Geschichten:Brennende Häuser - Vom Ritterstolz: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 25. Januar 2014, 07:00 Uhr

Reichsstadt Hartsteen, 22. Efferd 1032 BF


Der »Ritterstolz« platzte auch diesen Abend aus allen Nähten. Neben den Stammgästen, den fahrenden Kaufleuten und den gut betuchten Bürgern der Reichsstadt, war das Lokal in den letzten Wochen Anzugspunkt auch für Leute wie Burian geworden, der von den Reisenden die Neuigkeiten aus dem Umland frisch und aus erster Hand erfahren wollte. Sein dünnes Bier in der schwieligen Hand, denn mehr gab sein knappes Gehalt als Laufbursche des Seilers Ollenhauer nicht her, lauschte er auf der Holzbank, eng zwischen einen Kaufmann und eine Magd gequetscht, den Worten eines jungen Fuhrmannes.

»Keiner traut sich mehr aus den Häusern«, erzählte der junge Mann aufgeregt, die große Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wurde, sichtlich genießend. »Ich selber hatte großes Glück meine Cella und meinen Valpo heil hierher geführt zu haben. Auf meinem Weg nach Hirschenrode habe ich die verkohlten Überreste eines anderen Karrens gesehen, Krähen mit schwarzen Augen hatten sich auf dem Boronsrad daneben niedergelassen und schauten mir tief in die Seele, als wollte sie sagen: „Jobdan, spute dich und kehr um! Sie sind auch hinter dir her!“. Ein Schauer lief mir über den Rücken, aber ich musste ja weiter.«

Vereinzelt schlugen die Zuhörer Schutzzeichen des Borons, als ob sie den kalten Hauch Golgaris selbst gespürt hätten.

»In Hirschenrode selber herrschte große Angst. Ein Wanderprediger des Aves hatte den Markt erst vor wenigen Tagen erreicht und den Dörflern Kunde von den jüngsten Überfällen auf das Traviakloster und die Kaiserpfalz im Reichsforst gebracht. Verständlich, dass die Alten vor Angst heulten und die Kinder sich in den Bauernhäusern versteckten. Als ich den Ort erreichte kam mir keine Menschenseele entgegen. Nur ein Hund kläffte mich an und lief dann wieder fort. Beim Dorfwirt Kesslinger, wo ich sonst immer unterkomme, wenn ich Hirschenrode anfahre, machten sie erst nach langem Klopfen auf.«

Der Fuhrmann unterbrach seine Rede und nahm einen Schluck aus dem Bierkrug, den der Wirt des »Ritterstolzes« ihm wortlos wieder füllte.

»Und in der Nacht dann, der Wind pfiff durch die Häuser und peitschte Wolken vor das fahle Madamal, erwachte ich durch einen großen Lärm auf dem Dorfplatz. Ich raffte meine Sachen zusammen und lief hinaus zu den Dörflern. „Schnell! Schnell! Die Mühle brennt!«, riefen die Dörfler schon aufgeregt. Und wirklich, die Mühle, die ein bisschen abseits Richtung Oldenhorn liegt, stand in Flammen. Die großen Mühlräder leuchteten bis zu uns und der Wind stieb die Funken bis zu uns in das Dorf hinein.«

Jobdan machte eine Handbewegung und tat so, als würde er panisch die Funken, von denen er erzählte, von seinen Ärmeln abklopfen.

»Die Nacht schien in einen blutroten Tag verwandelt worden zu sein. Von überall kamen Frauen und Männer mit Wasserkübeln. Ich selbst griff nach einem Eimer, den mir der Wirt hinhielt. Alle rannten zum Dorfteich. Doch da kamen plötzlich auf der Dunkelheit diese zehn Reiter und hielten direkt auf uns zu. In ihren Händen brannten Pechfackeln, die sie furchterregend nach uns schlugen. Ich konnte mich gerade noch durch einen beherzten Sprung in ein Gebüsch am Wegrand retten. Dabei habe ich mir diese Schrammme geholt.«

Er hielt kurz inne und lüpfte sein Gewand an der Seite ein wenig nach oben. Ein großer, grünbläulich schimmernder Fleck kam zum Vorschein.

»Eine von den Bäuerinnen haben sie über den Haufen geritten, die hat Boron noch in der Nacht zu sich geholt. Die Reiter ritten an uns vorbei und hielten direkt auf die Häuser zu. Das erste Haus, was in Flammen stand, war die Dorfschänke. „Bei den Zwölfen, meine Cella und mein Bardo!“, fährt mir durch den Kopf. Inzwischen war auch der Dorfschulze herausgekommen, zitternd mit einer Forke stellt er sich zwischen die Reiter und sein Haus. Zu dritt hauen sie auf den Mann ein und schlagen ihn tot.«

Der junge Fuhrmann war richtig in Fahrt gekommen und hatte seine Zuhörer völlig in seinen Bann gezogen.

»Währenddessen renne ich zum Wirtshaus, um meine Tiere aus dem Schuppen zu befreien, dessen Dach sich inzwischen ebenfalls entzündet hatte. Ich springe also in das flammende Inferno hinein. Meine beiden Pferde, die einzigen Tiere, war ich doch der einzige Gast gewesen diese Nacht, wiehern laut und schlagen in ihrer Box heftig aus. Links an meinem Kopf bracht ein brennender Balkon vorbei. Gerade kann ich die Tiere rausholen, bevor der Schuppen zusammenbricht. Unterdessen ist im Dorf völliges Chaos ausgebrochen. Nahezu alle Häuser stehen in Flammen. Kinderkeischen. Weinende Frauen und Männer. Ein Gestank wie in den Niederhöllen. Seit dem Einfall des Endlosen Heerwurms habe ich so etwas nicht mehr gesehen!«

Wieder schlugen einige Zuhörer Schutzzeichen der Götter, denen die brennenden Höfe und die verstorbenen Freunde und Verwandte noch allzu gut in Erinnerung waren.

»Nirgendwohin kann man fliehen! Aus den brennenden Häusern fliehen einige Bewohner in die Felder, nur um dort festzustellen, dass die Mordbuben sie ebenfalls in Brand gesteckt haben. Das Korn brennt lichterloh! Warum nur hatte der Herr Efferd in diesem Götterlauf mit seinem Segen gegeizt? Warum strafen die Götter den Bauern für die Torheiten der Herren?«

Ein leises Zisches aus Publikum, in dem nun einige die Stirn über die Worte des Fuhrmannes runzelten, ließ Jobdan innehalten. Die Luft des lauen Abends trug das winselnde Quietschen des Eisenkäfigs im Schatten des gräflichen Inquisitionsturm bis in die Schenke hinein.

»Wie dem auch sei. Im Schein der Flammen habe ich die Wappen auf den Rüstungen gesehen. Allesamt waren es Hartsteener Ritter. Ich frage euch, was sind dies für Tage? Ich frage euch, was ist aus dem alten Ritterstolz geworden?«