Geschichten:Dreihügeler Familienzusammenführung - Ungewohnte Aufmerksamkeit: Unterschied zwischen den Versionen

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|Autor=[[Benutzer:Robert O.|Keilholtz]]
|Autor=[[Benutzer:Robert O.|Keilholtz]]

Version vom 5. April 2013, 09:45 Uhr

Ungewohnte Aufmerksamkeit

Auf dem Weg von Wandleth nach Gareth, Mitte Praios 1036 BF

Die kleine Reisegesellschaft hielt sich ab Wandleth stets auf den sicheren Hauptstraßen und stark befahrenen Handelsstraßen. Ritter Wulfharts Wappenrock und mehr noch seine Lanze und sein Schwert sorgten dafür, dass sie nirgends lange aufgehalten wurden und etwaige Beutelschneider trotz des voll beladenen Wagens einen Bogen um sie machten. Obwohl die Wege recht sicher waren, begnügte sich der Greifenfurter nicht damit vorwegzureiten, sondern ließ sich auch immer wieder hinter den kleinen Tross zurückfallen um zu schauen, ob sich die Kisten durch das stete Rumpeln nicht verschoben hatten. Das war natürlich nur ein Vorwand, wie er sich nach einem halben Dutzend dieser Manöver zerknirscht selbst eingestand. Ein Vorwand, um unbemerkt einen Blick auf Rahjamundes Gesicht zu erhaschen, ohne dabei aufdringlich zu wirken, um ungezwungen ein paar belanglose Worte mit ihr wechseln zu können. Innerlich schalt er sich selbst und gemahnte sich den ritterlichen Anstand zu wahren, doch waren die Gefühle und Erinnerungen in ihm stärker als der anerzogene Ehrenkodex und so dauerte es kein weiteres halbes Stundenglas, bis er erneut den Schritt seines Pferdes verlangsamte und sich von dem von seinem Knappen gelenkten Wagen überholen ließ.

Wieder wanderte sein Blick zu der jungen Edeldame. Die langen dunkelblonden Haare, die vor Geist sprühenden braunen Augen, von vornehmer Blässe und jugendlicher Schönheit, groß gewachsen, doch gertenschlank und mit einer Stimme von alveranischer Sanftheit. Alles an Rahjamunde erinnerte Wulfhart schmerzhaft an seine lang verstorbene Frau, so wie er sie bei ihrem ersten Treffen kennengelernt hatte. Einen Moment lang fragte er sich, ob die Zwölfe ihm einen Streich spielen wollten, weil sie ihm nach fast zwölf Jahren, in denen er getrauert hatte und manchmal fast am Leben verzweifelt war, nun dieses Mädchen, das fast ein Spiegelbild seiner geliebten Holdwiep sein konnte, vor die Nase setzten. Dann aber kam ihm der Gedanke, dass die Götter nach so langer Zeit seine Gebete endlich erhört haben mochten und ihm das zurückgegeben hatten, was er auf Dere am meisten geliebt und vermisst hatte. Wulfharts Blick wanderte gen Alveran und er verharrte in stillem Gebet, bis sie am Abend ein Gasthaus erreichten, in dem sie für die Nacht unterkommen konnten. Der Ritter schickte Edelbrecht voraus, um zwei Zimmer für die Gruppe zu organisieren.

Als er Rahjamunde vom Kutschbock half, hob diese schüchtern den Blick und zögerte einen Moment. "Ritter Wulfhart? Verzeiht, wenn ich Euch damit behellige, aber ich hätte da eine Frage."

"Nur zu, fragt, was Euch auf dem Herzen liegt."

"Kann es sein, dass ich noch Schmutz aus der Werkstatt im Gesicht habe? Ihr habt mich heute den ganzen Tag so merkwürdig angeschaut und ich dachte mir, Ihr seid vielleicht nur zu höflich mich darauf hinzuweisen."

Ertappt senkte Wulfhart die Augen, was dazu führte, dass er ungewollt in den Ausschnitt von Rahjamundes Reisekleid starrte. Schnell berappelte er sich wieder und sah ihr in die Augen. "Aber nein, nichts dergleichen. Bitte entschuldigt meine Aufdringlichkeit, Ihr erinnert mich nur sehr an...", Wulfhart schluckte und unterbrach sich kurz, "...an eine Person, die ich einmal kannte. Sie ist schon vor langer Zeit verstorben."

"Oh, das wusste ich nicht." Das Unbehagen des Ritters war Rahjamunde nicht entgangen und sie schämte sich ein wenig wegen ihrer Vorwitzigkeit. "Bitte entschuldigt die Frage."

"Kein Anlass zur Sorge, hm." Wulfhart räusperte sich, um seiner Stimme einen festeren Klang zu geben. "Wie gesagt, der Fehler liegt bei mir."

Rahjamunde war sich nicht sicher, was sie von den Worten halten sollte. Während sie noch grübelte, bemerkte sie, dass sie noch immer die Hand des älteren Ritters ergriffen hielt, mit der er ihr vom Kutschbock geholfen hatte. Rasch zog sie die Hand zurück und errötete. "Ich... entschuldigt, ich hätte da noch eine Bitte an Euch. Wäre es vielleicht möglich, dass wir in Gareth einen Tag verweilen, wenn wir durchreisen? Ich habe in Wandleth so viele Leute von der Pracht der Kaiserstadt reden hören und würde sie mir gerne einmal selbst anschauen."

"Natürlich geht das." Wulfhart wusste, dass sie eigentlich in Kressenburg erwartet wurden. Aber schließlich gab es keine Frist und es lag ihm fern, der jungen Frau diesen Wunsch, oder irgendeinen anderen, wie er sich eingestand, abzuschlagen. "Ich bin selbst bereits einige Male dort gewesen und es wird mir eine Ehre sein, Euch die Schönheiten der Stadt zu zeigen."

"Habt Dank, Ritter Wulfhart." Die Edeldame senkte wieder schüchtern ihren Blick, so als hätte sie mit ihrer Frage zu viel gewagt. "Wärt Ihr wohl auch so freundlich Euren Knappen zu bitten, die kleine Reisetruhe auf mein Zimmer zu bringen? Ich fürchte mir ist sie zu schwer."

"Leuthardt, du hast die Dame gehört," wandte sich der Ritter ohne den Blick von ihr zu wenden zu seinem Knappen, der noch immer auf dem Kutschbock saß. "Und natürlich steht euch für die Reise mein Page zur Verfügung, um Euch zu Diensten zu sein. Ah, da ist er ja schon. Edelbrecht," rief er den Jungen an, der gerade aus der Tür des Gasthofes kam, "hat alles geklappt? Ja? Gut. Dann zeige der Dame ihr Zimmer. Du bleibst bei ihr und wirst ihren Wünschen Folge leisten. Kann ich sonst noch etwas für Euch tun, Rahjamunde?"

"Nein, nein." Abwehrend hob sie die Hände. "Ihr tut schon mehr als genug. Ich werde mich bis zum Abendessen zurückziehen und Euch nicht länger zur Last fallen." Rahjamunde war das Unbehagen ob der Aufmerksamkeit, die ihr entgegengebracht wurde, deutlich anzumerken. Wulfhart ließ sie mit Edelbrecht und Leuthardt vorausgehen und gestattete sich ein tiefes Seufzen, als sie außer Hörweite waren.