Geschichten:Ein neues Symbol für eine neue Zeit: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 26. März 2022, 18:12 Uhr

"Die Zeit ist reif."

"Äh, wie meinen?"

Zordan von Rabicum konnte ein Seufzen nicht unterdrücken. Sein Sohn Rukus hatte ja zweifelsohne seine Vorzüge und Stärken. Doch das große Spiel bei Hofe, das feine, aber unabdingbare Gespür für Veränderungen und den richtigen Zeitpunkt, sich diese auf die ebenso richtige Weise zunutze zu machen, ging ihm gänzlich ab. Wie eigentlich fast allen Familienmitgliedern.
"Schon gut, Sohn.", erwiderte der Seneschall leicht resignierend. "Du kannst gehen. Ach ja, lass bitte noch nach Deiner Tochter schicken."

"Wie Du wünschst, Vater." Sichtlich missgestimmt verließ der Erste Ritter des markgräflichen Hofes das Arbeitszimmer des Seneschalls in der Reichsstadt. Dem Alten war auch gar nichts rechtzumachen! Und dass er ihn von den wirklich wichtigen Entscheidungen ausschloss - ganz im Gegensatz zu Geldana - war Rukus schon länger ein Dorn im Auge. Was hatte Sie denn schon vorzuweisen, was er nicht schon lange zuvor geleistet hatte?

Zordan hatte den unwirschen Abgang seines Sprösslings durchaus registriert, doch bewusst darüber hinweggesehen. Er mochte keine schmollenden Kinder; vor allem keine, die bereits weit über fünfzig Götterläufe zählten und immer noch nicht in der Lage waren, die Grenzen ihrer Möglichkeiten zu erkennen. Und an eine Eskalation war dem alten Fuchs auch nicht gelegen; er brauchte seinen Sohn schließlich noch. Aber immerhin, einen Lichtstrahl in diesem Ausbund an Mittelmaß, der sich Familie nannte, gab es. Und dieser klopfte gerade an seine Tür.

"Herein."

"Ihr wünschtet mich zu sehen, Großvater?"

"Ja, mein Kind. Setz´ Dich, wir haben einige Dinge zu besprechen."

Geldana nahm gegenüber dem Seneschall Platz und schaute diesen erwartungsvoll, aber mit ansonsten undeutbarer Miene an.

Ein leichtes Lächeln schlich sich auf des Rabicumers Antlitz. Seine Enkelin war eine der Wenigen in seiner Familie, die sich in seiner Gegenwart nicht so einfach in die Karten schauen ließ oder diese gar offen auf den Tisch legte. Eine nützliche Eigenschaft, mit der man es bei Hofe und anderswo weit bringen konnte.
"Ich mache es kurz. In zwei Wochen findet, wie Du weißt, die allfällige Generalaudienz statt, bei der Recht gesprochen, geklagt, gejammert, Politik gemacht, gefeiert und intrigiert wird - in beliebiger Reihenfolge und Kombination. Kurzum: Diese Versammlung, zu der viele der tatsächlichen und selbsternannten Großen des Landes strömen werden, ist eines der wichtigsten Ereignisse des Jahres."

"Und Ihr habt dort etwas Besonderes vor und mir eine Rolle dabei zugedacht, richtig?"

"Richtig.", erwiderte Zordan trocken auf Geldanas Einwurf; etwas, dass er nur wenigen Personen durchgehen ließ. Ein gewisser Stolz erfüllte den alten Mann ob der raschen Auffassungsgabe seiner Enkelin.
"Es geht um die Standarte, die Dein Bruder und Onkel vor einiger Zeit gefunden haben. Sie soll nun während der Generalaudienz den Versammelten als ein Symbol alter Größe und neuer Einigkeit präsentiert werden. Und zwar von jemandem, der über das nötige rhetorische Geschick verfügt, um einerseits eine pointierte und andererseits nicht zu schwülstige Ansprache dazu zu halten; zugleich einerseits die Verdienste unserer Familie beim Auffinden des Artefaktes zu betonen vermag, ohne dabei andererseits in peinliches Eigenlob zu verfallen. Die Rede sollte wie gesagt eingängig, zugleich aber auch möglichst kurz ausfallen, um die Leute nicht zu langweilen und somit ihrer Wirkung auf sie zu berauben. Ach ja: Idealerweise sollte sie von jemandem vorgetragen werden, der nicht zum Hofe des Markgrafen gehört, zugleich aber dennoch ein reputables Amt bekleidet. Es gilt, den Eindruck zu vermeiden, irgendeine Hofkamarilla hätte sich hier was ausgeheckt oder verfolgte nur ihre eigenen Interessen, während die Person zugleich durch ihre eigene Position ernstgenommen werden kann."

"Keine leichte, aber eine machbare Aufgabe, die Ihr mir da stellt, Großvater."
Geldana hatte natürlich rasch erkannt, dass der Familienpatriarch von ihr geredet hatte.
"Aber was ist mit meinem Vater? Wird er sich nicht übergangen fühlen? Immerhin war er maßgeblich an der Auffindung der Standarte beteiligt!"

"Er darf mit Dir vortreten und dabei das Ding halten. Und sei versichert, irgendeinen hübschen Titel oder Amt werde ich schon noch finden, um sein Ego angemessen zu streicheln. Dazu eine rhetorische Frage: Glaubst Du, dass Dein Vater eine Rede, wie ich sie gerade skizziert habe, auch nur im Ansatz halten könnte, ohne sich dabei an der einen oder anderen Stelle unfreiwillig selbst zu Fall zu bringen?"

Geldana schwieg und senkte den Kopf leicht.

"Schön, dass wir da einer Meinung sind. Überlege Dir also ein paar angemessene Worte und-"

"trage sie frei vor, damit sie nicht wie auswendig gelernt und somit von langer Hand vorbereitet wirken, richtig?"

Ein zufriedenes Lächeln Zordans bestätigte Geldanas Annahme.
"Wie Du weißt, schätze ich Dich und Deine Fähigkeiten sehr, Liebes. Ich denke, dass Du das Zeug dazu hast, mir dereinst als Familienoberhaupt und Seneschall nachzufolgen. Und Dein Auftritt in zwei Wochen wird Dein erster großer Schritt dahin sein."
Schlagartig wurde er wieder ernst und der ungewohnte Anflug von Sentimentalität verschwand aus seiner Stimme.
"Ich werde nachher noch Deinen Vater auf seine Rolle vorbereiten - was mich sicherlich einige Nerven kosten wird - und sicherstellen, dass möglichst viele unserer Parteigänger aber auch bisher neutrale Adlige und Amtsträger bei der Versammlung zugegen sein werden, damit Du mit Deiner Rede maximale Wirkung sowohl in den Herzen als auch in den Köpfen - also für die Provinz und unsere Familie - erzielen kannst. Danach werden wir uns überlegen, wie und von wem die Standarte am Rande des Lichterfestes präsentiert werden soll. Und nun Praios befohlen, es liegt noch einiges an Arbeit vor uns."

Trenner Perricum.svg


Akribisch hatte der Seneschall die Generalaudienz vorbereitet und tatsächlich war es ihm gelungen, fast alle zum Kommen zu bewegen, deren Erscheinen er aus dem einen oder anderem Grunde für angebracht hielt. Außerdem hatte er das Gerücht streuen lassen, dass am letzten Tage der Versammlung noch eine besondere Bekanntmachung erfolgen werde. So war sichergestellt, dass fast alle Gäste beim Schlussplenum nicht nur zugegen, sondern auch neugierig auf dessen Ablauf sein dürften und so dem für ihn entscheidenden Punkt - der Rede - maximale Aufmerksamkeit schenkten. Soweit es Zordan betraf, war das Feld nun bereitet für seine Enkelin. Nun lag es an ihr, seine enorme Vorarbeit in einen hoffentlich durchschlagenden Erfolg zu verwandeln!

Schließlich war der alles entscheidende Moment gekommen. Geldana trat, gemeinsam mit ihrem Vater Rukus, vor, welcher eine zugleich würdevolle wie entschlossene Miene zur Schau sowie die Standarte trug. Es hatte das Familienoberhaupt einiges an Überzeugungsarbeit und Nerven abverlangt, damit sein Sohn sein Ego zugunsten der Familie und seiner eigenen Tochter hintanstellte und sich dies zugleich nach außen hin nicht anmerken ließ.
"...Und daher soll diese alte Feldzeichen, welches mein Herr Vater fand, die altehrwürdige Standarte des großen Caralus, nicht nur für die Raulschen unter uns, sondern für alle Perricumer - gleich, aus welcher Region dieser großartigen Provinz sie auch stammen mögen - als Symbol der Einheit und der Stärke dienen. Jedem inner- wie außerhalb unserer Heimat soll bei seinem Anblick klar sein: Hier leben zuvörderst Perricumer und dann erst Raulsche, Nebachoten oder Alt-Darpaten. E trium unum!"

Zordan nahm sowohl die Rede als auch die Reaktionen darauf mit großer Genugtuung zur Kenntnis. Seine Enkelin hatte mit ihren vermeintlich frei formulierten Worten offenbar einen Nerv getroffen, die nicht nur die Bande zu den eigenen Verbündeten zu festigen schienen, sondern auch viele der neutralen Gäste offenkundig begeisterte.
Ebenso aufmerksam hatte der Senenschall aber auch die Reaktionen der ihm und seiner Familie ablehnend gegenüberstehenden Anwesenden registriert, die von säuerlich bis beinahe feindselig reichten. Dem Rabicumer war klar, dass seine Gegner nun danach trachten würden, ihm diesen Triumph zu vergällen, mit welchen Mitteln auch immer. Aber dagegen würde er sich wappnen. Hier und jetzt überwog jedoch der Stolz: Der Stolz auf das Erreichte und der Stolz auf seine Enkelin Geldana.