Geschichten:Schäumende Wasser - An der Brücke II: Unterschied zwischen den Versionen
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Jetzt schnitt die rot-gewellte Buglinie, die sich über die komplette Länge des Schiffes erstreckte, wieder ruhig durch die Wasseroberfläche und trug die Besatzung, die sich in ihrer besten Ausgehuniform entlang der Reling aufgestellt hatten, sicher zum Anlegeplatz. | Jetzt schnitt die rot-gewellte Buglinie, die sich über die komplette Länge des Schiffes erstreckte, wieder ruhig durch die Wasseroberfläche und trug die Besatzung, die sich in ihrer besten Ausgehuniform entlang der Reling aufgestellt hatten, sicher zum Anlegeplatz. | ||
Auf dem Heck standen drei ungleiche Gestalten. In der Mitte die Wächterin vom Darpat mit federbewährtem Zweispitz. | Auf dem Heck standen drei ungleiche Gestalten. In der Mitte die Wächterin vom Darpat mit federbewährtem Zweispitz. |
Version vom 21. August 2021, 10:23 Uhr
Sta.-Reshmina-Brücke, 30. Tsa 1043 BF
Unter donnernden Bläserklängen passierten die drei Schiffe gemächlich die St. Reshima Brücke. Wohl alle Umstehenden konnten sich in diesem Moment vorstellen, wie sich das Heer des Leomar von Baburin gefühlt haben musste, als dieser vor den Toren Nebachots die Posaunen blasen ließ. Zuvorderst das Flaggschiff Admiral Dozman unter der Führung von Yanda von Gerben. Prächtig sah sie aus, nach dem neuen Anstrich, den sie gerade noch pünktlich zur Parade in der Perricumer Werft bekommen hatte. Dort war sie nämlich die letzten Wochen gelegen nachdem sie von der Flutwelle und dem Kampf leicht beschädigt wurde.
Jetzt schnitt die rot-gewellte Buglinie, die sich über die komplette Länge des Schiffes erstreckte, wieder ruhig durch die Wasseroberfläche und trug die Besatzung, die sich in ihrer besten Ausgehuniform entlang der Reling aufgestellt hatten, sicher zum Anlegeplatz.
Auf dem Heck standen drei ungleiche Gestalten. In der Mitte die Wächterin vom Darpat mit federbewährtem Zweispitz.
Zur Linken Ludrian von der Brücke, der es sich nach seiner opportunistischen Rettungsaktion beim Efferd-Konvent mit dem Tempelvorsteher Efferdan dylli Turakis verscherzt hatte und jetzt lieber auf großen Abstand zu diesem ging. Den Ruhm und die öffentliche Anerkennung wollte er sich aber nicht ganz entgehen lassen und so kam ihm der Platz auf der Admiral Dozman als “offizieller” Efferdgeweihter gerade recht.
Zur Rechten stand Leutnant Alafir Leuwangen. Bei ihm hatte sich nach dem Kampf mit dem Daemonengezücht die stärkste Veränderung vollzogen. Der einst schusselige Adjutant Yanda von Gerbens hatte seine kindliche Art abgelegt. Diese wich nun einer oftmals besorgten Miene und seine einstige Leichtigkeit schien ihm der Darpat genommen zu haben. Nur wenige Mann der Besatzung seiner Eilda von Salza konnten noch an dieser Parade teilnehmen. Der Rest war durch den Angriff der Udapothen umgekommen.
Das Flaggschiff wurde flankiert von der Windhatz unter der Führung von Dara von Hardenstatt, auf dem sich, wie auch schon beim Kampf am Rothandfelsen die meisten der Efferd-Geweihten und Hochgeweihten befanden. Der Windhatz war eine Reparatur erspart geblieben, da sie beim Kampf gegen die Seeschlangen vom Schutzsegen der Efferd-Geweihten gegen die Angriffe dieser unheiligen Wesen geschützt war. Bei der Parade, war sie zweifelsohne das lauteste Schiff, da die Geweihten die Lautstärke und die Inbrunst ihrer Gesänge bei der Durchfahrt unter der Brücke mindestens auf das Niveau einer betrunkenen Seemannschaft nach erfolgreicher Heimkehr anschwellen ließen.
Steuerbord der Admiral Dozman fuhr der neue Stolz der Sonderflottille, die neue Flussgaleere mit dem stolzen und bedeutungsschweren Namen Blutrochen. Nachdem beim Lichterfest die Wolfsjäger samt Besatzung und Kapitänin untergegangen war, setzten sich viele Stellen dafür ein, den Verlust so schnell wie möglich zu ersetzen. Obwohl die Wolfsjäger selbst noch ein junges Schiff gewesen war, ließ sich der Bedarf der Sonderflottille nach schnellem und gutem Ersatz leicht begründen, waren doch die Berichte über die Umtriebe am Darpat in aller Munde. So konnte dann auch bald der Markgraf in Form des Seneschalls durch Fürsprecher der Efferd-Kirche, der Admiralitaet der Perlenmeerflotte und natürlich durch Yanda von Gerben überzeugt werden eine weitere Galeere in der Perricumer Werft in Auftrag zu geben. Die polierten Laerchenplanken des Rumpfes schillerten in einem natürlichen Rotton und die Bemalung des Bugs erinnerte an die ausladenden Brustflossen des namensgebenden Tieres. Ein wirklich prächtiges neues Schiff. Auf dem Achterkastell stand Miria von Gaulsfurt stolz und stur wie eh und je. Sie hatte einen Arm in der Luft und winkte der umstehenden Menge zu. Es war ihr zweiter öffentlicher Auftritt nach ihrer Nahtoderfahrung auf dem Darpat und äußerlich merkte man ihr nichts an, doch ihre Vertrauten wussten, wie viel Mut es sie allein gekostet hatte wieder auf ein Schiff zu steigen.
In nur einem Götterlauf hatte sich der Anteil der Kampf-Veteranen in der kleinen Sonderflottille vervielfacht es gab kaum noch eine Matrosin die noch keinen Kampf auf dem Wasser gesehen oder erlebt hatte. Das merkte man der eingeschworenen Truppe an. Umso wichtiger war deshalb dieses Ritual. Sie wurden gefeiert für das was sie vollbracht hatten und diese Anerkennung verschaffte ihnen hoffentlich zumindest einen Hauch Genugtuung für die Entbehrungen des anstrengenden letzten Jahres, für körperliche Schmerzen und für den Verlust von Kameraden. Mit diesen Gedanken im Kopf und unter dem Jubel der Menge ließ Yanda die Admiral Dozman am Anlegeplatz vertäuen.
Zordan von Rabicum hatte seinen Auftritt genau geplant. Er hatte sich eine Position an der Brücke gewählt, von der ihn jeder in der näheren Umgebung gut sehen konnte. Zudem hatte er subtil dafür Sorge tragen lassen, dass nahezu alle bedeutenderen Adligen und Amtsträger in seiner Nähe weilten; nicht durch Druck oder Überreden, sondern schlicht mittels des Umstandes, dass man nur in der näheren Umgebung des Seneschalls den besten Blick über und auf das Geschehen hatte. Auch bei seiner Kleidung hatte der machtbewusste Baron zu Bergthann nichts dem Zufall überlassen: Er trug einen prächtigen blauen Wappenrock, auf dessen Brust das Wappen der Markgrafschaft prangte, während seine Schulterstücke Seeschlangenköpfen nachempfunden waren – das Wappen seiner Familie. Um den Hals trug der Rabicum die schwere Amtskette des Seneschalls. Somit war für jeden klar, dass er hier sowohl den Markgrafen, als auch die Provinz und zudem seine Familie repräsentierte; eine Familie, von der Zordan hoffte und anstrebte, dass sie auch nach seinem Tode eine oder gar die führende Rolle in Stadt und Land Perricum spielen würde. Nach Abschluss der Flottenparade lenkte er mittels zweier Fanfarenbläser die Aufmerksamkeit auf sich und stieg gemessenen Schrittes und mit durchgedrücktem Rücken auf ein bereitgestelltes Podest. Mit einer fast schon majestätischen Miene ließ der Seneschall den Blick langsam über die Menge schweifen; eine Miene, die allen vermitteln sollte, wer - abgesehen vom Markgrafen - hier die Zügel in der Hand hielt. Nachdem die allgemeine Unruhe zugunsten einer Neugier auf die bevorstehende Rede abgeklungen war, hub Zordan zu sprechen an: "Adel und Volk von Perricum! Es ist mir eine große Freude, dass-" Eine erneute Unruhe, die rasch in eine Panik umschlug, ergriff die weiter hinten Stehenden, breitete sich rasch nach vorne aus und ließ den Baron seine kaum begonnene Rede abbrechen. Mit einem säuerlichen Gesichtsausdruck schaute der Seneschall in die Richtung, aus der der Lärm kam und erstarrte, als er die Quelle dieser Störung erblickte.
Und dann brach ein Chaos los, dass jenes beim Lichterfest vor einigen Monden in den Schatten stellen sollten, als sich abermals die Fluten erhoben und Untiefen daraus geboren wurden, wie platzende Geschwüre und die Menschen auf Schiffen, Brücke und an den Ufern in Panik gerieten.
Die Tribünen waren abgesackt, in den schlammigen Boden, den die wütenden und über die Ufer getretenden Wassermassen aufgeweicht hatten. Die blauweißen, gerafften Stoffbahnen hangen nun naß und lieblos in Fetzen oder lagen dreckig im Matsch, zwischen ertrunkenen, erschlagenen oder zertrampelten Leichen. An einigen Stellen tobten noch kleine Kämpfe, doch es war größtenteils unheimlich still, nur durchbrochen von letztem Kampfeslärm, Wehklagen und aushauchendem Leben. Währendessen schweiften die ersten zwischen Schlammufer, frischen Toten, abgetrennten Tentakeln, schleimigen Algenresten und aufgedunsenen, bleichen und Seepockennarbigen Kriegerleichen umher um nach Überlebenden und Verletzten zu suchen. Für manche kam dies zu spät wie z.B. für den Magier Timshal von Alding, dessen Körper leblos im Darpat schwamm. Auch auf dem Wasser war es nun wieder ruhig, die gerade erst reparierten und fertiggestellten Schiffe hatten erneut etwas Schaden hinnehmen müssen, schunkelten nun ruhig auf dem nun wieder seicht dahin treibenden Gewässern des Darpat, aber waren größtenteils intakt. Was man leider nicht von von deren gesamten Mannschaften sagen konnte. Auch hier gab es davon gespülte Gäste, verletzte Efferdgeweihte und Seeleute mit Wasser in der Lunge. Doch alles in allem waren sie glücklich davon gekommen. Das was sich ihnen da offenbart und sich erneut gegen sie aufgebäumt hatte war zwar gewaltig gewesen und hatte weiteren Unrat vom Grund des Flußes mit sich gebracht, doch der schieren Anzahl von Bewaffneten, Geweihten, Magiern und weiteren Anwesenden auf Schiffen, Brücke und an den Ufern hatten diese Gewalten letztendlich nichts entgegen zu setzen. Viel mehr hatte die Panik unter den Massen - vorallem auf der Brücke - dazu geführt dass der Kampf so hart und unübersichtlich gewesen und beinahe noch gekippt war. Vor allem die einfachen Leute die dicht gedrängt gestanden hatten, ohne Erfahrung in solchen Dingen oder helfenden Garden, hatte die Panik mit sich gerissen. Doch auch Perricumerinnen von bekanntem Ruf oder Stand waren untern den Opfern. Doch letztlich hatte man gemeinsam die schäumenden Fluten und deren Ausgeburten zurück bzw. niedergeschlagen, mit vereinter und geballter Kraft. Die Schiffe der Flotille trieben unter der Sankta-Reshmina-Brücke, dem Zeichen der Perricumer Einheit - diesmal hatte sie gehalten, wie zum Beweis schälte sie sich über den Schiffen aus dem Dämmerlicht des frühen Abends. Während an den Ufern immer mehr Menschen wieder zusammen kamen, sich gegenseitig stützten und halfen - und ihnen gemein war der Schrecken, aber auch die Gewissheit diesen gemeinsam überwunden zu haben.
Fatime von Pfiffenstock und Rondrara von Alxertis stützten sich gegenseitig. Ihre Gardeleute hatten das Schlimmste verhindert, dennoch war es zwischendurch äußerst unübersichtlich und hektisch geworden. Eigentlich wussten sie beide nicht so recht was geschehen war, in einem Moment hatten sie noch über die Inszenierung des Seneschalls geplaudert und im nächsten hatten sie sich schon im Chaos wiedergefunden. Arme, Beine, Körper, Tentakel, Wassermassen, Wassergetier und Algenschlingen und alles wild durcheinander. Und während ihre Garden sie weiterhin abschirmte beruhigte sich die Lage, doch die Ufer sahen verwüstet aus. Weiter hinten konnten sie noch einige Reshminianer und Truppen der Markgrafschaft erspähen die die letzten an Land gekrochenen Unwirklichkeiten beseitigten, während die Schiffe der Flottille einem Protokoll folgend aufmerksam den Darpat kreuzten und weiter hinten die Baronin von Wasserburg samt Sohn und Helferinnen sich um Verletzte kümmerten. Als sie zur Brücke sahen, stand diese da wie ein Mahnmal und von ihr herab stiegen - erschöpft aber mit triumphierenden Blick der Seneschall und seine Anhängerschaft. Mitgenommen und nicht wenige verletzt, doch mit dem Glanz des Sieges im Gesicht. Dies zum Anlass nehmend befehligten nun auch die Baronin von Haselhain und die Vögtin von Glodackern ihren Leuten nach Verletzten und Hilfsbedürftigen Ausschau zu halten - während sie sich selber voneinander lösten und sich gemeinsam dem ohnmächtigen Gelehrten Miran widmeten, der von Astaran von Pfiffenstock abgeschirmt wurde. Doch weiteten sich die Augen Fatimes als sie nah nebenbei ein bekanntes Gesicht erblicken musste - im matschigen Ufersand, unweit des umgeknickten Schilfs erkannte sie eben jenes und die Robe der Rashia’Haler Geweihten Ayalind von Palmyr-Donas, der sie vorhin noch zugewunken hatte, auf ihrem Rücken erkannte man noch einige Fußabdrücke. Doch nach und nach sammelten sich viele weitere, die zwar den Schrecken noch im Gesicht trugen doch sich den bereits Helfenden anschlossen.
Hal von Zackenberg zog sein Schwert aus einer der aufgedunsenen Wasserleichen und blickte sich dann um. Als die Unruhen ausgebrochen waren hatte er gemeinsam mit den Hardenstätter Brüdern ihre kleine Gruppe in relative Sicherheit bugsiert. Ihrem gemeinsamen und schnellen Handeln war es zu verdanken, dass niemand der Angehörigen schwerer verletzt wurde als ein paar Schrammen. Besorgt blickte er zu seiner Nichte, die gerade dabei war einem am Boden liegenden Kind aufzuhelfen. Erschöpft und von Blut und Schlamm verschmiert schaute er sich um. Um ihn herum war Verwüstung und Schmerz zu sehen. Gleichwohl meinte er Zuversicht in einigen Gesichtern zu erspähen. Sie hatten zum ersten mal alle gemeinsam, Seite an Seite gegen einen Feind gekämpft. Es war anders als damals, als des Erzverräters Heerhaufen sich über Perricum und den Darpat entlang gewälzt hatte. Damals hatte jeder Landesteil für sich agiert aber heute Abend hatten Südperricumer Seite an Seite mit denen aus dem Wall und aus den Zacken gefochten. Ein wunderbares Gefühl.
Zivko von Zackenberg hatte mit einigen Offizieren auf der Brücke seinen Posten bezogen und die markgräflichen Truppen von dieser erhöhten Position aus befehligt. Jetzt wo das Gröbste beseitigt war kamen immer mehr Berichte über Verletzte und Zerstörung bei ihm ein. Aber auch Todesmeldungen. So beispielsweise die Meldung, dass Kalina Niodas, eine beigeordnete Rätin des perricumer Stadtrats und Äbtissin des Klosters des Vergessens. Ihre Leiche wurde unweit der Brücke, etwas flussabwärts geborgen. Der Gardist, welcher die Nachricht überbracht hatte, berichtete davon, dass ihre Ehrwürden von einigen Menschen umstellt war, die sie abgeschirmt hatten. Diese wiederum hatten berichtet, dass die Geweihte gerade dabei gewesen war einen Schutzkreis anzulegen, als eine Welle sie davon gespült hatte. Die Menschengruppe hatte noch versucht sie zu retten, konnte aber nur noch die zwei Wasserleichen, die sich an ihrem Leib zu schaffen gemacht hatten, vertreiben. Es waren Nachrichten wie diese, die den Heermeister besonders schmerzten. Doch wie er von der Brücke herab blickte, auf das Gewusel und überall seine Gardistinnen und Gardisten sah, wie sie gemeinsam den Bürgern und den Adligen halfen, da wusste er, dass dieser Sieg auch ein Sieg der gemeinsamen Kampfkraft aller Perricumer war.
Mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen hatte Siegerain von Bregelsaum-Berg die unerwartete Entwicklung dieser Feierlichkeit verfolgt. Was bei allen Niederhöllen passierte da gerade? “Ich bring´ mich besser in Sicherheit!” rief ihm seine Gattin Olberthe zu und verschwand, so schnell ihr teures Kleid dies zuließ, zusammen mit vielen anderen Schaulustigen weg vom Fluss, weg von diesem Chaos. Für einen kurzen Moment war der Hauptmann versucht, ebenfalls das Weite zu suchen; für den Kampf gegen Wasserleichen und andere charyptide Schrecken war er schließlich nicht in das Heer eingetreten. Während er sich umsah, erblickte Siegerain auf dem Scheitelpunkt der Brücke den Heermeister, der offenkundig von dort aus versuchte, so etwas wie eine Verteidigung zu organisieren und zuweilen auch zu ihm herüber zu blicken schien. Ein taktischer Rückzug kam für den Hauptmann daher nicht mehr infrage, wäre es doch auch im Falle seines Überlebens wohl seine letzte Tat als Offizier gewesen. Blieb also nur die Flucht nach vorn, was nicht nur Risiken, sondern auch Gelegenheiten bot, wie der Ritter rasch erkannte. Flankiert von den beiden ihn begleitenden Soldaten stellte sich Siegerain der Gefahr. Doch ging es ihm weniger darum, möglichst viele der angreifenden Monstrositäten zurück in die Niederhöllen zu schicken, als vielmehr um die Rettung in Not geratener Gäste. Dies mochte dem Hauptmann deren Dankbarkeit einbringen und vielleicht gar entsprechende Meldungen an höherer Stelle, weswegen der Offizier den Leuten, wann immer es gerade passte, seinen Namen nannte. Außerdem war dieses Vorgehen weit weniger riskant, als sich direkt in das Gemetzel zu stürzen; hierbei bestünde schließlich die Gefahr, ernstlich verletzt oder gar getötet zu werden. Keine gute Option. Letztlich hatte Siegerain gut ein Dutzend Leute in Sicherheit gebracht, zumeist Angehörige des Stadtpatriziats - irgendwelche armen Hungerleider hätten ihm außer ihrer Dankbarkeit schließlich nichts zu bieten gehabt - von denen die meisten vermutlich auch ohne seine Hilfe aus der Gefahrenzone entkommen wären, die aber ob des Chaos um sie herum in den Hauptmann dennoch ihren Retter zu erblicken glaubten. Dass bei dieser Aktion einer seiner Soldaten zu Tode gekommen und er selbst am linken Arm verwundet worden war, kam dem Offizier dabei sehr zupass: Ein unter Verlusten und eigenen Blessuren erkaufter Sieg bot schließlich mehr Ruhm für den Anführer - also ihn - als einer, der ob seiner Belanglosigkeit kaum der Rede wert war, egal wie bedeutsam er letztlich auch sein mochte. ‘Hoffentlich hat der Heermeister das hier alles gesehen’, ging es Siegerain durch den Kopf. Falls ja, so seine Hoffnung, dürfte dieser Umstand seine Aussicht auf eine Belobigung oder gar Auszeichnung deutlich erhöhen und ihn auch sonst in positiver Erinnerung an entscheidenden Stellen bringen. Aber da der Hauptmann sich darauf nicht verlassen wollte, begab er sich selbst zu seinem Vorgesetzten, um ihm Meldung zu machen und sicherzustellen, dass seine ‘Heldentaten’ nicht unbemerkt geblieben waren.
Immer noch an die heilige Efferdane geklammert - bzw. deren steinernes Abbild - atmete Kusimo von Perricum durch. Seine Vorahnung das Abbild genau dieser Heiligen zu wählen hatte sein Herr mit einer guten Prise Glück gewürdigt. Langsam ließ sein fester Griff nach, er hatte sich mit einem Satz hierauf gerettet, als die Panik auf der Brücke begann, Wassermassen und Schlimmeres hinaufschlugen und die Leute sich gegenseitig umstießen oder in die Tiefe gerissen wurden. Z.B. hatte er gesehen wie Marina von Borstenfeld gepackt und über die Brüstung gezogen worden war oder wie ein ansich kräftiger Bauer von der hektischen Masse hatte begraben wurde. Schreckliche Bilder, doch dann hatte er Befehle gebrüllt gehört, Seneschall und Heermeister hatten - nach kurzem Schrecken - begonnen die Wehr und den geordneten Rückzug der Menschen von der Brücke zu organisieren, während unter ihm die braunhaarige Wächterin vom Darpat das selbige auf dem Wasser getan hatte. Kusimo selbst hatte auf sich und seine Umgebung einen Segen gewirkt, der ihn und einige Umstehende zu schützen vermocht hatte, zumindest vor den Schrecken des Darpat. Ansonsten hatte er die Situation beobachtet, sich einen Überblick verschafft und mit sanfter Zunge beruhigend auf Leute in seinem Umkreis eingewirkt. Dabei hatte er - außer den sich organisierenden Markgräflichen - beobachten können, wie unter anderem eine kleine Gruppe von Reshminianern - abseits ihrer Brückenwächter-Kumpanen - agierend wie eine Einheit immer wieder einzelne Leute aus dem panischen Gewühl zogen und damit wohl deren Leben retteten, während sie hier und da Hiebe auf Gekreuch verteilten, als würde eine einzige Hand ihre Schwerter führen. Außerdem hatte er einige Adelige an den Ufern registriert die eigenständig und mit Hilfe ihrer Waffenleute Wehr, Schutz oder Hilfe organisierten, um so ihre eigene Flucht oder die von den etlichen einfachen und und unbewaffneten Leuten zu decken. Besonders ins Auge gestochen war ihm dabei eine kleine Gruppe um die Zackenländer Adligen Rondira von Sturmfels, Selo von Alxertis und Roban von Rauleu am Nordufer. Am allermeisten war ihm aber ein junger Efferdnovize aufgefallen - nicht weil er todesmutig gekämpft oder wie seine Glaubensgeschwister der Erzfeindin heilige Liturgien entgegengeworfen hatte - sondern weil dieser inmitten all dieses Chaos’ anscheinend einem ganz anderen Eingebung folgte und sich völlig wahnsinnig vom Schiff in die aufgepeitschten und schäumenden Wasser geworfen und zum Chaos am Ufer geschwommen war, nur um in diesem unterzugehen und nach einiger Zeit den gleichen Weg wieder zurück zu kommen. Kusimo hatte nicht den Grund für dieses seltsame Gebaren erblicken können, doch er kannte diese Art von Blick den der Junge dabei gehabt hatte nur allzu gut. Das war interessant - doch am interessantesten war vielleicht die Stimmung die nun - da alles überstanden war - aufkam. Es fühlte sich an wie ein Aufatmen, ein gemeinsames Aufatmen und eine gewisse Sorge für seinen Nächsten, ein sehr uneigennütziges Gefühl, was dem Phexdiener zwar nicht abging, was er aber so auch selten in Perricum vernommen hatte. Kurz abwägend gab er sich dann dieser allgemeinen Stimmung hin, warf noch einen wehmütigen Blick auf den Fluß, der eben noch getobt hatte, von dem sich aber nun dieses Gefühl an die Ufer ausbreitete. Er sah sich um, welche interessante Person seine Hilfe gebrauchen könnte, Menschen die gerade Golgaris Klauen entronnen waren, neigten dazu großzügig zu sein und viel zu erzählen.
Malina von Niederriet gab ihren Reshminianerinnen den Befehl die Schwerter wegzustecken und die Schilder nah anzulegen und tat es ihnen im selben Atemzug gleich. Das war der Moment gewesen, sie hatten nun ein Zeichen gesetzt, die Reshminianerinnen waren nicht zu übersehen gewesen. Zumindest die eingeweihte Gruppe um sie herum. Ein neues Selbstbewusstsein machte sich in ihr und ihren Kameradinnen breit und legte sich auf ihr Gesicht und ihre Körperhaltung. Diese gescholtene und beinahe in Vergessenheit geratene Einheit aus verlorenen Adligen und verdrängten Aussätzigen war ihrer Bestimmung gerecht geworden - gemeinsam hatten sie für Perricum gekämpft. Das Summen wurde lauter, irgendwann würde es Zeit werden es alle hören zu lassen. Doch schon jetzt würden sie nicht mehr länger aufstecken, sie waren Reshminianerinnen und hatten Hier und Heute an der Brücke Reshminas ihr Gesicht gezeigt, ein stolzes und vielfältiges Gesicht, eines das sich nicht mehr hinwegducken würde. In diesem Sinne gab sie den ihren mit einem Nicken den Befehl sich den Verletzten und Hilflosen zuzuwenden - und ihre Leute verstanden und setzten sich in Bewegung.
Und auch eine kleine Gruppe von Geweihten aus Rashia’Hal widmete sich nun der Sorge um Körper und Seele von Verletzten und Versehrten, dazu bildeten sie einen Halbkreis - wie damals am Rothandfelsen - und empfingen dort diejenigen die ihrer Hilfe bedurften. Zu ihnen gesellte sich Tsalaya von Alxertis, die eine Kopfwunde ihrer Anverwandten und Herrin Ginaya geheilt wissen wollte. Und während sich die Geweihtinnen sich ihrer Großmutter annahmen, ließen die sanften Gesänge der Priesterinnen sie an den Rothandfelsen zurück denken. Und erneut kamen die Bilder von damals auf, doch verblichen sie nun und aus dem Rot des Felsens das sich im Wasser spiegelte wurde ein kräftiges Blau. Und das Wasser verflocht sich zu einer Kordel aus drei Fäden, welche von feinem silber durchwirkt waren. Diese Kordel erhob sich und webte ein Bild, auf dem Tsalaya kurz einige Gegenstände zu erahnen glaubte, doch drei Säbel kreuzten die Klingen mit Schwertlilien während sich eine gewaltige Schlange und ein ebenso großer Ochse in diesen Kampf um und mit einer Krone einmischten und Tsalaya so die Sicht auf das frischgewebte Bild verwehrten. Dann sank sie in die Arme der Äbtissin Ras.
Yanda konnte es nicht glauben. Wenn das so weiterging müsste sie in spätestens einem Götterlauf in den Ruhestand gehen. Ein absurdes Bild bot sich ihr da. Ihre Frauen und Männer in feinster Ausgehuniform rannten immer noch geschäftig über das Deck. Mal um Dinge zu verstauen, mal um Taue zu raffen, mal um Verletzte zu versorgen. Sie konnte sich vorstellen, wie ihre Füße in den unbequemen Schuhen schmerzen mussten, waren diese glänzenden Treter doch eher zum Ansehen und Vorführen gedacht als dazu wirklich benutzt zu werden. Schon gar nicht in einem Kampf. Vieles hatte länger gedauert. Die Schiffe direkt wieder ablegen zu lassen, die brandneuen Geschütze zu besetzen, die Angriffsformation einzunehmen, auf das krakenaehnliche dreizehnverfluchte Ungeheuer feuern zu lassen. Nichts davon hatte sie davor gezielt üben lassen. Umso besser war die Besatzung dafür darauf vorbereitet gewesen schneidig vom Deck zum Hafen zu marschieren. Und doch hat alles früher oder später mit einer Selbstverständlichkeit funktioniert, die man nur in gut ausgebildeten Kampfeinheiten findet. Die Sonderflottille war nun unbestrittenermaßen eine solche. Eine Sondereinheit, die sich nun auch im Kriegshafen nicht mehr vor der Perlenmeerflotte verstecken musste. “Nun gut, dann vielleicht ein andermal eine Parade.”, dachte sich die Kommandantin, während sie mit Stolz geschwellter Brust zu ihrer Mannschaft ging.
Miria saß zitternd unter Deck im Achterkastell. Das Kommando hatte sie an ihre erste Offizierin abgegeben. Sie selbst war eingefroren sobald das riesige Ungetüm aus den Fluten aufgetaucht war. Minutenlang herrschte Chaos auf der Blutrochen, bis Miria bemerkte, dass ihr jemand direkt ins Gesicht schrie. Es war ihre Adjutantin, die sie anflehte ihr das Kommando zu überlassen. Nach einem kurzen Nicken wankte die einst so standfeste Frau dann in das Kastell, schloss die Tür hinter sich und hielt sich die Ohren zu. Es war nun schon eine lange Zeit recht still geworden draußen. Sie konnte das nicht mehr. Sie hatte alle im Stich gelassen. Und sie konnte nicht aufhören zu zittern...
Und inmitten all diesen ausklingenden Chaos’, Gedanken und Gesten machte sich ein Gefühl unter den meisten breit, dass begann den Schrecken und den Schock abzulösen, ein Gefühl wie ein loses Band, zu allen hier Anwesenden und dem Ort der sie, die drei Landesteile Perricums und dieses Schicksal verband - der Darpat - zumindest hier, zumindest heute.
Unbemerkt blieb aber vorerst, dass der Südweiser von Bord der Windhatz verschwunden war.