpatischen Häuser ist. Und wenn die alten Häuser nicht mehr zu den althergebrachten Sitten stehen, wie sollten dass die jungen Adelsfamilien dann erst können?«

Wulf nicke betrübt. Innerlich wusste er, dass Cern recht hatte, doch trotzdem hätte es gerne verhindert. Doch Cern war alt genug, über sein Schicksal selbst zu bestimmen, und es stand Wulf nicht zu, über Aschenfelder Familienangelegenheiten zu entscheiden. »Wenn es Dein fester Wille ist, so geh. Doch ich hoffe sehr, dass ich Dich alsbald wiedersehe!«

»Das, Hochgeboren, habt Ihr ebenso wenig zu entscheiden wie ich«, mischte Kolran sich ein. »Ich kann mir freilich vorstellen, dass dies ein wahrlich sehr unangenehmer Augenblick ist. Doch diese Misere habt Ihr Euch selbst eingebrockt. So die Götter wollen, mag dies alles noch zu einem gutem Ende kommen, wenngleich Eure Gemahlin alles andere getan hat als die Umstände aufzuklären.«

»Meine Gemahlin hat getan, was sie für richtig gehalten hat, und Ihr tut, was ihr für richtig haltet, wenngleich dies falsch ist. Doch Ihr müsst wissen, was ihr tut. Oder wisst Ihr nur, wem Ihr blindlings zu gehorchen habt?« Alle Abscheu und Verachtung, die Wulf gegenüber Marschall und Staatsrat aufzubringen vermochte, schwang in den letzten Worten mit, ebenso wie die Sorge um Sinya.

Kolran von Treuenbrück versuchte die Fassung zu wahren. »Ihr solltet aufpassen, was ihr sagt, und auch wie ihr es sagt.« Es war schon schlimm genug, seine Mission nur halb erfüllt zu haben. und es war ihm bereits klar, dass er die andere Hälfte kaum mehr erfüllen würde. Das Verschwinden der Baronsgemahlin war nicht mit rechten Dingen vor sich gegangen, doch darüber würde er in Gareth Bericht erstatten. Um dieses Vorfall sollten sich andere kümmern.

Derweil hatten die Soldaten Cern die Waffen abgenommen, den Wappenrock ausgezogen und ihm die Hände gebunden. Er fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut, und die Unwissenheit um das, was geschehen würde, trug ein übriges zu seinem üblen Befinden bei. Dennoch versuchte er, die Situation mit Fassung zu tragen, was ihm jedoch nur schwerlich gelang.

»Abrücken!« befahl Kolran, und die Soldaten nahmen Cern in ihre Mitte und führten ihn aus der hohen Halle.

»Wehe Euch, wenn ihm etwas geschieht!« sagte Wulf.

»Das soll nicht Eure Sorge sein. Und richtet Eurer Gemahlin aus, dass es besser für sie wäre, sich zu stellen!« Kolran wandte sich ab. »Halt, noch etwas: Kommt ja nicht auf dumme Gedanken; bedenkt, dass ihre Exzellenzen um die Vorfälle weiß. Wenn Ihr einen wohlmeinenden Rat wollt: Wartet ab. Wenn ihr die Wahrheit gesprochen habt, werden sich die Vorfälle wohl alsbald aufklären, wenngleich Eure Gemahlin nicht gerade dazu beigetragen hat. Das wiederum könnte schwerwiegende Folgen haben, doch das vermag ich nicht zu entscheiden.«

Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, winkte Wulf seine Leibgarde heran. »Ihr werdet Hauptmann von Treuenbrück mit vier Mann bis an die Grenzen Uslenrieds begleiten; ich will nicht, dass unnötig Unruhe und Aufruhr gestiftet werden. Doch lasst sie in Frieden ziehen und behelligt sie nicht; wir wollen hoffen, dass dieser Spuk alsbald ein Ende haben wird. Leutnant Gerhold, Ihr übernehmt derweil die Aufgaben von Hauptmann von Aschenfeld. Auf, an die Arbeit!« Die Leibgardisten verließen den Raum. Datierlich, Jessa und Wulf blieben allein zurück.

Die Korgeweihte warf ihrem Soldherrn einen fragenden Blick zu, den Wulf mit einem leichten Nicken beantwortete. Sie kannten sich inzwischen lange genug, um strategische Belange mittels Blicken klären zu können, und dieser Befehl war mehr als eindeutig gewesen. Jessa verließ den Saal und eilte aus der Burg hinunter ins Söldnerquartier. Dort packte sie ihre Sachen zusammen, sattelte ihren Rappen und machte sich auf den Weg, ihren Auftrag zu erfüllen.


ENDE


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