Geschichten:Die Herrin vom See I: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 21. November 2021, 19:43 Uhr
Dramatis Personae
- Arva von Birkentau, 24, Erbin des Junkertums zu Birkentau, Ritterin zu Birkensteg und des Garetischen Hütebundes zum Schutze des heilig-ucurianischen Botenwesens und der garetischen Verkehrwege zum Sturmflug
- Howarth von Birkentau, 60 Jahre, Junker von Birkenbruch, entfernter Vetter von Arva
- Efferdgrimm, 67, Efferdgeweiter und Kaplan auf Burg Birkenkopf, Großonkel von Arva
- Eolyn von Birkentau, 20, Novize, Schüler von Effergrim, Bruder von Arva
- Finjan von Birkentau, 21, Gardist in der II. Lanze der Waldsteiner Pikeniere
- Yera und Isira von Birkentau, 16 und 15, Schwestern von Arva
Klippen nahe Burg Birkenkopf, 23. Peraine 1039 BF
Der See lag da – schwarz wie Obsidian. Einem Trauerflor gleich schmiegte er sich an die steilen Klippen der Festungsinsel. Lediglich das volle Madamal spiegelte sich matt in der schroffen Oberfläche des Sees und hüllte die Klippen in bläuliches Zwielicht.
Arva hatte sicherlich schon tausendmal auf den See geblickt, aber so dunkel wie in dieser Nacht hatte sie ihn noch nie wahrgenommen. Es war als ob Boron und Efferd selbst der Herrin des Sees ihr letztes Geleit geben wollte.
Ihre Großmutter Angrada, die Herrin vom See, fast ein halbes Jahrhundert lang Junkerin zu Birkentau, war vor wenigen Tagen in den See gegangen. Lange Zeit hatte sich Arva an dieser Beschreibung für den Freitod gestört, doch heute schien er ihr seltsam passend. Schließlich war die alte Dame in der Nacht einfach in den See gestiegen, um sich dort der Gnade der Götter zu überantworten.
Seit Arva denken konnte, war ihre Großmutter das unangefochtene Oberhaupt der Familie und es schien unbegreiflich, dass sie nun fort war und die Geschicke der Familie in ihre unerfahrenen Hände gegeben hatte.
Die blonde Ritterin wurde aus ihren Gedanken gerissen als Efferdgrimm, Angradas Bruder und ein Bewahrer von Wind und Wogen, nach einer längeren Stille begann, einen Grabsegen auf den See zu legen.
„Tragt, Ihr Winde, meine Worte und verkündet, was Ihr hier gesehen und gehört! Tragt das Andenken an Angrada, diesen einzigartigen Tropfen des tiefen Sees, mit Euch und mahnt uns, die noch an ihm verbleiben, ihres Andenkens.“
Arva blickte verstohlen in die kleine Gruppe, die gemeinsam mit ihr diese Zeremonie begannen: Neben Efferdgrimm war sein Novize und Arvas Bruder Eolyn von Birkentau anwesend, der bemüht gefasst neben dem älteren Geweihten stand. Finjan von Birkentau, ihr anderer Bruder starrte wie entrückt auf den See. Auch ihre beiden Schwestern Yera und Isira waren gekommen. Überrascht war sie von der Anwesenheit des frischgetauften Junkers von Birkenbruch, ihres Vetters Howarth, dessen stahlblaue Augen gerade hochschnellten als sie ihn anblickte. Ertappt, schenkte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Geweihten.
„Möge nun ihr Körper Teil des Sees werden, wie auch ihre Seele Teil der unergründlichen Weite wird. Und ihr, die ihr verlassen hier bleibt: lasst los und schenkt dem Topfen seine Freiheit, denn Angrada ist gut geborgen in der göttlichen Flut.“
Obwohl er diese Worte sicherlich schon hunderte Male verkündet hatte, wirkte seine Stimme zärtlich – so als ob er sie persönlich, ganz intim seiner Schwester mitgab.
Die einsetzende Stille hallte laut in Arvas Ohren. Sie fühlte sich, als ob sie wie ein Floß ohne Tau vom Ufer forttrieb – unbarmherzig in die unendliche Weite des dunklen Sees hinaus. Sie spürte den Blick aller Anwesenden auf sich ruhen, abwartend, was sie als nächstes tun würde.
Langsam schritt sie nach vorne, kniete sich hin und nahm einen losen Stein vom Boden auf. Sie wollte etwas sagen, doch ihre Stimme brach. Arva atmate langsam ein und aus, ehe sie ein weiteres Mal die Stimme hob:
„Herrin vom See, wir verneigen uns vor dir und geloben den See und seine Leute stets zu schützen.“
Sie machte eine Pause, warf den Stein in das tiefschwarze Wasser, wandte sich aufrecht an die Anwesenden und sprach den Wahlspruch derer von Birkentau
„Lacui Aeterno Fidem – Ewig Treu dem See“
Als diese Worte ihre Lippen verließen, spürte die junge Ritterin wie sich die Verantwortung für ihre gesamtes Haus schwer wie Obsidian auf ihren Brustkorb legte.
Mögen die Zwölf Götter ihr beistehen.