Geschichten:Die Rückkehr der Pfortensteiner - Rechnungen: Unterschied zwischen den Versionen

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|Zusammenfassung=Auf der Burg Ralligstein freut man sich auf einen ertragreichen Herbst.
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Aktuelle Version vom 6. Mai 2022, 20:25 Uhr

Anfang Efferd 1044 BF, Burg Rallingstein, zur Mittagsstunde

Mit Stolz blickte der Rallinger Marktvogt aus dem Fenster der Schreibstube hinab auf den Burghof, den Zwinger und die fast fertigen Mauern der Burg Ralligstein. Seit fünfzehn Jahren ließ seine Familie dieses imposante Bauwerk nun errichten. Erst im Geheimen, um den Baron nicht misstrauisch zu machen. Später, als sein Bruder Emmeran zum Landrichter über die Grafschaft ernannt worden war und sich die wachsende Mauerkrone auch wahrlich nicht mehr verleugnen ließ, auch offen und mit gewachsenem Selbstbewusstsein. Es war eine Burg die einem Baronsgeschlecht würdig war und nichts weniger war der Anspruch der Erlenfaller. Mochte Graf Drego im letzten Götterlauf auch diesem Emporkömmling Altjachtern den Baronsreif aufs Haupt gesetzt haben, so war es nur eine Frage der Zeit, bis die Junker von Erlenfall endlich zu ihrem Recht kommen würden. Jetzt wo mit der Burg Ralligstein ein weiteres Puzzlestück kurz vor seiner Vollendung stand, rückte ihr Ziel in greifbare Nähe.

Natürlich war der Bau sehr kostspielig gewesen. Edelbrecht gestattete sich ein zufriedenes Grinsen, als er auf die goldgelben Felder und die saftig grünen Wiesen blickte, welche den Marktflecken, der etwa eine halbe Meile hügelab lag, umgaben. Rallingen war ein wohlhabender Ort und seine Gemahlin hatte schon immer ein Talent für Zahlen gehabt. Wenn man es nur richtig anstellte, konnte man jeden Mond die Hälfte der Abgaben an den Baron einsparen. Zudem hatte sein älterer Bruder, der auch der Junker von Erlenfall war, dafür gesorgt, dass Zahlungen aus gräflichen Schatullen zur Förderung der Wehrhaftigkeit der Grafschaft bei ihnen eingegangen waren. Ganz zu schweigen von den Gewinnen, die das Salz aus dem Gradierwerk in Windfels abwarf. Der Edle von Windfels war nicht nur gräflicher Salzvogt. Er war auch ein Vasall des Junkers von Erlenfall und zudem mütterlicherseits ein halber Erlenfaller.

„Was denkst du Wilmunde“, wand Edelbrecht sich an seine Gattin, die mit ihrem Rechenbrett am großen Arbeitstisch saß, „werden wir die Burg vor dem Jahreswechsel endlich fertigstellen können? Diese Baugerüste an den Mauern verderben mir den Ausblick.“

„Sei unbesorgt. Die Ernte wird hervorragend sein. Das hat mir Perainidane gestern persönlich versichert. Dummerweise werden nach der Ernte ein paar Plünderer aus Waldstein über die Raller setzen und das Lagerhaus leerräumen.“ Sie schenkte ihrem Mann ein gerissenes Lächeln. „Vermutlich wird es dabei auch in Flammen aufgehen, sodass wir keine Spuren finden und verfolgen können.“

„Nun, das wird wirklich ein schrecklicher Verlust sein“, meinte Edelbrecht ironisch. „Wo der Rest von Schwarztannen doch so gelitten hat und der Herr Baron unsere Getreideabgaben so dringend benötigt.“

„Zum Glück werden all jene Abgaben, welche dir als Marktvogt zustehen, hier im Speicher auf Ralligstein sicher sein“, fuhr Wilmunde im selben Ton fort. „Da die Ernte so reichlich ausfallen wird, eine Rekordernte wie man sie seit Kaiser Pervals Zeiten nicht mehr gesehen hat möchte ich meinen, werden wir ausreichend Getreide übrighaben, dass wir dem Herrn Baron überlassen können. Gegen klingende Münze versteht sich.“

„Und wenn der Altjachtern der Meinung ist sich unsere Preise nicht leisten zu können?“ Nicht, dass sich der Marktvogt ernsthaft Sorgen um die finanzielle Notlage des Barons machte. Er hatte nur Bedenken, dass sie auf dem Getreide sitzen bleiben und keinen entsprechenden Gewinn machen würden.

„Dann finden wir einen anderen Käufer“, teilte seine Frau ihm mitleidslos mit der Achsel zuckend mit. „Die Speicher sind überall leer, Felder und Höfe sind in der ganzen Grafschaft verwüstet, nachdem die Waldsteiner, Eslamsgrunder und vor allem die Kaisermärker sich schadlos gehalten haben. Irgendwer wird uns das Getreide schon zu unserem Preis abnehmen. Sollte sich in Reichsforst niemand finden, so können wir unsere Überschüsse noch immer in Randersburg an die Kaiserlichen verkaufen. Oder in Gareth.“

Ein Klopfen an der Tür unterbrach das Gespräch der Eheleute. Auf Edelbrechts Aufforderung hin trat einer der Waffenknechte ein, die am äußeren Burgtor die letzten Arbeiten am Torturm überwachten.

„Herr, ein Bote hat dieses Schreiben für Euch überbracht.“

Der Marktvogt nach das die zusammengerollte und gesiegelte Bulle entgegen und schickte den Gewappneten mit einer Handbewegung zurück zu seinem Posten. Wilmunde schaute interessiert nach dem angebrachten Siegel.

„Vom Grafenhof?“, fragte sie hoffnungsvoll. Denn diese Schreiben bedeuteten zumeist, dass sie über irgendeinen Weg von Landrichter Emmeran gräfliche Zahlungen erhielten.

„Leider nein.“ Edelbrechts Stimme war eine Mischung aus Enttäuschung und Abscheu. „Das kommt von den Pfortensteinern.“

„Was wollen die denn von dir?“

„Vermutlich Geld“, meinte der Erlenfaller abfällig. „Ich hörte ihre Ländereien in Rubreth sind sehr gründlich geplündert worden. Aber dass sie tatsächlich so tief sinken, hätte ich nicht erwartet.“ Achtlos warf er das ungeöffnete Schreiben auf einen Stapel weiterer Pergamente, die darauf warteten, gelesen zu werden. „Sollen sie ruhig ein paar Wochen auf eine Antwort harren. Eventuell haben wir ja etwas übrig, wenn wir unsere Getreideüberschüsse verkauft haben. Dann können die Pfortensteiner für einen angemessenen Zins einen Kredit erhalten.“

Wilmunde leckte sich unwillkürlich über die Lippen und machte eilig eine Notiz in ihren Unterlagen. Dieser Herbst versprach ertragreicher zu werden als gedacht.