Geschichten:Moderne Zeiten - Und fließen wird Blut: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 15. September 2014, 15:31 Uhr
Mitwirkende:
- Horbald von Schroeckh
- Ludemar von Schroeckh
- Ungolf von Zerbelhufen, Kastellan auf Rotkrähenborn
- Edo, der Stallmeister
- Wulf, sein Sohn
- Aldar, Köchin
Burg Rotkrähenborn, Baronie Rallerspfort, 5. Praios 1034 BF
Die Kutsche war umringt von zehn Gardisten der ›Goldenen Lanze‹, zehn Gardisten im königlichen Rock sowie zahlreichen Knechten und Mägden. Alle waren abgesessen und suchten einen Platz, um abzuwarten, as geschehen würde. Der große Trupp wirkte im unteren Zwinger der mächtigen Burg Rotkrähenborn fast verloren, so groß bemessen waren die Ausmaße der Festung der Rallerspforter Barone.
›Ewas für ein großer Kasten‹, dachte Horbald von Schroeckh. ›Größer als die Pfalz Puleth, nehme ich an. Und in einem schlechten Zustand. Wirklich schlecht.‹
»Du bist willkommen, Vater«, rief Ludomar im Nahen. Er kam den Weg aus dem oberen Zwinger heruntergeschlendert.
Der Staatsrat wartete, bis sein Sohn heran war. »Ludomar, nenn mich Exzellenz, wenn Du vor allen Leuten mit mir sprichst!«, zischte Horbalds.
»In Ordnung, Vater.«
»Warum kommt der Baron nicht selbst? Und wo sind seine Wachen, Bediensteten und-so-fort?«
»Wir sollen und erstmal selbst behelfen, meint der Kastellan. Der Bursche da – nein: da. Na da drüben. Das ist Wulf, der Sohn des Stallmeisters, der weist uns ein. Hier unten wird wohl kein Raum und kein Gebäude mehr benutzt au0er dem Stall. Ach ja, oben gibt es dann etwas zu essen für uns, meint der Kastellan. Und der Baron ist nicht da.«
»Der ist nicht da? Wo ist er denn?« Schroeckh folgte beim Reden seinem Sohn, der wieder den Weg in die obere Burg eingeschlagen hatte. Der Tross hingegen machte sich unter der Anleitung des sich als Hausherren gerierenden Knechtes Wulf im Unteren Zwinger breit.
»Der ist auf dem Weg nach Luring.«
»Aha.« Schroeckh keuchte leicht. »Hätten wir nicht mit der Kutsche fahren können? Das ist ja richtig steil hier.«
»Ja, schlau, nicht wahr? Hat die berühmte Ondwina von Rallerspfort so anlegen lassen. Nach der Reichsforster Fehde.«
»Wann war die?«
»Vater! Das solltest Du doch wissen! Dreivierundvierzig bis achtenvierzig.«
»Entschuldige, Ludomar, in dem Jahrhundert habe ich nicht gelebt.«
Ludomar hielt an und bedachte seinen Vater mit einem halb spöttischen, halb mitleidigen Blick. »Nicht? Ich hätte schwören können, dass Du mich in genau diesem Jahrhundert zusammen mit Mutter gezeugt hättest!«
Schroeckh riss sich zusammen: »Ach, Du meinst die Reichsforster Fehde! Na klar: Neunhundertvierundachtzig. Klar. Weiß bescheid.«
»Vierzig.«
»Vierzig, genau.«
Sie waren im oberen Zwinger angekommen. Der Hof war beinahe wohnlich zu nennen: Ringsum liefen Fachwerk Balkone auf drei Ebenen, in der Mitte des Hofs spendete ein kunstvoller Brunnen Wasser. Allerdings war die Bepflanzung von Pflaster und Gebäuden ganz offensichtlich nicht in dieser Form gewollt: Unkraut und Efeu hatten sich des Hofs bemächtigt.
Vor der geschwungenen Treppe erwartete sie gebeugt der Kastellan, Ungolf von Zerbelhufen. Sein langer grauer Bart umwucherte das faltige Gesicht. Er lächelte ein zahnloses Willkommen: »Exzellenz! Die Götter mit Euch! Kommt rein. In Travias namen nehmen wir Euch gern auf. Und im Namen Seiner Hochgeboren Raulbrin von Rallerspfort, der es gewiss sehr bedauern wird, Euch verpasst zu haben.«
Schroeckh machte Anstalten, die Treppe zu erklimmen, doch Ungolf hielt ihn zurück: »Hier entlang, bitte schön. Wir speisen in der Küche.« Er schlurfte seitlich auf eine Pforte zu, die alle drei in die hochgewölbte Burgküche führte. Es duftete nach Essen, nach Kräutern, nach frisch gebackenem Brot. Der Tisch war bereits gedeckt – für fünf Personen. Keine Decke zierte die rohen Planken, auf denen einfaches Tongeschirr bereit stand.
Schroeckh war zwar um einiges jünger und beweglicher als der alte Kastellan, dennoch schaffte dieser es, sich an den Kopf der Tafel zu platzieren: »Ihr kommt just zur Abendbrotzeit. Das trifft sich doch!«
»Still jetzt, Ungolf, die Männer wollen essen«, beschied die betagte Köchin dem Kastellan. Da sie so herrisch mit dem alten Mann geredet hatte, erhoben sich Vater und Sohn Schroeckh wieder.
»Habt Dank, edle Dame«, ließ sich Ludemar vernehmen.
»Edle Dame? Seh ich so aus? Ich bin Aldar, einfach nur Aldar. Ich koche. Also esst jetzt.«
Wenig später saßen sie zu fünft am Küchentisch; Aldar hatte sich ebenso hinzugesetzt wie der Stallmeister Edo, der sich keineswegs scheut, mit seinen dreckigen Fingern dem Staatsrat aufzutragen, ihm den Brotkorb herüberzureichen. Es gab Eintopf, und er war gut.
Nach dem Essen, das man schweigend verbracht hatte, vom Brummen Edos abgesehen, fragte Schroeckh: »Wo ist denn der Hausherr?«
»In Luring«, antworteten Ungolf, Aldar und Ludemar gleichzeitig. Edo brummte etwas.
»Ach ja, sagtet Ihr ja. Was macht er denn da?«
»Graf Danos hat seinen Ritterbann zusammengerufen. Alle Vasallen.« Ungolf wusste bescheid.
»Wozu?« Schroeckh pulte mit der Zunge an den Kohlfasern zwischen seinen Zähnen. »Reichsforster Fehde, was?«
»Nein, Exzellenz. Er hat die Reichsstadt Luring zurückgefordert.«
»Hä? Von wem denn?«
»Von der Kaiserin.«
»Ach?« Schroeckhs Gesicht spiegelte vollkommenes Erstaunen. »Ach was?«
»Ja. Er hat die Reichsfreiheit aufgehoben und der Stadt befohlen, ihre Mauer einzureißen und sich dem Grafen zu unterwerfen.«
»Toller Kerl, was Ludemar?« Schroeckh klang ehrlich bewundernd.
Ludemar wirkte nachdenklich und schwieg vorerst.
Schroeckh dachte nun seinerseits nach, aber laut: »Moment mal. Die Kaiserin ist doch auch die König Garetiens, nicht? Und als solche unsere direkte Lehnsherrin. Oder? Und sie hat doch der Stadt die Freiheit gegeben und dem Grafen befohlen ... oder wie? Ich meine: Kann er das einfach? Der Graf steht doch nicht über der Kaiserin, meine ich. Ne – da bin ich sogar sicher. Das gibt ja doch noch eine Reichsforster Fehde, wie damals: Graf Luring gegen Kaiser Valpo!«
»Perval, Vater. Es war Perval.« Ludemar sprach ernst. »Ich glaube nicht, dass die Königin etwas dagegen haben wird, wenn Graf Danos sich die Reichsstadt nimmt. Nach allem, as ich im Zedernkabinett gehört habe, gefällt der Krone alles, was den Reichsstädtebund schwächt. Die Königin und Graf Danos werden auf derselben Seite stehen. Doch sagt, Ungolf: Wenn Graf Danos alle seine Ritter ruft, dann erwartet er wohl Widerstand?«
»Das kann man sagen. Der Ritterbann war unmissverständlich: Alle Vasallen müssen kommen, als Ausrede gelten nur Krankheit oder Tod. Die Stadt will sich wohl nicht beugen.«
Schroeckh blickte von einem Redner zum anderen. Er hatte zu den Überlegungen nichts beizutragen.
»In der Tat, Herr Ungolf. Das sieht den Bürgern ähnlich. Verstecken sich hinter hohen Mauern.«
»Nicht allein das, Herr Ludemar. Heute früh hörte ich aus erster Hand, dass ein Bote der Stadtluringer zum Blutigen Ugo unterwegs ist. Der Nachbar hat es erzählt.«
»Die Stadt will die ›Goldene Lanze‹ kaufen?«
»Ganz recht, Herr Ludemar, ganz recht.«
»Vater, hast du es gehört?«
»Ja, Sohn. Ich sitze ja hier.«
»Vater, wenn der Blutige Ugo das Gold nimmt – und er braucht es –, dann stehen die Reichsforster Ritter gegen die Schwere Reiterei der Lanze! Es wird zu einem schrecklichen Gemetzel kommen und fließen wird Blut!«
»... und fließen wird Blut«, nickte Ungolf. »Und fließen wird Blut.«
»Komm, Vater, wir müssen sofort los und nach Rudes Schild!«
»Jetzt noch? Junge, es dunkelt draußen, das Kreuz schmerzt von der Kutsche, wir sind seit den Namenlosen unterwegs. Ich will nicht«
»Du musst, Vater. Du musst den Mühlingen aufhalten! Oder glaubst du, dass ER dieses Blutvergießen wün...« Ludemar blieb das Wort im Hals stecken.
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