Geschichten:Grauen am Darpat - Peraine hilf: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 28. Februar 2014, 17:37 Uhr
Dramatis Personae
- Marnion von Kelsenstein- Junker zu Kelsenburg
- Leomara von Isenbrunn, Ritterin zu Gnitzenkuhl
- Kor’win Beshir’a Danal han Bahr ai Danal - Großwildjäber aus Brendiltal - Alex K.
- Kain han Bahr ai Danal - Gehilfe Kor'wins – Alex K
- Unswin von Keilholtz ä.H., Edelknappe und Novize im Zornesorden
- Alexis Colon Darios, Praetor des Rondratempels zu Schwertwacht, Leutnant im Zornesorden
- Selinde von Löwenhaupt-Hauberach, Junkerin zu Allwinnen und Erb-Baronesse zu Vellberg
Peraine Hilf!- Bergung des Hafenmeisters
Marnion ging derweil forsch voran. Wie er vermutet hatte, waren die Spuren des Mannes nicht zu übersehen, wenn man eine Fackel zu Hilfe nahm. Es eröffnete sich nach wenigen Schritten eine Stelle im Schilf, wo sicherlich nicht nur der Keiler, sondern vermutlich die ganze Rotte ihr Unwesen getrieben hatte. Der Uferbereich sah aus wie umgegraben, die Wurzelknollen der Pflanzen lagen frei. Auch huschten wieder kleine Schatten in das Schilf zurück. Die bereits wahr genommenen Ratten schienen überall zu sein. Auch Arn nahm er nun endlich, da er dieses Durcheinander genauer betrachtete, wahr. Er lag vornüber gesunken auf einigen Pflanzen, sein Mund war blutverschmiert wie auch sein gesamtes Gesicht. Er lag in einer Stellung zusammengerollt, die nach einer Schutzhaltung aussah. Dennoch waren wüste Verletzungen am Rücken und in der Seite des Mannes erkennbar. Sicher von den Hauern des Tieres. Ansonsten bot er in seinem Äußeren ein ähnlich jämmerliches Bild wie auch er. Er starrte nur so vor Schmutz.
Im Schein der bald herunter gebrannten Fackel besah sich Marnion das Opfer der Rotte. Zu seiner Überraschung schien es ihm so, dass Arn noch schwach atmete. Der Mann war ein zäher Kerl. Bei seinen Verletzungen war das Leben ein Zustand, der nicht mehr lange andauern konnte. Tragen konnte Marnion den Hünen nicht. Nicht in dem Morast mit einem immer noch fast tauben Arm und mit diesen Wunden bei Arn. Der Kelsensteiner streckte sich in die Höhe, schwenkte die Fackel im Bogen über seinen Kopf und rief mit weit tragender Stimme.
„Bringt das Boot und einen der Heilung Kundigen hierher. Ich habe Arn gefunden. Macht schnell.” Dann besah sich Marnion den Verletzten genauer, ob er etwas tun konnte. Die Wunden waren tief und ziemlich unschön, was man bei Hauern als eingesetzter Waffe nur erwarten konnte. Zumindest blutete der Mann nicht so stark wie das zu erwarten wäre. Vielleicht lag es an dem Schlamm der alles bedeckte. Auch das Gesicht sah schlimm aus, Marnion war sich nicht sicher ob da noch alles dran war, aber irgendwie schien die seltsame Stellung in der Arn lag seine Atmung frei zu halten, bei dem vielen Blut an und im Mund ein Wunder. Marnion beschloss Arn in Ruhe zu lassen bis kundigere Hilfe eintraf und schwenkte stattdessen wieder die Fackel und wiederholte seinen Ruf noch mehrfach.
„Schnell, Unswin, ich muss zu Arn, ich kann ihm vielleicht helfen. In Rashia' Hal und von der Schwester meiner Schwertmutter, habe ich Einiges gelernt.“ Die zuvor alles bestimmende Ablehnung aus Leomaras Haltung war gewichen, stattdessen ließ sie sich nun willig stützen und humpelte mit Unswins Hilfe zu Marnion, um sich Arn zu besehen.
„Gut, aber sei vorsichtig Leomara. Das Gelände ist auch ohne deine Verletzung tückisch genug.“ Es bereitete ihm keine Mühe sie durch das Schilf zu geleiten, auch wenn der Schlamm sie immer wieder festhielt. Er vermutete, dass es noch einfacher gewesen wäre, wenn er die kleinere und leichte Ritterin einfach getragen hätte, aber das würde ihr Stolz wohl nicht zulassen. Aber er behielt sich das als letzte Option offen, sollte sie nicht schnell freiwillig aus dem Schilfgürtel kommen wollen. Sie war angeschlagen und nur die Götter wussten was sich hier noch alles herumtreiben mochte. Für den Moment beließ es Unswin aber dabei seinen Arm um ihre Taille zu legen und sie mit seiner Schulter abzustützen. Bereits nach wenigen Schritten hatten sie Marnion eingeholt, der über der blutigen Gestalt des Hafenmeisters kniete.
‚Gut dass wir einen Geweihten dabei haben!’, schoss es Leomara erschrocken durch den Kopf. Doch zu den anderen meinte sie nur: „Lasst mich mal sehen!“ Ohne Gewese um den Schlamm zu machen, kniete sie sich hin, wobei ihr erneut ein unterdrückter Schmerzenslaut entschlüpfte. Doch dann konzentrierte sie sich voll auf den Mann vor sich. Sie beugte sich ganz nah zu ihm, und legte ihre Hand vor seinen Mund und Nase. Ganz sacht konnte sie die ein- und ausströmende Luft fühlen. Sie betastete sein Gesicht. Alles war rot. Doch die Peraine Geweihte hatte ihr oft gesagt, dass Wunden am Kopf immer schlimmer aussähen, als sie in Wirklichkeit seien. Um besser sehen zu können, hatte die Frau Marnions Hand gefasst, und sie weiter zu sich hinab gezogen.
Nun war er es, der einen Schmerzenslaut nicht unterdrücken konnte. Überrascht schaute sie zu ihm hoch. Dann war auch er verletzt worden? Die flüchtige Musterung brachte ihr keinerlei Gewissheit, sodass sie sich wieder dem Hünen am Boden zuwandte. Die Verletzungen im Gesicht waren wohl eher von den spitzen Enden des Schilfes. Er konnte von Glück reden, wenn er sein Augenlicht behalten würde. Eine Schramme lag knapp über dem Auge und es begann bereits zuzuschwellen. Als sie den Rumpf untersuchte wurde ihr fast übel. Sein Rücken wies mehrere blutige Fleischverletzungen auf, die mit Sicherheit der Eber verursacht hatte. Doch es sah nicht so aus, als ob er den Brustkasten so getroffen hätte, dass Arns Atmung stockte, oder gar rasselte. Seine bloßen Beine waren derart schlammig, dass sie rein gar nichts erkennen konnte. Endlich blickte sie wieder auf.
„Er hat eine Chance denke ich, wenn wir ihn hier heraus kriegen, und ihn warm und sauber bekommen.“
Ungeduldig stand Unswin hinter der Ritterin und wartete ab was ihre Untersuchung des Verletzten ergeben würde. Er war erleichtert, als er hörte, dass der Hafenmeister überleben konnte. Dennoch stand er noch immer vor dem Problem, dass außer ihm alle verwundet zu sein schienen. Arn war sowieso bewusstlos, Leomara war am Bein verletzt und der Kelsensteiner hatte sich augenscheinlich beim Halten der Fackel wehgetan. Von den nebachotischen Jägern und Alexis war weit und breit noch nichts zu sehen und auch Selinde ließ auch sich warten. War Tjalf etwa auch etwas zugestoßen? Mühsam spähte er in die Nacht, konnte jedoch kaum weiter sehen als bis zum übernächsten Schilfhalm.
„Ich kann weder die Vellbergerin noch unseren Ruderer erkennen. Wir sollten Arn erstmal aus dem Schilf rausholen, damit er aus dem Schlamm und dem Wasser herauskommt. Vielleicht müssen wir uns auch darauf einstellen hier zu nächtigen. Mit nur einem unverletzten Ruderer der den Darpat bei Nacht kennt, halte ich eine nächtliche Rückfahrt für zu gefährlich.“ Entschlossen steckte er das Schwert weg und kniete sich neben Leomara um zu schauen wie er den Hafenmeister am besten tragen konnte ohne seine Wunden zu verschlimmern.
„Warte lieber.“ Sie hielt den Edelknappen davon ab Arn zu bewegen. „Selinde muss ganz in der Nähe sein. Hoffe ich!“ Mühsam stand die Rittfrau auf, und hob die Hände an den Mund. „HIERHER!“ Nach einem fragenden und bittenden Blick nahm sie dem Junker die Fackel aus der Hand und begann nun ihrerseits sie zu schwenken. Ihr Arm funktionierte wenigsten noch tadellos, da wollte sie sich wenigstens jetzt nützlich machen. Später würde sie ihre liebe Mühe haben aus dem Schilf zu kommen, daher wollte sie wenigsten hier eine Hilfe sein.
„Ich kann nachher auch nach eurer Verletzung sehen, so ihr es möchtet Wohlgeboren von Kelsenstein.“
Marnion war von Leomara überrascht worden, als sie seine Hand gefasst hatte. Sie hatte seine ‚Ritterrüstung’ durchdrungen. Das Ziehen an seinem Arm hatte ihn mit einer Welle aus Schmerz geflutet, den er vorher einigermaßen weggedrückt hatte. Er brauchte einige Zeit um sich wieder zu sammeln. Er war damit noch nicht fertig, als ihn Leomara ansprach und so antwortete er.
„Vielen Dank Euer Wohlgeboren, ich nehme Euer Angebot gerne an, doch kümmert Euch zuvor um alle anderen Verletzten, insbesondere auch Euer Bein bedarf der Aufmerksamkeit, sobald Arn außer Gefahr ist. Ich kann warten.“
Selinde war gerade zu dem Fischer ins Boot geklettert und versuchte sich in diesem Chaos zu orientieren, um herauszufinden, wo sich die Gefährten gerade befinden mochten. Derweil ruderte der Fischer weiter auf das Schilf zu. Aufmerksam lauschte die Vellbergerin in die Nacht, um aus den Geräuschen heraus die einzuschlagende Richtung zu erkennen. Da, da schrie jemand – offenbar Leomara – deutlich „Hierher!“! Selinde wandte sich an ihren Begleiter: „Folge der Stimme und eile Dich!“ Anschließend rief sie in die Dunkelheit zurück: „Wir sind gleich bei Euch, haltet aus!“
Mit einem leisen Knirschen landete das Boot am Ufer an, offenbar nicht weit von der Stelle entfernt, von der Selinde das Rufen Leomaras vernommen hatte. „Herrin“, sprach der Fischer, Ihr solltet hier warten, während ich Frau Leomara suche! Ihr könntet mir dann, wenn es Euch recht wäre, vom Boot aus helfen, den oder die Verwundeten an Bord zu schaffen.“ Selinde grinste kurz:
„Umgekehrt wird ein Schuh draus und Du wartest hier. Ich denke, Du bist hier weitaus sicherer, als wenn Du allein und kaum bewaffnet in die Dunkelheit hineinstolpertest und werweißwas über den Weg liefest. Trotzdem danke für das Angebot!“
Die Baronesse sprang aus dem Boot, zog ihr Schwert und verschaffte sich zunächst einen kurzen Überblick über die Lage. Erneut rief Selinde nach der Ritterin, um sie schneller ausfindig zu machen. Ein kurzes „Kommt hierüber!“ genügte als Antwort für die ehemalige Offizierin, um zusammen mit dem Fischer zu Leomara zu stoßen. Bei ihr befanden sich auch der offenbar schwer verletzte Arn sowie der Knappe Unswin und Marnion. Auch der wirkte, ebenso wie die Ritterin, etwas angeschlagen. „Wie ist die Lage?“ fragte die Vellbergerin knapp und Leomara schilderte ihr kurz die Geschehnisse der jüngsten Zeit.
Nachdenklich hatte Selinde das Gesagte aufgenommen und schien sich darauf einen Reim machen und das weitere Vorgehen überlegen zu wollen.
„Gut“, begann sie, „zunächst einmal sollten wir den Hafenmeister zum Boot bringen und dafür Sorge tragen, dass er hier weggeschafft wird. Auch wenn ihr, so scheint´s, selber einige Blessuren abbekommen habt: Könnte einer von euch mir helfen, ihn zumindest bis zum Kahn zu tragen?“
Marnion nickte. „Da will ich euch gerne behilflich sein. Leider kann ich nur den rechten Arm benutzen. Wenn ihr Hochgeboren, seinen rechten Arm greift und Ihr Unswin die Beine, dann werde ich ihn auf der linken Seite unter die Arme greifen. Können wir es so machen, Leomara?”
“Nein”, Unswin antwortete dem Kelsensteiner bevor die anderen etwas sagen konnten. Seine Stimme klang fest und mit einer Autorität wie er sie in Anwesenheit seiner Ordensbrüder nie gezeigt hatte. „Ihr und Leomara seid verwundet. Haltet Ihr die Fackel und geht voraus zum Boot Marnion. Ich werde Arn vorne packen, Baronessa, Euch bitte ich die Füße zu nehmen. Leomara, du bleibst direkt hinter uns. Sobald wir Arn auf das Boot geladen haben gehen wir alle gemeinsam aus diesem Schilf heraus und suchen die anderen. Heute Nacht sollte keiner mehr allein unterwegs sein.“ Ohne weitere Reaktionen abzuwarten trat er an den Hafenmeister heran und begann damit, dessen Oberkörper behutsam aus dem Schlamm zu ziehen.
Zwei Stücke vom Ganzen
Der Rondrageweihte nahm seinen Umhang ab und legte ihn ins Schilf. Er hatte schon viele Kämpfe gefochten und einigen Schlachten beigewohnt, doch ist der Tod keine Sache die man ‚mal eben’ wegsteckt. „Was euch auch immer umgebracht hat, ihr sollt hier im Morast nicht eure letzte Ruhestätte haben.“ Entschlossen griff er dem Leichnam von hinten vorsichtig unter die Arme und hob ihn auf den Umhang. Dann faltete er den Umhang zusammen und nahm das große Bündel hoch auf seinen Rücken. „Dafür werde ich sorgen.“
Als sich Kor’win sicher war, dass der Keiler vor ihm tot war, löste sich seine Anspannung etwas. Besorgt blickte er sich um, was die anderen taten. Kain konnte er in der Dunkelheit erkennen und auch den Geweihten vermutete er am Rande des Schilfs. Doch konnte der Jäger nicht sagen, was Alexis gerade tat. Lediglich am Kettenhemd und dem Schwert erkannte er den Geweihten. „Was ist?“ fragte Kor’win schließlich seinen Schüler, als er bei diesem angekommen war und in die Dunkelheit spähte. Dabei rieb sich der alte Nebachote den linken Arm. Der alte Keiler hatte ihn doch heftiger erwischt, als er zunächst vermutetet hatte.
Aus dem Augenwinkel erkannte er, dass etwas mit Kain nicht stimmte. Besorgt musterte er den Jüngeren daraufhin und bemerkte die Platzwunde an dessen Stirn, das Blut in dessen Gesicht und das angespannte Verhalten, dass sich entweder gleich lösen oder in panischer Hysterie verwandeln würde.
„Was ist?“ fragte Kor’win erneut, diesmal bestimmter und drehte Kain zu sich. Kor’win war etwas kleiner als Kain und musste daher zu ihm aufsehen, um in dessen Augen erkennen zu können was los war. Fast nebenbei begutachtete er dabei die Wunde an dessen Kopf. Stellte dann aber erleichtert fest, dass es sich wirklich nur um eine Platzwunde handelte, die jetzt zwar blutete wie bei einem angestochenem Schwein, aber nicht wirklich bedrohlich war.
Besorgniserregender war eher der Blick des jungen Jägers. Aus dem Schilf hörte Kor’win die Rufe der anderen. Sie waren also am Leben, was gut war, wie er fand, doch Kain schien dies nicht zu bemerken. Immer noch starrte der junge Nebachote in die Dunkelheit und umkrampfte dabei fast förmlich seinen Bogen. Diesen hatte er zwar nicht angelegt, dennoch befand sich noch ein Pfeil an der Sehne.
„Was ist los?“ Jetzt war die Stimme von Kor’win fast väterlich ruhig. Kain bewegte sich zwar noch immer nicht, seine Augen wanden aber ihren Blick aus der Dunkelheit und fanden die Vertrautheit Kor’wins. Der Mentor sah den Schmerz, die Angst und die Unsicherheit in den Augen seines Schülers, sah wie der Panzer, den Kain ansonsten um sich trug, in dem er immer den lässigen Mann gab in Fetzen um dessen Seele hin. Behutsam, strich Kor’win Kain das Blut von der Stirn und fuhr ihm vorsichtig durch das Haar, ganz so wie ein Vater der nachts das Kind beruhigte, dass einen Alptraum hatte. Als Kor’win merkte, wie sich die Anspannung Kains löste, blickte er in die Richtung aus der der jungen Nebachote gekommen sein musste. Irgendwo musste etwas geschehen sein, dass Kain so durcheinander gebracht und verletzt hatte. Doch Kor’win konnte nur ein Bündel am Boden liegen sehen. Langsam ging er darauf zu…
Schwer stapfte der Geweihte durch das Schilf zurück ans Ufer um sich dort neu zu orientieren. In unweiter Entfernung sah er zwei Personen – Kain und Kor’win? Sie waren die nächsten, so entschloss er sich zu ihnen zu stoßen. Bei Kor’win angekommen, stockte ihm der Atem. Er konnte nur den Kopf schütteln. Er blickte zu Kor’win. Wortlos legte er sein Bündel ab, öffnete den Umhang und legte nun auch den Unterleib des Toten hinzu, bevor er wieder alles schulterte. Ruhig sprach er. „Kommt, gehen wir zu den anderen.“ Gemeinsam mit Kor’win ging er zunächst zurück zu Kain und dann zu den anderen. Kor’win spannte sich bei dem Fund von Neuem an. Die Bestie war hier gewesen….
Bestandsaufnahme am Turm
Die Worte Unswins hatten ihre Wirkung nicht verfehlt, auch wenn Leomara kurz versucht gewesen war ihm zu widersprechen. Verwundert und auch ein wenig Stolz hatte sie ihn hernach gemustert. Doch dann musste sie sich zusammenreißen, um mit den anderen Schritt zu halten. Gemeinsam hatten sie es letzten Endes geschafft das Boot und auch den Schwerverletzten an Land zu bringen. Inzwischen waren fast alle Rechtschaffene erschöpft und völlig durchnässt.
Auch Kain und Kor’win kamen gemeinsam mit Alexis zu den anderen. Die beiden Nebachoten schienen ebenfalls etwas ab bekommen zu haben, hatte Kain doch Blut an der Stirn und im Gesicht, während Kor’win aus einer Wunde am Arm blutete. Der Geweihte trug auf seinem Rücken etwas Großes in seinem Umhang. Des Weiteren hinkte er leicht, doch sonst schien er unverletzt.
Als Kor’win sah in welchem Zustand die übrigen Gruppe war, schoss es ihn gleich wieder durch den Kopf. ‚Ein Fehler…‘ Missmutig begutachtete er die anderen und schnaufte verärgert.
„Wie schwär seid ihr verlätzt?“ Kain dagegen war sehr ruhig. Fast mochte manch einer sagen, dass der Junge blass wirkte, trotz dem Fackellicht. Still setzte er sich zu den anderen und starrte ins Leere.
Beim Anblick des Rondrageweihten nahm Unswin Haltung an und erstattete militärisch knapp seinen Bericht.
„Die Baroness von Vellberg und ich selbst sind unversehrt. Ritterin Leomara und der Junker von Kelsenstein, haben ein paar Blessuren davon getragen, jedoch nichts Gefährliches. Allerdings hat es den Hafenmeister schlimm erwischt. Ich befürchte es wird notwendig sein, ihn bei Tagesanbruch zurück nach Gnitzenkuhl zu bringen um eine Genesung sicherzustellen.“
„Habt Dank und rührt euch, Unswin. Gute Arbeit.“ Er blickte sich um, legte das schwere Bündel am Turm ab und atmete erst einmal durch.
„Was ist ihm zugestoßen? Könnt ihr mir dies sagen?“
Der Edelknappe entspannte seine Haltung ein klein wenig und fuhr dann fort. „Es ist zu vermuten, dass er Geräusche im Schilf wahrnahm und sich die Sache selber anschauen wollte statt auf uns zu warten. Dabei muss er die Rotte Wildschweine aufgeschreckt haben und da sie Jungtiere dabei hatten, sind sie auf ihn losgegangen. Es grenzt an ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt.“
„Die Bekanntschaft habe ich auch gemacht, nur nicht in den Ausmaßen. Ich werde mich um ihn dann kümmern, gehen wir zu den anderem am Ufer.“
Der Vorsorge des Junkers von Kelsenstein war es zu verdanken, dass sie Arn sogleich in den Stall gebracht hatten, der wie sie von ihm unterwegs erfahren hatten, gut geeignet sein würde um ein Krankenlager einzurichten. Laut seiner Schilderung befand sich dort noch sauberes Stroh und auch ausreichend Platz für sie alle. Einzig Feuerholz müsste man suchen, oder sich im Turm danach umschauen.
Dabei fiel allen ein, dass sie den Turm von innen noch nicht gesichert hatten und niemand wusste, wie es dort aussah.
„Wir sollten auf jeden Fall sicher gehen, dass sich wirklich nichts mehr im Turm aufhält bevor wir es uns hier zu gemütlich machen. Euer Gnaden, wenn Ihr erlaubt werde ich mich schnell einmal umschauen.“ Fragend lag sein Blick auf Alexis. Nun da der höherrangige Ordensbruder wieder in der Nähe war, kehrte Unswin zurück zu seinem zurückhaltenden und für Außenstehenden fast unsicher wirkenden Verhalten.
Leomara nickte Unswin zum Einverständnis zu, merkte aber an, dass alles was man für das Krankenlager und ihr Nachtlager noch Verwertbares im Turm fände, hierher gebracht werden sollte. „Ich bin mir sicher, wir können das dann später der hiesigen Obrigkeit erklären.“
„Gerne, kümmert euch darum.“ An alle gerichtet sprach er weiter. „Ich habe einen weiteren Toten im Schilf und Kain dessen Unterleib im Gras gefunden. Er liegt nun am Turm in meinem Umhang – sollte er nicht seine Ruhestätte dort im Schilf finden.“
In diesem Augenblick musste Kain sich übergeben. Das Bild und der Geruch, als er gestürzt und geradewegs mit dem Gesicht in den halben Leichnam gefallen ist, hatte ihn heftigst mitgenommen. Er konnte sich gerade noch soweit erheben und ein paar Schritte zur Seite eilen, so dass er niemanden der Umstehenden traf.
Leomara, die sich eben hatte umwenden und zu Arn gehen wollen hielt wieder ein. „Einen Toten? Trug er eine Uniform? Könnte es einer derjenigen gewesen sein, die hier eigentlich Wacht halten sollten? Wie ...also wodurch...was...?“ Ihr fehlten die Worte, doch sie sah an der Miene des Geweihten, dass er verstanden hatte, dass es ihr darum ging welcher Art die Verletzungen waren.
Alexis blickte sie an und antwortete ihr prompt ohne eine Miene zu verziehen. „Sein Torso wurde ihm von seinem Unterleib getrennt, sein Genick war gebrochen und er hatte nur noch leere Augenhöhlen.“ Dazu ergänzte er. „Eine Uniform konnte ich nicht erkennen, dazu war er zu schmutzig. Eine schwere Rüstung trug er nicht. Mehr kann ich euch nicht sagen, doch finden wir es heraus…“ Der Geweihte wies zum Turm. „Ich schlage vor, dass wir uns alle zum Turm begeben. Hier inmitten in der Natur haben uns – wie ich sehe – schon die Schweine zu schaffen gemacht. Beim Turm können wir ein Feuer machen und uns um die Wunden kümmern.“
Auf dem Weg dorthin fragte der unverletzte Fischer in die Runde: „Was soll mit den Tieren geschehen?“ Tjalf sah auf den Keiler, der unweit ihres Aufenthaltsortes lag, dabei konnte der Fischer beobachten, wie der alte Nebachote sich gerade neben den Leib des toten Tieres kniete. Dabei sah es so aus, als würde Kor’win mit dem Dolch etwas herausschneiden wollen. Schließlich packte der Nebachote etwas und zog etwas Klumpiges aus dem Leib des Tieres. Das blutige Etwas hielt er zunächst gen Alveran und biss dann hinein.
Für einen kurzen Moment verzog Unswin angewidert das Gesicht, bevor er sich abwandte um seinen Rundgang durch den Turm zu beginnen. Das Verhalten des Jägers erinnerte ihn frappierend an die Schwarzpelze und an ihre Rituale mit denen sie ihren Blutgöttern huldigten. Mehr denn je war er sich sicher, die Nebachoten zu Recht als unkultivierte Wilde anzusehen. Alexis hatte ihm wahrlich keine leichte Aufgabe gestellt, als er ihm auferlegt hatte diese Kultur zu erforschen. Denn wo nichts war, ließ sich normalerweise auch nichts finden.
Leomara hatte sich schon rechtzeitig weg gedreht, wusste sie doch, welche Sitte nun folgen würde. Als sie dies jedoch mit 13 Götterläufen das erste Mal miterlebt hatte, war sie in die Büsche gerannt, um sich zu übergeben.
Selinde schüttelte nur wortlos den Kopf, als sie Kor’wins seltsames ‚Ritual‘ beobachtete und konzentrierte sich dann darauf, die Umgebung im Auge zu behalten, das erschien ihr allemal Wichtiger als, das Treiben dieses merkwürdigen Nebachoten.
Völlig unbeeindruckt von dem Ritual ließ der Mann nicht locker. „Wäre doch schade um das Vieh, wenn wir es nicht wenigstens braten würden. Wenn nicht den Keiler, dann doch wenigsten die Sau, die noch da unten liegt, oder?“ Sein Blick war durchaus als hungrig zu deuten, und auch alle Anwesenden spürten den nagenden Hunger wach werden.
Marnion stimmte dem Fischer zu. „Die Sau können wir mitnehmen. Tjalf, binde ein Seil um sie und mach eine Schlaufe, so das wir beide sie ziehen können. Es wäre ein Frevel an Herrin Peraine, ihre Geschöpfe ohne Sinn zu töten. Den Keiler werden wir nicht schaffen mit Arn. Den müssen wir wohl den Ratten überlassen. Du Tjalf kannst uns die Sau braten wenn wir oben beim Turm sind. Schließlich war es Deine Idee. “ Zu den anderen gewandt fuhr der Kelsensteiner fort. „Ich kann oben am Turm die erste Wache übernehmen. Das Untier ist noch da draußen.”
„Wenn ich mit meinen Aufgaben fertig bin, werde ich die nächste Wache antreten.“ Alexis blickt in die Runde ob sich weitere für eine Wache melden würden.
◅ | Fehltritt mit Folgen |
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Traurige Gewissheit | ▻ |