Geschichten:Ein Held kehrt heim - Bestattung: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 28. Februar 2014, 17:44 Uhr

Baronie Brendiltal, Gut Besh hassal Ammay shar (Haus des Herrn der Pferde)

Dramatis Personae

Kestra n'ha Vulpina - Dienerin des Fuchses Mhukkadin ibn Rafid han Rohd’far – Al’Haresh aus Gnitzenkuhl Ywain ni Niamad – Ritterin der Krone (Albernia) Cuanu ui Morfairs – Ritter der Krone (Albernia) Viele weitere rausche und nebachotische Adlige


Langsam lief Mhukkadin ibn Rafid han Rohd’far auf der Straße zum Gut des Barons entlang, und konnte schon von weitem das Wehklagen der Weiber vernehmen. Es war gut, dass sie ihre Trauer hinaus ließen! Dem Schmerz Platz machten, auf das er sie nicht vergiftet und sie für die wieder kehrenden Freuden des Lebens unempfänglich machen würde. So war es schon immer gewesen, und wenn er auch nicht für den Fortbestand aller Traditionen focht, so war doch dieses eine Gute. Manches Mal hätte er sich sogar gewünscht, dass mehr gestandene Männer ebenso bereit wären, den Kummer heraus zu lassen, doch dies war wohl zu viel verlangt von seinem stolzen Volk. Stattdessen kämpften sie sich die Trauer aus dem Leib bis sie nur mehr Hülle waren, und ihr Geist sich der körperlichen Erschöpfung beugen musste.

Feierlichkeiten in der Größe wie diese waren selten geworden. Das Volk der Nebachoten, sein Volk, hatte seinen Zenit längst überschritten gehabt, doch mit dem charismatischen und auch politisch akzeptierten Ra’ul von Brendiltal war ein Mann gegangen, der das Zeug gehabt hätte, sie wieder nach oben zu führen. Anzuknüpfen an ruhmreiche Zeiten, Allianzen zu schließen, Bündnisse zu besiegeln, die in Zeiten der Not allen dienten. Was würde nun geschehen? Er wollte rasten, und setzte sich in einiger Entfernung zum Gut auf einer Weide nieder, die bereits abgegrast war. Noch einen Moment der Ruhe würde er sich gönnen, schließlich war er selten genug unter so vielen Menschen.

Er atmete die würzige Abendluft ein, und überlegte was zu tun sei. Die Sterne haben von Wandlungen gesprochen, von Dingen die schwarz werden, und erst bluten müssen, bevor sie glänzend auferstehen. Doch um zu wissen, um zu verstehen, was dies heißt, welche Menschen dieses Los teilen, und welchen er beistehen muss, darum war er gekommen. Hufgetrappel wurde laut, und eine Gruppe ankommender Reiter rief ihn an, da man ihn natürlich erkannt hatte. Seine Erscheinung war wie immer außergewöhnlich schlicht. Er war zwar im Stile der Nebachoten gekleidet, doch trug er ausschließlich weiße Tuche. Sein Haar war silbern sowie es auch sein sorgfältig gestutzter Kinnbart war. Nur sein Wanderstab und eine leichte Umhängetasche hatte er bei sich. Die Reiter warteten, bis er sich zu Ihnen gesellt hatte, und gemeinsam brachte man das letzte Stück des Weges hinter sich, immer auf die Zeltstadt um den Baronssitz herum, in der bereits zahlreiche Lagerfeuer brannten.


[...]


Befremdet schaute Leomara von Keilholtz zu, wie ein Nebachote, er mochte um die 50 Götterläufe alt sein und trug das Wappen aus Haselhain, sich ein Stück rohes Kalbfleisch von einem Diener auftischen ließ. Sonst nahm er nichts mit sich. Entgegen ihren sonstigen Manieren starrte sie ihm nach, und wurde so Zeuge, wie er dieses Stück Fleisch sorgfältig klein schnitt und tatsächlich ungegart verspeiste. ‚Wie Kor‘ win!‘ schoß es ihr dabei durch den Kopf, doch hatte er dies getan um die firungefällige Jagd zu beenden und das Herz des Ebers zu essen, damit dessen Stärke in ihm auf ging. Zumindest hatte er ihr das damals so erklärt. Wie wenig wusste sie doch über diese Leute, die hier in offensichtlichem Schmerz einem Führer gedachten, der Ihnen allen sehr am Herzen lag, und der ihre Zukunft gewesen war.

Aber auch ihr Langmut und ihr Verständnis ob der Situation hatte ihre Grenzen. Außer Fleisch gab es auf dem Gut, und in dem Lager nämlich fast nichts zu essen, und ihr als stillende Frau, war es schlicht zuwider nur Fleisch zu essen. Man klärte sie darüber auf, dass dies so Sitte sei, und bis zum Tage der Beisetzung so gehalten werden würde. Danach würde eine Fastenzeit anbrechen, in der man Tsa zu gefallen suchte, und man kein Fleisch aß, und kein Tier geschlachtet werden durfte. Tiere, die zu der Zeit das Licht Deres erblickten standen sogar unter besonderem Schutz, konnte man doch nie wissen, ob sich die Seele des Verstorbenen nicht in diesen Körper begeben hatte, obwohl dies bei Ra’oul wohl sehr unwahrscheinlich gewesen wäre, hörte man doch allerorts, dass ein so großer Mann wohl nur noch stärker wieder kommen könnte, vielleicht sogar als eine auserwählte Frau Rondras, dies sprach man aber nur hinter vorgehaltener Hand, wollte man die Göttin doch nicht erzürnen.

Erstaunt über diese Äußerung einer Frau, die ihr vage bekannt vorkam, nahm sie aus den Augenwinkeln mit einem Male ein Banner wahr, dass ihr Herz kurz zu stolpern brachte.

‚Marnion ist hier!‘ Sie merkte nicht, wie die Frau, die sie bediente, sie erwartungsvoll und abwartend anblicke, da sie darauf wartete zu hören, ob sie nun lieber Rinderbraten oder Hammelkeule wollte. Ohne der Frau weiter Beachtung zu schenken, stellte die Rittfrau ihren Teller wieder ab, und marschierte statt dessen auf das Zelt des Kelsensteiner Junkers zu. Unswin von Keilholz – ihr Gemahl - war mit seiner Knappin und seinem Ordensbruder Alfred Beradje von Schwertwacht zusammen. Da würde sich dieser Moment gut eignen um ein paar Worte mit Marnion von Kelsenstein zu wechseln. Wie es ihm wohl ging?

Der Eingang des Zelts war einen Spalt geöffnet. Unwillkürlich schaute Leomara erst hinein, bevor sie eintrat und blieb abrupt stehen. Im Zelt war ein Zuber aufgestellt. Marnion badete darin. Sein muskulöser Körper, den sie so gut kannte, war bedeckt von frischen Striemen und Schnitten, wohl von den rituellen Kämpfen.. Seitlich vom Zuber stand seine Knappin Taíra die einst eine Zahori war und wusch ihren Haran. Sie war nur mit einem durchscheinenden Umhang bekleidet, der neben den Zeichen ihres Volkes das Wappen derer zu Kelsenstein trug. Marnion schaute in ihre Richtung aber seine Augen waren geschlossen, er schien versunken. Leomara konnte deutlich sehen wie zärtlich jede Bewegung von Taíra war und das Lächeln auf ihrem Gesicht machte deutlich wie sehr sie ihre Aufgabe genoss.

Leomara fühlte sich auf einmal versetzt in die Bergfestung Kel´zen Tell, als Marnion schwer verletzt mit Brandwunden darnieder lag und schon damals hatte sich Taíra um ihn gesorgt und gekümmert.

Taíra sah kurz auf, während der Haran von Kelsenstein weiter im Zuber ruhte. Als sie Leomara erkannte versteifte sich ihr Körper, ihr Gesichtsausdruck wechselte von einem Moment zum anderen zu etwas was Leomara nur mit Mordlust bezeichnen konnte. Taíra sagte nichts, sie sah Leomara einfach nur an. Eine Hand ruhte noch immer auf Marnions Schulter, die andere hatte sie zur Faust geballt.

Da sie nun schon entdeckt worden war, konnte sie kaum einfach weg gehen. Obwohl…Ta’ira wäre sicher mehr als froh, wenn sie genau das täte! Aber sie wäre nicht die, die sie war, wenn sie darauf auch nur einen Pfifferling gäbe. Selbst wenn die heißblütige Zahori nun die Frau an Marnions Seite war, so konnte sie dennoch nichts an der Vergangenheit ändern. Überdeutlich wurde ihr in dem Moment bewusst, wie schön Ta’ira war. Ein kleines Ziehen- Eifersucht vielleicht- schien sie kurz zu irritieren, doch dann scholt‘ sie sich eine dumme Gans. Es durfte sie nicht kümmern, was er nun tat. Sein Leben, seine Zukunft im Wall- sie hatte sich dagegen entschieden. Darum zog sie nur den Kopf zurück, hub aber dennoch an zu sprechen: „Verzeiht, hier ist eine Rittfrau aus Gnitzenkuhl, die gerne mit dem Junker von Kelsenstein reden würde…so er dafür Zeit hat, natürlich!“ Sie hatte während sie geredet hatte lächeln müssen, was deutlich in ihren Worten zu hören war. Irgendwie hatte Wasser in ihrer kurzen aber heftigen Bekanntschaft schon immer eine Rolle gespielt. Sie war froh, dass sich in ihrem Herzen kein Groll und keine Trauer regte, sondern einfach Freude ihn zu sehen.

,,Leomara?” Marnion klang überrascht, dann war das Plätschern von Wasser zu hören.

„Ich kann gerne hier draußen eine Weile warten, und mir so lange etwas zu essen holen…“

"Nein, nein, komm nur herein!” Schnell kamen die Worte, freudig und ohne grosse Überlegung der Etikette.

Marnion hatte sich ein Tuch um die Lenden gewickelt und stand triefend vor Leomara, als sie das Zelt betrat. Für einen Moment schien es als wolle der Ritter sie umarmen, doch dann besann er sich und wechselte von der unvollendeten Umarmung zum Kriegergruss.

Taíra erschien wie ausgewechselt als sie sah, das ihr Haran Leomara nicht umarmte entspannte sich ihre Faust. Sie machte sich daran Marnion abzutrocknen, wobei sie die Anwesenheit der Rittsfrau geflissentlich ignorierte und nicht mit Zärtlichkeiten sparte. Auch drückte sie sich von hinten an ihn, so dass sie bald seinen männlichen feuchten Körper durch ihren dünnen Überwurf spürte. Sie genoss es sich mit geschmeidigen Bewegungen leicht an seinen Muskeln zu reiben, vor der Frau von der sie wusste das Marnion sie geliebt hatte.

Der Kelsensteiner hatte derweil nur Augen für Leomara und bemerkte die Schmeicheleien an seiner Kehrseite kaum. Leomara bemerkte das auch Marnions Haare gewachsen waren und teils abstanden, teils triefend an seiner Brust klebten. ,,Es ist eine Freude das wir uns wieder sehen, wenn auch aus dem traurigsten Anlass”, begann er.

Sie wusste nicht so recht wohin blicken, da sowohl sein Körper, als auch das, was Taira da trieb sie irritierte. „In der Tat, ich hätte mir auch gewünscht, wir hätten uns oben bei Shi’oma wieder gesehen und nicht auf der Beisetzung Ra’ouls. Aber wir wissen was es heißt Krieger zu sein.“ Sie schwieg einen Moment bevor sie weiter sprach. Ihre Gedanken wanderten zu Shioma und unwillkürlich fasste sie sich ins Haar, wo sie die helle Strähne noch immer trug. Der Klang ihrer Stimme wandelte sich mit den nächsten Worten.

„Shioma- Ein weit ruhigerer Ort und frei von solch tiefer Trauer, dafür voller Erinnerungen.“ Ihr Blick ruhte jetzt einfach in seinem, und ihre goldenen Augen strahlten ihn an, derweil sie ihre Rechte langsam wieder aus dem Kriegergruß gelöst hatte, und etwas unschlüssig da stand. Die alte Vertrautheit, sie war greifbar, in diesem Zelt, doch die Anwesenheit der Knappin verhinderte, dass man sich zu nahe kam. Etwas verlegen räusperte sie sich kurz.

Auch Marnion mußte einen Kloß im Hals herunterschlucken. Wie gerne hätte er sie wie damals am Bergsee in die Arme geschlossen. Doch Sat´nav war unbarmherzig. Sie war den Bund gegangen und hatte ein Kind von Unswin gegangen. Sie alle hatten Seite an Seite gestritten, der alte Kämpe Kor´win, der mit ihnen gezogen war, hatte Dere schon vor Ra ´óul verlassen. Er wollte ihre Entscheidung respektieren und auch bei ihm hatte sich so einiges geändert. Er lächelte Sie freundlich an. „Ich wollte dich nicht stören, es ist hier alles ein wenig…unkonventionell für mich. Diese Riten, sicher ich habe sie schon ein- zweimal in Gnitzenkuhl erlebt, aber hier!!“ Ihre hochgezogenen Augenbrauen zeigten deutlich, wie verwirrend sie diese Festivität bislang fand.

"Ich weiß, unsere Bräuche findest Du abstoßend. Doch sei Dir gewiss, Ra´oul schätzt es sehr wie wir ihn ehren und darauf kommt es an. “ Mittlerweile kannte er die Art von Leomara und den Flachländern überhaupt gut genug um nicht beleidigt oder überrascht zu sein.

„Lyn, die Gemahlin des Verstorbenen, ich habe mit ihr Seite an Seite gekämpft, als wir die Schmugglerbande am Darpat zur Strecke gebracht haben. Darum bin ich vor allem hier. Und als ich dann dein Wappen erblickte und noch dazu gerade alleine unterwegs war, wollte ich die Gelegenheit nicht unversucht lassen dich zu sehen. Gut siehst du aus.“ "Das kann ich nur erwidern. Unswin wird sich glücklich schätzen, Dich an seiner Seite zu wissen.” Marnion hatte sie bei seinen Worten von oben bis unten gemustert.

Sie schien es ernst zu meinen, wenn auch ihr wandernder Blick auf die frischen Striemen eher als skeptisch zu bezeichnen war. Dennoch schien sie bester Laune zu sein und grinste schließlich, bei dem Blick auf das Tuch um seine Hüften und Ta’ira, die noch immer an seiner Seite klebte.

Ta´ira mäßigte ihren aufkeimenden Zorn, wie sie es gelernt hatte. Da grinste diese Frau sie auch noch an, während sie ihren Haran lüsterne Blicke zuwarf. Nein, sie stand über solchen Dingen. Das würde sie nun zeigen und vielleicht konnte sie aus der Buhle noch etwas über ihren Erzfeind Quanion in Erfahrung bringen, das ihr bei Ihrer Rache nützen würde, solange sie durch Marnion abgelenkt war.

Sie begann süßlich und devot zu sprechen, wobei sie sich vor der Rittsfrau klein machte. ,,Euer Hochgeboren sehen müde aus und werden viel mit dem Haran zu besprechen haben. Noch ist das Wasser im Zuber warm, so es Euch genehm ist will ich noch heißes Wasser holen, im Zuber ist wohl Platz füer zweie. “ Innerlich war sie bei den Worten kalt wie ein Schwert, doch gab sie sich aufrichtige Mühe sie so warmherzig und unterwürfig wie möglich klingen zu lassen.

„Ich kann mir kaum vorstellen, dass es schicklich ist, dass ich hier wie in alten Zeiten mit Eurem Haran umgehe, noch dazu, wenn ihr zugegen seid.“ Reichlich irritiert wandert Leomaras Blick von Taira zu Marnion und eine Frage lag darin, die jedoch schwer deutbar war. Dennoch spricht sie weiter: „Aber habt dank, dass ihr uns alleine lassen wollt. Wie rücksichtsvoll!“ "Immer zu Diensten!” Ta ´ira verbeugte sich tiefer als es nötig gewesen wäre und verließ das Zelt rücklings, die Verbeugung aufrecht haltend und den Blick zu Boden gerichtet. Ganz so wie es einst die Sklaven im alten Nebachot gehalten haben mochten. Das war ihre Art zu zeigen, was sie von der Dekadenz der Herren des Landes hielt. Sie würden Fallen und zuvorderst ihr Peiniger Quanion. Unauffällig räumte sie neben den Zelt auf und hörte was im inneren vor sich ging.

„Verzeih uns diese kleinmütigen Wortspielereien, wir werden es wohl nie schaffen Freundinnen zu werden! Quanion wird wohl zwischen uns stehen, bis auch ihn sein verdientes Schicksal ereilt hat.“

Die Rede Leomaras klang ironisch wenn auch nicht wütend. Marnion mochte erkennen, dass sie lediglich vorsichtige Worte wählte, weil sie nicht wusste, welcher Art Tairas Stellung inzwischen war.

Da nun Ta ´ira gegangen war, berührte Marnion mit seinem linken kleinen Finger fast wie zufällig die Hand von Leomara. Er prägte sich den Moment ein und sah sie fest in die Augen. Was sollten sie sich schon sagen, berührte er sie brannte das alte Feuer so lichterloh auf, das ihr Antlitz vor seinem Blicken verschwamm. Er schwieg, nun mischte sich in seine Trauer über den frühen Tod ihres künftigen Führers noch die Süße des unerfüllbaren Verlangens. Es dürstete ihn danach zurück zu kehren in die Schrecken der Schlachten um zu vergessen, nur war ihm selbst dieser Ausweg versperrt. Hier vor dieser kleinen Frau war die Macht des groß gewachsenen Nebachoten am Ende.

Leomara hatte eben noch der rassigen Schönheit nachgeblickt, hielt aber in dem Moment wie angewurzelt inne, als sie Marnions Berührung spürte. Langsam wendete sie den Kopf wieder ihm zu und sah ihn wehmütig an. Als sei keine Zeit vergangen, und die Bedingungen ihres Treffens unerheblich, überbrückte sie die Distanz zwischen Ihnen mit einem schnellen Schritt und nahm ihn einfach in den Arm. Erinnerungen überrollten sie und sowohl eine Süße wie auch ein Schmerz breitete sich von ihrer Brust aus, breitete sich in ihr aus. Eine Wunde, die sie längst verheilt wähnte war wieder aufgebrochen.

„Es wäre wohl besser gewesen, wenn ich gar nicht erst gekommen wäre…!“ murmelte sie an seiner Brust.

Marnion vergaß zu atmen als sie ihn umarmte, es schien ihm als würde die Zeit immer langsamer bis die Welt stehen blieb. Er versuchte verzweifelt die Gedanken auf zukünftige Schlachten zu lenken, aber die Präsenz von Leomara hielt ihn mit Leib und Seele gefangen. Er erwiderte ihre Umarmung, erst ganz sanft und dann kraftvoll.

,,Ja !” Er hörte seine Antwort nur noch ganz leise unter dem Pochen des Blutes in seinem Hals und seinen Lenden. Ganz von selbst begannen sich seine Hände über den zarten Leib der Ritterin zu bewegen, erst unmerklich, dann immer stürmischer. Ta ´íra hatte die gemurmelten Worte der Beiden nicht verstanden, aber die Stille im Zelt war für sie greifbar. Sie trat zum Eingang und blieb wie angewurzelt stehen, als sie durch den schmalen Spalt sah was im Inneren des Zeltes vor sich ging. Die Knappin war unfähig zu sprechen oder sich zu bewegen, ihre Blicke waren an den Beiden im Zelt gefesselt. Etwas in ihr zerbrach, was sie mühsam versucht hatte zu kitten. Kälte breitete sich aus über ihr Herz und ihre Seele.

Die ehemalige Zahori blieb einfach stehen und nahm alles in sich auf, was im Zelt geschah. Als es zu Ende war dachte sie zurück an ihre Ausbildung und dankte innerlich ihrem Haran. Nun war sie bereit! Sie war zu einem Werkzeug des Todes geworden, bereit ihre Rache zu nehmen!

[...]

Mit den Nerven ziemlich am Ende doch mit hartem Blick schaute Malina von Niederriet- Brendiltal dem Treiben im Hof zu. In dem Kopf der Rittmeisterin der Reshminianer schien ein Hammerwerk zu sein, welches sie quälte. Das ging nun schon fast den achten Tag so, und es fiel ihr von Tag zu Tag schwerer die vielen fremden Gesichter zu ertragen, die sich voll dem Schmerz, der Trauer, und diesen für sie fremden und bisweilen auch barbarischen Sitten hin gaben. Nur noch bis morgen früh, dann wäre alles überstanden, und man konnte sehen, wie das Leben ohne Ra’oul wieder seinen Gang aufnehmen konnte.

Von ihr und auch Lyn, den Kriegerinnen eben, wurde erwartet, dass sie kein Zeichen der Schwäche zeigten. Wenigstens mussten sie als Raulsche nicht an den rituellen Kämpfen teilnehmen. Dieses eine Mal, war ihr das auch nur recht. Pochte sie sonst so sehr auf die Gleichstellung ihrer Person mit den Nebachoten, so verzichtete sie hier doch liebend gerne darauf gleich behandelt zu werden.

Einige der Nebachoten hatten erneut begonnen sich laut anzuschreien, und die Stimmung wurde zunehmend aufgeheizter. Inzwischen wusste sie allerdings, dass dies alles einem festen Ritual, einer Art Geschichte folgte.

Mittels neun Streichen fügten sich die Gegner dabei mit nassen Ruten auf den bloßen Oberkörper Schläge zu. Sie standen symbolisch für den Weg, den die Seele bis zu ihrer Erlösung und Wiedergeburt nahm. Zunächst der Weg aus alveranischen Gefilden hinab auf Dere. Dann der Schmerz der Geburt, gefolgt von den Schmerzen durch die ersten blendenden Strahlen des Praiosmales, welche den Geist des Wesens ans Licht fördern. Die Mannbarkeits- und Kriegerriten, oder alternativ die Schmerzen, die zum Frauwerden führen, kommen sodann. Hernach die Erfahrungen die man macht in seinem Leben als Liebende, und danach die Erfahrungen als Eltern. Schließlich die ersten Entsagungen durch Verlust innerhalb der Familie, und die Aufregungen als Großeltern. Schließlich das Alter, als Punkt inne zu halten und Rat zu erteilen, trotz körperlicher Einschränkungen.

Inzwischen wusste sie all das, aber die ersten Kämpfe und aggressiven Handlungen der Nebachoten hatten auf sie sehr befremdlich gewirkt. Da Ra’oul zu früh gestorben war, so hatte ihr leise eine der Dienerinnen erklärt, fielen die Kämpfe heuer besonders blutig aus, da seine Seele durch ihre Hilfe alle Daseinsformen erleben sollte, damit sie wiedergeboren werden konnte. Die Schreie und das Wehklagen der Frauen hatte den Göttern sei Dank abgenommen. Die meisten waren nun still damit beschäftigt für ihren Ehegatten die richtigen Speisen zu reichen und dafür zu sorgen, dass die Räucherschalen immer befüllt und beständig am Glimmen waren.

Al’Arik saß mit dickem Vollbart, nacktem und blut- und schweißbentztem Oberkörper am Feuer in ihrem Zelt, der Rauch zog dabei über die Öffnung an der Decke bzw. die geöffneten Seiten ab. Mit ihm zusammen saßen dort alle Männer seiner Blutgarde, die er nach dem Tag an dem der Todeszug hier angekommen war, hatte rufen lassen, und sein Söhne Tar und Said, die allesamt ähnlich zerschunden aussahen wie er. Gemeinsam verspeisten sie ein rohes Ferkel, welchem man so gerade mal die Kehle durchschnitten hatte, bevor man die Dolche in es hineingetrieben und zerlegt hatte. Alle hatten zwar mit den ersten Bissen kämpfen müssen und hin und wieder hatte einer gewürgt, doch wäre keinem von ihnen in den Sinn gekommen die alte Tradition zu brechen und das Fleisch zu Braten. Auch wenn nicht wenige der anwesenden Nebachoten dies taten, Al’Arik verabscheute sie dafür, sie schmälerten damit seiner Meinung nach den Ruhm Ra’ouls. Genauso wie mit dieser verweichlichten Variante der rituellen Kämpfe. Mit diesen Ruten. Er hatte seine Männer angeordnet, wie früher, mit echten Waffen zu Kämpfen. „Keine Schwäche.“, dachte er. Dies ging jetzt schon 8 Tage lang so. Morgen war der Tag der Beerdigung. Die Kämpfe hatten ihn und seine Männer stark ausgezerrt. Damit hatten sie ihren Beitrag dazu geliefert, dem Toten genug durch ihr Blut Kraft auf den Weg mit nach Alveran zu geben und dort vor Boron zu treten, der über ihn richten und dann an seine Schwester Tsa übergeben würde. Tsa würde dann, das Urteil ihres Bruders im Ohr, letztendlich darüber entscheiden was mit Ra’oul geschehen würde. Wahrscheinlich würde er wiedergeboren werden, denn die letzte Stufe hatte er noch nicht erreicht und nur selten nahmen die Götter einen schon vorher in ihre Paradise auf. Aber Ra’oul könnte eine dieser Ausnahmen sein. Er wäre ein großer und starker Anführer gewesen, Al’Arik dachte dabei an den letzten Besuch Ra’ouls bei ihm in Feshaven. Er wusste mit seinen Männern umzugehen, auch wenn Al’Arik nicht alle seine Entscheidungen gut hieß, doch wäre Ra’oul ein würdiger Nachfolger des großen Eslam geworden. Was jetzt geschehen würde wussten nur die Götter. Morgen würde erst mal der Tag des Abschieds kommen, er und seine Männer hatten den Großteil ihrer Sachen schon gepackt und waren bereit zum Aufbruch gen Rappan'tar a Hassalfira (Acker (eher Feld) des Blutes und Fels der Erinnerung).

[…]

Bruder Thurbold wohnte den Trauerfeierlichkeiten ebenfalls bei, doch im Gegensatz zu den Trauernden deren Gefühl er zwar nachvollziehen konnte, sah er im Tod keinen Verlust für die Menschen. Aus dem Tode erwuchsen so viele schöne Dinge, das der Verlust eines Menschen eher zweitrangig werden konnte. Umso wichtiger der Tode im Leben war, umso eher war sein Verlust für die Gemeinschaft zu verschmerzen.

Wo es nur ging versuchte Thurbold den Trauernden Trost zu schenken, auch wenn er viele Anliegen verneinen musste. Es schien im Volk nicht bekannt zu sein, das nicht jeder Golgarit ein Geweihter des Boron war – auch wenn Thurbold sich manchmal durchaus dachte, das er diesen Kulten weit näher stand als viele seiner Brüder und Schwestern im Kloster, die sich wenig um die Riten der Nebachoten kümmerten. Auch deshalb beschrieb Thurbold zwischen seinen Rundgängen – wo auch er immer wieder rohes Fleisch vertilgen musste – einige Seiten Pergament um die Riten aufzuschreiben und dem Kloster zuzuführen. Egal wer einst sein Nachfolger an Eslams Seite sein würde, dieser würde diese Schriften bitter benötigen, war doch das Wesen dieses Volkes so anders, wie es alt war. Bei seinen Runden bemerkte er bald, dass ein nebachotischer Junge, von höchstens 10 Götterläufen, der vor Dreck nur so starrte nicht von seiner Seite wich und all seine Taten neugierig musterte und auch die nächsten Tage nicht mehr von seiner Seite wich. Es stellte sich heraus, dass der Junge, ein Waise von Eslams als Stallbursche aufgenommen worden war und als extrem schweigsam galt.