Geschichten:Verhandlungen - Praios' Auge sieht alles: Unterschied zwischen den Versionen

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Ciarda von Firunslicht-Oppstein nickte ihm noch einmal zu, sah hinüber zu ihren Reitern und winkte sie mit sich, bevor die ganze Truppe aus dem Tor in die blutige Röte der einsetzenden Dämmerung hinaus stob.
Ciarda von Firunslicht-Oppstein nickte ihm noch einmal zu, sah hinüber zu ihren Reitern und winkte sie mit sich, bevor die ganze Truppe aus dem Tor in die blutige Röte der einsetzenden Dämmerung hinaus stob.


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Version vom 4. Oktober 2012, 18:28 Uhr

Dramatis personae:


Burg Perlenblick, 21. Rahja 1034 BF

Aldron stieg aus dem Sattel seines Rappen und warf der Stallmagd die Zügel zu. Um ihn herum begannen die Männer und Frauen seiner Eskorte sich ihrerseits zu den Ställen der ehemals fürstlichen Sommerresidenz zu begeben, um ihre Reittiere zu versorgen. Der junge Hauptmann und Ritter Jarin von Birkenbruch hatte die Ankunft des Heermeisters schon erwartet und eilte nun über den Hof auf diesen zu. Als der Firunslichter sich ihm zu wandte, begann sein ehemaliger Knappe schon in einigen Schritt Entfernung zu sprechen.

„Ihr werdet erwartet. Die Baronin ist hier und wünscht Euch – und nur Euch – zu sprechen.“

Aldron zog die Handschuhe aus und deutete zum Haupthaus des Palastes. Jarin reihte sich neben ihm ein und berichtete weiter, während beide sich auf den Weg machten.

„Sie hat den Hassloch – wenn ihr den Ausdruck erlaubt – ganz schön zusammengefaltet, als er sich um ihr Anliegen kümmern wollte. Nach Thannfest wollte sie auch nicht zurückkehren – ihres Alters wegen. Die Landjunkerin beherbergt sie jetzt seit einigen Tagen als Gast.“

Die Stirnfalte des Heermeisters wölbte sich etwas mehr. „Aussage zum Grund?“

Jarin schüttelte den Kopf. „Nein, aber ihre Ankunft fällt auf den Tag nach dem hiesigen Bekanntwerden der Sache in Wasserburg …“

Er musste Acht geben, als sein Herr und Gönner abrupt stehen blieb und nachdenklich ins Leere zu blicken schien. „Was schreibt Keres?“

Jarin schüttelt den Kopf. „Kein Schreiben, mündlich: Sie haben den Baron in einem Gasthaus festgesetzt und gezwungen, einen Vasallen als Zuständigen zu ermächtigen. Tikaris hat den Junker von Kelsenburg, diesen Marnion, eingesetzt, der Keres wohl bereitwillig unterstützt hat.“

Aldron brummte kurz, nickte dann aber knapp. „Melde ihrer Hochgeboren, ich werde in einem Viertel Maß bereit sein, mit ihr zu sprechen. Und schick danach meine Nichte zu mir. Und Hassloch soll seinen Ausbildungs-Rapport für heut Abend vorbereiten. Soldlisten morgen Vormittag. “

Jarin nickte und sprintete Aldron voraus die Freitreppe zum Palas hinauf.

***

„Ich bedaure, dass Ihr warten musstet, Euer Hochgeboren.“ Aldron ging auf die ehemalige Gouverneurin der Stadt des Lichtes zu, als sie von einer Zofe der Landjunkerin gestützt in den Raum geleitet wurde. „Ich war am Pass.“

Efferdane von Ehrenstein ließ sich einen der Stühle bereithalten um sich etwas umständlich zu setzen. Eher trocken und verschlossen gab sie zurück.

„Ich kann Euch keinen Vorwurf machen, dass Ihr Euch um das Euch anvertraute Lehen kümmert. Das ist Eure Pflicht vor Praios.“ Sie wartete, bis die Zofe sich zurückgezogen hatte und beide unter sich waren. „Ich frage mich allerdings, ob ihr Euch nicht um zu viele Dinge kümmert. Mir sind da Vorfälle zu Ohren gekommen, die mich veranlasst haben, umgehend aufzubrechen, um mir Eure Seite der Geschichte anzuhören .“

Aldron hatte sich derweil auch auf einem der Stühle niedergelassen, auf denen sonst oft seine Offiziere saßen. „Aus Wasserburg“, stellte er nüchtern fest.

Efferdane hob den Kopf leicht an und fixierte ihr Gegenüber mit festem Blick. Mit etwas Mißbilligung bestätigte sie: „Ja, aus Wasserburg. Was stimmt an den Gerüchten, die teilweise behaupten, ihr habet eigenmächtig den wasserburger Baron absetzen und verhaften lassen?“

Die immerwährende Stirnfalte des Firunslichters gewann in seiner Mimik wieder deutlich an Gewicht.

„Wenig“, brummte er. Einen Atemzug später setzte er dann auf ihre gehobenen Augenbrauen hin fort: „Es gab eine Konfrontation zwischen einem von mir beauftragten Offizier und dem Baron. Um seinen Auftrag zu erfüllen, hat Ersterer keinen anderen Weg gesehen als harsche Mittel anzuwenden. Aber nach dem, was mir gemeldet wurde, ist der Tikaris weder in Haft, noch übt irgendwer nicht von ihm bestalltes außer ihm selbst irgendwelche Geschäfte der Baronie aus.“

Efferdane musterte den Heermeister, sich offenbar fragend, ob er etwas verbarg. Prüfend hakte sie nach: "Ihr sagt also, dass dieser Leutnant Cordovan von Keres nicht wider allen Rechts in Belange eines bestallten Barons eingegriffen hat? Ihn mit Waffengewalt gezwungen hat, einen seiner Spießgesellen in ein Amt zu heben? Das mithin wäre Hämmern an den Grundfesten der Ordnung ..." Ihre Stimme trug bei diesen Worten anklagende Schärfe mit sich und sie musterte den Firunslichter streng.

Aldron hielt dem Blick stand und seine Miene blieb recht regungslos. "Was ich sage ist, dass ich einen meiner Offiziere zu den Vasallen des Markgrafen ausgesandt habe, um zu erheben, wie es um deren Bereitschaft zur bewaffneten Lehensfolgepflicht bestellt ist und dieser in Wasserburg von einem dieser Vasallen nicht einmal angehört wurde. Ich wurde vom Markgrafen mit allen Befugnissen betraut, die sein bewaffnetes Aufgebot im Kriegsfall betreffen. Und eine einsatzfähige Landwehr gehört dazu und muss von den Baronen im Zuge ihrer Lehenspflicht bereit gestellt werden."

Er machte eine kurze Pause.

"Ich erzähle Euch nichts Neues, Hochgeboren. Nur scheint es mir nach bisherigem Wissensstand derart, dass der Baron von Wasserburg noch nicht ganz mit den Gepflogenheiten der Adelshierarchie vertraut ist und sich noch in die Pflichten einfinden muss, die ein Lehen mit sich bringt."

Efferdane hörte genau zu, nickte einmal leicht und wiegte den Kopf. Als er geendet hatte, erwiderte sie: "Das mag so sein. Dennoch ist er Baron und damit allein verantwortlich für sein Lehen. Es ist - und gerade nach dem Inkrafttreten der Urkunde von Ochsenblut - nicht Sache des stehenden Heeres, sich in barönliche Belange einzumischen."

Aldron hob die Hand, um anzudeuten, dass er dazu schon etwas sagen wollte. "Ich spreche nicht als Befehliger der markgräflichen Regimenter, Hochgeboren. Ich spreche als Inhaber der markgräflichen Befugnisse bezüglich der Heeresfolgepflicht. Seine Erlaucht Rondrigan Paligan selbst hat mich bestallt, an seiner Statt alle militärische Macht auszuüben, da seine Aufgaben für das Reich viel seiner Zeit und Anwesenheit erfordern. So ist es damals beurkundet worden. Wenn sich ein Zordian von Tikaris dann anschickt, einen von mir geschickten Offizier zu ignorieren muss ihm auch klar sein, dass er sich damit gegen seinen Lehnsherrn stellt. So eine Auflehnung werde ich nicht akzeptieren. Denn auch das wäre Hämmern an den Grundfesten der Ordnung."

Efferdanes Mundwinkel zuckten kurz, bevor sie immer noch ernst aber mit weniger Schärfe als zuvor erwiderte: "Die Ordnung muss gewahrt bleiben und Gesetz muss Gesetz bleiben. Dazu gehört aber auch die Wahrung der Vorrechte des Adels. Das Reich kennt die Praios gefällige Lehensordnung und ist keine südliche Despotie. Vergeßt das nicht! Euer Pflichtbewußtsein kann sich sonst auch gegen Euch wenden."

"Kein Grund zur Mahnung. Ich kenne die Gepflogenheiten und werde mich der Sache auch noch annehmen. Allerdings werde ich nichts tun, was in irgendeiner Weise Zweifel aufkommen lassen könnte, dass der Markgraf bemüht und willens ist, seine Provinz zu verteidigen - und dass mein Name für diese Bemühungen steht und ebenso die markgräflichen Farben und meine Offiziere."

Aldron lehnte sich zurück und sprach dann mit weniger Nachdruck weiter.

"Unter uns: Ich werde noch heute jemanden beauftragen, die Sache zu untersuchen und notfalls einzugreifen. Aber wenn die bisherigen Berichte sich nicht als lückenhaft herausstellen, stehe ich zu meinem Untergebenen. Ihn offen abzustrafen für seinen Eifer, markgräflichen Willen durchzusetzen, halte ich für das falsche Signal, selbst wenn er seinen Auftrag zu weit ausgelegt hat. Wir wissen nicht, wie viel Zeit uns Haffax noch gibt und haben im Zweifel keine Zeit für lange Diskussionen."

Nach diesen Worten breiteten sich einige Augenblicke der Stille aus, nur unterbrochen vom fauchenden Blaken einer der Kerzen. Dann schließlich hob Efferdane wieder die Stimme.

"Nun gut. Ich sehe, Ihr seid Euch Eurer Verantwortung bewußt und werdet das regeln. Aber ich halte ein Auge auf Euch ... und Eure Heißsporne im blauen Rock. Einen zweiten Tälerort werde ich nicht akzeptieren!"

Aldron knurrte kurz. "Das war vor meiner Zeit und wir maßen uns nicht an, Gericht halten zu wollen außer über die Soldaten unseres jeweiligen Kommandos."

Efferdane nickte. "Dann verstehen wir uns." Sie machte eine kurze Pause entspannte sich dann deutlich. "Mit der fehlenden Zeit gebe ich Euch recht. Laßt also uns gleich jetzt über Eure Pläne gegen Haffax sprechen und was davon Bergthann betrifft. Ihr werdet Euren Sitz kaum zufällig in Perlenblick gewählt haben und ich bin durchaus auch bereit, Euch erneut meinen Teil an Landwehr zu stellen."

Aldron nickte. "Gut. Wenn ihr die Pflichtigen frühzeitig meldet, haben wir hoffentlich die Möglichkeit, sie vernünftig auszubilden und zu rüsten für das Kommende." Aldron stand auf. "Ich rufe meinen Adjutanten zum Protokollieren …"

***

Noch am gleichen Abend sattelten die Reiter einer Lanze der dritten Grenzreiterschwadron ihre Rösser. Unter ihnen war auch ihre Rittmeisterin.

Ciarda zurrte etwas impulsiv den Sattelgurt ihres Wallaches fest, der das mit einem unwilligen Schnauben quittierte und unruhig zur Seite tänzelte.

"Halt still, wenn wir beide keinen Ärger miteinander bekommen wollen!", knurrte sie das Pferd an, das ihren Ärger roch und dadurch auch nicht gerade ruhiger wurde. Doch war sie am wenigsten auf den Rappen wütend. "Ich erwürg ihn eigenhändig ..."

Aus dem Schatten der Stallungen löste sich die Gestalt des heermeisterlichen Adjutanten.

"Ciarda, lass dich lieber nicht dazu hinreißen. Deinem Onkel ist daran gelegen, die Angelegenheit im Offizierskorp zu halten. Wenn du Cordovan erwürgst, wäre das nicht gerade hilfreich."

Die Rittmeisterin schnaubte. "Danke. Du hast den Einlauf ja nur mitbekommen, nicht erdulden müssen. Ich hab das Gefühl, ich habe Frostbeulen im Arsch."

Jarin schmunzelte. "Diesmal bin ich verschont geblieben, ja. Wenn du das so formulierst, behaupte ich mal, wird jemand anderem noch der Hintern im Stehen festfrieren."

Nachdem Ciarda sich in den Sattel geschwungen hatte, reichte er ihr eine Botentasche hinauf. "Hier, die Depeschen an die Löwenburg, deine Base und den Keres. Ein Brief an seine Frau ist auch dabei. Wenn es paßt bring den persönlich vorbei, sonst über Herrn Marbert. Mach dich jetzt los, damit ihr die Stadt noch erreicht. Den Papierkram für den Löwenhaupter schick ich morgen hinterher, das ist nicht so dringend."

Ciarda spuckte einmal auf das Pflaster des Burghofes. "Ich werd versuchen, mich zu beherrschen. Ich versprech aber nichts." Dann griff sie nach der Tasche und hängte sie über den Sattel. "Rondra mit dir, Jarin. Und krieg keinen Schnupfen."

Der junge Hauptmann grinste. "Bin abgehärtet. Rondra mit dir!"

Ciarda von Firunslicht-Oppstein nickte ihm noch einmal zu, sah hinüber zu ihren Reitern und winkte sie mit sich, bevor die ganze Truppe aus dem Tor in die blutige Röte der einsetzenden Dämmerung hinaus stob.