Geschichten:Altes Blut - Im Widerstand vereint: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 14. September 2014, 16:51 Uhr
13. Rondra 1037 – Burg Zerbelhelm, Junkertum Zerbelhufen (Baronie Rallerspfort)
„Seid gegrüßt meine Herren.“, begann Dorian von Zerbelhufen, als alle seine Gäste eingetroffen waren und sich im Kaminzimmer versammelt hatten. Noch vor einigen Tagen hatte hier die verhängnisvolle Versammlung stattgefunden, bei welcher der Schwiegervater des Barons, Valnar von Falkenstein, verletzt wurde. Seitdem war einiges geschehen, zu Ungunsten der nun versammelten. Dorian hatte es als nötig empfunden Aromir von Trutzen und Firunhardt von Böckelburg zu einer Nachbesprechung der Dinge einzuladen, wobei bei der Gelegenheit ebenso das Vorgehen der nächsten Tage besprochen werden sollte. „Wie Ihr bereits aus meinem Schreiben entnehmen konntet, möchte ich den heutigen Abend nutzen, um die vergangenen und vor und liegenden Tage mit Euch zu besprechen. Seit dem Vorfall bei der Zerbelhatz hat sich einiges ereignet.“
„Kann man so sagen.“, warf Böckelburg ein. „Seit der haltlosen Provokation Falkensteins hielt sich der Baron doch sehr zurück.“
„Nun ja, Ihr müsst eingestehen, dass er sich in einer äußerst misslichen Lage befindet. Desweiteren gibt es eine Menge von Zeugen, die bestätigen können, dass Ihr es wart, welcher zuerst blanken Stahl zeigte und auch die Verletzung verursachte.“ Dorian war froh, dass Aromir diese beiden Punkte zur Sprache brachte. Er und Böckelburg standen, was diesen Konflikt anging auf einer Seite, wurde ihnen beiden doch von Falkenstein ein Vergehen vorgeworfen. Diese Forderungen konnten nicht tatenlos hingenommen werden und so kam es absprachefrei zu dieser unüblichen Zusammenarbeit gegen Falkenstein.
„Ihr alle habt gehört, dass er seinen und unser aller Stand verleumdet und meine Familie beleidigt hat. Das war das einzige unritterliche Vergehen an besagtem Abend. Die eigene Ehre und die seiner Familie mit Stahl zu verteidigen ist das Recht eines jeden!“
„Sicherlich.“, besänftigte Dorian. „Außerdem ist keine Stellungnahme noch immer besser als Kritik. Der Baron ist sich selbst uneins über die Lage, sonst hätte er sich längst gemeldet.“ Davon war Dorian überzeugt, was ihm Sorge bereitete war, dass sich der Baron für gewöhnlich an ihn gewandt hatte, standen solch heikle Entscheidungen an. Dass er sich nun nicht einmal meldete und um eine Stellungnahme bat, beunruhigte ihn.
„Nur was sollen wir jetzt tun?“, fragte Firunhardt etwas ruhiger. „Keine Reaktion unsererseits wird Falkenstein als Provokation empfinden. Er hat Forderungen gestellt – wir müssen reagieren.“
„Ich sage auch nicht, dass wir nicht reagieren sollten. Ganz im Gegenteil. Wir sind ganz offensichtlich am Zug, aber das heißt nicht, dass wir den Forderungen nachgehen. Ich halte es für das Beste den Baron zu involvieren. Nicht als Schwiegersohn von Falkenstein, sondern als Lehnsherr, der einen Streitfall zwischen seinen Vasallen klären soll.“ Die beiden Männer, ihm gegenüber grübelten einen Moment über seine Worte.
„Aber“, begann Aromir vorsichtig. „Bringen wir ihn damit nicht in Zugzwang. Er versucht sich offensichtlich mehr oder weniger herauszuhalten. Es könnte gefährlich sein, Raulbrin zu zwingen sich zu entscheiden. Was wenn er zu Euer beider Ungunsten entscheidet?“
„Ich kann diesen Forderungen nicht nachkommen!“, polterte Böckelburg erneut los, doch sah man einsetzende Panik in seinen Augen. „Ihr Zerbelhufen, Ihr könnt es Euch leisten einfach zu zahlen, wenn der Baron so entscheidet. Mir steht es nicht frei zu wählen.“
„Was habt ihr in diesem Fall stattdessen vor?“, fragte Aromir.
„Ich werde mich widersetzen müssen.“
„Ruhig, ruhig Firunhardt. Noch redet hier gar niemand von widersetzen. Noch gibt es nicht einmal eine Entscheidung des Barons. Außerdem fällt es auch mir nicht leicht die Entschädigung zu zahlen. Die Ernte war zwar gut, aber das Gestüt muss für den Winter vorbereitet werden, da kann ich es mir nicht erlauben eine solche Summe einfach mal eben so abzugeben. Ihr Aromir,“, Dorian wandte sich an Aromir. „Ich habe Euch als vernünftigen, abwägenden Mann der Tat zu schätzen gelernt. Ihr habt die Ereignisse bei der Zerbelhatz beobachtet, ward sogar daran beteiligt. Würdet Ihr uns unterstützen, liefe es auf ein Treffen mit dem Baron hinaus? S ginge nur darum die Ereignisse zu schildern und Eure Sicht der Dinge darzulegen. Ich hielte es desweiteren für vernünftig ihn auf den Plan bezüglich der Schule anzusprechen. Dies war ja Ursache des gesamten Konflikts.“ Dorian konnte erkennen, wie der Ritter mit sich rang. Es war ihm bewusst, dass es eine schwere Entscheidung war, da er im Zweifelsfall als Kontrahent des Barons angesehen werden könnte, doch war Dorian aufgefallen, wie er zum Thema Schule stand. An Aromir wurden keine Forderungen gestellt, hatte er doch Falkenstein verteidigt, doch war er unzufrieden mit den Plänen des Barons – das verband ihn mit Böckelburg und schuf dieses Dreiergespann.
„Unter der Bedingung, dass der Punkt mit der Schule zuerst angesprochen wird. Nur so kann ich mich aus Eurem Anliegen zurückziehen, sobald es nötig wird, damit ich nicht tiefer involviert werde.“
„Einverstanden.“, antwortete Dorian, auch wenn er sich fragte, wie Aromir das bewerkstelligen wollte, war die Verletzung Falkensteins und die drohende offene Konfrontation doch das weitaus dringlichere Thema.
„Habt Dank, Aromir.“ Böckelburg reichte Aromir seine Pranke.
„Doch noch eines.“, Dorian wollte es nicht dabei belassen. „Eine schriftliche Korrespondenz mit dem Baron würde zu lang dauern und alles nur unnötig in die Länge ziehen, meint Ihr nicht? Uns allen ist doch daran gelegen, dass die Angelegenheit so früh wie möglich aufgelöst und das Missverständnis aus der Welt geräumt wird.“ Er schaute fragend in die Runde. Böckelburg nickte etwas unentschlossen, was Dorian verstehen konnte, sah es für ihn doch tatsächlich eher schlecht aus, was die Beweislage hergab. Aromirs Augen verengten sich bei diesen Worten. Er konnte, wie Dorian wusste, nun keinen Rückzieher machen, hatte er doch eben seine Unterstützung zugesagt, auch wenn er dabei gehofft hatte, dass es nie soweit kommen würde. Aromir gefiel sich in seiner Rolle als treuer Vasall, eine solche Konfrontation kam ihm da mehr als ungelegen. Letztendlich nickte aber auch er. „Großartig meine Herren. Wir haben hier heute einige gute Entscheidungen getroffen, die langfristig den Frieden wahren werden. Wir werden eine Übereinkunft mit dem Baron finden, da bin ich mir sicher. Ich halte es für das Weiseste gleich morgen aufzubrechen. Ich lasse einen Boten noch heute nach Burg Rotkrähenborn reiten, um uns ankündigen zu lassen.“ Aromir und Böckelburg schauten sich einen Herzschlag lang an, nickten dann aber zustimmend.
Mit diesen Worten erhoben sich die Männer, verabschiedeten sich und verließen gemeinsam den Raum. Als seine Gäste außer Sichtweite waren, kehrte Dorian ins Kaminzimmer zurück und schenkte sich einen Becher Wein ein. Er merkte, dass ihm vor Aufregung der Schweiß auf dem Rücken stand. Es missfiel ihm stets, solche Beratungen zu abzuhalten, fühlte es sich doch immer etwas nach Verrat an für ihn. Dennoch waren sie seinem Erachten nach nötig. Der Baron war auch bloß ein Mensch, der Entscheidungen traf und diese konnten durchaus auch falsch sein. Er wollte bloß verhindern, dass das Ansehen des Barons weiter litt; und natürlich die Entschädigungszahlungen abwenden, aber das war bloß ein Nebenpunkt redete er sich ein. Als er so in Gedanken verloren dasaß, seinen Wein trank und in den kalten Kamin starrte, trat Besuch ein. Der Mann klopfte kurz an den Türrahmen. Dorian schrak auf.
„Störe ich?“, fragte Haldan Rallersgrunder, welcher noch immer Gast auf Burg Zerbelhelm war.
„Nein, keineswegs. Tretet doch ein und setzt Euch zu mir.“ Der großgewachsene Mann war noch immer ein Rätsel für Dorian. Zu wenig wusste er über ihn, auch wenn er sich Mühe gab mehr herauszufinden. Er hatte gute Manieren, war stets charmant, hatte etwas bestimmendes an sich. Der Körperbau verriet, dass er ein Waffenhandwerk gelernt hatte, doch gewis nicht das eines Söldners. Dorian tippte auf eine Kriegerakademie, doch hatte er Haldan nie üben sehen und außerdem ließ die Ausbildung an einer Akademie auf ein gutes Einkommen der Familie schließen.
„Es ist ein Bote eingetroffen. Ich war so frei den Brief entgegenzunehmen und ihn umgehend zu Euch u bringen.“ Haldan setzte sich Dorian gegenüber und reichte ihm den verschlossenen Umschlag. Im Kerzenschein funkelten seine blauen Augen und ließen ihn trotz der späten Stunde wach wirken.
Unauffällig prüfte Dorian das Siegel. Es trug Bärenwappen der Zerbelhufens, was Dorian vermuten ließ, dass es von seinem Onkel Ungolf stammte. Er brach das Siegel und entfaltete den Umschlag. Noch bevor er lesen konnte wurde er von Haldan unterbrochen.
„Soll ich Euch allein lassen?“
„Das wird nicht nötig sein. Schenkt Euch doch einen Becher Wein ein.“ Haldan nickte ihm dankend zu und stand auf. Dorian wandte sich erneut dem Brief zu.
An meinen werten Neffen, Junker Dorian von Zerbelhufen,
wie von dir aufgetragen, stellte ich in den vergangenen Wochen Nachforschungen zu Haldan Rallersgrunder an. Wie befürchtet wurde ich in der Bibliothek von Burg Rotkrähenborn nicht fündig, wurde doch so vieles durch das große Feuer vernichtet, was im vermuteten Zeitraum lag. Ich schrieb an einige alte Freunde, die, wie sich herausstellte, zu großen Teilen bereits verschieden waren. So hatte ich die Hoffnung beinahe aufgegeben, als ich mich den Bilanzen zuwandte. Wie so oft wurde ich asgerechnet da fündig, wo ich es am wenigsten vermutet hatte. Ich fand den Namen Rallersgrunder in den Listen. Es ist der Name eines Großhändlers, welcher diese Burg seit einigen Jahren beliefert. Deswegen kam er mir so bekannt vor und vermutlich auch dir. Ich prüfte die Zahlen und so kann ich dir mitteilen, dass es sich bei diesem Haus um anständige Kaufleute handelt. Ich nehme an, dass Haldan bei dir ist, um Handelsbeziehungen zu knüpfen. Ich hoffe ich konnte dir weiterhelfen und wünsche dir viel Erfolg bei den bevorstehenden Verhandlungen. Möge Phex mit dir sein.
Dorian faltete den Brief erneut zusammen und wandte sich um, um Haldan erneut in Augenschein zu nehmen. Sohn eines Kaufherrn würde passen. Das hohe Einkommen, die daraus resultierende gute Ausbildung, alles, doch hatte er bislang keine Anstalten gemacht, ein Geschäft anzusprechen. Haldan kehrte mit einem Becher zurück zu seinem Platz und stieß mit Dorian an.
„Gute Nachricht hoffe ich. Ich bin so ungern der Überbringer von schlechten Nachrichten.“
„Keineswegs. Familienangelegenheiten.“ Haldan fasste sich an die Brust und schnaufte geräuschvoll aus, als fiele ihm eine riesige Last von Herzen.
„Glück gehabt. Was raubt Euch zu solch später Stunde den Schlaf?“
„Der Vorfall bei der Zerbelhatz. Ihr ward ja dabei und wisst sicherlich wie unangenehm so etwas für einen Gastgeber ist.“
„Ich kann es nachvollziehen.“ Er nickte verständnisvoll. „Mal so unter uns gesagt, hätte ich jedoch vom Schwiegervater des Barons, einem Mann seines Gelehrtenstands, etwas mehr taktgefühl erwartet. Es war offensichtlich was für einem Mann er sich gegenüber sah. Nun hat der Baron die undankbare Aufgabe, dieses diplomatische Unvermögen auszubaden.“ Dorian nickte und dachte über das Gesagte nach.
„Es ist ihm scheinbar eine Herzensangelegenheit diese Schule einzurichten. Er ist wohl noch immer ein Mann der Hesinde.“
„Herzensangelegenheit… Ich dachte stets die Jünger der Hesinde seien Männer des Geistes, weniger des Herzens. Ich halte es für nicht besonders schicklich so kurz vor dem Krieg die Loyalität der Vasallen herauszufordern. Natürlich sind es nicht die seinen, aber die seines Schwiegersohns und eine Familie verpflichtet doch, hab ich nicht recht?“ Dorian nickte, doch Haldan erwartete keine Antwort und fuhr gleich fort. „Man stellt sich die Frage, weshalb der Baron ausgerechnet ihn entsandt hat, musste ihm doch klar gewesen sein, dass dieses Thema zur Sprache kommt.“
„Wollt Ihr damit sagen, der Baron wollte eine Konfrontation?“ Haldan hob abwehrend die Hände.
„Ich wollte rein gar nichts andeuten. Fest steht jedoch, dass es zu diesem Zeitpunkt mehr als ungeschickt war, ist der Baron doch abhängig von der Kraft der Vasallen.“ Er leerte seinen Becher, stand auf und verabschiedete sich.
Dorian verfiel erneut in tiefes Grübeln. Er hielt das Gerede von Haldan für unsinnig, doch konnte er nicht leugnen, dass das Entsenden Falkensteins tatsächlich unglaublich ungeschickt war. So unglaublich, dass er sich nicht wagte vorzustellen, dass es der Baron tatsächlich nicht besser gewusst hatte oder sich die möglichen Konsequenzen hatte vorstellen können. Was mochte Raulbrin von dieser Spaltung haben? „Teile und herrsche“ hieß es stets, doch nicht so kurz vor dem Krieg und erst recht nicht den Baron von seinen Vasallen.
Er trank einen weiteren Becher Wein. Dann, wie eine Eingebung, kam ihm der Gedanke, den er im nächsten Moment am liebsten schon wieder vergessen hätte: Es ging Raulbrin nicht um die Teilung seiner Vasallen. Diese hatte sich vorher schon angebahnt durch das Gerücht von der Schule. Erst die Verletzung seines Schwiegervaters brachte ihm einen Vorteil. Entweder er erhielt Geld für Truppen und Verpflegung, oder er hatte seine Vasallen aus scheinbarer Dankbarkeit in der Hand. So kam Dorian zu der einen schlüssigen Erklärung: Raulbrin hatte ihn verraten und benutzt. Er wollte Geld aus ihm herauspressen oder absolute Unterwürfigkeit. Egal, wie der Konflikt ausgehen würde, Raulbrin würde gewinnen.
Düsternis umfing seine Gedanken und kein einziger davon galt noch Haldan Rallersgrunder.