Geschichten:Auf Reshminas Spuren - Teil 11: Unterschied zwischen den Versionen
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Nach der Nacht war es wieder angenehm frisch am Morgen gewesen, doch allmählich wurde es jetzt am Vormittag wieder wärmer. Im Hauptlager des Vermessungsunternehmens war es aber noch relativ ruhig. Die Geräusche des in Zubereitung begriffenen Mittagessens waren zu hören, die meisten aus der kleinen Gruppe, die nichts zu tun hatten, vertrieben sich an einem schattigen Platz die Zeit oder nutzten die Gelegenheit, noch etwas zu dösen. | Nach der Nacht war es wieder angenehm frisch am Morgen gewesen, doch allmählich wurde es jetzt am Vormittag wieder wärmer. Im [[Handlungsort ist::Perricum:Markgräflich Perrinmarsch|Hauptlager]] des Vermessungsunternehmens war es aber noch relativ ruhig. Die Geräusche des in Zubereitung begriffenen Mittagessens waren zu hören, die meisten aus der kleinen Gruppe, die nichts zu tun hatten, vertrieben sich an einem schattigen Platz die Zeit oder nutzten die Gelegenheit, noch etwas zu dösen. | ||
Meister Koradin saß am Tisch und verglich die wenigen Ergebnisse, die er bislang auf Pergament gebannt hatte mit den Linien auf einer der Karten. Bei einem der Vermessungspunkte war er sich nicht sicher. Langsam schüttelte er den Kopf. Dort kam er nicht weiter, ohne die benachbarten Landmarken ausgemessen zu haben. Aber das Vorhaben war ja nicht so einfach wie erhofft, das hatte der letzte Tag deutlich gezeigt. Seufzend blickte er hinüber zu dem Hügel gegenüber im Brendiltalschem. Dabei fiel ihm eine Bewegung weiter rechts auf. Von Norden her kam den Farben nach zu urteilen einer der Soldaten. Wahrscheinlich einer von jenen, die am letzten Morgen ausgesandt worden waren, die noch auffindbaren Grenzsteine am nördlichen Grenzverlauf zu markieren, damit das Vermessen später nicht durch unnötiges Suchen verzögert würde. | Meister Koradin saß am Tisch und verglich die wenigen Ergebnisse, die er bislang auf Pergament gebannt hatte mit den Linien auf einer der Karten. Bei einem der Vermessungspunkte war er sich nicht sicher. Langsam schüttelte er den Kopf. Dort kam er nicht weiter, ohne die benachbarten Landmarken ausgemessen zu haben. Aber das Vorhaben war ja nicht so einfach wie erhofft, das hatte der letzte Tag deutlich gezeigt. Seufzend blickte er hinüber zu dem Hügel gegenüber im Brendiltalschem. Dabei fiel ihm eine Bewegung weiter rechts auf. Von Norden her kam den Farben nach zu urteilen einer der Soldaten. Wahrscheinlich einer von jenen, die am letzten Morgen ausgesandt worden waren, die noch auffindbaren Grenzsteine am nördlichen Grenzverlauf zu markieren, damit das Vermessen später nicht durch unnötiges Suchen verzögert würde. |
Version vom 9. Oktober 2022, 01:05 Uhr
Nach der Nacht war es wieder angenehm frisch am Morgen gewesen, doch allmählich wurde es jetzt am Vormittag wieder wärmer. Im Hauptlager des Vermessungsunternehmens war es aber noch relativ ruhig. Die Geräusche des in Zubereitung begriffenen Mittagessens waren zu hören, die meisten aus der kleinen Gruppe, die nichts zu tun hatten, vertrieben sich an einem schattigen Platz die Zeit oder nutzten die Gelegenheit, noch etwas zu dösen.
Meister Koradin saß am Tisch und verglich die wenigen Ergebnisse, die er bislang auf Pergament gebannt hatte mit den Linien auf einer der Karten. Bei einem der Vermessungspunkte war er sich nicht sicher. Langsam schüttelte er den Kopf. Dort kam er nicht weiter, ohne die benachbarten Landmarken ausgemessen zu haben. Aber das Vorhaben war ja nicht so einfach wie erhofft, das hatte der letzte Tag deutlich gezeigt. Seufzend blickte er hinüber zu dem Hügel gegenüber im Brendiltalschem. Dabei fiel ihm eine Bewegung weiter rechts auf. Von Norden her kam den Farben nach zu urteilen einer der Soldaten. Wahrscheinlich einer von jenen, die am letzten Morgen ausgesandt worden waren, die noch auffindbaren Grenzsteine am nördlichen Grenzverlauf zu markieren, damit das Vermessen später nicht durch unnötiges Suchen verzögert würde.
Sorgenvoll legte Koradin die Stirn in Falten. Ob etwas geschehen war? Das hätte nun noch gefehlt, dass ein Unglück geschehen war. Der Kartograph stand auf und ging um den Tisch herum, um den Neuankömmling zu erwarten.
„Meister, Meister Koradin!“, keuchte dieser schon von weitem. Koradin erkannte den Mann: Es war tatsächlich einer der Soldaten, Stiman Moorsteige hieß er und war Teil der darpatischen Hälfte der Wachsoldaten, die Herr Aldron mitgebracht hatte. Der Gemeine Moorsteige schien sehr aufgeregt zu sein. „Ihr glaubt nicht, was geschehen ist! Das müsst ihr euch ansehen! Wo ist die Frau Hauptfrau? Ich muss ihr unbedingt noch Meldung machen!“
Später standen sie dann alle am Objekt des Berichtes des aufgeregten Soldaten zusammen. Inzwischen hatten sie auch seinen Kameraden wieder getroffen, der wie berichtet Wache gehalten hatte, damit das Corpus Delicti nicht inzwischen entfernt hätte werden können. Außer den beiden Soldaten waren noch Koradin, zwei seiner Gehilfen und Malina von Niederriet anwesend. Koradin schüttelte den Kopf. Der Anblick, der sich ihm bot war geradezu obskur, zeugte aber von hohem Einfallsreichtum und einigem Hang zu derbem Schabernack.
„Da!“, nochmals wies Stiman auf die Entdeckung, die die Vermessungsgehilfen, er und sein Kamerad vor einigen Stunden gemacht hatten. „Bei uns in Hassloch hätten wir uns das nicht getraut. Das Fell hätte man uns gegerbt. Mindestens!“ Bedeutungsschwer schwieg er wieder, abwartend, was der Meister und seine Vorgesetzte dazu sagen würden. Die mit blauen und weißen Streifen am Kopf gekennzeichneten Pfähle, die der Trupp auf seinem Weg an den Grenzsteinen in den Boden getrieben hatte, waren herausgezogen worden und zu einem Bündel zusammengefasst worden. Dabei lagen die Schäfte aneinander und die blauweißen Köpfe waren gestaffelt, womit im Groben eine runde Form angenähert. Dieses Bündel war dann offenbar mit der Unterseite der Pfähle nach unten in ein zuvor gegrabenes Loch versenkt worden und dieses danach zugeschüttet worden. Neben diesem etwa brusthoch aufragenden Gebilde waren dann noch, scheinbar zur Stabilisierung zwei kürbisgroße, runde Steine platziert worden, indes aber in einer Art, dass Levthan seine Freude an dem Gesamtwerk haben musste.
Die Hauptfrau war zunächst um die Pfähle herum gelaufen. Dabei wurde ihre Laune zusehendes schlechter. Ihre Leute kannten die Anzeichen einer nahenden Explosion, daher verhielten sie sich still.
Malina war puterrot. Sie kochte innerlich. Das konnte er doch nicht im Ernst gewesen sein…oder etwa doch? Sie hatte A’urel schließlich gesagt, dass ihr Aufenthalt zeitlich begrenzt wäre durch die Arbeiten, die sie zu erledigen hätten. Und sie hatte ihm auch zu verstehen gegeben, dass ihre Störungen dazu beitrugen, dass sich alles verzögerte…. Sie musste schwer schlucken. Am Ende war SIE daran schuld, dass er sich zu so einem Unfug hatte hinreißen lassen. Konnte er sie so missverstanden haben? Was sollte sie nun machen?
„Wir graben die Pfähle wieder aus. Was ist mit den Hirten hier aus der Gegend, habt ihr welche gesehen? Die sollte man unbedingt befragen. Wie kann es sein, dass sie so was treiben solange sich der Landvogt mit dem Marban bespricht. Das sind doch Kindereien.“ Während dieser Worte war sie unstet hin und her gelaufen und sprach mehr zu sich selbst, als zielgerichtet mit jemandem.
„Moment!“ Sie bückte sich schnell noch einmal, um zu überprüfen wie fest die Pfähle, die man soeben begonnen hatte zu entfernen in die Erde gestoßen worden waren. Vielleicht handelte es sich tatsächlich um einen Kinderstreich. Schnell aber stellte sie bei ihrer Untersuchung fest, dass hier kaum Kinder am Werk gewesen sein konnten. Ein Streich mochte es sein, war es sogar ganz eindeutig, aber durch die Tiefe des Loches und auch das Gewicht der „Skulptur“ und vor allem der Steine, die Teil von ihr waren, kam schnell der Gedanke auf, dass zumindest Jugendliche sich hier einen Spaß erlaubt haben mussten.
„Meister Koradin, die alten Löcher der Pfähle sind ja noch da, was meint ihr, können wir sie einfach wieder einschlagen, oder ist das nicht genau genug?“ Koradin seufzte deutlich und sah einen Augenblick in die nördliche Ferne. „Die Pfähle sind ja wohl nicht beschädigt. Und die Lage der Steine sollte beim zweiten Mal ja schneller zu finden sein.“ Er warf einen Blick auf die Helfer und Soldaten, die er das letzte Mal losgeschickt hatte, die Grenze zwischen Haselhain und den Perinmarschen vorzubereiten. „Wir müssten die gesetzten Pfähle halt höchstens bewachen lassen, damit wir aufs Ganze gesehen vorankommen. Ich dachte ja eigentlich, dass die trocken gebliebenen Strecken relativ zügig abgehandelt werden könnten…. Aber so…“ Wieder zuckte der Meister mit seinen Schultern.
„Ich reite zurück und verfasse einen Bericht. Falls Aldron von Firunslicht nicht heute vor dem Ende der Mittagspause zurück ist, sollten wir ihn vielleicht doch informieren, was sich hier so zuträgt.“ Auch ein Gespräch mit A’urel wäre nützlich dachte sie so bei sich, nur wusste sie nicht, ob er noch im Lager, oder schon wieder bei seinem Vater weilte. Sie schüttelte den Kopf und meinte noch zu Koradin gewandt: „Wir müssen uns auch noch einmal besprechen. Ich weiß nicht, ob unsere Bemühungen überhaupt Früchte tragen, solange wir nicht Unterstützung durch die Hiesigen erhalten - es tut mir sehr Leid ansehen zu müssen, wie eure, nunja unser aller Arbeit ständig sabotiert wird. Wenn ihr wieder im Lager seid, sehen wir uns.“
Gerade als Malina aufsatteln wollte, bemerkte sie, dass die Nebachoten aus dem Lager ihr und Koradin gefolgt waren. Unter den Reitern konnte sie auch A’urel auf seiner Stute ausmachen. Die Tücher, welche die nebachotischen Krieger vor ihre Gesichter geschlungen hatten, verhinderten, dass Malina deren Lachen sah, doch sprachen ihre zuckenden Schultern schon mehr als genug. Lediglich A’urel schien bemüht zu sein, sein Lachen unterdrücken zu wollen, was ihm aber nicht ganz gelingen sollte.
Malina bemühte sich gar nicht erst sich am Riemen zu reißen, und ihre Laune zu verbergen. Sie stapfte auf die gesammelte nebachotische Delegation zu. Heute Morgen war sie seit langem einmal wieder einfach glücklich und zufrieden aufgewacht. Sie konnte es zwar selbst nicht so ganz fassen, aber die Einsamkeit auf der Burg hatte ihr wohl mehr zu schaffen gemacht, als sie sich eingestehen wollte. Ihr blondes Haar glänzte förmlich in der Sonne. Am gestrigen Abend hatte sie sich noch ausgiebig Zeit genommen um es zu bürsten. Am Morgen hatte sie dann nach längerer Überlegung die schöne blaue Bluse unter ihre Reitweste angezogen, die die Farbe ihrer Augen gut zur Geltung brachte. Sonst war ihr vor allem wichtig, dass alles tadellos und ordentlich saß. Doch der Ausflug ans Meer war ein Auslöser gewesen, er hatte etwas zum Vorschein gebracht, was sie lange verbergen, ja fast ausmerzen wollte. Die Rolle der Hauptfrau auf dem Arvepass war ihr von Anfang an schwer gefallen. Mit Aldron von Firunslicht kam sie hervorragend aus, darin bestand nicht das Problem. Sie war jung und sie war eine Frau. Zwei Punkte, die mindestens bei der Hälfte der Soldaten dazu geführt hatte zunächst ihre Führungsqualitäten anzuzweifeln. Echte Freunde hatte sie daher bis auf einen nicht gewonnen. Die Zwistigkeiten mit ihrem nebachotischen, halsstarrigen und selbstverliebten Weibel Sayid, brachten ihr auch nur die Sympathien der mittelreichischen Soldaten ein. Die Nebachoten hielten zu Sayid. Ausserdem war sie nicht mit vollem Herzen bei der Sache. Nach wie vor träumte sie von einer Zukunft in der Reiterei.
Doch der schöne Morgen hatte ein abruptes Ende gefunden mit dieser neuerlichen Dreistigkeit. In ihrem Gesicht spiegelte sich der Verdruss wieder den ihr die Sache allmählich bereitete. Während sie näher kam versuchte sie in dem Blick A’urels etwas zu lesen, was ihre drängendsten Fragen auf die eine oder andere Weise beantworten würde. War er es gewesen? War sie schuld daran? Doch sein Blick war für sie wie meistens nicht zu deuten. Dann stand sie vor der Reiterschar. „Hochgeboren!“ Sie nickte A’urel kurz zu, ebenso dem in die Jahre gekommenen Turam. „Ich hoffe ihr habt gut geruht. Ich weiß nicht was Euch so sehr erheitert, aber mich belustigt die Vorstellung, dass der Erbauer dieser Mannespracht sich womöglich selbst wünscht ein solch…imposantes Exemplar zu besitzen, statt dem, dass er sein eigen nennen darf. Oder der Gedanke, dass der Mannessaft des Schöpfers am Versiegen ist, und er mit eben jenem Kunstwerk Rahja darum bitten will, ihm zu helfen.“ Bei diesen erläuternden Worten hatte sie sich noch einmal umgedreht und den Abbau jenes Dinges betrachtet. Mit Genugtuung hatte sie dabei gesehen wie mehrere ihrer Männer in voller Rüstung, angeführt von einem vornehmlich finster dreinblickenden Weibel Jarrah ihr gefolgt waren und ihr den Rücken vor dem Reitertrupp stärkten. Dabei war ihr allerdings gar nicht aufgefallen das es ausschließlich Männer aus Sayid´s „Gefolge“ waren. Dann drehte sie sich wieder um und lächelte verhalten. „ Eine weniger nette Vermutung hat mein Weibel Sayid geäußert. Er hat gemutmaßt, ob es nicht sein könnte, dass euer Nachbar vielleicht die Missgunst des Markgrafen auf euch lenken möchte mit diesen Sabotageakten.“ Ein hochmütiges Lächeln ihrerseits spiegelte was sie von derlei Gedanken hielt. Während dessen der Angsprochene direkt hinter sie getreten war und zustimmend genickt hatte bei der geäußerten Vermutung. „Nunja welche Gründe auch immer den Erbauer getrieben haben mögen, unabhängig davon wer das geschaffen hat, er wird zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Der Landvogt wird Bericht verlangen, und er muss sich gegenüber dem Markgrafen verantworten.“ Sie ließ diese Worte noch einmal durch eine Pause wirken. Es war ihr unbegreiflich, wie sich jemand dem Markgrafen und dessen Wünschen nach einem gut sichtbaren Grenzverlauf widersetzen konnte „Vermutlich habt ihr keine Idee wer das gewesen sein könnte…?“ Malina schaute den jüngsten ehelichen Spross des Marbans an, als gäbe es keine anderen Anwesenden. Es interessierte sie einzig seine Antwort oder zumindest seine erste Reaktion in der Sache.
Mit leuchtenden Augen hatte A’urel den Ausführungen ‚seiner‘ Malina gefolgt. Was für eine Frau, ging es ihn wieder durch den Kopf und lenkte ihn soweit ab, dass er zwar alle Worte der Hauptfrau vernahm, diese aber nicht wirklich aufnahm. Erst am Ende drangen ihre Worte wieder durch seine Gedanken. „Wärte Shara,“ versuchte er – zumindest halbwegs – ernsthaft zu klingen. „leidär habä ich kainä Idee wer dies getan habän kennte.“ Der junge Nebachote zeigte zwar nicht wirklich Betroffenheit, doch sah es so aus, als würde er die Skulptur – zumindest hier und in solchen Ausmaßen wie Malina annahm – zum ersten Mal sehen. Wenigstens, so dachte sie nach seiner Antwort, scheint er selbst damit nichts zu tun zu haben.
Schließlich ließ sie ihren Blick noch einmal über die Augen eines jeden einzelnen gleiten, für den Fall, dass ihr noch jemand was zu sagen hätte.
Dann bezog sie auch mit ihren Augen den Berater Turam wieder ins Gespräch mit ein. „Es wäre sicher hilfreich, wenn ihr auch mit den Bauern oder Hirten sprechen könntet. Euch werden sie eher vertrauen, falls sie irgendetwas Ungewöhnliches gesehen haben. Vielleicht schafft ihr es sogar, dass sich der Schuldige heute Abend bei mir im Zelt einfindet. Ich bin mir sicher, dass es nicht sein muss, diese Sache über Gebühr zu ahnden. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass derjenige ein paar Tage als Helfer fungiert, um den Schaden den er angerichtet hat wieder auszumerzen? Was meint ihr? Es steht mir nicht zu über diese Leute zu richten, aber ich möchte verstehen, warum sie so etwas tun.“ Gegen Ende der Rede hatte sich Gleichmut wieder gelegt, und einem erhitzten Gemüt Platz gemacht. Die wild gestikulierenden Hände unterstrichen ihre innere Erbostheit. Wenn die Ernte harter Arbeit nicht eingefahren werden konnte, weil irgendjemand seine Spielchen mit ihnen trieb, dann sollte er bestraft werden.
Doch scheinbar hatte sie bemerkt, dass ihr Temperament die Oberhand gewonnen hatte, sodass sie für einen Moment die Augen schloss, so als müsse sie sich konzentrieren. Als sie sie wieder öffnete glätteten sich ihre Züge, und ihr Blick wirkte teilnahmsloser als zuvor. Diese wenig von Hesinde und noch weniger von Travia gesegneten Lehnsleute des Markgrafen sollten hier keine kopflose Frau als Vertreterin des Landvogtes erleben. Die alte hochmütige Malina von Niederried lächelte A’urel förmlich an. „Wir haben außerdem noch etwas zu begleichen. Habt ihr euch schon Gedanken gemacht worin wir uns messen werden?“
„Oh ich denkä an nichts anderäs.“ Gab A’urel lächelnd zur Antwort. „Am liebstän wäre mir der rahjanischä Lanzengang, abär ich bin mir nicht sichär, ob Du das wirklisch mechtet. Zudäm jedär mindästens zwei Sekundantän mitbringen mißte, die duas Lanzänstechen bezeugän.“ Es war ersichtlich, auf was A’urel anspielte und dass er nicht wirklich vor hatte sich anders als im Liebesspiel mit der Haupfrau zu messen. „Und wenn die Strafä sain soll, Dir ainige Tage zu helfän und nahä zu sain, dann wärde ich die Schuld hierfür auf mich nähmen.“ Fügte er fast schnurrend hinzu, was wiederum einige Lacher der übrigen Nebachoten nach sich zog. Malinas voller Mund hatte sich zu einer Erwiderung geöffnet, doch es kam kein Ton über ihre Lippen. Stattdessen wurde sie puderrot. Wie kam er dazu sie zu duzen und damit in aller Öffentlichkeit so bloßzustellen? In ihrem Zorn hatte sie völlig vergessen, dass die Nebachoten in ihrer Sprache keine Wort für ‚Ihr‘ hatten und viele – vor allem die Traditionalisten unter ihnen – daher einfach jeden duzten, ohne dabei respektlos und beleidigend sein zu wollen.
Waren seine Worte am Strand nur ein neuerliches Spiel gewesen, fragte sie sich. Fassungslos warf sie ihm einen fragenden Blick zu und wollte gerade antworten, als sich der Berater, zumindest nahm sie an, dass er als solcher agierte, sich einmischte.
Sayid hingegen machte ein leicht angewidertes Gesicht und schaute A`urel für einen kleinen Moment fassungslos an. `So langsam übertreibt er es mit seinen Anspielungen. Am Ende meint der das noch ernst und will diese… diese kalte Vettel tatsächlich besteigen!` Ging es ihm durch den Kopf.
„Äs ist gut A’urel.“ Warf schließlich Turam glucksend ein und drehte sich dann zu Malina. Wenig überzeugend, eher so klingend wie jemand, der zwar nicht an die Sache glauben, sie aber dennoch verfolgen würde, nur um sein Gegenüber einen Gefallen zu tun fuhr er schließlich fort. „Ich werdä sehän wuas ich herausfinden kann. Bis jädoch Aldron wiedär hier ist, solltän eurä Männer sich eine Pausä gennen.“
Bei diesen Worten nickte Sayid, von der Hauptfrau unbemerkt und lächelte dem Sprecher wissend zu. Man konnte ihm deutlich ansehen dass er dies für eine sehr gute Idee hielt und derjenige der schlechtes von ihm denken würde könnte sogar glauben er habe etwas mit der „Skulptur“ zu tun.
„Was MEINE Männer zu tun oder zu lassen habe entscheide immer noch ich.“ Zu A’urel gewandt ergänzte sie noch. „Falls euch HOCHGEBOREN A’urel han Beshir a’Danal mein Name entfallen sein sollte so kann ich ihn gerne für euch noch einmal wiederholen: - Malina von Niederried, Hauptfrau des 2. Banners des Garderegimentes Trollpforte auf Burg Angareth.“ Damit drehte sie sich um.
„Die hat ächt Feuär.“ Entfuhr es A’urel bewundernd, als er ihr nachblickte.
Warten, warten, was glaubt der elende Kerl eigentlich wen er vor sich hat! Dachte Malina so bei sich. Weiter in Gedanken wüst vor sich hin fluchend begab sie sich nach dieser unbefriedigenden Antwort zu Phejanka wo sie sich in den Sattel schwang. Wie vermutet spürte diese sogleich wie wütend Malina war, und begann nervös zu tänzeln. Die Soldatin, die den Zügel gehalten hatte, beeilte sich Raum zwischen sich und die Stute zu bringen, bevor sie dann ihr eigenes weit ruhigeres Pferd bestieg. Die Zornesfalte, die nach A’urels Antwort schon begonnen hatte sich auf der Stirn der Hauptfrau zu bilden war inzwischen zu ihren vollen Ausmaßen angewachsen. Wenn sie den Nebachoten bislang blass und farblos vorgekommen war, mussten sie diesen Eindruck spätestens hier und jetzt zurücknehmen. Ein falsches Wort, und sie würde den Auslöser ihrer Wut vermutlich auf der Stelle fordern.
„Weibel Sayid? Ihr wisst was ihr zu tun habt. Wenn ihr mit den Männern hier eure Aufgaben erfüllt habt, kehrt ihr zurück ins Lager. Ihr könnt dort ruhen. Nur die notwendigsten Arbeiten im Lager werden verrichtet. Stellt euch darauf ein heute Nacht zu patrouillieren! Wir werden schon herausfinden wer da seine Spiele mit uns treibt. Schließlich wollen wir nicht, dass unser Landvogt beim Markgrafen in Missgunst fällt, nur weil sich ein paar Bauern und Eseltreiber hier Scherze erlauben!“ Ein knappes „Jawohl“ war alles was Sayid daraufhin entgegnete.
Und wenn ich mir selbst die Nacht um die Ohren schlagen muss, fügte sie anschließend in Gedanken noch hinzu. Vermutlich sollte sie ohnehin nicht unbedingt alleine in ihrem Zelt sein, falls A’urel tatsächlich auf die Idee kam sie aufzusuchen. Absichtlich ritt sie so nahe wie möglich an ihm vorbei. Sie ignorierte seine Blicke. Es wäre ein Kinderspiel gewesen ihn von seiner Stute zu stoßen. Diesen Gedanken eines kurzen Gefühls der Überlegenheit im Hinterkopf begann sie gemeinsam mit der in ihrer Begleitung befindlichen Soldatin alle bisherigen Markierungen abzureiten, um Aldron einen umfassenden und exakten Bericht der Lage geben zu können.
Er sollte nicht den Eindruck gewinnen, dass sie tatenlos diesem Treiben gegenüber gestanden hätte. Dann würde sie schleunigst ins Lager zurückkehren und gemeinsam mit dem Schreiber alles festhalten und gegebenenfalls auch einen Boten zum Marban entsenden, sollte der Landvogt nicht erscheinen.
Allmählich bekam sie den Eindruck, als ob dieser Gefallen, den ihr Herr dem Markgrafen tun sollte ein nicht so einfacher war, wie eingangs angenommen. Sie war gespannt, was für Neuigkeiten er von dem Besuch des hiesigen Marban mitbringen würde.
A’urel wollte den beiden Frauen gerade nachreiten, als Turam in zurück hielt. „Äs reischt, A’urel, Du blaibst hier!“ Herrschte der älteren den jungen Baronsspross an, der eigentlich ‚seiner‘ Malina nach wollte um ihr zu sagen wie bezaubernd sie aussieht, wollte ihr sagen wie schwierig die Nacht für ihn gewesen war und was er im Herzen für sie fühlte. Der Blick und der bestimmende Ton des älteren Nebachoten hielt ihn jedoch vorerst zurück, auch wenn es ihm schwer fiel.
Währenddessen hatten Turam einen der anderen Krieger ein Zeichen gegeben, dass dieser zu Eslam reiten und ihn von den hiesigen Vorfällen berichten sollte.
Über eventuell Folgen dieses Vorfalls oder eventuelle Zwistigkeiten mit dem Markgrafen machte er sich keine Gedanken. Eslam hatte selbst schon weit schlimmer Vorfälle geradezu provoziert und überstanden.
Einen weiteren Krieger ließ Turam zum Lager zurückreiten, während er selbst mit A’urel bei der Skulptur zurück blieb und die weiteren Arbeiten beobachtete. Dann fiel ihm ein, was er der Hauptfrau versprochen hatte und entsandte schließlich den letzten der Krieger, die mit ihm von Ra’oul entsandt waren in die umliegenden Lande, damit dieser sich über die hiesigen Vorfälle durchfragen konnte.
Als schließlich alle Aufgaben verteilt waren, setzte er sich gemeinsam mit A’urel in den Schatten einiger Bäume, kochten sich Tee und luden auch den Weibel und seine Mannen dazu ein.
„Kuommdt, där Tää ist gleich färtig.“