Benutzer:Orknase/Briefspiel: Unterschied zwischen den Versionen

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Noch immer schwieg sie.
 
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„Er hat mir schon genug genommen...
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Die Geweihte nickte.
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„Der Rabe erhält was des Rabens ist.“
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„Ja“, erwiderte Yolande kehlig, „Das sagt ''Narzisschen'' auch immer, aber... ich verstehe es nicht.“
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Wieder schwieg sich die Geweihte aus.
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„Ich werde keine Kinder mehr bekommen“, hob sie nun da an, „Als Frau weiß man so etwas. Man weiß, wenn es vorbei ist. Und bei mir ist es das. Dabei...“ Sie schluchzte leise. „... habe ich mir immer noch ein Kind gewünscht. Ein kleines Mädchen...“
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Dann weinte Yolande leise und die Geweihte an ihrer Seite war einfach nur da und dabei roch sie, wie ihre Liebste. Nach Weihrauch. Lieblich und süß. Vertraut. Beruhigend.
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„Eure Augen sind fest geschlossen.“ Die Geweihte sprach mit leiser, sanfter Stimme. „Und so umfasst Euch lediglich Einsamkeit und Dunkelheit. Doch wenn Ihr bereit seid, sie wieder zu öffnen und in die Welt zu blicken, mit geklärtem Blick, dann werdet ihr dort draußen bereits erwartet...“
  
 
== Bewährung ==
 
== Bewährung ==

Version vom 23. August 2019, 18:20 Uhr

Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.

Drei Krähen und ein Räblein

Das, was war

Fürstentum Kosch, Baronie Birnbrosch, 24. Rahja 1041 [fertig]

Das, was ist

25. Rahja 1041

Da durchbrach der Schrei einer Krähe die Finsternis. Und mit ihr kam das Licht. Der Schatten erzitterte, bäumte sich auf. Die Krähe verharrte einen Augenblick über ihm. Dann stürzte sie sich auf ihn herab. Zerschmetterte ihn. Zerbarst ihn. Tausende funkelnde Splitter prasselten wie Hagelkörner auf Ailsa herab. Einen winzigen Augenblick noch schwebte die Gespensterkrähe über allem. Erhaben, mutig, stark. Dann stand da plötzlich ihre Schwester.

„Nurinai!“, entfuhr es ihr da, „Nurinai! Du?“

Sie half ihr auf die Beine.

„Lauf Ailsa!“, erwiderte diese nur, nahm sie bei der Hand und lief los, „Lauf!“

Sie liefen. Liefen durch die Finsternis. Nurinai vor ihr, sie dahinter. Die Geweihte lief um eine Ecke, Ailsa hinterher und...

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Sie fand sich in der Ruine wieder. Noch immer hörte sie den Knaben weinen, noch immer lief sie, bis sie in der großen Halle ankam. Dort stand eine Wiege. Es war die Wiege des Erben der Baronie Greifenpass. Sie erkannte die Schnitzereien des Boltansrodener Rabens, der Leuin und des Greifen auf ihr.

„Hast Du schlecht geträumt?“, fragte die Baronin mit weicher Stimme und nahm ihren Sohn aus der Wiege heraus. Der Knabe verstummte in ihren Armen augenblicklich. Sanft wiegte die Mutter ihr Kind in den Schlaf, summte ihm ein Schlaflied vor, bevor sie ihn zurück in sein Bettchen legte. Dann wandte sie sich Ailsa zu: „Oh Ailsa, meine Ailsa. Du bist mir so lieb und teuer wie eine Schwester, bist meine Freundin, meine Vertraute und daher sorge ich mich um Dich, um Deine Zukunft, um Dein Wohlergehen.“

„Du brauchst Dich nicht zu sorgen“, versuchte Ailsa sie zu beruhigen.

„Doch!“, erwiderte sie da nur und senkte geradezu resignierend ihren Kopf, „Doch, das muss ich, Ailsa, das muss ich, denn dieser Mann... dieser Mann, Ailsa, er kann Dein Aufstieg oder aber Dein Verderben sein. Er kann Dich alles kosten, Ailsa, einfach alles. Er kann Dich in das größte Unglück stürzen, das Du Dir vorstellen kannst, Dir alles nehmen, was Du hast, was Du bist und je sein wirst, vielleicht verlierst Du sogar Deinen Kopf.“

Sie hielt einen Moment inne.

„Doch er kann Dir auch zu Ehre und Macht verhelfen. Er kann Dir eine Welt eröffnen...“

[...]

Das, was sein wird

26. Rahja 1041 [folgt noch]

Das, was bleibt

[fertig, greift die Träume auf]

Totgeboren

Ritterherrschaft Praiosborn, Donnerhof, Mitte Efferd 1042, am Morgen

Totenruhe

Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042

Totenwacht

Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042

Götterdienst

[...]

Warnung

„Du hättest wirklich zu Hause bleiben sollen“, hob Nurinai tadelnd an, als Mirya etwas zurückfiel, „In deinem Bett. So wie ich es dir gesagt habe.“

„Ich weiß“, erwiderte sie atemlos und ziemlich blass um die Nase, „aber ich konnte es meiner Tochter nicht abschlagen. Sie hat so viel durchgemacht. Sie hat es verdient, dass ich auch mal etwas für sie tue...“

Darauf wusste Nurinai nichts zu sagen. Braucht sie auch nicht, Mirya wollte reden, dass spürte sie.

„Sie hält sehr viel von Euch, Euer Gnaden, überaus viel. Ihr solltest sie mal reden hören!“, sie rang sich ein Lächeln ab, „Ihr wisst alles. Ihr könnt alles. Ihr helft jedem, egal ob Mensch oder Tier. Ihr seid immer da, wenn man Euch braucht. Ihr verurteilt nicht. Ihr nehmt die Menschen, so wie sie sind - Unvollkommen. Ihr...“

„Nella ist noch jung“, relativierte Nurinai, „Wenn man jung ist, erscheinen einem Menschen manchmal größer als sie sind, weil man selbst so klein und unbedeutend ist.“

„Ja“, sie nickte und ihre Stimme wurde plötzlich ganz leise, „Ihr seid ein guter Mensch. Ein sehr Guter. Ihr habt das alles hier... einfach nicht verdient!“

„Es geht nicht darum, was man verdient hat oder was nicht. Es geht darum, dass mein Herr mich aus einem bestimmten Grund hierher geschickt hat. Ich frage nicht aus welchem, er kennt ihn und das genügt mir.“

„Euer Herr, Euer Gnaden, hat uns hier genauso im Stich gelassen, wie alle seine zwölfgöttlichen Geschwister. Sie alle haben uns verlassen und uns dem ausgesetzt, was aus der...“, ihre Stimme brach, „Wir haben so lange nach ihnen gerufen. Wir haben gebetet und gefleht. So lange. So unglaublich lange.“ Tränen glitzerten in ihren Augen. „Aber wir wurden nicht erhört. Wir blieben allein. Sie haben uns verlassen.“

Nurinai nickte verständnisvoll.

„Wir mussten uns irgendwie... irgendwie selber helfen“, sie zuckte etwas hilflos mit ihren Schultern, „Das versteht Ihr doch...?“

Erneut nickte sie.

„Was hätten wir auch sonst tun sollen? Es war ja niemand da. Es hat doch niemanden gekümmert, solange wir unseren Verpflichtungen gegenüber unseren Herren nachgekommen sind. Und die hohen Herren in Gareth...“ Sie lachte. „Die interessieren sich doch nicht für Leute wie uns, für normale Leute. Da muss man schon adelig sein...“

„Glaub mir, auch das reicht nicht aus. Adelige gibt es so viele wie Vögel am Himmel“, hob nun Nurinai an, „Und das meine Schwester nun Reichsritterin zu Praiosborn ist, das hat nichts damit zu tun, das sie es verdient hat oder das sie hier gebraucht wird oder das ihr hier jemand braucht, der sich diesem Schrecken annimmt, sondern damit, das man etwas zwischen diesen Hohen Herren und der Finsternis hat. Etwas, dass sie einem vom Hals hält. Das sich um die Probleme kümmert und deswegen und nur deswegen hat man diese Lehen an Menschen gegeben, die entbehrlich für die da oben sind. Um es kurz zu machen: Von denen interessiert sich keiner für uns!“

„Dann haben wir ja etwas gemeinsam“, stellte Mirya nüchtern fest. Dann wandte sie erneut an und flehte: „Euer Gnaden, Ihr müsst gehen! Bitte! Geht so lange Ihr es noch könnt!“

„Ich kann nicht. Ihr braucht mich. Ihr alle!“, erwiderte diese nur, „Wer soll sich um euch kümmern, euch beistehen, euch zuhören oder euch die zwölf Götter wieder nahe bringen, wenn nicht ich?“

Sie schüttelte nur den Kopf: „Warum begreift Ihr das denn nicht? Die Götter haben diesen Ort verlassen. Endgültig verlassen. Sie kehren nicht zurück.“

„Sie können nicht zurückkehren“, stimmte die Geweihte da zu, „Denn sie waren nie fort. Sie waren immer da. Doch du blickst nur zurück und sieht nur die eine einzige Fußspur in der Erde hinter dir. Nur eine einzige und da fragst du dich, wo sie da waren, die Götter. Und du fragst zurecht. Doch schau dir deine Fußsohlen an! Schau sie dir ganz genau an! Kein Krümel Erde hängt daran, denn es waren die Götter und die Götter allein, die dich diesen langen und entbehrungsreichen Weg getragen haben.“

Einen Augenblick herrschte schweigen zwischen den beiden Frauen. Dann schüttelte Mirya langsam ihren Kopf: „Ihr versteht nicht. Ihr müsst gehen. Ihr müsst!“ Sie biss sich auf die Lippen, ließ ihren Blick zur Seite schweifen und erklärte: „Es beginnt alles damit, dass man nachts immer wieder erwacht. Man weiß nicht warum. Es gibt keinen Grund. Man erwacht dann immer häufiger. Irgendwann kommen die Träume. Schreckliche Träume. Träume von Tod und Verderben. Von verwesenden Leichen. Man hört sie rufen, schreien, obwohl sie tot sind. Zu Beginn sind es Fremde, doch dann werden es Freunde und irgendwann sind es die Eltern, Geschwister, die eigenen Kinder, diejenigen die man am meisten liebt. Man kann nicht mehr schlafen.“ Sie holte Atem. „Und dann, dann sieht man sie bei Tag. Sieht wie die Maden in ihnen krabbeln, wie sie in ihnen wühlen, wie sie sie auffressen. Bei den Augen, da fangen sie an.“ Sie deutete auf ihre eigenen Augen. „Und langsam, ganz langsam zehrt die Brache den eigenen Verstand auf und man fällt immer mehr und mehr dem Wahnsinn anheim, bis man nur noch einen einzigen Ausweg kennt - den Tod!“

Nurinai hörte aufmerksam zu.

„Ihr wärt nicht die Erste, der das widerfährt! Wärt nicht die Erste, die in den Praiosborn geht und dort für immer bleibt.“

„Ist das...“, hob Nurinai zaghaft an, „... schon einmal passiert? Hier passiert?“

Darauf gab Mirya keine Antwort, stattdessen sagte sie: „Ihr könnt mir noch so oft sagen, dass Ihr nicht unter diesen Träumen leidet. Ich glaube Euch nicht. Ich sehe es Euch an. Damals habe ich es ihr auch angesehen.“

„Ihr?“, fragte die Geweihte und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass es sehr wohl stimmte, was sie sagte. Zuerst war sie immer wieder nachts erwacht, dann waren die Träume gekommen. „Wovon sprichst du? Von wem sprichst du?“

„Wisst Ihr was mit der letzten Geweihten hier passiert ist?“

Nurinai wartete auf die Antwort.

„Eines nachts hat sie es nicht mehr ertragen und ist in den Praiosborn gegangen. Dort hat sie ihr Leben gelassen.“

Nun schüttelte die Geweihte ihren Kopf: „Man hätte nach ihr gesucht. Geweihte verschwinden nicht so einfach, schon gar nicht unbemerkt!“

„Hier an der Brache?“, Mirya lachte, „Hier sucht keiner nach einem! Wenn man verschwindet, dann hat sich die Brache denjenigen einverleibt. Und wer ist schon so lebensmüde und geht in die Brache um nach jemanden zu suche, der sehr wahrscheinlich bereits nicht mehr am Leben ist?“ Fragend sah sie die Geweihte an.

Eine Krähe ruft

An die Prätorin des Tempels unserer gütigen Etilia in Kammhütten, Greifenpass

Werte Líadáin,
 
 
 
 
als Du mir Marbhán geschenkt hast, da dachte ich, dass ich sie nie brauchen würde. Damals glaubte ich, dass sie nur eine Geste Deines Vertrauens in mich und eine Anerkennung meiner Fähigkeiten sei. Heute frage ich mich manchmal, ob Du nicht etwas geahnt hast.

Wie dem auch sei: Ich habe Marbhán einsetzen müsse. Es war eine schwere Geburt. Die Mutter lag seit Tagen in den Wehen, das Ungeborene jedoch steckte fest. Als ich eintraf, war es bereits nicht mehr am Leben. Es war schrecklich, Líadáin! So schrecklich! Genauso schrecklich wie damals. Doch die heilige Etilia stand mir bei und die göttliche Kraft unseres Herren hat mich die ganze Zeit erfüllt.

Das Schrecklichste war jedoch nicht, dass ich das Ungeborene auf diese Art und Weise habe holen müssen, sondern das es kein normal geartetes menschliches Wesen zu sein schien: Seine Gliedmaßen waren miteinander und ineinander verwachsen, dazu noch verkrüppelt, deren Anzahl lag ohnehin über denen gewöhnlicher menschlicher Wesen, Finger- und Fußnägel erinnerten eher an Krallen, die Augen an die einer Raubkatze, die Zähne waren bereits alle vollständig durchgebrochen, standen in zwei Reihen und waren messerscharf, der Rücken war eröffnet, sodass die Lunge zu sehen war, das Herz lag außerhalb der Brust. Allgemein erschien es mir mehr Tier als Mensch zu sein, nicht zuletzt, weil seine Haut mit einem dichten, dunklen Flaum überzogen war. So etwas, habe ich noch nie gesehen.

Es war auch nicht das einzige Kind, dass missgestaltet war. Ich war noch bei einer weiteren Geburt zugegen. Auch dieses Ungeborene war bei meiner Ankunft bereits tot. Da es aber noch Zeit gehabt hätte, dadurch noch nicht voll entwickelt war und deswegen noch recht klein, konnte es auf normalen Wege geboren werden. Die Unreifezeichen waren deutlich, die der Missbildung jedoch auch.

An einen Zufall glaube ich nicht, da auch der Praiosborn immer wieder missgebildete Fische hervorbringt, bin ich überzeugt, dass es etwas mit der Brache zu tun hat, mit der sich die Menschen hier auf eine seltsame Art und Weise arrangiert zu haben scheinen. Man hütet hier ein Geheimnis, dass man bisher nicht einmal mir anvertraut hat und was sollte das für eines sein, wenn nicht ein niederhöllisches?

Das Schlimmste jedoch, das Allerschlimmste ist, dass jemand das erste Ungeborene ausgegraben hat, nachdem ich es auf dem Boronanger begraben hatte. Líadáin, hast Du das schon einmal erlebt? Jemand ist des Nachts auf den Boronanger geschlichen, hat dort das eingesegnete Grab geöffnet und alle Einzelteile ausgegraben und mitgenommen. Ailsa hat mit der Inquisition gedroht, falls die Überreste nicht binnen Tagesfrist wieder da sind. Sie sind wieder aufgetaucht. Seitdem überantworte ich die Toten dem Feuer.

Die Ereignisse haben mich ratlos gemacht. Die Menschen reden einfach nicht und egal was ich versuche, ich kann ihr Schweigen nicht brechen. All die Geduld und das Verständnis, das ich ihnen versucht habe entgegenzubringen, haben mich bisher nicht weiter gebracht. Ich weiß einfach nicht, wie ich dem Ganzen hier noch begegnen soll. Was würdest Du tun?

Ich möchte Dich auch noch um einen weiteren Rat bitten, denn eine Frage quält mich ganz besonders: Wenn ein solches Kind jemals lebend zur Welt kommen sollte, was soll ich tun?
 
 
 
 
Hochachtungsvoll

Nurinai ni Rían

Eine Krähe antwortet

An die Dienerin des Raben Nurinai ni Rían in Praiosborn, Kaiserlich Brachenwacht, Garetien

Werte Nurinai,
 
 
 
 
unser Herr hatte einen Grund Dich und Deine Schwestern nach Praiosborn zu führen. Nun scheinst Du auf den Grund gestoßen zu sein und auch auf Deine Aufgabe, denn das es eine geben wird, das hat Bishdariel Dir in Deinen Träumen eröffnet. Und so wie er Dir einen Traum schickte, hat er auch mir einen geschickt und da wusste ich, dass es an der Zeit war Dir das geeignete Werkzeug an die Hand zu geben. Über das Wissen verfügst Du schon lange, dass Du auch kundig in der Anwendung bist, hast Du als meine Schülerin unter Beweis gestellt, nur das Instrument an sich, hat Dir gefehlt. Marbhán wird Dir treue Dienste leisten.

Die von Dir beschriebenen Ereignisse sind höchst besorgniserregend. Auf der einen Seite, weil ich vermute, dass Fälle von missgebildeten oder nicht lebensfähigen Kindern nicht neu sind, gleiches gilt für Fehl-, Früh- und Totgeburten. Auf der anderen Seite, weil es mir höchstes Unbehagen bereitet, dass es dort Personen gibt, die eingesegnete Gräber öffnen und die Begrabenen aus der geweihten Erde entnehmen. Das ist ein Frevel wider unseres Herrn!

Was Dein weiteres Vorgehen betrifft, so rate ich Dir: Halte Dich an die Frauen! Sie werden der Schlüssel sein. Denn die Frauen sind es, die missgebildete Kinder zur Welt bringen. Sie sind es, die tote Kinder zur Welt bringen. Sie sind es, die Fehlgeburten erleiden. Sie sind es, die besonders unter der Situation zu leiden haben und so werden sie es sein, die zuerst reden werden. Gedulde Dich noch ein wenig, Nurinai, doch sei unnachgiebig. Wenn sie Dir vertrauen, weil Du ihnen in ihren schwersten Stunden beigestanden hast, dann werden sie zuerst Rat bei Dir suchen und sich schlussendlich Dir offenbaren. So lange musst Du die Zeit nutzen: Höre zu, beobachte, damit Du ihnen, wenn sie sich Dir mitteilen, einen echten Ausweg bieten kannst. Hast Du sie überzeugt, werden die Frauen die Männer überzeugen.

Ich möchte Dir auch noch Deine letzte Frage beantworten: Der Rabe erhält, was des Rabens ist. Vergiss das nicht.
 
 
 
 
Hochachtungsvoll Líadáin ni Rían

Hüterin des Rabens im Tempel unserer gütigen Etilia

Die Würfel sind gefallen

(...)

Ritterherrschaft Praiosborn, Donnerhof, 1. Travia, am Abend

(...)

Sehnsucht

Donnerhof, 20. Boron 1042

Wie lange Yolande dort saß, dem Klopfen ihres eigenen Herzens lauschte und in die Finsternis starrte, hätte sie nicht zu sagen vermocht. Irgendwann jedoch, da hatte die Dunkelheit Nurinai bereits schon lange verschluckt, da stand sie auf. Es war kein leichtes Unterfangen, sie kannte die Umgebung nicht, noch dazu war es stockfinster. Doch sie brauchte ihre Augen nicht. Sie folgte dem Geruch. Nurinais Geruch. Ein feiner Duft. Eine Mischung aus deren körpereigenem Geruch mit einer schweren, dunklen Note von Weihrauch.

Sie folgte diesem unwiderstehlichem Duft in die kleine Kammer hinein, legte sich in das Bett, dass nach ihrer Liebsten roch und glitt mit deren Geruch in Borons Arme.

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(...)


Der Götter Werk und Yolandes Beitrag

Halle der Träume

Stadtteil Eschenrod, Tempel des schwarzen Lichts, Halle der Träume, Peraine 1042

Der Kelch stürzte zu Boden. Blutroter Wein ergoss sich. Um Atem ringend fiel sie auf die Knie. Hatte das Gefühl zu ersticken. Legte ihre Hände um ihren Hals. Unbewegt stand Líadáin über ihr und blickte sie mit ihren tiefblauen Augen an. Und dann...

... ein grünlicher Schimmer in den Augen ihrer Mentorin. Ihre Hände schoben sich unter ihre. Schmiegten sich fest an ihren Hals. Nurinai starrte hinauf. Und eine Fremde erwiderte ihren Blick. Eine Fremde mit grünen Augen und dunkelbraunem Haar. Sie lächelte sie an, schloss ihre Hände noch fester um Nurinais Hals und drückte zu. Sie versuchte sich zu wehren. Versuchte verzweifelt ihre Hände unter die der Fremden zu bekommen. Doch ihr Griff war so fest und Nurinai schwanden immer mehr und mehr die Kräfte...

Da lösten sich die Hände. Gaben sie frei. Und mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen entschwand die Fremde. Nurinai schrie. Ihr Mund füllte sich mit Wasser. Sie rang um Atem. Doch da war nur Wasser. Nur Wasser. Sie schrie. Wieder füllte sich ihr Mund mit Wasser. Diesiges Licht umfasste sie. Verschwommen war es und verzerrt. Und sie sank immer tiefer. Immer tiefer hinab...

Es war ihr Ende. Ganz gewiss. Ihr Ende.

Da ergriff sie jemand und zerrte sie hinauf. Immer weiter und weiter. Nurinai ließ es geschehen. Ein dunkler Schatten tauchte über ihr auf. Dann durchstießen sie die Wasseroberfläche. Sie griff nach oben, bekam etwas zu fassen und hielt sich fest. Rang um Atem. Spukte Wasser. Hatte noch immer das Gefühl, zu ersticken.

„Sie muss so weit sein“, erklärte Líadáin mit fester Stimme über ihr. Nurinai blickte zu ihr auf. Sah sie in dem Boot sitzen, an dessen Bordwand sie sich fest hielt. Der Blick ihrer Mentorin ging in die Ferne.

„Sie?“, fragte Nurinai kehlig und folgte ihrem.

Da tauchte in der Ferne zuerst Nurinai selbst auf.

„Das... das... das bin ja ich!“, entfuhr es Nurinai fassungslos.

„Ja, blühende Narzisse, das bist Du!“

„Und... und was tue ich da?“

„Du tust, was getan werden muss“, erwiderte ihre Mentorin schlicht, „So wie ein jeder von uns.“

„Aber... aber... ich gehe in den Praiosborn. Ich... ich... ich kann doch nicht... nicht mal... schwimmen...“ Und Nurinai sah dabei zu, wie sie selbst immer weiter im Wasser versank, bis nichts mehr von ihr zu sehen war. Ein beklemmendes Gefühl breitet sich in ihr aus. „Wird es so... so geschehen? Ist es das... das was mir... mir vorbestimmt ist?“

„Das weiß nur er allein, blühende Narzisse, nur er ganz allein“, erwiderte Líadáin, „Deine Aufgabe ist es sicherzustellen, sie bis zu diesem Punkt zu bringen. Und vielleicht, vielleicht sogar darüberhinaus...“

„Sie?“, fragte Nurinai erneut.

„Sie!“, erwiderte Líadáin.

Und in der Ferne tauchte...

Nella“, entfuhr es Nurinai fassungslos, „Nella! Dann... dann... dann werde ich sie ausbilden können?“

„Dieses Mal war ich es, die dich aus den Tiefen des Praiosborns barg“, erwiderte eine ihr wohlbekannte Frauenstimme neben ihr. Nurinai wandte sich um und erkannte die heilige Etilia neben sich. Auch sie hielt sich an der Bordwand des Bootes fest. Wassertropen glitzerten in Gesicht und Haar. „Das nächste Mal, blühende Narzisse, wird es ihr fester Glaube und ihr tiefes Vertrauen in meinen Liebsten sein müssen...“

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(...)

Halle des Todes

Stadtteil Eschenrod, Tempel des schwarzen Lichts, Halle des Todes, Peraine 1042

„Ich bin nur die Begleitung“, erklärte Yolande leise, als sich eine Geweihte zu ihr setzte, „Ich habe meine Liebste hierher begleitet und…“ Sie hielt einen Moment inne. „... und warte nun auf sie.“

Die Geweihte schwieg. Sie roch nach Weihrauch, lieblich und süß und erinnerte Yolande dabei an Nurinai.

„Es war die junge Geweihte, die da...“, sie verstummte. Noch immer saß die Geweihte neben ihr. „Sie... sie ist da... da hinunter gegangen.“

„In die Halle der Träume.“

„Und... wird sie dort...“, Yolande räusperte sich, „... träumen?“

„Dort geschieht, was der Rabe will das geschieht“, erwiderte die Geweihte vielsagend.

„So lange, er sie mir wieder bringt...“

Noch immer schwieg sie.

„Er hat mir schon genug genommen...“

Noch immer schwieg die Geweihte neben ihr.

„Ich habe mein letztes Kind an ihn verloren...“

„Das tut mir sehr leid.“

„Mir auch“, wisperte Yolande leise, „Mir auch. Dabei habe ich mir so sehr noch eines gewünscht. Ein letztes. Versteht Ihr? Eines, dass nur mir gehört...“

Die Geweihte nickte.

„Aber...“, eine einzelne Träne rann der Raukenfelserin die Wange hinab, „... es war mir nicht vergönnt. Er hat es mir genommen...“

„Der Rabe erhält was des Rabens ist.“

„Ja“, erwiderte Yolande kehlig, „Das sagt Narzisschen auch immer, aber... ich verstehe es nicht.“

Wieder schwieg sich die Geweihte aus.

„Ich werde keine Kinder mehr bekommen“, hob sie nun da an, „Als Frau weiß man so etwas. Man weiß, wenn es vorbei ist. Und bei mir ist es das. Dabei...“ Sie schluchzte leise. „... habe ich mir immer noch ein Kind gewünscht. Ein kleines Mädchen...“

Dann weinte Yolande leise und die Geweihte an ihrer Seite war einfach nur da und dabei roch sie, wie ihre Liebste. Nach Weihrauch. Lieblich und süß. Vertraut. Beruhigend.

„Eure Augen sind fest geschlossen.“ Die Geweihte sprach mit leiser, sanfter Stimme. „Und so umfasst Euch lediglich Einsamkeit und Dunkelheit. Doch wenn Ihr bereit seid, sie wieder zu öffnen und in die Welt zu blicken, mit geklärtem Blick, dann werdet ihr dort draußen bereits erwartet...“

Bewährung

Stadtteil Eschenrod, Tempel des schwarzen Lichts, Peraine 1042

Irgendwann trat Líadáin an Yolande heran und hieß ihr zu folgen. Wie lange die Raukenfelserin da schon gewartet hatte, vermochte sie nicht zu sagen. Die Geweihte führte sie nicht etwa hinab, sondern in angrenzende Räume und dort führte sie sie immer weiter, bis Yolande nicht mehr wusste, wo sie nun eigentlich waren, was vermutlich auch der Düsternis um sie herum geschuldet sein mochte. Nach einiger Zeit führte die Geweihte sie in einen kleinen Raum.

Eine einzelne Kerze spendete einen zaghaften Funken Licht und auch etwas Hoffnung in der Trostlosigkeit der Dunkelheit. Dann sah Yolande Nurinai auf der Bettstatt liegen. Regungslos.

Narzisschen“, entfuhr es ihr panisch, während sie an die Seite ihrer Liebsten eilte und erleichtert feststellte: „Du lebst! Du lebst. Den Göttern sei Dank!“ Die Geweihte schmunzelte.

Yolande herzte und küsste ihre Liebste innig, strich ihr das Haar aus dem Gesicht, fuhr mit ihren Fingern über ihre weiche Nasenlinie und betrachtete die Schlafende. Wieder einmal fiel Yolande auf, wie bezaubernd Nurinai aussah, wenn sie schlief. Nicht, dass sie sonst nicht auch bezaubernd aussah, aber wenn sie schlief, dann wirkte sie irgendwie selig.

„Sie ist noch sehr erschöpft“, erklärte die Geweihte, „Sie wird gewiss bald aufwachen...“

Yolande strich ihrer Liebsten durchs Haar. „Dann... dann... dann hat sie... geträumt?“

„Frau von Raukenfels“, seufzte Líadáin schwer ohne dabei auf die ihr gestellte Frage einzugehen, „Kennt Ihr das besagte Mädchen?“

„Ja“, sie nickte, „Nella, so heißt sie. Hat einen außerordentlich wachen Verstand. Nurinai schätzt das an ihr sehr. Sie hat einen Narren an ihr gefressen und das Mädchen an ihr auch.“

Die Geweihte schwieg einen Moment und blickte nachdenklich auf die beiden Frauen, ehe sie mitteilte: „Wir haben beschlossen, dem Mädchen zwölf Monde Zeit zu geben. Danach werden wir entscheiden.“

Nun blickte Yolande zu ihr auf: „Sie... sie... soll sich also... bewähren?“

„Wir hoffen.“

„Ihr hofft?“, echote Yolande kehlig, „Das heißt... sie kann auch scheitern?“

Líadáin nickte.

„Und... und...“, in Yolandes Kopf überschlugen sich die Wort, „... wenn sie es nicht schafft? Wenn... wenn sie scheitert? Wenn sie sich nicht bewähren kann?“

„Dann wird sie nie die Weihe erhalten können. Sie kann bei der blühende Narzisse ins Noviziat eintreten, doch vor dem Raben wird sie nie bestehen können. Ihre Seele...“ Sie seufzte. „Sie hat dunkle Flecken. Zu viele dunkle Flecken. Noch ist nichts verloren, Frau von Raukenfels, schließlich ist sie noch ein Kind, doch... doch... für den Fall des Falles solltet Ihr dafür sorgen, dass das Mädchen trotzdem bei ihr bleiben kann.“

Yolande blickte wieder auf ihre Liebste: „Und... wie... wie stellt Ihr Euch das genau vor, Euer Hochwürden?“

Mit einem vielsagenden Lächeln schaute die Prätorin sie an: „Schätzt Euch die blühende Narzisse nicht auch wegen Eures wachen Verstandes?“


Weitere Ideen

  • Drei Krähen und zwei Räblein
  • Krähen im Maul des Greifen
  • Das eiserne Band
  • Iwo und Iwana
  • Die Krähe und ihr falsches Täubchen