Geschichten:Föhrenstieger Bauernaufstand - Soldatenleben: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 17. Juni 2019, 08:18 Uhr
Ende Peraine 1041 BF, Reichsstadt Greifenfurt
Rondwin und seine Kameraden saßen schon eine Weile im „Stiefel“. Es gab sicherlich bessere Kneipen in der Reichsstadt, aber der Leutnant war lieber hier als drüben im „Greif“ oder im „Grafenhaupt“, wenn er mit seiner Truppe aus dem Finsterkamm zurückkehrte. Hier lief er wenigstens nicht ständig Gefahr zufällig jemandem aus seiner Familie über den Weg zu laufen. Jeder der Grenzreiter hatte einen Humpen vor sich, viele wie Rondwin selbst, nicht den ersten an diesem noch jungen Abend. An einem Ende des Tisches wurde gewürfelt und die drei Soldaten neben Rondwin maßen sich im Boltanspiel. Der Leutnant beließ es heute dabei den anderen zuzuschauen. Er hatte vorgestern den Großteil seines Soldes für diesen Mond im „Wintertraum“ umgesetzt und hatte beim Wirt vom „Stiefel“ noch eine Zeche von seinem letzten Besuch offen, die er heute Abend zu begleichen gedachte. Nicht, dass Rondwin sich wegen ein paar Talern Schulden groß Gedanken machte. Doch morgen ging es zurück in den Kamm und man konnte nie wissen wann man am falschen Ende eines Arbachs landete. Wenn es soweit war, wollte der Keilholtzer nicht mit Schulden auf dem Kerbholz vor Rethon treten.
Der Leutnant hatte gerade seinen zweiten Humpen geleert, als sein Weibel die Gaststube betrat. Die junge Garheld steuerte zielsicher auf den von den Soldaten besetzten Tisch zu. Noch auf dem Weg orderte die Frau einen Krug beim Wirt, bevor sie neben ihrem Leutnant stehen blieb. Der Grenzreiter neben Rondwin machte sofort ohne Murren seinen Hocker für sie frei. Mit einem Grinsen das von einer Seite ihres sommersprossigen Gesichts zur anderen ging, überreichte die Frau ein Schreiben.
„Neue Befehle, Leutnant. Die werden dir gar nicht schmecken.“ Nebenher öffnete sie ihre für den Dienst streng gebunden langen roten Haare und ließ sie locker über Schulter und Rücken fallen. „Es geht nach Weihenhorst hoch. Wir sollen bei dir zu Hause in Föhrenrod nach dem Rechten schauen. Die Bauern sollen den Berichten nach zuletzt ziemlich viel Orkspuren gefunden haben.“
„Wenn ich nicht wüsste, dass du nicht lesen kannst, würde ich dich wegen unbefugten Lesens von Depeschen an den Pranger stellen lassen.“ Die Nachricht die Garheld gebracht hatte, hatte Rondwins gute Laune augenblicklich verfliegen lassen.
Die junge Frau zuckte unschuldig mit den Schultern. „Was kann ich denn dafür, wenn die Krähenklamm so ein Klatschweib ist. Vielleicht war sie sich nur nicht so sicher ob du lesen kannst und wollte sicher gehen, dass die Befehle verstanden werden.“ Die anderen Männer und Frauen in der Runde lachten leise und auch Rondwin musste sich ein Grinsen verkneifen.
„Vorsicht Weibel, du spielst mit einer Degradierung.“ Mit gespieltem Ernst hob der Leutnant den mahnenden Zeigefinger wie ein Lehrer in der Praiostagsschule.
„Sei doch nicht eingeschnappt. Vielleicht hast du Glück und die Junkerin ist nicht zu Hause.“ Rondwins Truppe hatte sich angewöhnt seine Gattin in seiner Gegenwart nicht als solche zu bezeichnen, da ihm dies stets auf die Laune schlug.
„Pff, wo soll sie anders sein, als mit ihrem dicken Hintern auf der Burg zu hocken und mit ihren schiefen Augen dämlich in den Kamm zu glotzen. Wenn sie wenigstens ab und an raus kommen würde und sich den Orken zeigte, dann würde sie sie mit ihrem Gesicht in die Flucht schlagen und wir müssten uns nicht mehr darum kümmern.“ Mit einem wütenden Fingerschnippen bestellte er ein weiteres Bier.
Rondwin war ungerecht und tief in seinem Inneren wusste er das auch. Yolande von Sindelsaum, seine Ehefrau und Junkerin auf dem Föhrenstieg, war weder fett, noch hässlich, noch dumm. Als Zweitgeborene eines Koscher Barons hatte sie zudem eine gute Ausbildung genossen, hatte noch vor ihrem Ritterschlag an einem halben Dutzend Schlachten teilgenommen und war zuletzt auch wider Haffax in die Schwarzen Lande gezogen. Es fehlte ihr weder an Mut, noch an Geschick mit dem Schwert. Lägen die Dinge anders, wäre sie eine Frau, die Rondwin problemlos respektieren und als Gattin akzeptieren könnte.
Aber er hasste sie, weil er sie hassen wollte. Sie konnte eigentlich nichts dafür, dessen war er sich bewusst. Die Ehe hatten ihre Väter arrangiert. Niemand hatte ihn gefragt. Niemand hatte sie gefragt. Warum auch? Zwei Zweitgeborene ohne Ambitionen. Wer wäre besser als Bauernopfer geeignet, um sich die Unterstützung der jeweils anderen Familie zu sichern? Ohne Frage, Rondwin war verbittert. Bevor sein Bruder die Baronswürde von Kressenburg erlangt hatte, war alles so einfach gewesen. Er war der Zweitgeborene eines einfachen Ritters gewesen, Absolvent der Märkischen Kriegerschule und der Dienst bei den Grenzreitern der logische, wenn nicht gar einzig mögliche Schritt seinen eigenen Weg im Leben zu beschreiten. Rondwin war diesen Weg gegangen, hatte akzeptiert, dass er stets ein kleines Licht, ein Edler ohne Land und Titel bleiben würde. Die Armee war ihm schnell eine zweite Familie geworden und er hatte eine Frau gefunden, keine Adlige, sondern eine einfache Bauerstochter, die bereit war dieses gewöhnliche Leben mit ihm zu leben. Bald trug sie sein Kind unter dem Herzen, hatte er ihr doch gelobt den Traviabund mit ihr einzugehen. Noch immer machte es Rondwin wütend, wenn er daran dachte, mit welcher Selbstverständlichkeit ihm sein ach so traviafürchtiger Vater den Wunsch nach diesem Bund verwehrt hatte, nur um ihn im selben Atemzug mit der Koscherin zu verloben. Er hatte sich gefügt, so wie er es immer getan hatte. Er hatte Yolande von Sindelsaum geheiratet. Seine geliebte Hildelind und das gemeinsame Kind aber, hatte er nie wieder sehen dürfen.
Inzwischen stand das frische Bier vor ihm. Er griff zu und leerte den Humpen in einem Zug bis zur Hälfte. Dann besah er sich noch einmal die Befehle und ging in Gedanken die Route durch die er und seine Lanze in den nächsten Tagen, oder eher Wochen, abreiten sollten. Würden sie in Föhrenstieg tatsächlich auf Spuren der Schwarzpelze stoßen, konnte der weitere Weg natürlich komplett anders verlaufen. Im Kamm war nichts sicher, hinter jedem Baum lauerte der Tod auf die Unvorsichtigen und selbst der achtsame Wanderer wurde allzu leicht Opfer der gefährlichen Berge. Am Morgen sollte es losgehen, also hieß es den heutigen Abend zu genießen als wäre es der letzte, denn das konnte er tatsächlich sein.
Ein paar Stunden später saß Rondwin mit der Weibelin allein an dem großen Tisch. Bei einem letzten Humpen unterhielten sie sich leise über die Abenteuer, die sie in den letzten Monden gemeinsam im Finsterkamm erlebt hatten. Die gedachten der Kameraden die es nicht geschafft hatten und grübelten über die Gefahren die noch kommen würden. Die restlichen Soldatinnen und Soldaten waren bereits vor einem halben Stundenglas lärmend zur Garnison zurückgekehrt. Draußen hörte man den Nachtwächter die mittnächtliche Stunde ausrufen, doch Rondwin hatte heute keine Lust auf sein unbequemes Bett in der Kaserne. Er sah sich nach dem Wirt um und deutete mit einer Kopfbewegung fragend in Richtung der Treppe zum Obergeschoss mit den Zimmern. Ein kurzes Nicken gab ihm die gewünschte Antwort.
„Feierabend, Garheld. Ich bleibe heute Nacht hier und komme morgen früh zur Garnison. Und du bekommst sowieso schon Ärger, weil du die Sperrstunde verpasst hast. Also mach dich besser schnell auf den Weg.“
Die junge Soldatin verzog die Lippen zu einem Schmollmund. „Wenn ich sowieso zu spät dran bin, kann ich doch auch noch etwas bleiben. Oder war das ein Befehl, Herr Leutnant?“ Wieder schlich sich ein Grinsen auf das Gesicht der jungen Frau, diesmal eines der mutwilligen Sorte.
„Wenn du hier bleibst, wirst du im Schankraum schlafen müssen“, meinte Rondwin trocken. „Ich habe mir gerade das letzte Zimmer gesichert.“
„Da findet sich doch sicher eine Lösung, oder?“ Das Grinsen wich einem fast koketten Blick. „Die Bank hier wäre wirklich schrecklich unbequem. Noch immer besser als der mit Wurzeln und Geröll bedeckte Boden unter dem zugigen Zelt im Kamm das ab morgen auf uns wartet, aber ein schönes warmes Bett mit angenehmer Gesellschaft wäre mir heute Nacht sehr viel lieber.“
Der Keilholtzer dachte nicht lange nach. „Also, wenn du meine Gesellschaft als angenehm bezeichnen würdest, ich hätte da noch Platz unter der Decke.“
Als er sich erhob war Garheld mit einem Schritt neben ihm und hakte sich entschlossen bei ihm ein. Auf dem Weg zur Treppe zog Rondwin seine letzten Silbertaler aus der Geldbörse und legte sie dem Wirt auf den Tresen. Der sah den beiden angetrunkenen Grenzreitern noch kurz mit einem wissenden Lächeln hinterher, bevor er das Geld einsteckte und mit einem fröhlichen Summen auf den Lippen begann den Schankraum aufzuräumen.