Geschichten:Nach der Schlacht um Puleth: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 4. Juni 2019, 07:36 Uhr

Hartsteen, Reichsgau - nach der Schlacht um Puleth


Das Tor der Pfalz wurde geöffnet und sofort füllte sich der Hof mit Knechten und Bediensteten, aber auch Bewaffneten. Pfalzgraf Bernhelm von Wetterfels ritt an der Spitze seiner verbliebenen Streiter durch das Tor. Die meisten Pferde waren nun ohne Reiter, über manchen Tieren lagen ihre ehemaligen Herren nun reglos quer über den Sattel geworfen.

Der blaugelbe Wappenrock des Pfalzgrafen war blutverschmiert und verdreckt. Sein Harnisch und sein Kettenhemd waren verbeult und an manchen Stellen eingerissen. Schweigend stieg er vom Pferd und nahm den Helm von seinem kantigen breiten Schädel. Achtlos ließ er ihn fallen und rief nach einer Schale mit Wasser. Ein Knecht brachte es ihm und Bernhelm erfrischte sich.

Die bangen Blicke seiner Krieger und Untergebenen durchbohrten ihn förmlich, doch er schüttelte nur das Haupt. Der eingetrocknete Schweiß auf seinem Körper und seinem Gesicht stank zum Himmel, doch das scherte ihn nicht. Vor seinem inneren Auge flackerten immer wieder die schrecklichen Bilder der Schlacht um Puleth. Seit dem Ogerzug vor vielen Jahren hatte er solch einen schlimmen Tag nicht mehr erlebt, und solch eine Angst nicht mehr gespürt.

Die wenigen Streiter, die an seiner Seite aus dem Gefecht zurück gekehrt waren, sanken ebenfalls erschöpft von ihren Rössern, während das Tor der mächtigen Burg wieder geschlossen wurde.

Der junge Vicarius von Firunshöh eilte sogleich herbei und schrie lauthals nach dem Medicus.

„Mein Herr, Ihr seid zurück! Die Götter seien gepriesen!“ rief der junge Edelmann erleichtert.

„Uns erreichten schlimme Gerüchte und Berichte von der Schlacht.“

Bernhelm hustete und kratzte sich am wallenden Bart. „Diese Geschichten sind untertrieben. Egal was Ihr gehört habt, junger Freund – es war schlimmer; glaubt mir.“ Er humpelte vorsichtig zum Eingang des Haupthauses, als der Medicus bereits heranstürmte.

Erschrocken sog der alte Heiler die Luft ein, als er das Ausmaß des Schreckens an Bernhelms Leib sah. Eine abgebrochene Klinge ragte aus seinem linken Oberschenkel, überall wo der Harnisch nachgegeben hatte, sah man Blutflecken auf dem Rock des bärbeißigen Mannes und das rechte Ohr fehlte. Nur ein blutiger Hautfetzen war übrig geblieben, die ganze Wange war mit getrocknetem Blut bedeckt.

Vicarius befahl einigen Männern den Verwundeten zu helfen und folgte dann seinem Herrn nach drinnen.

„Hat man etwas von Eurem Bruder gehört?“ fragte Bernhelm schwerfällig, als er schließlich in einen breiten Stuhl sackte.

„Nein, mein Herr. Seitdem er vor einiger Zeit nach Greifenfurt aufbrach, hörten wir nichts mehr von ihm. Ich glaube,...“

„Ich verstehe,“ fiel der Pfalzgraf dem Edlen ins Wort. „Die Pulethaner haben ihn sicherlich getötet oder gefangen gesetzt. Das ist zwar bitter, aber im Moment nicht so wichtig. Die Schlacht lief schlecht. Unser Heer ist am Ende.“

Zwei Diener schälten den Grafen aus den Überresten seiner Rüstung. Qualvoll verzog Bernhelm mehr als einmal das Gesicht und keuchte laut auf.

„Boron sei uns gnädig,“ brach es aus ihm schließlich hervor. „Die Untoten marodieren nun überall, es kommen schwere Zeiten auf uns zu. Der junge Graf Geismar wird bald schon ernste Schwierigkeiten bekommen. Vielleicht kommt dann die Zeit, das Geschlecht der Hartsteens endlich wieder an die Macht zu bringen.“

„Ihr müsst Euch ruhig verhalten, sonst kann ich Eure Wunden nicht behandeln,“ warf der Heiler ungeduldig ein.

„Ja, bei den Göttern, schwafele er nicht rum, sondern fange er endlich an!“ fauchte Bernhelm wütend zurück.

„Wie werdet Ihr weiter vorgehen, mein Herr?“ Die Stimme des jungen Edlen von Firunshöh klang ehrlich besorgt.

„Vorerst verbarrikadieren wir uns hier und sammeln die Reste unserer Kräfte. Wenn wir nun überleben wollen, brauchen wir Geld und Verstärkung. Seht zu, dass Ihr beider auftreiben könnt.“

Vicarius legte den Kopf schräg. „Wie darf ich...“

„Requiriert, was wir brauchen sollten!“ Der Graf war offenbar nicht in der Stimmung für lange Erläuterungen.

„Ja, mein Herr, wie Ihr befehlt.“

Der Edle zog sich zurück und traf im Herausgehen auf einen Eilboten, den er jedoch keines Blickes würdigte.

Bernhelm zuckte zusammen, als der Medicus eine der größeren Wunden mit Alkohol beträufelte. „Bei Peraine, will er mich den zu Tode quälen? Zieh er endlich das Ding aus meinem Bein und nähe er das Loch zu! Das wird er doch können oder?“ Das tiefe Poltern von Bernhelms Stimme hallte durch den hohen Raum und der Bote mit dem staubbedeckten Reitermantel verneigte sich unsicher.

„Ich bringe Kunde aus Elenvina vom Reichskongress.“ Bernhelm winkte den Mann herbei und riss ihm das Schriftstück aus der Hand.

Er überflog die Zeilen hastig mit brennenden Augen. Die Katastrophe schien kein Ende zu nehmen. Albernia verweigert die Gefolgschaft, da nun nach Emers Tod Jast Gorsam vom Großen Fluss Regent des Reiches wird.

Bernhelm schüttelte erneut den Kopf. Um Emer war es seiner Ansicht nach nicht zu schade, sie war genau so ersetzbar, wie jeder andere auch, aber die Weigerung der Albernier würde dem Reich einen weiteren schweren Schlag versetzen. Einen Schlag, den es sicher nicht verkraften würde.

Wiederum zuckte Bernhelm zusammen und schrie laut auf, als der Medicus die Klinge aus dem Bein zog. „Bringt mir endlich mal jemand einen Schluck Wein?“ keifte er zu einem der ratlos da stehenden Diener, der dann sofort von dannen eilte.

„Ist ja kaum zum Aushalten hier. Nur Stümper...,“ bei diesem Wort wurde ihm kurz schwarz vor Augen, als der Heiler wiederum den Alkohol zum Einsatz brachte, „...nur Stümper und Tagediebe,“ endete er schließlich.

Vicarius kehrte zurück und verneigte sich knapp. Der Graf sah stark geschwächt aus und er hielt den schweren Weinpokal mit beiden Händen.

„Ich habe veranlasst, dass eine genaue Aufstellung unserer Vorräte nieder geschrieben wird, damit Ihr einen Überblick über unsere Ressourcen erhaltet.“

„Gut,“ schnaufte Bernhelm schwerfällig und nahm einen tiefen Schluck.

„Du lebst ja doch noch,“ krähte eine mädchenhafte Stimme von der Tür, noch bevor Bernhelm etwas anderes sagen konnte.

Vicarius fuhr herum und erblickte die junge Nebachotin Ariescha, die Tochter des Barons von Brendiltal.

„Ich dachte die Untoten hätten dich aufgefressen“, erklärte mit der aufgesetzten Ernsthaftigkeit, die nur ein Mädchen ihres Alters an den Tag legen konnte.

Zum ersten Mal seit Tagen zeigte sich wieder ein Lächeln auf Bernhelms Zügen. „Da ist ja der kleine Dämon! Und ich hatte schon gedacht mein Vogt hätte die Nase voll von dir gehabt und dich an den Burgzinnen mit dem Kopf nach unten aufgehängt.“ Er lachte keuchend und hustete erneut.

Ariescha ließ sich nicht anmerken, wie sehr sie der üble Zustand des Grafen erschreckt hatte. Sie vermisste ihre Heimat sehr, aber es war ihr hier nicht schlecht ergangen. Eine eigenartige Hassliebe verband sie mit dem Pfalzgrafen, der zwar ihr Entführer, aber auch eine Art Beschützer und Oheim für sie geworden war. Natürlich würde sie das in seiner Gegenwart niemals zugeben, das stand außer Frage.

„Wundert mich nicht, dass die Untoten, dich nicht aufgefressen haben, du bist viel zu alt und zu zäh!“ platzte es trotzig aus ihr heraus. Sie verschränkte die Arme und stolzierte von dannen, ein verborgenes Lächeln auf den schmalen Lippen.

„Die junge Dame ist ein unerzogen vorlautes Fräulein,“ gab Vicarius zu Bedenken. „Man sollte sie mal richtig erziehen lassen!“

„Nicht doch, mein lieber Freund. Dann geht wohlmöglich das ganze Feuer verloren und das wäre eine echte Schande.“

Bernhelm lachte herzlich und verschloss die Augen vor der schmerzlichen Realität.



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Texte der Hauptreihe:
29. Per 1027 BF
Nach der Schlacht um Puleth


Kapitel 1

Autor: Thomas B.