Geschichten:Gedankengift Teil 20: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 25. Januar 2014, 09:34 Uhr

Burg Trollhammer, 14. Travia 35 Hal:

Nimmgalf war zur Burg seines verschiedenen Onkels – Boron habe ihn selig – zurückgekehrt. Immer noch war unter den überlebenden Burginsassen der Schock und das große Entsetzen über die Geschehnisse um Randolfs Entführung zu spüren. Dem jungen Baron oblag nun die traurige Pflicht, die Angehörigen der Opfer zu verständigen, und ihnen sein Beileid auszusprechen und seine finanzielle Unterstützung zuzusichern. Außerdem musste er sich dringend um Ersatz für seine arg dezimierte Burgbesatzung kümmern, doch es war nicht leicht für diese Aufgabe jetzt noch zuverlässige Leute zu finden – zu groß war noch die Angst, das Schicksal der überfallenen und ermordeten Wachen zu teilen. Auch hatten zwei der überlebenden Wachen ihren Dienst quittiert, und Nimmgalf konnte es ihnen nicht einmal verübeln. Er machte sich selbst dabei die größten Vorwürfe. Er hatte sich hinter seinen schrittdicken Burgmauern einfach zu sicher gefühlt. Warum nur hatte er seine Wachen nicht besser über Simionas Gefährlichkeit instruiert? Er hätte sicherstellen müssen, dass man seine Frau schon von weitem erkennt und geeignete Gegenmaßnahmen einleitet. Ein Versäumnis mit schrecklichen Folgen. Aber wie hätte er auch erahnen sollen, zu was die Frau, die er sogar einmal geliebt hatte, inzwischen fähig war? Sie hatte innerhalb weniger Minuten dreizehn Menschen umgebracht. Es war einfach unfassbar, mit welcher Skrupellosigkeit und welch tödlichen Präzision sie vorgegangen war. Noch einmal dürfte so etwas nicht passieren, und Nimmgalf nahm sich fest vor alles dagegen zu tun, dass es noch einmal geschehen könnte.

Am Nachmittag bekam Nimmgalf Besuch von seinem Onkel Ungolf von Hirschfurten. Der ehemalige Reichstruchsess hatte von den Ereignissen gehört und wollte seinerseits von seinem Bruder Radulf Abschied nehmen. Nimmgalf empfing ihn in seiner Schreibstube.

„Seid gegrüßt, Onkel. Ich wünschte, der Anlass Eures Besuches wäre ein angenehmerer. Bitte nehmt doch Platz!“

„Ich grüße Dich, Nimmgalf!“ antwortete der alte Mann und nahm Platz. „Fürwahr, auch ich könnte mir einen besseren Grund für ein Familientreffen vorstellen. Nun müssen wir mit der gegenwärtigen Situation umgehen und versuchen, das Beste daraus zu machen. Wann wird die Beisetzung meines Bruders stattfinden?“

Nimmgalf blickte ihn ernst an. „In einer Woche.“ Dann wurde sein Tonfall aggressiver: „Ich wette, Ihr wolltet auch nur das Beste für mich, als ihr mich damals mit dieser Mörderin, die einst meine Frau war, bekannt machtet. Ist dem nicht so?“

„Ich kann deine Bitternis verstehen, Nimmgalf, aber auch ich konnte damals nicht ahnen, wie sich die Dinge entwickeln würden. Und Du musst zugeben, dass Du dir ganz schön die Zügel aus den Händen hast reißen lassen."

Nimmgalf sprang wütend von seinem Platz auf und funkelte ihn wütend an. „Wie könnt ihr es wagen, Onkel? Euch habe ich diese ganze Misere doch erst zu verdanken! Wenn ihr nicht gewesen wäret, hätte ich doch damals niemals die verhängnisvolle Reise ins Horasreich angetreten. Und jetzt wollt Ihr mir Vorwürfe machen?“

„Beruhige dich wieder, Junge! Niemand gibt dir die Schuld, an dem was passiert ist.“ antwortete der Onkel. Nimmgalf regte sich etwas ab und setzte sich wieder hin.

„Was wollt Ihr, Ungolf?“ Der Herr der Randersburg lehnte sich zurück und atmete tief durch: „Ich will dir helfen, in diesen schwierigen Zeiten die richtigen Entscheidungen zu treffen.“

„Soso? Ist ja was ganz Neues.“ Kommentierte Nimmgalf die Antwort skeptisch.

„Zunächst einmal kann ich dir nur zu deiner Entscheidung Answin zu unterstützen gratulieren!“

Nimmgalf blickte ihn finster an. „Soweit hätte ich es nie kommen lassen, wenn ich geahnt hätte, dass die Königin noch lebt!“

Ungolf war von dieser Antwort ein wenig überrascht. Er wollte eine spöttische Bemerkung machen, doch er verzichtete darauf, denn er spürte, dass Nimmgalf nicht mehr derselbe junge Baron wie vor ein paar Jahren war, den er nach Belieben herumkommandieren konnte. „Dennoch hast Du Radulfs Wunsch erfüllt und bist zu Answin geritten um ihm die Treue zu schwören. Jetzt stehe auch zu deiner Entscheidung!“

„Was bleibt mir auch anderes übrig? Ich bin ein Mann von Ehre, trotz allem was geschehen ist. Ich hoffe nur, dass es nicht zum Äußersten kommt und Answin sich nicht gegen Rohaja stellen wird. Ich wüsste nicht, wie ich mich dann entscheiden sollte.“

Ungolf nickte: „Ich bin mir sicher, dass Du dich für die richtige Seite entscheiden würdest.“ Was er jedoch damit meinte, ließ er offen.

„War das alles?“ fragte Nimmgalf nach einer kurzen Pause.

„Nein, da ist noch eine Sache! Ich hörte davon, dass du die Nachfolge meines Neffen Brinwulf an der Seite Ederlindes von Luring antreten möchtest?“

Nimmgalf blickte ihn überrascht an: „Woher wisst Ihr davon?“

Ungolf lächelte: „Sagen wir so, ich habe meine Informationsquellen. Jedenfalls kann ich dich nur dazu beglückwünschen. An der Seite Ederlindes kannst Du den Einfluss unseres Hauses nicht nur innerhalb der Grafschaft sondern ebenfalls über die Grenzen hinaus besser geltend machen. Außerdem wärst du dann in einer Position der Stärke gegenüber deiner Exfrau, um das zurückzufordern, was dir rechtmäßig zusteht.“

Nimmgalf schwieg eine Weile und dachte nach. Der Onkel hatte mit wenigen Worten das auf den Punkt gebracht, was ihm auch schon seit einiger Zeit im Kopf herumging. An der Spitze der Grafschaft Reichsforst stünden ihm endlich die Möglichkeiten zur Verfügung, mit Simiona abzurechnen. Natürlich müsste dazu noch sehr viel mehr berücksichtigt werden, doch die Basis wäre immerhin gegeben.

Nur der Preis dafür wäre sehr hoch. Er müsste eine Frau ehelichen, die er nicht oder zumindest nicht mehr liebte, rein aus politischem Kalkül. Dennoch könnte dies der Weg sein, um irgendwann einmal Simionas Macht zu brechen. Aber es gab einen Wehrmutstropfen bei der Sache: Aidaloê, die Frau, die er wirklich liebte.

„Ich bin noch nicht bereit, diesen Schritt zu gehen, Onkel. Ich will erst einmal abwarten, bis sich die Machtverhältnisse geklärt haben, und ich mir auch der Unterstützung der Traviakirche sicher sein kann. Ich habe bereits diesbezüglich Kontakt mit Rommilys aufzunehmen versucht – bisher jedoch ohne Erfolg. Wenn sich die Wogen geglättet haben, wird sich hoffentlich zeigen, wie ich dem Haus Hirschfurten als neues Oberhaupt am besten dienen kann. Das, was wir jetzt am wenigsten brauchen können, ist blinder Aktionismus.“

„Was willst Du jetzt als nächstes tun?“

„Zunächst muss ich mir eine sinnvolle Verteidigung gegen weitere mögliche Aktionen Simionas überlegen. Des weiteren plane ich, Randolf und auch meine kleine Tochter Racalla aus Burg Leihenbutt herauszuholen, allerdings weiß ich noch nicht, wie ich das bewerkstelligen soll. Ich habe vor kurzem mit meinen Bundesbrüdern von den Pfortenrittern beschlossen, eine neue Reichsforster Liga aufzustellen – eine Schutztruppe, die die Grafschaft vor Marodeuren und anderem Gelichter schützen soll. Die ersten Vorbereitungen hierfür sind getroffen, es fehlt uns nur noch an geeigneten Ausbildern und ebenso an Geld! Wenn Ihr uns hierfür finanzielle Unterstützung zukommen lassen würdet, wäre ich Euch mehr als verbunden, werter Onkel.“

Ungolf überlegte eine Weile. „Nun gut, ich werde dich unterstützen, Nimmgalf, allerdings musst du mir im Gegensatz dafür versprechen, mich als Berater zu akzeptieren und bei deinen Entscheidungen, die Auswirkungen auf unser Haus und die Grafschaft haben können, konsultieren wirst. Wenn du dem zustimmst, wird dir die Unterstützung meinerseits zuteil, die du benötigst.“

Nimmgalf zögerte zuerst, erklärte sich dann aber doch einverstanden. Alles in allem wusste er, dass der Onkel ebenso wie er selbst nur das Beste für das Haus Hirschfurten wollte, auch wenn seine Methoden oft andere waren als seine. „Einverstanden, Onkel!“

Ungolf und er besiegelten den Pakt mit einem kurzen Handschlag. „Sehr gut. Wenn du das nächste mal zu Answin reitest, gib ihm diesen Brief von mir. Er wird sicher darüber sehr zufrieden sein, dass der alte Bund zwischen unseren Häusern wieder erstarkt ist.“ Er überreichte Nimmgalf ein gesiegeltes Kuvert, welches dieser sorgsam verwahrte. Danach geleitete Nimmgalf seinen Onkel zu seinem Gastquartier und wünschte ihm noch einen angenehmen Aufenthalt auf seiner Burg Trollhammer.