Geschichten:Am Rande der Feierlichkeiten: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 28. Februar 2014, 17:02 Uhr

Am Rande der Feierlichkeit – Regeln des Buhurts nach "nebachotischer Art"

Langsam begann die Sonne zu sinken und die Dämmerung tauchte die Feierlichkeiten zu Ehren Au’rel von Brendiltal und Malina von Niederriet-Brendiltal in ein warmes Licht. Unzählige Pavillions luden mit Sitzkissen versehen zum Verweilen ein und Wein und Obst stand allenortens bereit. Der Geruch von Rosen lag in der Luft und Musikanten spielten auf, um dieses Fest unvergesslich zu machen.

Lyn ni Niamad Brendiltal , die zu diesem feierlichem Anlass ein bodenlanges, weiß-blaues, kostbares Kleid trug, fand sich zu dieser Zeit ein wenig abseits des Trubels wieder. In der Hand hielt ein Weinglas und ihre Augen waren auf das Brautpaar gerichtet, welches sich in einiger Entfernung augenscheinlich sehr vergnügt mit einigen Gästen unterhielt. Doch trotz des Trubels und des Weines waren ihre Instinkte geschärft wie eh und je und so wandte sie den Blick in die Richtung, als sie Schritte zu ihrer Rechten vernahm. Ein Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht, als sie erkannte, dass es kein anderer als ihr Gemahl war, der sich ihr näherte.

„Suo alleine?“ Fragte er sie lächelnd und legte seine Arme von hinten um sie, so dass sie gemeinsam den Sonnenuntergang genießen konnten. Ra’oul genoß es seine Liebste so nahe bei sich zu haben. Zu lange waren sie durch ihre Pflichten und durch den Bürgerkrieg voneinander getrennt gewesen. Doch jetzt endlich war sie und ihr Sohn hier, hier um seine Gemahlin zu sein. „Bist Du glicklich?“ Fragte er schließlich nach Augenblicken der Stille.

Sie lehnte sich gegen ihn und lies ihn ihre Stütze sein, Wie sehr hatte sie die in den letzten Götterläufen vermisst, wie oft eine Stütze nötig gehabt…

Sie schmiegte sich noch ein wenig mehr in seine Arme und antwortete leise „Jetzt da ich endlich bei Dir bin, bin ich sehr glücklich.“ Sie lächelte vor sich hin als sie das Brautpaar in der Menge sah. „Und wie es scheint hat auch Dein Bruder sein Glück gefunden.“

Bei ihren Worten öffnete Ra’oul wieder seine Augen und drehte seinen Kopf etwas, so dass er seinen Bruder und seine Schwägerin besser sehen konnte. Leise antwortete er ihr.

„Ja, wie äs schaint. Und umso mähr verwundert äs mich. A’urel kam in Suachän Frauän immär nach Vatär. Vielä Frauänherzen wärden ab heutä fir immer ge’brochän sein.“

Ein Schmunzeln erscheint auf Lyns Gesicht und sie erwidert „Dass kann schon sein. Hat er doch auch in meiner Heimat einigen Frauen den Kopf verdreht. Doch sag, was hältst Du von ihr?“ Immer noch die Wärme seines Körpers hinter sich genießend hält sie den Blick weiter auf das Brautpaar gerichtet. Fragend zog Ra’oul eine Augenbraue hoch, doch da Lyn natürlich im Hinterkopf keine Augen hatte und es daher auch nicht sah, stellte er überspitzt fest, dass hier nun ihre Heimat war, bevor er mit ihrer Frage fortfuhr. „Wuas ich von ihr haltä? Hm? Ich waiß äs nicht so rächt. Sie hat dän Kerper und die Fähigkeiten, um där Muttär Kors zu gefallän. Auf där anderen Seite….“ Ra’oul schien nach den richtigen Worten zu suchen. „Irgendwie kuommt äs mir so vor, als wäre sie unsichär. Nein, nicht unsichär, als wirdä sie immer etwuas suchen. Viellaicht eine Heimat? Irgendetwas ist da….“

Lyn seuftze leise auf. „Da kann ich sie gut verstehen.“ Schnell fügte sie hinzu „Ich bin glücklich hier, aber tief in meinem Herzen vermisse ich… „ sie legte den Kopf ein wenig schräg als sie nach den richtigen Worten suchte. „… nun… alles was ich zurückgelassen habe.“

Der Nebachote wußte, was seine Gemahlin meinte. Gerade für ihn war die Familie wichtig. Ja Lyn gehörte nun zu seiner Familie, doch ihren Vater und ihre direkten Blutsverwandten hatte sie zurückgelassen. Umso wichtiger war es ihm, dass Lyn hier alles vorfand, was sie sich wünschte. So schwieg er denn auch und hielt sie einfach nur in seinen kräftigen Armen.

„Wuas hälst Du von dän baiden? A’urel kennst Du ja schon bässer und Malina huast Du auch schon mehrmahlf getroff’n.“

„Ich mag sie“ entgegnete Lyn. „Sie ist recht bodenständig und weiß was sie will. Und sie ist ebenso eine Kämpferin wie ich, es tut gut, mich mit ihr unterhalten zu können.“ In Gedanken fügte sie leicht wehmütig hinzu ‚und sie weiß wie es ist, fern der Heimat zu sein.’

„Das freudt mich, dass ihr auch verstähdt. Ich hattä Dir ja von dän Reshminianärn erzählt. Sie wird ihrä Al’Shuara (Hauptfrau). Viellaicht untärhaltet ihr euch dribär auch noch ainmal, denn soviel ich waiß wärden noch fähige Raulsche gesucht, die nicht glaich vom Pfärd fallän, sobald äs in dän Trab gähdt.“

Lyn lachte leise auf „Vom Pferd gefallen bin ich schon lange nicht mehr. Ja, ich sollte mich mit ihr darüber unterhalten. Es ist…“ Sie seufzt leise „… es tut gut, eine Pause zu haben und nicht mehr an den Krieg denken zu müssen. Aber ich spüre auch die Unruhe in mir und den Wunsch wieder mein Schwert im Sinne Rondras einzusetzen. Ja, ich werde mit ihr reden.“

Ra’oul lächelte bei Lyns Worten. Es war gut, wenn sie wieder eine Aufgabe bekam. Einfach nur zu Hause sitzen und Kinder bekommen, dazu war sie nicht die richtige Frau. Aber apropos Kinder bekommen…. Caihyn-Reto-Ruadhan sollte ja kein Einzelkind bleiben. Fast wehmütig schaute der Nebachote zum Tempel hinüber. Innerlich beglückwünschte er sich, dass sie sich entschieden hatten in dieser Nacht weder nach Besh’hassal Aymmay’shar noch gen Hassal’han Ammayin zu reiten um dort zu nächtigen, sondern hier auf dem Anwesen des Tempelbezirks zu bleiben.

Ihre Augen folgten weiterhin dem Brautpaar als sie Ra’ouls Frage weiterhin beantwortete. „Uns A’urel? Er ist ein Kindskopf, aber ein sehr liebenswerter. Doch habe ich das Gefühl, dass Malina gut mit ihm zurecht kommt.“ Langsam dreht sie sich in seinen Armen so dass sie ihn ansieht. Schelmisch schaut sie ihn an als sie sagt „Es muss ein harter Tag für die nebachotische Frauenwelt gewesen sein, als auch er sich für eine Fremde entschied.“

Ra’oul lächelte seine Gemahlin selbstsicher und ebenfalls schelmisch an. „Ja, ich habä gehert, duass so manchäs Klostär in jingstär Zeit verstärkt Novizinnän hat aufge’nommen.“ Zärtlich gab er ihr daraufhin einen Kuß. „Wuollen wir ain wänig spazierän gehen?“

Sie erwiderte seinen Kuss und fasst ihn bei der Hand. „Gerne“ Sie gingen ein paar Schritte während Lyn leise weiterredete. „Es ist wirklich schön, nach all den Jahren des Wartens endlich hier zu sein. Und es ist schön, Malina und A’urel zu sehen. Bei meinem kleinen Bruder hat ja noch einiges an Zeit, ehe an einen Traviabund zu denken ist.“

Bei ihren Worten schwieg Ra’oul und drückte still ihre Hand. Er wußte, dass ihr ältester Bruder Ghuno sich hatte einst verblenden lassen und dem Rattenkind gedient hatte und er wußte auch, dass sie es war, die ihn von diesem Fehltritt und von allem derischen erlöst hatte, als sie ihre Klinge in Ghunos Leib bohrte. Doch er wollte nicht an diesem Abend über solch schrecklichen Dinge sprechen oder auch nur denken. „Schau mal!“ Ra’oul deutete stattdessen in Richtung See hinüber. Am Ufer konnte Lyn einige junge Männer erkennen, die sich allen Anschein nach zu einem Wettschwimmen bereit machten. „Und dort.“ Als Lyn jetzt dem ausgestreckten Arm ihres Gemahls folgte, sah sie wie einige Pferde in etwas mehr als 1.000 Schritt Entfernung im anscheinend seichten Wasser standen und von weiteren Jünglingen gehalten wurden. „Sie springän dort ins Wassär und fir die fünf schnällsten stähen Pfärde bereit um das Wettrännen an Land fortzufihren. Fir die langsmän Schwimmär ist där Wettkampf am Ufär bereits zu Ände.“

Lyn sah gebannt zu dem Spektakel hinüber und ihr schauderte bei dem Gedanken daran, durch den See zu schwimmen. Sie war noch nie eine gute Schwimmerin gewesen und ihr lief ein Schauer den Rücken hinab als sie daran dachte, wie sie bei der Flucht aus dem Feenland beinahe in dem unterirdischen Fluss ertrunken wäre. „Finden diese Wettkämpfe regelmäßig statt oder nur zu besonderen Anlässen?“ fragte Lyn neugierig, ihre Augen weiterhin auf den See gerichtet.

Der Nebachote mußte bei dieser Frage schmunzeln. „Nun, so rägelmäßig wie jungä Männer zusamm‘nkommän, die härausfindän wuollen wär der Stärkere ist. Abär sag ainmal….“ Ra’oul mußte ein Lachen unterdrücken, wenn er daran dachte, dass bald der Buhurt stattfinden sollte. Und zwar so, wie die Nebachoten ihn seit ehedem durchführen. Was für ein Spaß würde das geben. „Ich fräue mich schon, wuenn där Buhurt stattfindät.“ Lyn die derweilen ihren Kopf an Ra’ouls Schulter gelehnt hatte, sah nun auf und ihn fragend an. „Wieso? Was genau meinst Du?“

„Na, där Buhurt findät nach nebachotischär Tradition statt.“

„Was bedeute das genau?“ Lyn war nun neugierig geworden. Eigentlich kannte sie den Buhurt als eine Art Schlachtfeld. Entweder gingen dabei zwei Parteien aufeinander los, oder es hieß jeder gegen jeden. Bei Manchen Buhurst war dabei das Ziel die Helmzier der Anderen vom Helm zu schlagen, oder gleich den ganzen Reiter vom Pferde. Je nach Region war man dabei mit Turnierwaffen oder – was besonders unterhaltsam war – mit Strohsäcken „bewaffnet“. Wer dann am Schluß übrig war, hatte gewonnen.

„Bai uns ist äs so.“ Fing Ra’oul an zu erläutern, während sie langsam weiterschlenderten. „Normalärweise untertailen sich die Kriegär in zwai nahäzu glaichgruoße Partaien. Waffän währden normalerwaise nicht verwändet, manchä missän jedoch fählende Raitkunst durch einen Strohsack als Iberzeugungsmittel ausglaichen. Ziel ist äs, meglichtst viel vom däm Spielball in ein bestimmtäs Feld der Andären zu bringen.“

Lyn war etwas verwirrt und wollte mehr über das Spiel wissen. „Und um was für einen Ball handelt es sich dabei und was bedeutet ‚den größten Teil davon‘?“

Das Grinsen des Nebachoten wurde nur noch breiter. „Als Ball verwänden wir normalerweise dän Schädel aines Widdärs oder dän Kadavär aines frisch geschlachtetän Schaafs.“ Ra’oul verschwieg geflissentlich, dass auch mal ein gefesselter Gefangener dazu herangezogen wurde. „Natirlich zieht und zärrt ein jädär daran und daher ist es wichtig, meglichst viel von däm Ball ins Ziel zu bringän. Nur dann erhält man einen Punkt. Da hier jädoch ainige Rauschä anwäsend sind, meinte Simold, dass äs sinnvollär wäre, wuenn diesmal där Ball ain Art Ruolle aus Läder, gefillt mit Struoh und Sandt sain sollte, an däm mehräre fest Strickä befestigt sind, an dänen man ordentlich ziehän kann.“

Sie hielten wieder an und blickten zurück auf den See. Lyn verzog leicht ihre Miene bei dem Gedanken an diese doch recht blutige Angelegenheit, von der Ra’oul eben erzählte. Kopfschütteln lächelte sie ihn an und meinte „Und da nennt man uns Albernier unzivilisiert… Ja, ich denke Simold hat recht, es ist wahrscheinlich besser mit einem anderen Ball als üblich zu spielen.“ Sie lehnt ihren Kopf wieder an seine Schulter und schaute zu dem See, wo die schnellsten der Schwimmer bereits die Mitte der Wasserfläche erreicht hatten. „Wirst Du Dir das Spektakel anschauen oder selbst daran teilnehmen?“ fragte sie ihn.

„Ich waiß äs nuoch nicht.“ Gab er offen zu. „Jä nachdäm wie ausgäglichen die Gruppän sain werden. Wieso fragst Du?“

Sie wandte sich ihm zu und entgegnete „Na, ich muss doch wissen, ob ich Dich bei dem Spektakel an meiner Seite weiß, oder ob ich dich anfeuern werde.“ Amüsiert lächelte sie ihn an. „So oder so bin ich schon sehr gespannt darauf. Ich kenne nur das Buhurt wie es bei uns praktiziert wird.“ Ein freudiges Lachen war die Antwort, bevor Ra’oul seine Gattin küsste. Als sich ihre Lippen wieder voneinander lösten, schauten beide verträumt wieder auf den See. Die ersten Schwimmer hatten derweilen die Pferde erreicht und ritten und lautem Gejohle davon, während die ersten Verlierer bereits derbe Sprüche über sich ergehen lassen mussten.

„Waßt Du wie Caihyn sich hieär wohlfiehlt? Är schaint mir ain rächter Dickkopf zu sain, aber zumindest kuann är sich schon auf ainem Pfärd halten.“

Während sie weitergingen entgegnete Lyn. „Caihyn? Er scheint sich hier sehr wohlzufühlen. Für Kinder in dem Alter ist so ein Umzug sicher leichter. Er vermisst natürlich seinen Großvater, doch hat er hier seinen anderen Großvater. Und natürlich Dich.“ Zärtlich schaute sie Ra’oul an. Ja, es tat gut endlich hier zu sein…

So schlenderte das Pärchen noch ein wneig weiter, bevor sie sich langsam wieder zurück zur Festgesellschaft begaben.