Geschichten:Höllenwaller Ränke Teil 6: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 28. Februar 2014, 16:48 Uhr
Aufstand in Höllenwall
Anfang Travia, kurz nach dem Fest der eingebrachten Früchte. Burg Nymphenhall.
Nur wenige Kerzen brannten in der großen Halle , die schweren Vorhänge waren zugezogen worden, um die kühle Nachtluft des frühen Traviamondes abzuhalten. Der, bis zur Zimmerdecke reichende, Kachelofen verströmte eine bollernde Wärme. Auf dessen Ofenbank kauerte ein bibbernder Mann und wärmte sich. Der Boden des Saals war mit grünem und grauweißen Marmor in kunstvollen Mustern ausgelegt. Die Decke war neu bemalt worden mit Jagdszenen, die am Rand entlang liefen. In der Mitte war eine strahlende Sonne, von deren Mitte aus der schwere Kandelaber hing. Dieses Ungetüm aus der Zeit der erloschenen Familie von Nym, zeigte auf drei Rädern, Motive aus der Wasser-, Sagen- und Feenwelt. In der Mitte zwischen den Rädern hing ein großer Wels, aus Achat. Die Wände waren mit Eichenholz vertäfelt, welches kunstvolle Schnitzereien enthielt, unterbrochen von den Jagdtrophäen des Hausherren. Die vier Fenster mit dem großen Sitznischen zeigten nach Süden, in der Westwand befand sich das große Portal mit seinen mächtigen, mit starken Eisenbändern beschlagenen, Eichentüren. Dort standen zwei Wachen in den schwarzen Wappenröcken der Helburg und der Burgweibel Zankblatt. Die Nordwand enthielt den prächtigen Kachelofen, flankiert von Stühlen für Besucher und Bittsteller. In der Vertäfelung befand sich eine Schlupftür für die Bediensteten. An der Ostwand prangte das Wappen des Landesherren unter einem schwarzroten Baldachin. Vor wenigen Jahren erst gemalt, leuchteten die Farben noch frisch und kräftig. Davor standen zwei eichene gepolsterte Sessel mit hohen Lehnen und an wenigen Stellen mit Blattgold verziert, auf einem ein Spann hohen Podest aus grünem Marmor, welches unter einer Vielzahl von tulamidischen Teppichen kaum zu sehen war. In der rechten Ecke der Ostwand befand sich eine weitere Tür, die in den Seufzerturm führte. Die Halle stützte sich auf zwei Reihen dünner Marmorsäulen, in grün und grau, deren Kapitelle zeigten Motive der Jagd.
Auf einem prunkvollen Sessel saß eine junge Frau. Ihre Haare trug sie in einem strengen, von silbernen Haarnadeln gehaltenen, Knoten. Sie hatte ein rotes Kleid, mit Droler Spitzen, bauschigen Schultern und schlanken Ärmeln, an. An der Rundung ihres Bauches war deutlich zu sehen, dass sie in wenigen Götternamen einem weiteren Kind das Leben schenken würde. Ihr 4 Jähriger Sohn Malebor spielte vor ihren Füssen auf einem flauschigen Bärenpelz, die kleine Morgai lag unweit Ondinais in ihrer Wiege und schlief, sorgsam bewacht von ihrer Tante Magnata von Helburg. Auf ihrem Schoß lag ein dicker, in altem Leder eingebundener, Wälzer, dessen Pergamentseiten schon stark vergilbt waren. Sorgsam legte sie das Buch, die Chroniken derer von Nym, auf einen kleinen Beistelltisch...
Gedankenverloren strich sie mit ihren Fingern über den Ledereinband, den ein großer Wels zierte. Der Bericht des Vogtes kam unerwartet und sie musste erst ihre Gedanken ordnen, um nicht in Panik zu verfallen. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem Häufchen Elend zu, dass immer noch am wärmenden Kachelofen kauerte. Es war ihr Schwager, der ach so stolze Vogt der Ländereien ihres Mannes. Im Nachthemd hatte er fliehen müssen, hinaus in die regnerischen Herbsttage, den aufständischen Mordbuben nur knapp entkommen. Davon gejagt hatte man die Dirnen des Vogtes, und die wenigen treuen Büttel kurzerhand erschlagen. Das Vogthaus in der Stadt war geplündert worden, ebenso die Fronspeicher. Die Hauptstadt der Baronie lag nun in der Hand aufsässiger Bauern. Kurz nur tauschte sie einen Blick mir Magnata, und erhielt ein zustimmendes Nicken.
Dann schaute sie voller Verachtung zu dem Vogt, Martus-Melcher von Helburg: „Nun, was gedenkt ihr jetzt zu tun, werter Schwager? Den Rat eurer so willigen und kostspieligen Dirnen kann ich euch leider nicht zur Verfügung stellen. Was sollen wir nun tun, in dieser beklemmenden Situation, in die Ihr uns gebracht habt?“
Der Vogt schreckte auf. Sein Nachthemd war immer noch klamm, und seine Nase war rot und triefend. Er richtete seinen verängstigten Blick auf die Gattin seines Bruders: „Fliehen, wir müssen fliehen! Die meinen es ernst, und bringen uns alle um. Lasst uns die Schatzkammer retten und nach Gallstein, oder nach Almada flüchten. Die wenigen Mannen, die uns geblieben sind, werden nicht ausreichen, um Nymphenhall zu retten. Sogar meine Büttel haben uns verraten!“
Ein tiefes Schluchzen folgte. Magnata stand bei diesen Worten auf, sie nahm Morgai vorsichtig und sanft aus der Wiege, und anschließend nahm sie Malebor an die Hand. Ohne ihren Bruder noch eines weiteren Blickes zu würdigen verließ sie die Halle. Martus-Melcher greinte immer noch mit sich selbst um sein hartes Schicksal. Er bemerkte auch nicht, dass durch Magnatas Abgang zwei weitere Wachen den Raum betreten hatten. Diese stellten sich links und rechts an die Seite der Herrin. Ondinai verkrampfte sich kurz und setzte dann ein gütiges Gesicht auf.
Sie winkte ihrem Schwager zu sich und sprach: „Mein guter Martus-Melcher, fliehen wohin? Nach Norden sind uns die Wege abgeschnitten. Im Westen könnten wir zu leicht Geiseln des Halhofers werden und wohl gleiches würde uns in Almada passieren. Nun da von jenen die alte Grafschaft wieder eingefordert wird.“
Sanft und verständnisvoll klangen ihre Worte, während sie sacht über das noch feuchte Haar ihres Schwagers strich, der inzwischen vor ihr auf dem Bärenteppich kauerte. Sie fuhr fort in ihrem mütterlichen Ton, der dem geschundenen Vogt so gut tat: “Und über den Wall, solcherlei Strapazen kann ich in meinem Zustand kaum auf mich nehmen. Und was soll Malepartus denken, wenn wir ohne es zu versuchen, seine Lande dem Pöbel preisgeben.“
Martus-Melcher setzte sich auf die Knie, sah sie mit seinen blauen Augen beschwörend an und ergriff ihre Hände: „Ich flehe euch an werte Schwägerin, wir müssen fliehen. Sobald Malepartus aus dem Norden zurückkehrt, wird er für Ordnung sorgen und dann können auch wir zurückkehren. Wir müssen noch in dieser Nacht los. Ich werde alles veranlassen und die Schatztruhen verladen lassen. Mehr werden wir kaum mitnehmen können. Im Almadischen werden wir inkognito sicherlich eine Zuflucht finden.“
Ondinai schüttelte den Kopf, löste ihre Hände aus den seinen und umfasste sein Gesicht. „Das würde euch so passen, heimlich in der Nacht über die Grenze und mit unserem Gold in Punin oder gar in Grangor ein tolles Leben führen. Oh Nein, mein lieber Schwager, Nichts von alledem werden wir tun. Ihr habt euer Amt auf das Gröbste missbraucht, nun müsst ihr auch die Konsequenzen tragen. Sollte Höllenwall und Burg Nymphenhall untergehen, dann zusammen mit Euch!“
Das freundliche Gesicht von Ondinai verwandelte sich von Wort zu Wort in Zorn und Wut. Ihr Fingernägel bohrten sich in die Schläfen ihres Schwager, der jaulend aufsprang und zurückwich. „Dazu habt ihr kein Recht, ich bin hier der Vogt und Stellvertreter meines Bruders! Wenn ihr hier bleiben und untergehen wollt, so ist das eure Sache. Ich werden von Höllenwall retten, was zu retten ist. Und wenn es nur die Insignien und die Schatztruhe sind!“
Martus-Melcher rang nach Fassung Aufgebracht fuchtelte er mit den Armen, sodass sein abgerissenes Nachthemd mehr zeigte, als es verbarg. Ondinai lehnte sich in den Sessel zurück und fixierte den Vogt: „Ein schöner Vogt seid ihr gewesen. In diesem Götterlauf, der in allem schlecht für das Reich verlaufen ist, habt ihr die häufige Abwesenheit meines Gemahles schamlos ausgenutzt, um wie eine feiste Made in Speck und Käse zu leben. Die an euch gestellten Aufgaben, deren ihr einst so volltrefflich nachgekommen seid, habt ihr sträflich vernachlässigt und pure Willkür getrieben. Eine Willkür, für die wir jetzt büßen müssen.“
„Das ist nicht wahr! Ich habe nur getan, was Malepartus von mir verlangt hat. Und das wisst ihr ganz genau, werteste Schwägerin!“ giftete der Vogt zurück.
„Oh ja, das arme Opfer seiner Befehle. Nur hat Malepartus wohl eine ganz andere Vorgehensweise vorausgesetzt als ihr getan habt. Ihr habt wohl euch selbst schon als Herr der Lande gefühlt. Doch nun ist damit Schluss! Wache, sperrt ihn in den Kerker.“
Fassungslos starrte Martus-Melcher seine Schwägerin an, und ließ sich wehrlos abführen. Kurz vor dem Portal raffte er sich nochmals auf und blickte zurück: „Ihr tut mir Unrecht, bei Praios. Das habe ich nicht verdient.“
Ondinai entbot ihm ein mitleidslosen Blick: „Wenn euch das schon Bange macht, so fürchtet den Tag an dem mein Gemahl zurückkehren wird. Bis dahin habt ihr Zeit über eure Versäumnisse nachzudenken!“
Als sich das Portal wieder schloss, war von dem Schluchzen des Vogtes nichts mehr zu hören. Zurück blieben nur der Burgweibel und sie. Durch die Schlupftür in der Nordwand betrat Magnata wieder den Raum.
Mit müder Geste winkte sie die beiden zu sich: „ Was sollen wir tun? Wenn sich all jenes, von dem uns der Vogt berichtet hat, bewahrheitet. Wie lange können wir einem Ansturm standhalten? Wo werden die Aufsässigen zuerst zuschlagen, in Nymphenhall oder auf der Helburg?“
Die Gattin des Barons machte ein ratloses Gesicht. Der Burgweibel räusperte sich: „Hochgeborene Herrin, wir sind hier in Nymphenhall nicht wehrlos. Eine Wasserburg ist nicht einfach zu erobern und dank des neuen Schanzwerk am Ufer können wir den Ansturm unerfahrener Bauern eine zeitlang trotzen. Ihr verfügt immerhin hier in Nymphenhall noch über mehr als einem halben Banner Soldaten. Die Bauern werden uns viel eher belagern. Unsere Vorräte werden etwa einen Götternamen lang halten.“
Nun mischte sich auch Magnata von Helburg ein: „Eure Zuversicht in Ehren, was ist, wenn sie auch über den See angreifen?“
Der Weibel schluckte: „Die Wasserseite ist schwer zugänglich, allerdings können wir uns nicht an allen Ecken wehren. Sollten die Fischer gemeinsame Sache mit den Bauern machen, könnte dies unser Untergang sein!“
„Was ist mit der Helburg?“, wollte Ondinai wissen. „Kann sie gehalten werden?“.
Magnata zeigte ein eisiges Lächeln: „An diesen Mauern werden Sie sich die Zähne ausbeißen, selbst jetzt da nur noch ein halbes Banner dort oben stationiert ist!“
„Nur noch ein halbes Banner? Wo ist der Rest?“, der Burgweibel begann nun doch nervös zu werden. Hatte er wohl doch auf Hilfe von der Helburg spekuliert. Ondinai gab ihm darauf die Antwort: „Beruhigt euch Burgweibel. Sie begleiten den ältesten Bruder meines Gemahls auf dessen Anweisung. Hoffen wir darauf, dass es den Bauern nicht gelingt, die Helburg einzunehmen. Warnen werden wir sie jetzt kaum noch können.“
„Mort wird sie halten, verlasst euch drauf“, versicherte ihr Maganata voller Zuversicht, dann wurde sie sehr ernst: „Doch was ist mit den Kindern und den Insignien? Sollen wir versuchen sie vielleicht doch in Sicherheit zu bringen? Wie wäre es mit dem Kloster Marmont im Vallis Viridi Draconi!“
Ondinai überlegt kurz, dann machte sie ein trotziges Gesicht: „Nein, wir werden nirgendwo sicherer sein als hier. Sollen sie kommen. Mein Gemahl wird bald eintreffen und solange werden wir aushalten. Um die Insignien kümmere ich mich persönlich, ebenso um meine Kinder. Was auch kommen mag, ich werde nicht kampflos weichen! Der Wahlspruch meiner Familie lautet nicht umsonst, Wachend, nicht weichend! Und den Mönchen traue ich nicht. Nach den Berichten von Martus-Melcher ist einer der Mönche der schlimmste aller Aufwiegler. Sie nennen ihn nur den Müller. Wir dürfen nicht verzagen und müssen auf Malepartus baldige Rückkehr hoffen. Lasst mich nun allein!“
Ihre Schwägerin und der Burgweibel nickten. Sie wusste, dass sie sich auf diese beiden verlassen konnte. Nachdem die beiden die Halle verlassen hatten, schritt sie zu einem der Fenster und blickte auf den dunklen See. Nein, noch war Nichts verloren, es gab noch Möglichkeiten. Dann setzte sie sich wieder und studierte weiter aufmerksam die Chroniken derer von Nym.