Geschichten:Junges Grün - Ein Krüppel am Wegesrand: Unterschied zwischen den Versionen
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Das trockene Laub raschelte unter dem langen Saum ihrer grünen Robe, als [[Hauptdarsteller ist::Garetien:Lindegard von Lichtenhayn|Lindegard von Lichtenhayn]] sich früh morgens wieder auf den Weg macht. Sie hatte in Pfortheim die Nacht verbracht und wollte nun ihren Weg zur Stadt [[Orstnennung ist::Garetien:Stadt Rallerspfort|Rallerspfort]] fortsetzen. | Das trockene Laub raschelte unter dem langen Saum ihrer grünen Robe, als [[Hauptdarsteller ist::Garetien:Lindegard von Lichtenhayn|Lindegard von Lichtenhayn]] sich früh morgens wieder auf den Weg macht. Sie hatte in Pfortheim die Nacht verbracht und wollte nun ihren Weg zur Stadt [[Orstnennung ist::Garetien:Stadt Rallerspfort|Rallerspfort]] fortsetzen. |
Version vom 22. Oktober 2014, 17:41 Uhr
Anfang Boron 1037 in Pfortheim
Das trockene Laub raschelte unter dem langen Saum ihrer grünen Robe, als Lindegard von Lichtenhayn sich früh morgens wieder auf den Weg macht. Sie hatte in Pfortheim die Nacht verbracht und wollte nun ihren Weg zur Stadt Rallerspfort fortsetzen.
In ihrer Tasche trug sie einen Brief für die Vorsteherin des dortigen Peraine-Tempels mit sich, doch sie hatte auch noch ein persönliches Anliegen für diese Reise. Sie beabsichtigte in den Aufzeichnungen des Tempels Nachforschungen über die Geweihten aus ihrer Familie anzustellen. Seit einiger Zeit beschäftigte sie dieser Gedanke und sie hoffte in Rallerspfort endlich fündig zu werden, da sie wusste, dass ihre Familie schon bevor sie in den Adelstand erhoben wurde in dieser Region lebte.
In den Strahlen des Praiosauges leuchtete die Blätter in den schönsten Farben: helles Gold, flammendes Rot und warmes Orange färbte den Boden und die Bäume. Ein leichter Wind wehte, doch die Temperaturen waren angenehm mild. Ideales Reisewetter. Doch bald schon würde es Winter werden und dann würde es für alle, die sich auf den Straßen aufhalten mussten, unangenehm werden…
Lindegard hoffte mit ihren Nachforschungen vor Wintereinbruch fertig zu werden und nach Lichtenhayn reisen zu können. Die kälteste Jahreszeit wollte sie in diesem Götterlauf bei ihrer Familie verbringen.
Als sie gerade das Dorf Richtung Norden verlassen wollte, fiel ihr Blick auf einen zerlumpten Mann, der am Wegesrand saß und sie mit traurigen Augen ansah bevor er ehrerbietig den Kopf senkte. An dem Stein auf dem er saß lehnte eine Krücke und da erst sah Lindegard, dass dem armen Kerl das eine Bein unterhalb des Knies fehlte. Beherzt griff sie in ihren Almosenbeutel und trat auf ihn zu.
„Hier guter Mann ein paar Münzen für dich, auf dass du dir eine warme Mahlzeit und des Nachts einen Platz am Feuer leisten kannst.“ Sie lächelte ihn wohlwollend an.
Er erwiderte das Lächeln und sagte, „Die Herrin segne euch für eure Gabe!“, doch seine Augen blickten weiter voll tiefer Traurigkeit.
Sie wollte sich schon abwenden, doch dann zögerte sie und fragte vorsichtig, „Möchtest du mir vielleicht von deinem Leid berichten, damit ich deinen Schmerz teilen und verstehen kann?“
Die Verwunderung war ihm deutlich anzusehen, doch langsam entspannte er sich und begann zu berichten: „Ich war einst ein angesehener Handwerker, Tischler in meinem Dorf, doch dann kam der Krieg. Ich meldete mich freiwillig um unser Land zu verteidigen gegen diese unheilige Macht, ich wollte helfen. Bei Gareth dann verlor ich mein Bein und schätzte mich doch glücklich, denn schließlich war ich noch am Leben. Das war mehr als viele meiner Kameraden von sich behaupten konnten.“ Er seufzte schwer. „In all den Jahren die folgten stellte ich mir oft die Frage, ob die die Gefallen sind nicht das gnädigere Los gezogen haben. Ich kann mein Handwerk nicht mehr ausüben, habe keine Familie, die mich versorgen kann oder will und lebe von Tag zu Tag, angewiesen auf die Mildtätigkeit von guten Menschen wie euch, ohne mich für diese Gaben wirklich erkenntlich zeigen zu können…“
„Aber gibt es denn keinen Ort an dem du bleiben kannst? Ein Obdachlosenheim oder ähnliches?“
„In meinem Heimatort gibt es so etwas nicht, in keinem kleineren Dorf, und in den großen Stäten sind diese auch überfüllt und Fremde nicht gern gesehen. Nein es gibt keinen Ort wo ich hingehöre und willkommen bin… doch nun werte Herrin habe ich Euch genug mit meinem Schicksal belastet. Ich danke Euch für Euer offenes Ohr und eure Münzen, aber ihr habt sich noch wichtigeres zu tun, als dass ihr Eure Zeit mit einem armen Krüppel vergeuden solltet.“
Und so verließ Lindegard Pfortheim, doch die Worte des Mannes hatten etwas in ihr gerührt und sie ließen sich nicht so einfach hinter sich lassen wie die mit Laub bedeckten Gassen des Dorfes.
Auf ihrer Reise war sie schon so manchem Krüppel begegnet, Versehrte aus diesem oder jenem Krieg, traurige Gestalten die nichts mehr mit ihrem Leben anzufangen wussten. Sie konnten ihren vormaligen Beruf nicht mehr ausfüllen, und hatten niemanden der ihnen beistand. Dabei wären einige mit der richtigen Anleitung bestimmt noch in der Lage gewisse einfachere Arbeiten zu verrichten…
Während sie so munter ausschritt und über diese Dinge nachgrübelte, reifte in ihren Gedanken eine Idee: Wieso nicht einen Ort für Versehrten schaffen, abseits der schmutzigen Straßen der Städte, an dem sie leben und perainegefällige Arbeiten verrichten konnten? Man würde einen Platz schaffen für die, die sonst nirgendwo willkommen sind und gleichzeitig die bereits überbeanspruchten Armenküchen und Obdachlosenheime der Städte entlasten. Und Lindegard war sich sicher, dass die Menschen es durch so gute Arbeit wie sie eben verrichten konnten, danken würden. Sie wären sicher erleichtert, wieder einen Beitrag zur Gesellschaft leisten zu können und den Segen der Göttin zu erlangen.
Diese Arbeit würde dort ansetzten wo die Therbûniten aufhörten oder nicht mehr helfen konnten und es würde den Versehrten auch als Dank dafür dienen, das sie ihre Gesundheit für das Wohl des Landes gegeben hatten.
Je mehr sie darüber nachdachte, desto besser und der Göttin wohlgefällig erschien ihr diese Idee. Sie war so in Gedanken versunken, dass es war als würde sie aus einem tiefen See auftauchen, als sie ihre Augen wieder auf das Diesseits konzentrierte. Und das erste, auf das ihr Blick fiel, war eine einzelne, goldene Ähre, die am Wegesrand wuchs. Sie leuchtete im satten Herbstlicht. Ich werde dies als Zeichen sehe, dass Peraine meine Gedanken gutheißt, urteilte Lindegard und beschloss, sobald sie in Rallerspfort angekommen war, der Vorsteherin ihren Gedanken zu unterbreiten. Sie wusste, dass Titina Kupferich ein Herz für die vom Schicksal gebeutelten hatte und hoffte auf ihre Unterstützung.