Geschichten:Verschollene Eber - Durchquerung der Angefurt: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 1. Dezember 2022, 01:30 Uhr

Auf der anderen Seite der Ange löste sich ein Reiter aus dem Dorf Rondrasdank. Er entfaltete nun ein Banner, das einen Dachskopf auf grünem Grund zeigte. Dann trabte er mit seinem Pferd bis an die Furt heran und verharrte dort. Der Reiter trug gepflegte Kleidung und ein Schwert an seiner Seite. Das Pferd, das ihn trug, war stark gebaut und hatte sicherlich eine Menge Gold gekostet.

Nur wenig später näherten sich dem Ritter von Süden drei weitere Reiter. Zwei von ihnen, ein junger und ein älterer, trugen die leichte Rüstung eines reisenden Ritters mit Wappenröcken in den Koscher Farben. Sie ritten kräftige Streitrösser, deren Schabracken vom Schilfhalm-Wappen der Baronie Geistmark geziert wurden. Der dritte Reiter, schmächtig und von unbestimmbarem Alter, hielt sich nur unsicher auf seinem Maultier. Unter seinem wattierten Waffenrock trug er eine graue Kutte aus Leinen, auf dem Rücken eine zerdrückte Mütze, die nur mit viel Phantasie als die Reste eines einst stolzen, spitzen Magierhutes erkennbar war. Sein Reittier hatte er mit einem halben Dutzend Satteltaschen beladen, die alle zum Bersten vollgestopft waren.

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Anselm hatte den Abend mit den gleichgesinnten Adligen der Mark genossen. Er fühlte sich geradezu frei von den Verpflichtungen des Verwaltens und Herrschens. Sicherlich, dies war seine von Praios gegebene Pflicht, die er auch mit Hingabe erfüllte - doch dieser Schwertzug erschien ganz einfach „frei“ zu sein von allen Verpflichtungen. Der Beldenhager - der ungeliebte Nachbar - war fern und allein dies war schon ein Grund, vergnügt zu sein.

An dem neuen Morgen kümmerte er sich zu großem Teil selbst um sein Pferd. ADRAN war ein prächtiges Streitross aus dem märkischen Gestüt und Anselm war immer noch sehr stolz darauf, dass er den Zuschlag für dieses Pferd bekommen hatte. Als der Rittmeister eintraf, war Anselm bereits fertig und erwartete den baldigen Aufbruch.

Die Gruppe der Golgariten erschien, nachdem sie am Vortag zeitig den Borondienst im Bett versehen hatten, wie gewohnt kontrolliert und entspannt. Ihre Züge strahlten bestmöglich - trotz des scharfen Windes - Ernst und Beherrschung aus. Sogar Timokles kam der Wind nicht mehr ganz so kalt vor wie am Vortag, vielleicht auch wegen der Spannung, die auf ihm lag. Er war zwar schon weit herumgekommen, doch war diese Reise als Queste für Recht und Ordnung der Zwölfe doch von einem anderen Format. Er hatte seinen dunkelbraunen Filzmantel fest um sich geschlungen und atmete die steife Brise ein. „Heute wird ein guter Tag“, murmelte er und trat neben die anderen Golgariten, die das Treiben am Fluss beobachteten.

Die Lippen ob des kühlen Windes fest zusammengepresst, wandte Ritter Alderich den Kopf und maß stumm den Knappen zu seiner Linken flüchtig. Dann wanderte sein Blick nach Süden, dort wo irgendwo das Schicksal des Hauses Eberstamm geschrieben wurde. „Wollen wir es hoffen, aber warten wir mit einem Urteil bis das Praiosrund sich in Borons dunkler Nacht verloren hat.“ Der nachdenkliche Ritter zog seinem weißen Mantel fester um die schmalen Schultern und zog den Kopf ein. Als wolle er die düsteren Gedanken vertreiben, die ihn in der frostigen Wildnis ergriffen hatte, trat er nach einem kleinen Kiesel der im hohen Bogen in den Fluss schnellte, wo er unverzüglich in den kalten Fluten unterging. Er deutete mit dem Haupt in Richtung des Lagers, wo die Adligen bereits daran gingen ihren morgendlichen Hunger zu stillen. „Iss etwas, Timokles. Der Tag wird lang und entbehrungsreich.“

Der Baron von Zalgo nickte anerkennend als er „Anschütz“ sah. Er musste an die Versteigerung denken, an die er vor ein paar Jahren teilgenommen hatte. Damals hatte der Dunkelsfarner Baron für rund 500 Goldstücke ein Schlachtross aus dem Marstall ersteigert. Eine Summe, die ihn heute noch ein wenig schwindeln ließ. Der Gedanke, dass der Dunkelsfarner sie zahlen musste, machte die Erinnerung allerdings sehr erträglich.

Indessen wandte sich der Prinz der Gruppe zu, ließ Bernhelm das Märkische Banner in den Wind richten und deutete nach vorn. „Auf, auf, ihr tapferen Streiter. Lasst uns den schönen Morgen nutzen. Der Kosch wartet und der Herre Firun hat wohl nur seinen Atem angehalten, um sogleich aus volleren Backen zu blasen.“ Und mit diesen Worten sprengte die Gemeinschaft los, den am Ufer wartenden Koschern entgegen.

Als die Greifenfurter Reiter damit begannen die Furt zu durchqueren, schwang sich Erlan aus dem Sattel und kniete sich vor dem Prinzen nieder. „Mein Prinz. Es ist mir eine Ehre, euch im Kosch willkommen zu heißen. Wenn es euch genehm ist, würde ich mich gerne eurer Suche nach eurem Bruder anschließen und euch meinen Schwertarm zur Verfügung stellen. Ihr werdet mich wohl nicht kennen, so erlaubt mir meinen Namen zu nennen. Ich heiße Erlan von Sindelsaum und führe mein Lehen in den wunderschönen Hügellanden.“

Edelbrecht neigte den Kopf leicht zu dem vor ihm Knienden und schenkte seinem Landsmanne einen festen aber freundlichen Blick. „Fürwahr, wenn Euer Mut und Euer Arm so edel wie eure Begrüßung sind, werde ich mich mit euch an meiner Seite wohl gerüstet finden. Seid mein Mann und streitet mit uns, meinen Bruder und seine Familie aus den Fängen desjenigen zu entreißen, der sie in seiner Gewalt hat.“

Timokles war stumm den rethorischen Worten Alderichs gefolgt und hatte selbst gedankenverloren über den Fluss zu den Reitern geblickt. Als sich die Stimme des Golgariten an den Knappen richtete, zuckte Timokles kurz zusammen wegen der erstaunlich lauten Worte aus dem Mund des Reisegefährten. Er verneigte sich kurz und merkte an: „Wie Ihr meint, Meister.“ Bevor er jedoch wegging, fügte er noch an: „Denkt Ihr, die Queste wird gefährlich? Werden wir mit unseren Kräften ans Ende und unserem Herren nahe kommen?“ Verstört schaute der Bursche auf den Ritter Golgaris, der immer noch den Kopf abgewendet dastand.

„Belaste dich nicht mit Fragen, deren Antwort nur die Götter kennen.“ Alderichs Stimme war kühl und hatte einen belehrenden Tonfall angenommen, ehe er sich halb umwandte. Der besorgte Blick aus den dunklen Augen zwang ihn zur Milde. „Verzage nicht, Timokles. Wenn es des Herrn Wille ist, dann werden wir in den inneren Kreis aufsteigen. Andere werden uns nachfolgen, um unser derisches Werk weiterzuführen.“ Etwas ungelenk, war er doch nicht gewohnt den Knappen Mut zuzusprechen, legte er seine Linke zögerlich auf die Schulter Timokles´ und nickte ihm aufmunternd zu. „Und was will dieser tapferen Schar schon widerstehen.“ Eine ausladende Geste umfasste die vom morgendlichen Nebel durchsetzte Raststelle.

Kaum mehr als der Schatten eines Lächelns durchbrach Alderichs Maske der Unnahbarkeit, die er sonst so stolz vor sich her trug, als er in dem Knappen die Entschlossenheit zurückkehren sah.

Erleichtert sog Timokles nun wieder die kalte Morgenluft ein. Er war von den Worten des Golgariten beruhigt und zugleich ermutigt worden, sodass er nun bereit war überallhin, und sei es in den Vorhof der Niederhöllen selbst, zu ziehen, schließlich bestand ihre Reisegruppe ja aus den besten Männern und Frauen der Mark. Die Queste würde gewiss zu einem guten Ende führen, doch nicht, wenn er verhungert vom Pferd fiele, denn sein Magen machte sich abermals bemerkbar. „Habt Dank, ehrwürdiger Ritter. Wir werden die Halunken aufspüren und sie ihrer praiosgefälligen Strafe zuführen!“, antworte der Knappe nun, „jedoch werde ich nun Eurem ersten Rat folgen und mir ein Morgenmahl bereiten, damit ich bei Kräften bleibe.“ Er verbeugte sich knapp vor Alderich, welcher ihm ebenfalls zunickte, und bediente sich bei den Hausdienern, welche die anwesenden Recken mit allerlei Nahrungsmitteln versorgten. Mit einem Kanten Brot, etwas kaltem Braten und einem Säckchen mit Hafer kehrte er zu seinem Pferd zurück und frühstückte zusammen mit diesem, auf dass es ihm trotz seiner bescheidenen Reitkünste gewogen bleibe.

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Indessen wandte sich der Prinz der Gruppe zu, ließ Bernhelm das Märkische Banner in den Wind richten und deutete nach vorn. „Auf, auf, ihr tapferen Streiter. Lasst uns den schönen Morgen nutzen. Der Kosch wartet und der Herre Firun hat wohl nur seinen Atem angehalten, um sogleich aus volleren Backen zu blasen.“ Und mit diesen Worten sprengte die Gemeinschaft los, den am Ufer wartenden Koschern entgegen.