Geschichten:Das Einhorn im Walde – Ankunft und Wiedersehen: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 15. August 2014, 10:28 Uhr

Ankunft und Wiedersehen

Reichsstadt Hirschfurt, 1. EFF 1037, gegen Mittag

Irold seufzte hörbar. Es klang erleichtert, nicht beschwerlich, und Larena ahnte, ja vielmehr kannte den Grund dafür. Vor ihnen erhoben sich bereits sichtbar die Mauern der Reichsstadt Hirschfurt, und mann konnte bereits den Punkt erahnen, an dem die Raller gemächlich durch das Land floss und die Grafschaften Reichsforst und Waldstein voneinander teilte. Bis hierher war die Reise ohne Schwierigkeiten verlaufen; niemand hatte sie angehalten, doch sie hatten auch versucht, nicht aufzufallen. Irold fiel es schwer, seine Geweihtenkutte zu verbergen, war er doch normalerweise von einem stillen Stolz über seine Weihe erfüllt; doch es war besser, wenn ihre wahre Profession unter den grauen Mänteln verborgen blieb. Und frisch genug war es dieser Tage schon gewesen, das sich niemand groß Gedanken machte, wen zwei Gestalten im ausklingenden Sommer bemäntelt umherliefen.

Auch das letzte Stück der Reise verlief ohne Zwischenfälle. Sie waren recht stramm marschiert, aber ohne sich zu verausgaben, hatten Pausen eingelegt, wann immer es nötig war und nicht riskiert, zu weit in die Dunkelheit hinein zu marschieren und rechtzeitig Quartier bezogen, wenn es dämmerte. So schritten sie unbehelligt durch die Reichsfeste Rallersbruck, überquerten sie die Rallerbrücke und durchschritten alsbald die Stadttore. Entgegen Irold ersten Befüchtungen wurden sie nicht kontrolliert, und Larena hatte ihren Lehrer zutreffend darauf hingewiesen, dass die Reichsfeste ebenso wie Reichsstadt Kaiserland war – und dort das Verbot der Nanduskirche keine Wirkung hatte.

„Da sind wird“, sagte Larena, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.

„Stadtluft macht frei“, murmelte Irold hingegen, und es klang nicht so begeistert. Für ihn war es mehr eine Flucht vor dem, was sie anderswo außerhalb der Reichsstädte erwarten mochte; für Larena hingegen war es so etwas wie eine Heimkehr. Sie war hier aufgewachsen, zumindest zum Beginn ihres Noviziats, und kannte die Stadt daher recht gut.

„Hm, riecht hier aber auch nicht anders als anderswo“, kommentierte eine Stimme von ihrer Hüfte her. Fünkchen, die junge Meckerdrachin, hielt den Kopf schräg und blinzelte.

„Ach Fünkchen, was verstehst Du schon davon. Du warst noch niemals hier. Es ist beschaulicher und nicht so quirlig wie in Gareth. Und wir sind hier sicher.“

„Hoffentlich bleibt das auch so“, erwiderte Irold missmutig. „Nicht dass sie noch auf die Idee kommen, unsere Kirche auch in den Reichsstädten zu verbieten.“

„Ach was, so weit wird es schon nicht kommen.“ Larena sah ihren Mentor aufmunternd an.

‚Eigentlich wäre es ja meine Aufgabe, sie aufzumuntern und nicht umgekehrt‘, dachte Irold, schweig dann aber doch. Das Mädchen, wie er Larena in Gedanken oft nannte, zählte immerhin auch schon 18, nein 19 Lenze und stand kurz vor der Weihe. Und sie war sich dessen auch bewusst, wenngleich es an ihm war, darüber zu entscheiden. Und unter den derzeitigen Umständen mochte es nicht schaden, dies noch etwas herauszuzögern.

„Und nun?“ fragte Fünkchen.

Irold zuckte mit den Schultern. „Nun suchen wir uns ein Quartier.“


Sie fanden Unterkunft im Tintenfäßchen, einer kleinen Herberge gegenüber der Schule und auf halbem Wege zwischen Gräflichem Archiv und Grafenpalas. Das Haus war erst vor zwei Jahren zur Herberge umgestaltet worden, wie der Wirt, ein schmächtiger, schütterer Blondschopf namens Hilpert Suskens ohne Nachfrage zu erklären ansetzte. Der Preis war angemessen für das, was sie vorfanden, und auf der Reise hierher hatten sie wahrlich schlechtere Herbergen zu Gesicht bekommen. Es mochte schon die Wahrheit sein; aus ihrer Kinderzeit kannte Larena das Haus zumindest nicht so. Sie glaubte sich zu erinnern, dass dort früher eine Schusterwerkstatt gewesen war. Nachdem sie ihre wenigen Habseligkeiten auf ihr Zimmer gebracht hatten nahmen sie im kleinen Gastraum der Herberge ein einfaches Süppchen zu sich.

„Ich bin müde“, sagte Irold. „Ich glaube, ich werde mich ein Stündchen aufs Ohr legen und ausruhen von der Reise. Diese langen Wanderungen bin ich nicht mehr gewohnt.“

„Es bestehen aber keine Einwände, wenn ich mich etwas in der Stadt umsehe?“ Larena verspürte wenig Lust, nun den Nachmittag in der Stube hockend zu verbringen.

„Nein, geh nur. Wir sollten hier ja sicher sein.“

„Genau, gehen wir“, mischte sich Fünkchen ein.

„Fünkchen, tu mir bitte einen Gefallen und plapper nicht immer dazwischen. Aufsehen erregen wollen wir trotzdem nicht. Sonst lasse ich Dich hier bei Irold.“ Larena guckte die Meckerdrachin mit schräggelegtem Kopf und einem aufgesetzt bösen Gesichtsausdruck an, doch Fünkchen tat es ihr nach.

„Na gut“, knurrte die Drachin schließlich missmutig.


Also brachen sie auf. Den Reisemantel, ohnehin schmutzig und staubig, ließ Larena auf dem Zimmer zurück; es schadete nichts, wenn man sie hier in ihrer Novizenkutte sah. Fünkchen war gehorsam in die Gürteltasche geschlüpft, und nun streifte Larena langsam durch die Stadt, in der sie ihre Kindheit verbracht hatte. Sie besuchte Winkel und Ecken, an die sie besondere Erinnerungen hatte, und als sie für’s erste genug hatte lenkte sie ihre Schritte zum Marktplatz. Dort herrschte geschäftiges Treiben, und so suchte sie sich einen Weg durch die versammelten Menschen, bis sie schließlich vor dem Grafenpalas stand. Sie zögerte einen Moment, zog ihre Kutte gerade und marschierte auf das Portal zu.

Ein Gardist der Grafengarde, wie man die gräflichen Soldaten hier in der Stadt gewöhnlich nannte, wachte am Eingang des Gebäudes. „Wohin des Weges, junges Fräulein?“

Larena ignorierte das Fräulein. „Hinein, könnte ich sagen. Ich bin Schwester Larena, Novizin des Nandus, wenn es Euch beliebt. Und ich habe einige Dinge hier zu besprechen, die nicht die Euren sind.“ Sie schlug liebreizend mit den Augen.

„Ach, tretet ein, ihr werden schon keinen Aufruhr verursachen, will ich doch wohl hoffen…“


Sie kannte den Grafenpalas aus Kindertagen einigermaßen. Also suchte sie sich einen Weg dorthin, wo in ihrer Erinnerung die Amtsstube des Grafschaftsrates lag und wurde schnell fündig. Also klopfte sie ohne zu zögern an und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten.

„Ich hatte doch gesagt, ich wünsche keine Störung!“ schallte eine Stimme durch den Raum. „Also hinf…“ Der Mann hinter dem großen Schreibtisch brach mitten im Satz ab, als er aufblickte. „Larena?“

Die Angesprochen nickte; dann ließ sie alle Hemmungen fallen und lief dem Mann entgegen, der nun aufgestanden war und ihr entgegen kam. „Vater!“ sagte sie nur und schmiegte sich an ihn, und ihr kamen die Tränen. Coswin von Streitzig, Seneschall der Grafschaft Waldstein, schloss seine Tochter in die Arme. „Willkommen, mein Kind. Nach den Ereignissen von Ancilla fürchtete ich das schlimmste und habe gehofft, dass Dir unserer Name Sicherheit geben möge. Zum Glück bist Du wohlauf.“

„Ja. Ich hoffe, hier sind wir in Sicherheit“, entgegnete sie und wischte die Tränen fort. Die Last der vergangenen Tage, insbesondere seit der Hinrichtung Dartan Serpolets, fiel von ihr ab.

Coswin schob den Rest seines Tagewerks, dass er noch zu erledigen gedacht hatte, gedanklich an die Seite. Er hatte Larena seit drei Jahren nicht gesehen; sie hatten sich gewiss viel zu erzählen.


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