Geschichten:Natzungen im Frühjahr - 1. Tsastunde: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 28. Februar 2014, 17:09 Uhr

Baronie Natzungen, 13. Tsa 1030 BF


Als er ins Schlafgemach zurückkehrte, bemerkte Hadrumir, dass Tanira erwacht und aufgestanden war. Sie stand vor einem hohen Spiegel und mühte sich, die Bürste durch ihr widerspenstiges Haar zu ziehen. Seit der Hochzeit ließ sie es wachsen – doch gerade hatte es die Länge erreicht, in der es zum Filzen neigte. Tanira war es mittlerweile gewohnt, dass Hadrumir früh aufstand und des Öfteren nicht im ehelichen Schlafgemach weilte, wenn sie wach wurde. In den letzten Wochen war ihr dies sogar recht gewesen, da sich die Frucht seiner Lenden bei ihr mit morgendlicher Übelkeit bemerkbar gemacht hatte. Glücklicherweise hatte sie nun aber diese Zeit hinter sich gelassen und konnte den Morgen wieder ohne Leid beginnen. Das Licht mehrerer Kerzen erhellte den Raum mit güldenem Glanz. Die junge Frau, welche noch ihr Nachtgewand trug, drehte kurz den Kopf, lächelte ihrem Gatten zu und strich ein letztes Mal durch das Haar, während er auf sie zutrat, um sie zu begrüßen.

Am Stadttor pochte es laut. Der wachhabende Soldat öffnete die Mannluke und schaute nach draußen. Die Kutsche hatte er noch nie gesehen. Die Soldaten auf den Pferden hatten keine Wappen auf ihren Röcken. „Wer seid Ihr? Was wollt Ihr in Natzungen?“ Der vorderste der Reiter antwortete: „Wir suchen Quartier auf der Durchreise.“ „Und das soll ich Euch glauben?“ Im Fenster der Kutsche zeigte sich der Stadtvogt Leomar von Gerstungen. Im Hintergrund konnte der Wachhabende eine Frau erkennen. „Nein, das sollt ihr nicht glauben, Gero!“ sprach der Stadtvogt. „Ich finde es gut, wie gewissenhaft Ihr Euren Dienst verrichtet. Diese Männer und Frauen sind meine Eskorte.“ „Euer Wohlgeboren, Ihr wart einige Zeit nicht mehr in Natzungen. Hätte man mir Euer Kommen angekündigt, dann hätte ich…“ „Ach lasst doch Euer Gerede. Wir wollen um meine Ankunft doch kein großes Aufsehen machen. Ich bin doch nicht so wichtig.“ Gero, der Wachhabende, zuckte mit den Schultern. „Wie Ihr meint.“ Er ging wieder durch die Mannluke und gab den Soldaten den Befehl, das Tor zu öffnen.

Tanira murmelte leise „Guten Morgen, Hadrumir“ und reckte sich etwas, um ihm einen Kuss auf die Lippen hauchen zu können. Hadrumir nahm sie vorsichtig in die Arme, drückte sie leicht und erwiderte den Morgengruß. Leicht ließ er seine Hand auf ihren Bauch liegen, der sich langsam rundete, um seinem Kind den nötigen Platz zu lassen. Die junge Baronin musterte das Gesicht ihres Mannes und konnte seine Stimmung nicht richtig einschätzen „Ist etwas passiert, Hadrumir? Du wirkst mehr als nur besorgt!“ „Nicht hier und nicht jetzt!“ erwiderte er. „Du solltest erst etwas frühstücken!“ `Und ich auch` fügte er in Gedanken an.

Hauptmann Jost war angespannt, als er die schmale Stiege hinab stieg. Hinter sich wusste er seine zwei Söldner. Er pochte dreimal kurz und zweimal lang sowie einmal kurz an die Pforte und nach einer Weile wurde die Tür ruckartig geöffnet. Die Gestalt vor dem Hauptmann schaute sich wie ein Wiesel um und winkte ihm dann hektisch zu hereinzutreten.

Leomar von Gerstungen streckte seine müden Glieder, nachdem er seine Kutsche verlassen hatte. Mit seiner Begleiterin erklomm er die Treppe hinauf in den ersten Stock seines wunderbaren Stadthauses. Hier begab man sich in das Arbeitszimmer. Ungeduldig wurde Leomar gefragt: „Wie lange müssen wir noch warten?“ „Die meisten der Vorbereitungen sind abgeschlossen. Jetzt gilt es, den richtigen Moment abzuwarten.“

Hadrumir nahm sein Frühstück zu sich und war wortkarg geblieben. Tanira merkte, dass er in Sorge sein musste, ansonsten hätte er sich wenigstens die Mühe gemacht sich vorher zu rasieren. Seinen Anderthalbhänder hatte er ebenfalls gegürtet. Irgendwann hielt es Tanira nicht mehr aus und es platzte aus ihr heraus: „Was ist geschehen, Hadrumir? Ich habe ein Recht darauf, es zu erfahren. Und ich verlange, es jetzt zu erfahren!“ Hadrumir stieß den Teller mit Rührei über den Tisch, so dass dieser auf der anderen Seite vom Tisch flog. Eine dienstbeflissene Magd eilte herbei, um den Teller aufzuheben, doch Hadrumir fauchte sie nur an: „Hinaus!“ Während sich die Magd sputete dem Befehl nachzukommen, schaute Hadrumir ihr zornig hinterher. Nachdem er sicher war, dass nur Tanira und er im Raum waren, erhob er sich und sprach tonlos: „In dieser Nacht ist eine Soldatin der Schwingen ermordet worden!“

„Und wann, meint Ihr, ist der richtige Zeitpunkt?“ Leomar grübelte kurz und sprach dann routiniert. „Ich glaube, die Baronin gut einschätzen zu können. Sie wird als bald damit beginnen, die Sache auf ihre Art zu regeln. Der Baron ist keine Gefahr. Ich werde mich selbst um ihn kümmern. Seine Soldaten werden ein Problem.“

Tanira zuckte zusammen als sie den Zorn ihres Mannes nun richtig bemerkte. Auch sie nickte der Magd im gleichen Augenblick zu, das Zimmer zu verlassen, in welchem Hadrumir sie anfuhr. Sie verfolgte das junge Mädchen mit den Augen, bis es die Türe hinter sich geschlossen hatte, um dann ihren Mann zu fixieren. Bei seinen Worten wurde sie bleich. „Ein Mord? Hier in der Stadt? Das ist unfassbar!“. Erschüttert blieb sie auf ihrem Stuhl sitzen und überlegte kurz, doch dann schaltete sich ihre planerische Gabe ein und sie begann Hadrumir Fragen zu stellen. „Wer? Wo und Wie? Wann?“ kam kurz und knapp ihre Nachfrage nach weiteren Informationen. Sich äußerlich fassend hörte sie sich an, was Hadrumir ihr tonlos und etwas stockend berichtete.

„Ich denke, dass die Baronin alsbald eine Sitzung einberufen wird. Dabei werden wir unseren Plan umsetzen“, sprach Leomar von Gerstungen ruhig weiter. „Und was ist mit den Soldaten des Schwingenfelsers?“ Leomar lächelte leicht: „Die Schwingen werden den Ratssaal nicht betreten.“

Gerade als Ugo im Mist einen besonders dicken Wurm erspäht hatte, wurden seine Hennen durch den Gong zur Phexstunde aufgeschreckt und er abgelenkt. Blitzschnell verschwand der Wurm in der warmen Masse.