Geschichten:Keilholtzer Neuordnung - Ein wilder Märker: Unterschied zwischen den Versionen
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|Datum=07.07.1036 | |Datum=07.07.1036 |
Version vom 25. Oktober 2013, 10:12 Uhr
Baronie Eslamsroden, 7. Firun 1036 BF
Langsam ritt der Ritter durch das Schneegestöber, den Oberkörper leicht zusammengesunken um dem kalten Ostwind weniger Angriffsfläche zu bieten. Wind und Schnee hatten seinen dichten schwarzen Vollbart und die langen schwarzen Haare vollkommen weiß werden lassen. Hinter ihm folgte im Abstand von zwei Pferdelängen sein Knappe, der zudem das Packpferd am Zügel führte. Am Vortag hatten sie den Handelszug verlassen, den sie aus der ehemaligen Wildermark bis nach Reichsweg begleitet hatten. Die Krämer hatten das schlechte Wetter aussitzen wollen, doch der Ritter hatte es eilig. Zwölf lange Jahre war er im Reich umhergezogen. Von Donnerbach bis Punin und von Perricum bis Havena war er dabei gekommen. Zuletzt hatte er unter Prinz Ludalf in der Wildermark gekämpft und für die Kaiserin in der Märkischen Schlacht gefochten. Der Prinz war gefallen und die letzte Schlacht gewonnen. Die Wildermark existierte nicht mehr. Dafür gab es eine neue Markgrafschaft mit einer Rabenmunder Markgräfin, die noch dazu ihre Wurzeln in seiner Heimat Greifenfurt hatte. Der Ritter sah die sich selbst gestellte Aufgabe erfüllt. Nun wollte er endlich nach Hause.
Nur wenige Meilen trennten die beiden Reiter noch von Eslamsroden, der jüngeren der beiden Reichsstädte in den Greifenfurter Landen. Das Schneetreiben war dichter geworden, man konnte kaum zwanzig Schritt weit sehen. Die Wiesen rings herum waren tief unter Schneewehen begraben. Lediglich die Markierungssteine am Wegesrand zeigten ihnen, dass sie noch immer der Reichsstraße gen Westen folgten. Unvermittelt tauchte eine einzelne Gestalt vor ihnen auf, die sich beim Gehen auf einen dünnen Wanderstab stützte und eine Ledertasche an der Seite trug. Sie zügelten ihre Rösser, doch schien der Wanderer sie im ersten Moment nicht zu bemerken. Der Wind blies dem Mann ins Gesicht, so dass er nur alle paar Schritte einen kurzen Blick nach oben wagte. Das warnende Schnauben der Pferde ließ den Mann schließlich aufsehen.
„Praios zum Gruße, guter Mann.“ Der Ritter beugte sich leicht nach vorn und rief mit lauter Stimme, damit er über den starken Wind zu hören war. „Sagt, kommt ihr aus Eslamsroden?“ Er hoffte von dem Wanderer zu erfahren wie es um die weitere Straße vor ihm bestellt war. Immerhin hatte der Schneefall seit dem Morgen nicht nachgelassen und wenn die Schneewehen noch höher wurden, würde er absteigen und seinem Pferd den Weg bahnen müssen. Zu seiner Überraschung blieb der Fremde wie angewurzelt stehen und starrte einen Moment nur auf seinen Wappenschild. Der aufrechte schwarze Keil auf grünem Grund hob sich stark vom Weiß der Umgebung ab. Gerade als der Ritter von dem den Mann eine Antwort verlangen und ihn an die Gebote der Höflichkeit erinnern wollte, ließ dieser Stecken und Tasche fallen und rannte schreiend querfeldein gen Firun. Bevor der Ritter und sein Knappe die Überraschung noch verdaut hatten, war vom Flüchtenden nichts mehr zu sehen.
Der hoch aufgeschossene Jüngling schloss mit dem Packpferd auf und sah seinen Schwertvater fragend an, doch dieser konnte nur ratlos die Schultern heben. „Hol dir die Tasche und lass uns sehen ob wir aus ihrem Inhalt etwas erfahren können.“ Wenige Minuten später hatten sie die Pferde im Kreis um sich aufgestellt um sich vor dem Wind zu schützen. Tatsächlich förderte die Untersuchung der weggeworfenen Botentasche einige versiegelte Schriftstücke zu Tage.
„Was meint ihr Herr? Ein Bote der lieber nicht mit den Botschaften in Verbindung gebracht werden mochte die er überbringen sollte?“
„Das ist anzunehmen Gerion. Aber warum? Unsere Wappen, Waffen, Rüstungen und Pferde weisen uns als Edelmänner aus. Dieser Brief hier trägt das Siegel der Reichsstadt, jenes Schreiben dort das der Efferd-Kirche. Warum sollte ein Bote im Auftrag von Reich und Kirchen vor einem Ritter flüchten, der ihn arglos nach dem Woher und Wohin fragt. Wir sind doch nicht mehr in der Wildermark.“ Grübelnd drehte der Ritter die Briefe in seiner behandschuhten Hand bevor er sie schließlich zurück in die Mappe steckte und seinen Knappen hieß aufzusitzen. „Wir werden ihn bei diesem Wetter sowieso nicht wiederfinden, um ihn selbst danach zu fragen. Vielleicht bekommen wir ja in Eslamsroden eine Erklärung.“
Nach diesem Vorfall ließ der Schneesturm immer weiter nach und ein halbes Stundenglas später hatte man klare Sicht bis fast zum Horizont. Die Stadtmauern Eslamsrodens kamen in Sicht als sie eine Hügelkuppe überschritten und zugleich erkannten sie eine Gruppe Reiter, die ihnen von einem der nahen Gehöfte entgegen eilte. Sie waren schwer gerüstet und saßen auf ebenso schweren Schlachtrössern. Ein jeder trug einen Wappenschild, und der Heimkehrer erkannte zu seinem Erstaunen jedes einzelne von ihnen. Sogar das Wappen seiner eigenen Familie konnte er sehen. Es waren Ritter aus seiner Heimatbaronie Kressenburg. Doch was wollten sie alle hier bei Eslamsroden? Er zügelte sein Pferd, hob die Hand zum Gruß und erwartete sie.
„Wen sehen meine alten Augen!“ Wulfhart brachte seinen Kalten kurz vor dem Ritter und seinem Knappen zum Stehen. “Wulfhelm? Gütige Travia, hast du endlich genug von der Fremde gesehen und bist nach all der Zeit doch wieder nach Hause gekommen?“
„So ist es, großer Bruder.“ Ein trauriges Lächeln stahl sich auf die harten Züge weitgereisten Ritters. Vieles von dem was er erlebt und gesehen hatte, hatte keine schönen Erinnerungen zurückgelassen. „Nachdem Wildermark und Traviamark nun die Darpatische Mark geheißen werden und unser Prinz gefallen ist, da habe ich mich nach meiner eigenen Mark, nach Greifenfurt zurückgesehnt. Auch wenn ich nicht erwartet hätte, dass mich ein solches Aufgebot empfangen würde.“
„Du warst lange fort, kleiner Bruder, und einige Dinge haben sich geändert.“ Wulfhart deutet zur Reichsstadt hinüber. „Ich nehme an du wolltest hier bei einem guten Bier einkehren und dich für die letzten Meilen nach Kressenburg stärken? Daraus wird leider nichts werden. Mein Junge, Ardo, belagert die Stadt. Niemand darf rein oder raus und mit unserem Wappen auf der Brust würden sie dich dort drinnen wahrscheinlich sowieso gerade auf kleiner Flamme braten. Aber du und dein Begleiter seid in Travias Namen herzlich eingeladen in unserem Feldlager das Brot mit uns zu brechen. Der Hexenhainer Baron ist auch gerade zum Kriegsrat da und unser Bier ist allemal besser, als alles was sie in der Stadt noch haben dürften.“
Die übrigen Kressenburger bildeten ein Spalier, um Wulfhart, Wulfhelm und Gerion vorausreiten zu lassen. Noch während sie sich dem Gehöft näherten erkannte Wulfhelm keine hundert Schritt vor dem östlichen Stadttor eine Straßensperre und Soldaten mit dem Kressenburger Wappen. Eine Reichsstadt unter Belagerung? Durch seinen Neffen? Sein Bruder, ein ihm noch unbekannter Baron und die ganze Kressenburger Ritterschaft taten dabei mit? Für einen Moment fühlte er sich in die Wildermark zurückversetzt. Was war bloß in Greifenfurt passiert während er fort gewesen war?