Geschichten:Zweifelfelser Zwist – Baron Debreks Leichenzug erreicht Zweiflingen: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 30. September 2017, 11:12 Uhr

Wehrkloster Sankt Henrica, Baronie Zweiflingen, 4. Rondra 1040 BF:

Knarrend öffnete sich das zweiflügelige Tor zum Innenhof des Wehrklosters. Der Leichenzug des gefallenen Baron Debrek hatte seinen Bestimmungsort erreicht. Als erste trat Abtissin Rudjahne von Sturmfels mit versteinerter Miene durch das Torhaus. Die Geweihte der Rondra hatte ihren toten Neffen in der Schlacht an der Tesralschleife geborgen und war ihm seit dem nicht mehr von der Seite gewichen. Es folgten die anderen überlebenden, körperlich gezeichneten Veteranen der Schlacht: Yalagunde von Zweifelfels, Rondrimir von Zweifelfels und Falkwin von Zweifelfels. Die Landrichterin humpelte, während der Grenzvogt von Gerbaldswacht seinen Schwertarm und Ritter Falkwin sein linkes Auge verloren hatten. Auch sie hatten die Heimführung des Leichnams die ganze Strecke lang bekleidet. Nun erst folgte der Karren mit dem Leichnam des gefallenen Helden. Viele Untertanen des Barons hatten sich während der letzten Meilen dem Zug angeschlossen, um in stiller Trauer ihren Baron zu ehren.

Der Leichenzug kam am Fuße der großen Halle, die den Rondra-Tempel sowie das Grab der Heiligen Henrica beherbergte, zum stehen. Die Versallen und enge Vertraute des Barons hatten nun die Ehre, den Leichnam auf einer Trage die Anhöhe bis zum Portal des Tempels hinaufzutragen. Junker Halmbert Rondratreu von Quastenstein und Junkerin Rantalla von Hohenfels positionierten sich an der Kopfseite, gefolgt von den Rittern Radegund von Luring-Cronenfurt und Yandare von Zweifelfels. Den Schluss bildeten Hauptmann Yendar Leodan von Zweifelfels und Burgvogt Brinian von Zweifelfels.

Den Weg säumten hochadlige Vertreter aus den angrenzenden Baronien, darunter der Landvogt von Tannwirk Rondred von Derrelsbach, der Vogt von Leihenbutt Hernulf-Answin von Hirschfurten, sowie der ungewohnt ernst dreinschauende Landvogt von Silz Vallbart von Falkenwind. Baronin Hesindiane Asmira von Rallerspfort wirkte sichtlich angeschlagen, hatte sie im Tobrien-Feldzug mit Debrek nicht nur ihren Schwager, sondern ebenfalls ihren Gemahl Raulbrin verloren. Ihr zur Seite stand Baronin Selfina von Falkenwind. Die beiden hochadligen Damen aus der Familie Falkenstein sahen sich immer wieder suchend um. Hielten sie Ausschau nach Baronin Emer? Ihnen gegenüber standen die Baroness von Osenbrück Selindra von Windenstein-Zweifelfels mitsamt ihrem Gefolge Junkerin Finyara von Zweifelfels und Ritter Ademar von Gugelforst. Selindra war in Vertretung ihres Vaters Baron Orlan angereist. Dieser hatte die Schlachten in Tobrien zwar überlebt, doch kehrte er schwer verletzt in seine Heimat zurück und litt nun an Wundfieber. Viele mutmaßten der Baron würde nicht mehr lange machen. Welch tragisches Schicksal für einen rondragefälligen Recken im Bett langsam dahingerafft zu werden, anstatt auf dem Schlachtfeld heldenhaft zu fallen.

Neben der Baroness hatten sich Baronin Iralda von Ochs und ihr Gemahl Wolfaran von Ochs und von Sturmfels versammelt. Ihre Gesichter zeigten ehrliche Anteilnahme. Wenige Schritte von Iralda entfernt stand ihr Bruder Junker Alderan von Bärenau mit ernsten Blick. In seinen Armen hielt er seine deutlich mitgenommene und immer wieder schluchzende Gemahlin Yselde von Zweifelfels. Debrek war ihr Schwertvater gewesen, so ging sein Tod der jungen Frau besonders nahe.

Etwas abseits stand der junge Haldan von Rallersgrund zusammen mit seiner Tante Glenna, die an Debreks Hof als Kämmerin diente. Misstrauisch beäugt wurden die beiden von dem ebenfalls aus Rallerspfort angereisten Junker Dorian von Zerbelhufen. Die Familie Rallersgrund befand sich in einer Zwickmühle, denn sie sahen die Zweifelfelser als enge Verbündete an. Doch auch die Baronsfamilie von Rallerspfort, die die Rallergrunder nach dem Titel trachteten, wie auch die einflussreichen Junker der Familie Zerbelhufen hielten gute Beziehungen zu diesen. Es würde sich noch zeigen müssen, zu welche der Fraktionen ihre Gegner tendieren würden. Daher gemahnte die gewiefte Glenna ihren Neffen zur Zurückhaltung. Die Familie würde sich schon mit dem zukünftigen Oberhaupt, wer immer das auch sein würde, arrangieren.

In der Gebetshalle angekommen, wurde der Leichnam vor dem Altar der Leunin aufgebahrt. Über dem Altar hing die Große Kupferscheibe der Leunin, auf der die Heldentaten der Heiligen Henrica abgebildet waren. Hier am Altar warteten bereits die engsten Familienangehörigen. Die Schwestern Rondriga, Raulwine und Leumunde hatten sich dort ebenso versammelt, wie die trauernde und tief verschleierte Mutter des Barons Ehrgard von Wetterfels, die von ihrer Tochter Rondriga gestützt werden musste. Debreks Knappinnen Isida von Salza und Rohaja Firuna von Rossreut waren ebenfalls hier, wie auch die beiden Pagen Leuhelm und Esmer. Etwas seitlich warteten Rondrigas Gemahl Ernbrecht von Zankenblatt und ihr Schwiegervater Baron Erlan von Zankenblatt. Der Syrrenholter Baron war in Begleitung der Ritterin Erlbrechta von Zweifelfels, die tapfer an der Seite von Graf Danos gestritten und dabei ihren linken Arm verloren hatte.

Auch Baron Felan Rondrik von Schallenberg hatte sich nicht nehmen lassen persönlich und in Begleitung seiner Gemahlin Jalga von Streitzig, seinem Nachbarn die letzte Ehrerbietung zu erweisen. Seit dem von Baron Debrek voran getriebenen Vertrag von Zweifels galt das Verhältnis zwischen den Familien Zweifelfels und Schallenberg als besser denn je. Ebenfalls angereist war Junker Wulfger von Schallenberg, der Gemahl von Debreks Schwester Raulwine. War diese Verbindung auch nur eine der vielen Vereinbarungen des zweifelser Vertrages, so entwickelte sich zwischen den beiden jungen Adligen doch alsbald echte Sympathie. Nunmehr sind sie stolze Eltern eines kleinen Sohnes und Wulfger zeigte sich als große Stütze für seine Angetraute in dieser schweren Zeit der Trauer.

Ein weitere großer Recke des Reiches ließ es sich nicht nehmen an der Trauerfeier seines Bundesbruders teilzunehmen. Selber körperlich schwer versehrt, war es für Baron Nimmgalf von Hirschfurten eine Frage der Ehre nach Sankt Henrica zu kommen. Nur eine gute Woche nach der schicksalshaften Schlacht bei Zwingstein war es Nimmgalf deutlich anzumerken, dass er immer noch stark angeschlagen war. Er war nicht in der Lage aus eigener Kraft zu stehen und musste der Trauerfeier daher im Sitzen beiwohnen, den Rumpf und die Glieder zumindest teilweise bandagiert. Viel hätte nicht gefehlt, dass er selbst so eine Feier bekommen hätte, und das war ihm nur allzu gut bewusst. An seiner Seite befanden sich auch seine Gemahlin Ederlinde von Luring-Hirschfurten und seine Stieftochter Irnfrede. Sein Knappe Merowin von Rosshagen, der kurz vor seiner Schwertleite stand, kümmerte sich um sein leibliches Wohl. Mit ernster Miene verfolgte Nimmgalf die Zeremonie.

Interessant war es, wer nicht anwesend war: So fehlte Debreks Gemahlin Emer Alara von Rallerspfort, genauso wie ihre beiden gemeinsamen Kinder Gilia und Thesia. Von der Baronin hieß es, sie würde aufgrund einer komplizierten Schwangerschaft ihr Bett nicht verlassen dürfen. Wo sich hingegen die beiden Mädchen aufhielten, war nicht bekannt, was zu einigen Spekulationen führte. Denn, wer die Mädchen hatte, hielt auch die Macht in Zweiflingen in den Händen. Auch ein anderer hielt sich auffällig im Hintergrund: Kronvogt Leomar beobachte das Geschehen zusammen mit seinem Vertrauten Bernhelm und seinem Knappen Gisborn aus gebotener Distanz. Es galt zu eruieren wer als potenzieller Verbündeter für die Ambitionen des Kronvogtes in Frage kam.

Abtissin Rudjahne von Sturmfels hielt als Höhepunkt eine bewegende Trauerrede für den gefallenen Helden. Aufmerksamen Beobachtern wurde dabei gewahr, dass sich die Abtissin und Baronsmutter während der gesamten Zeremonie nicht eines Blickes würdigten.