Geschichten:Der Herr von Moorsch - Rapidora: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 6. Februar 2016, 17:47 Uhr
Markt Moorsch, spät am Abend des 3. Ingerimm 1032 BF
Rapidora fluchte leise und schaute missmutig zu dem lauten Treiben am Feuer auf dem Marktplatz hinüber. Die Kriegsknechte hatten sich der Anwesenheit mehrerer Bürgerstöchter versichert und trieben nun ihre rauen Späße mit ihnen, ließen sie schmutzige Lieder singen und griffen ihnen ungeniert an die Brüste und unter die Röcke. Wahrscheinlich würde mehr als eine der unglücklichen Maiden dem siegestrunkenen Waffenvolk in allem zu Willen sein müssen. Rapidora war das gleich. Ihr feiner Vetter Borstefred hatte sie sauber reingelegt. Dabei hatte sie noch gehofft, ihm mit ihrem überraschenden Auftauchen einen Strich durch die Rechnung zu machen! Aber dann hatte sie die Nerven verloren, wegen der ständigen Wundschmerzen und der Schwäche nach dem langen Tagesritt. Wenn sie doch wenigstens das Geld genommen hätte! Aber jetzt war es dazu zu spät. Sie beobachtete Raulwin von Katterquell, wie er mit einem der jungen Dinger im Arm aus dem Lichtkreis der Feuer verschwand. Dabei stolperte sie selbst im Gehen über die Deichsel eines abgestellten Leiterwagens. Doch ein kräftiger Arm hielt sie auf, bevor sie zu Boden stürzen konnte.
„Grüße, Rapidora. Borstefred hat gehofft, du würdest erst später auftauchen.“
Sie erkannte die Stimme: „Grüße Berndrich. Vetter Borstefred wird es verschmerzen, dass ich ihm sein Bier wegtrinke. Aber ich brauche jetzt einen kräftigen Schluck.“
„Du solltest vielleicht besser ins Bett gehen“, mahnte der Ritter, „du siehst nicht gut aus. Wer soll das Pack aus den Wäldern dann lenken, nur weil du deinen Stolz nicht im Zaum halten kannst und über so einer Lappalie draufgehst?“
„Das ist keine Lappalie! Ich will nur, was mir zusteht“, konstatierte sie kurz angebunden und winkte einen Knecht herbei. Kurz darauf standen sie beide mit einem Becher in der Hand an den Leiterwagen gelehnt und starrten in die Flammen. Schließlich nahm sie den abgerissenen Gesprächsfaden wieder auf: „Warum bist du eigentlich noch hier und nicht auf dem Heimweg? Wartet deine Frau nicht auf dich?“
„Mag schon sein, aber Familie geht vor“, Berndrich lehnte den Kopf zurück und spähte nach oben, wo zwischen den aufsteigenden Rauchschwaden die Sterne blitzten.
„Wie? Du bist Borstefreds Aufforderung gefolgt, ohne etwas dafür zu verlangen?“ geradezu ungläubig starrte sie ihn an, „Oder willst du es mir nur nicht sagen?
Berndrich schüttelte amüsiert den Kopf: „Suchst du schon wieder Streit Rapidora?“
Ein böser Verdacht keimte in ihr auf. Nein, damit würde er nicht durchkommen und so bohrte sie weiter: „Jetzt mal geradeheraus Berndrich: Hat Borstefred dir etwas versprochen – das Junkertum Moorsch zum Beispiel?“
„Wie kommst du denn darauf?“ fragte er sichtlich überrascht, „Hat er so etwas gesagt, als du dich vorhin mit ihm unterhalten hast?“
„Nein, aber er sagte mir, dass er es jemandem versprochen hätte.“
„Wem denn?“
„Mein Vetter will es an deinen Bruder Raulwin geben.“
Rapidora wurde Zeugin, wie Berndrich die Gesichtszüge entgleisten: „Was?! Dieser Mistkerl!“
„Der Meinung bin ich auch“, meinte Rapidora doppeldeutig. Volltreffer! Auf dieser Saite galt es weiter zu spielen.
Der Ritter kam in Fahrt: „Mein Bruder spielt sich auf, wie er das schon immer gerne getan hat! Seit Borstefred ihn zu seiner rechten Hand gemacht hat, kriegt der die Nase regelmäßig voll Wasser wenn’s regnet. Der denkt, dass er sich alles herausnehmen kann. Letztens hat er sogar mir Anweisungen geben wollen. Mir!“
Rapidora setzte eine traurige Miene auf und bemühte sich, die aufkeimende Freude über den Einfall, der ihr gerade durch den Kopf schoss, nicht nach außen dringen zu lassen, während Berndrich sich weiter ereiferte: „Hast du ihn gesehen, wie er mit dieser Gemeinen davon stolziert ist? Dieser liederliche Lump hat keinerlei Verantwortungsbewusstsein! Aber Borstefred scheint das völlig egal zu sein!“
Sie blickte ihn scharf an und meinte dann: „Wie wäre es, wenn du Raulwin wieder auf den Boden der Tatsachen holtest? Immerhin bist du sein älterer Bruder.“
„Wie soll das gehen, solange Borstefred nichts auf Raulwin kommen lässt? Er ist das Familienoberhaupt“, wandte Berndrich ein.
Innerlich verdrehte Rapidora die Augen ob so viel Begriffsstutzigkeit. Gleichwohl fuhr sie leise fort: „Du weißt, wie ich Gut Eisenmuth gewonnen habe. Du könntest es genauso machen. Bestreite seine Eignung und gewinne dir Moorsch im Zweikampf!“
Seine Augen blitzten auf: „Ich verstehe. Aber was springt für dich dabei heraus, wenn ich Moorsch bekommen sollte?“
Rapidora grinste ihn schelmisch an: „Mir würde es erst einmal reichen, wenn ich so Borstefred eins auswischen kann. Ich würde ja selbst antreten und Raulwin den Arsch bis zur Halskrause aufreißen, aber wie du siehst, bin ich dazu im Moment nicht in der Lage.“ Sie deutete auf ihren verbundenen und geschienten Arm, bevor sie weiter auf ihn einredete: „Außerdem bist du der geeignetste Herausforderer. Raupold ist in der Kürze der Zeit nicht erreichbar und kümmert sich sowieso nur um seine eigenen Angelegenheiten. Und Barnhelm... Na, du kennst Barnhelm“, Berndrich lachte kurz auf und Rapidora fuhr fort: „Du bist der Ältere. Du weißt wie Raulwin kämpft. Du kannst ihn besiegen!“