Benutzer:Orknase/Briefspiel: Unterschied zwischen den Versionen
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Zärtlich strich [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai]] ihrer ältesten Schwester das Haar aus der schweißnassen Stirn. Die Reichsritterin war blass und erschöpft. | Zärtlich strich [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai]] ihrer ältesten Schwester das Haar aus der schweißnassen Stirn. Die Reichsritterin war blass und erschöpft. | ||
„So geht das nicht weiter, ''weiße Lilie''“, hob sie an | „So geht das nicht weiter, ''weiße Lilie''“, hob sie an, „Du kannst nichts mehr bei dir behalten. Das ist nicht gut.“ | ||
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„Dann hilf mir“, flehte die Reichsritterin mit halbgeöffneten Augen während sie mit ihren Fingern nach ihrer Schwester zu greifen versuchte, doch ihr fehlte die Kraft auch nur ihre Finger auszustrecken, „Bitte, ''blühende Narzisse'', bitte.“ | „Dann hilf mir“, flehte die Reichsritterin mit halbgeöffneten Augen während sie mit ihren Fingern nach ihrer Schwester zu greifen versuchte, doch ihr fehlte die Kraft auch nur ihre Finger auszustrecken, „Bitte, ''blühende Narzisse'', bitte.“ | ||
Nurinai deckte ihre Schwester zu, wobei sie nahezu beiläufig anmerkte: „Wir müssen [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegard]] bitten zu kommen.“ | |||
„Nein“, erwiderte Ailsa da so energisch sie konnte und schüttelte schwach ihren Kopf, „Nein.“ | „Nein“, erwiderte Ailsa da so energisch sie konnte und schüttelte schwach ihren Kopf, „Nein.“ | ||
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„Das kannst du nicht wissen“, raunte sie, „Sie ist ihm loyal, nicht mir.“ | „Das kannst du nicht wissen“, raunte sie, „Sie ist ihm loyal, nicht mir.“ | ||
„Sie ist vor allem ihrer [[Peraine-Kirche|Herrin]] loyal und jenen, denen sie beisteht. Sie ist eine Geweihte, was denkst du eigentlich von uns? Wenn man | „Sie ist vor allem ihrer [[Peraine-Kirche|Herrin]] loyal und jenen, denen sie beisteht. Sie ist eine Geweihte, was denkst du eigentlich von uns? Wenn man einen Geweihten bittet zu schweigen, dann muss dieser schweigen. Außerdem was hätte sie davon, dich zu verraten?“ | ||
Noch immer schüttelte Ailsa unwillig den Kopf: „Ich will sie nicht hier haben.“ | Noch immer schüttelte Ailsa unwillig den Kopf: „Ich will sie nicht hier haben.“ |
Version vom 11. Dezember 2022, 10:08 Uhr
Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.
Fische im Netz
Ein guter Fang
Es war Isida Uthjane von Isppernberg-Sommerheide, die als letzte gefangen genommen worden war uns als erstes wieder frei kam und das obwohl sie der beste Fang für Baron Drego und die seinen gewesen war. Die Kaisermärkerin stammte aus einer nicht gerade unbedeutenden Familie und obwohl die Verhandlungen über ihr Lösegeld vermutlich am längsten hätten andauern müssen, so hatten sie es nicht getan. Erstaunlich schnell war der Kontakt zu ihrer Familie hergestellt und die Lösegeldforderung überbracht worden. Ebenso schnell hatte man sich auf die genaue Höhe geeinigt. Die geforderte Summe war überbracht worden und die Isppernbergerin war freigekommen. Dass das alles so rasch gegangen war, war vermutlich alleine ihrem Gatten zuzuschreiben oder viel mehr dem Umstand, dass er aus der Familie Doriant stammte, die in Schwarztannen ansässig war. Die genaue Höhe der Forderung war nicht offen bekannt, doch wollten die Gerüchte nicht verstummen, dass sie unverschämt hoch gewesen sein solle. So unverschämt hoch, dass ihre Familie über weitere Schritte nachdachte.
Nach ihr war Lonnert von Scheuerlintz freigekommen, obgleich es eine ganze Weile gedauert hatte bis die Verhandlungen zwischen seiner Familie und Baron Drego zu einem Ergebnis gekommen waren. Schlussendlich hatte man sich dann doch geeinigt. Eine beträchtliche Summe soll es gewesen sein. Weitere Bedingung war die Überstellung eines Kindes im knappenfähigem Alter. So kam Olorande von Scheuerlintz nach Scharfenstein. Sie war das Drittgeborene des Scheuerlintzers. Ob es schwer für ihn gewesen war sein Kind in die Hände jener zu geben, die ihn gefangen genommen hatten? Im knappenfähigem Alter war das Mädchen jedoch nicht. Sie war zu jung. Baron Drego akzeptierte dennoch. Ein jüngeres Kind war noch formbarer und darüber hinaus konnte sie noch länger als Pfand gegenüber ihrer Familie eingesetzt werden, abgesehen davon gab es kein weiteres Kind innerhalb der Familie Scheuerlintz. Sie war ein nettes und fröhliches Kind. Sie haderte nicht. Sie nahm die Dinge so, wie sie kamen. Man hörte sie oft lachen. Beneidenswert.
Nur sie, Leudane von Leuenberg, sie war noch hier. Und ihr Freikommen war nicht absehbar.
Noch immer nicht frei
„Und was passiert jetzt mir mit?“, wollte sie mit brüchiger Stimme wissen.
„Ich kann Euch nicht einfach gehen lassen“, erwiderte Baron Drego und nickte um seine Aussage zu bekräftigen als müsste er sich selbst seiner Worte versichern, „Nein, dass geht nun wirklich nicht.“
Sie schluckte schwer: „Und... was heißt das jetzt?“
„Ich würde Euch wirklich gerne gehen lassen, aber... aber wie sähe das aus?“, er zuckte sichtlich hilflos mit den Schultern, „Ja, wie sähe das aus... Der Baronsreif ruht noch locker auf meinem Haupt. Ein Baron Nimmgalf, ja ein Baron Nimmgalf könnte sich das leisten, da bin ich mir sicher, aber ein Baron Drego?“ Er schüttelte energisch seinen Kopf und schien einen Moment in Gedanken versunken zu sein. „Wo kein Lösegeld gezahlt wird, kann auch keine Heimkehr stattfinden“, schloss er.
Verstehend nickte sie.
„Dass Euer Familie womöglich die Summe gar nicht aufbringen kann, spielt dabei keine Rolle. Wer sich in eine Fehde stürzt, muss mit einer Lösegeldforderung rechnen. Und wer eine Familie hat, die nicht zahlt, muss mit den Konsequenzen leben.“
Erneut nickte sie, obwohl sie nie über die Möglichkeit einer Gefangennahme und einer damit verbundenen Lösegeldforderung nachgedacht hatte. Dutzende Briefe hatte sie an ihre Familie schreiben müssen, immer wieder ging es um das Lösegeld und die genauer Höhe. Doch nie war eine Einigung zustande gekommen. Ihre Familie war nicht sonderlich groß und das Lehen, welches ihr Bruder inne hatte, warf nicht genug ab. Er hätte sich Geld leihen können, gewiss hätte er, aber er konnte oder wollte das Geld auf diese Art nicht auftreiben. Manchmal drängte sich ihr der Verdacht auf, dass er nicht wollte, dass er diese Gefangennahme als die Gelegenheit ansah mich loszuwerden. Doch sie verwarf diesen düsteren Gedanken nach geraumer Zeit immer wieder nur um ihn später wieder herauszukramen. Ihr Verhältnis war nie sonderlich gut gewesen, aber auch nie sonderlich schlecht. Sie waren Geschwister, sie stritten miteinander, sie vertrugen sich wieder, sie stritten mit...
„Ihr werdet also hier bleiben müssen“, schloss er und blickte sie direkt an, „Hier in Schwarztannen und zwar so lange bis die Angelegenheit zu meiner Zufriedenheit geklärt wurde.“
Mehr als ein schwaches Nicken brachte sie nicht zustande. Obgleich sie damit gerechnet hatte, war sie dennoch enttäuscht. Sie wollte Heim. Sie plagte das Heimweh. Am Schlimmsten fand sie es jedoch, hier eingesperrt zu sein. Sie hatte zwar alles, was ich brauchte, aber sie konnte diesen Raum hier nicht verlassen. Zwar konnte sie zum Fenster in den Hof der Burg hinausblicken, aber dort hinuntergehen konnte sie selbtredend nicht. Es war eintönig in ihrem Gefängnis, eintönig und langweilig. Ein jeder Tag war wie der andere und ein Ende war nicht in Sicht.
„Euch hier allerdings weiter einzusperren, davon halte ich nichts.“
Verblüfft blicke sie auf.
„Wenn Ihr mir vor den Göttern Gefolgschaft schwört und erkennbar meine Symbole tragt, die Euch offen sichtbar für alle als meine Gefangene ausweisen, werdet Ihr Euch freier bewegen können. Zuerst nur hier in diesem Gebäude, später – nachdem Ihr Euch bewährt habt – vielleicht in der gesamten Baronie. Es liegt nun an Euch: Soll ich den Geweihten des Götterfürsten bestellen?“
Bedenkzeit
Sie bat sich Bedenkzeit aus. Baron Drego verstand. Er schien wirklich ein netter Mensch zu sein und darüber hinaus über ein gutes Herz zu verfügen und dennoch, dennoch nahm sie es ihm übel, dass er sie nicht einfach so gehen lassen wollte. Dabei verstand sie ihn. Wenn sie all die Sehnsucht nach meiner Heimat beiseite schob, dann verstand sie ihn. Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Nicht einfach so. Und sie konnte ihm nicht einfach Gefolgschaft schwören. Nicht einfach so.
Albtraumgestalt
Petze
Allein
See Praiosborn, Praios 1045
Als sie erwachte, war es dunkel. Es war kalt. Sie war komplett nass. Fror. Sie zitterte. Ihre Lunge brannte. Ihre Brust schmerzte. Sie bekam kaum Luft. Um sie herum war es stockfinster. Sie machte mich ganz klein, zog ihre Beine ganz dicht an sich heran, umfasste sie mit ihren Armen und begann leise zu wimmern. Ihr Wimmern hallte wieder. Regelrecht bedrohlich grollte es über sie hinweg. Da presste sie sich erschrocken ihre Faust auf den Mund. Wieder war es still. Ganz still. Totenstill. Sie schloss ganz fest die Augen und nahm sich fest vor, gleich wieder aus diesem schrecklichen Albtraum aufzuwachen.
Doch als sie erwachte, umgab sie schummrig, schauriges Licht. Sie setzte sich auf und schaute sich um. Das Glimmen ging vom Wasser neben ihr aus. Oft hatte sie dieses Glimmen schon gesehen. Es lag nicht nur hin und wieder über der Ruine Praiosborn sondern auch über dem See. Sie war also noch immer am Praiosborn oder... oder viel mehr darunter? Ihr Blick glitt weiter und sie erkannte eine Höhle. Sie war also in einer Höhle unter dem Praiosborn? Oder... oder war sie etwa... tot?
Sie hatte noch nie so richtig über den Tod nachgedacht. Sie war jung. Und genaugenommen viel zu jung zum Sterben, aber... aber das spielte keine Rolle. Irgendwann starb man. Manche starben früher. Manche starben später. War sie nun an der Reihe? War sie tot? Und war dies hier jener Ort, an dem man gelangte, wenn man an der Brache starb? Die zwölf Götter waren fern, folglich kam man vermutlich nicht in eines ihrer Paradiese. Wo kam man aber dann hin? In die Niederhöllen? Waren sie das hier? Die Niederhöllen?
Sie stand auf und schaute sich weiter um. Das seltsame Glimmen spendete gerade so viel Licht, dass sie im halbdunkeln die Wände der kleinen Höhle erkennen konnte. War sie denn etwa durch das Wasser gekommen? Sie fröstelte. Noch immer war sie nass. Vermutlich war es wohl wirklich so. Sie musste durch den See gekommen sein. Durch das Wasser. Und wie kam ich hier wieder raus? Oder war sie doch tot?
Vorsichtig tastete sie sich an den Wänden der Höhle entlang. Das Gestein war kalt und glitschig. Sie fand einen schmalen Durchgang, durch den sie sich vermutlich hindurchquetschen würde können, doch sie zögerte. Die dahinter liegende Dunkelheit schien geradezu undurchdringlich und sie machte ihr Angst, schreckliche Angst. Noch nie war sie allein in der Finsternis gewesen und so fürchtete sie sich. Was mochte in dieser Finsternis liegen oder gar dahinter? An der Brache hatte sie schon von Vielerlei gehört. Schreckliche Dinge. Unvorstellbare Dinge. Auch das ein oder andere hatte sie gesehen, viel jedoch nicht, ihr Vater hatte sie immer geschützt, aber sie konnte sich Vieles vorstellen und das, ja das genügte.
Sie versuchte durch das glimmende Wasser zu kommen, doch sie schaffte es nicht. Sie schaffte es nicht ihre Augen unter Wasser zu öffnen. Blind tastete sie sich durch das Wasser und fand doch nichts. Da war nur Wasser. Eine endlose Menge Wasser. Und einfach kein Durchgang. Kein Durchgang. Absolut nichts. Erschöpft legte sie sich am Rande des kleinen Sees nieder und weinte bittere Tränen. Dem leisen Säuseln des Wassers lauschend fiel sie in einen bibbernden, traumlosen Schlaf.
Fette Spinne
See Praiosborn, Praios 1045
Als sie wieder erwachte, war das Glimmen nicht weniger geworden, aber die Finsternis war näher gekommen. Sie war aus diesem Spalt herausgekrochen. Beklemmung befiel sie und eine panische Angst breitete sich in ihr aus. Sie wollte schreien, schreien obgleich dieser entsetzlichen Dunkelheit, aber es war ihr, als drücke ihr jemand die Kehle zu. Ihr fehlte die Luft. Ihr fehlte die Kraft. Und die Dunkelheit griff nach ihr.
Da war etwas. Da saß etwas in diesem Spalt. Ein Wesen aus Finsternis. Aus tiefer Dunkelheit. Sie war sich sicher. Sie wusste, es war da. Sehen konnte sie es nicht, aber sie konnte es spüren. Gänsehaut kroch ihre Arme hinauf und breitete sich über ihren ganzen Körper aus. Es war in diesem Spalt. Es saß da. Es hauste da. Wie eine widerliche, haarige, fette Spinne. Mit seinen langen tentakelgleichen Beinen suchte es nach ihr, tastete sich aus seinem Spalt heraus, dabei schnüffelte und schniefte es, seufzte und ächzte, wagte sich immer weiter heraus und damit immer mehr zu ihr. Es wollte nach ihr greifen. Sie robbte weiter weg, weiter und weiter, bis sie nicht mehr weiter konnte, bis da nur noch der blanke Fels neben ihr war. Die kauerte sich daran. Drücke sich dagegen. Doch es kam näher. Und je näher es kam, desto schmerzlicher wurde die Gänsehaut, die sich über ihren Körper zog, desto mehr zitterte sie, desto mehr bibberte sie. Plötzlich packte es sie, umschlang mit seinen haarigen Tentakelbeinen ihre Beine. Sie nahm ihren ganzen Mut und ihre ganze ihr verbliebene Kraft zusammen und schrie: „GEH WEG! LASS MICH IN RUHE!“
Da ließ es sie fallen. Hart schlug sie auf dem Boden auf. Ihr Mund füllte sich augenblicklich mit Blut. Sie rang verzweifelt um Atem. Und das Wesen zog sich zurück.
Unterredung
See Praiosborn, Praios 1045
IcH KaNN DiR HelFEn.
„Lass mich in Ruhe!“, schrie sie panisch und hielt sich die Ohren zu.
IcH kaNn dIR HeLFen.
“Geh weg!“, erwiderte sie dieses Mal und presste nur noch fester ihre Hände gegen ihre Ohren.
ICh HabE Dir GEholFEn.
„Du lügst“, erwiderte sie. Diese Stimme, diese entsetzliche Stimme, sie kam nicht von außen, sie war in ihr. Sie war irgendwie in ihr und ganz gleich, wie sehr sie versuchte sie auszusperren und sich die Ohren zuzuhalten, die Stimme ging nicht weg. Sie war einfach in ihr. Sie war in ihr drin. Nur wenn sie schrie, wenn sie gegen sie an schrie, dann verstummte sie.
iCH habE DIcH GereTTEt.
„Du lügst“, versuchte sie es erneut, „Du bist böse.“
icH HABe DiCH gErettET. WiE KanN IcH Da bÖSe sEIn?
„Du bist böse!“, wiederholte sie erneut, „Du bist durch und durch böse. Nichts was aus dem Praiosborn kommt kann gut sein.“
dANn WAr eS NicHt gUt, daSs IcH DIcH GErettET hABe?
Sie schwieg.
HäTTe IcH DicH BeSsEr IM waSsER LiEGen LasSeN soLLeN? IHr meNSchEN HänGT aN EurEM LEbEN. wENn dU Es NichT WillSt, DanN kANNst Du ES jETzT Zu enDE bRInGEn. gEH iNS wAsSEr oDer… OdEr lASSe DiR vOn Mir heLFen. IcH WeRDe hIEr aUF dEInE enTSchEIDunG wARtEN. ICh WerDe hIEr wARtEn. hIEr iN dIEseM SPalt. iCH BiN hIeR. DU WeißT, wO Du MiCH FinDEN kANnsT.
Verhängnis
See Praiosborn, Praios 1045 Es dauerte, geraume Zeit verstrich, aber dann, ja dann kam sie zu ihm oder… zu ihr? Wer vermochte das denn schon so genau zu sagen? Irgendwann war Hunger, Kälte und Verzweiflung einfach zu viel für das Mädchen. Und in jenem Augenblick, da sie entschied, es könne ja nicht noch schlimmer werden, entschied sich ihr Schicksal.
„Hilf mir“, bat sie.
In dem Spalt war es ruhig. Dort war nur Dunkelheit.
„Hilf mir hier raus“, versuchte Kysira es erneut.
Es blieb ruhig. Die Dunkelheit war einfach nur Dunkelheit. Leise gluckerte das Wasser hinter ihr. Hatte sie sich das alles nur eingebildet?
„Bitte“, flehte sie nun.
Doch auch dieses Mal tat sich in dem Spalt nichts. Wieder war da einfach nur Dunkelheit. Gewöhnliche Dunkelheit. Dann… dann musste sie sich das doch eingebildet haben? Ja, dann… dann musste sie es sich wirklich eingebildet haben.
Kysira ließ ihren Kopf resigniert hängen, wandte sich um und entfernte sich einige Schritte und war plötzlich von vollkommener Finsternis umfangen und bittere Kälte. Ihr Herz setzte einen Moment aus. Es war so finster, dass sie ihre eigene Hand vor ihren Augen nicht einmal mehr erkennen konnte. Die unsägliche Kälte machte ihr das Atmen schwer. Und hinter ihr pulsierte die Finsternis...
IcH HElfE DiR UnD dU HilFsT mIR.
Kysira begann zu zittern. Die Finsternis wurde noch undurchdringlicher, pulsierte zunehmend stärker
HiLFe gEGen hilFE.
„Gut“, brachte sie hervor, „Was... was willst du?“
Die Finsternis hatte sie umschlungen, hielt sie fest. Sie spürte deren pulsieren in ihrem Körper.
niMM eTWas miT DiR. NimM eS MIT hINauS. Es GEhöRT nUn Zu dIR. VeRLIEre ES nICHT. eS Ist dEIn. UnD dU bIST SeIN.
Einhornfrau
See Praiosborn, Praios 1045
(...)
Der Raller treu
Verschwunden
Markt Rallingen, im Travia 1044 BF
Zeit zu sterben
Prolog
Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF
Es war ein winziger Augenblick, ein Moment nicht länger als ein Atemzug, ein Wimpernschlag oder gar ein Herzschlag nur der Unachtsamkeit, des Zögerns, des Nachdenkens, des Verweilens, des Müßigganges oder auch nur der Neugierde der das Leben vom Tod trennte. Und so wie es so manchem Menschen auf Dere erging, erging es auch dem Hasen, der unerwartet meinen Weg kreuzte oder kreuzte ich den seinen? Er zögerte zu lange. Schaute mich zu lange an. Dachte zu lange nach. Verweilte zu lange. Da packte ihn der vom Himmel herabstürzende Habicht mit seinen kräftigen, gelben Krallen und hielt ihn fest. Das Tier kämpfte und schrie verzweifelt um sein Leben, doch der Habicht hielt es fest. Es sprang und tobte, doch unerbittlich hielt der Habicht es fest.
Und einen winzigen Augenblick später tauchte ein Hund auf. Ein brauner, alter, etwas zotteliger Hund. Auch er verharrte. Zögerte. Schaute mich an. Interessiert. Neugierig. Er dachte nach. Er dachte angestrengt nach. Schnupperte. Ob er mich kannte? Und einen winzigen Augenblick später tauchte eine Frau auf, eilte an die Seite des Habichts, kniete sich nieder, packte den Hasen und machte ihm den Garaus, wobei sie die Bauchdecke des Tieres mit seinem Eberfänger öffnete um dem Habicht seinen Anteil zu geben. Gierig fiel der Vogel über die Eingeweide der Beute her.
So war er, mein Herr, Gebieter über Schlaf und Tod. Unablässig und unerbittlich schickte er seine Diener aus. Und nun hatte er mich hierher geschickt: Nach Hause...
Wiedersehen
Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF
Blut tropfte von der schimmernden Klinge des Eberfängers. Die Frau richtete sich auf und erst da fiel ihr Blick auf mich. Einen Moment verharrte auch sie, zögerte, dachte nach. Ob sie sich wohl fragte, warum ihr Hund nicht gebellt hatte?
„Dela?“, Tessia von Haselbusch musterte mich, „Nein! Marbo... Marbodane?“
Langsam nickte ich. Gemächlich trottete der Hund auf mich zu.
„Ich... ich hätte dich fast nicht erkannt“, erklärte sie etwas verwundert, „Du... du hast dich verändert und doch...“ Sie legte ihren Kopf etwas zur Seite und musterte ihre Gegenüber. „... bist du irgendwie dieselbe geblieben.“ Etwas verwundert zuckte sie mit den Schultern. „Lediglich älter bist du geworden. Ja...“ Ein verschmitztes Lächeln legte sich über ihre Wangen. „... älter.“
Ich erwiderte ihr Lächeln: „Älter bin ich geworden, Tessia.“ Der Hund – besser gesagt eine Hündin – war nun ganz nahe bei mir. Interessiert roch sie an mir, leckte mir über den Handrücken, ehe sie sich vor mir ins Gras warf, mir ihren nackten Bauch entgegen reckte um von mir gestreichelt zu werden. „Aber Irmi...“, ich ging in die Knie und kraulte das Tier ausgiebig, „Irmi hat mich erkannt.“
„Ja...“, die Jägerin säuberte eilig ihren Eberfänger und steckte ihn zurück in die Scheide, „Es verwundert mich. Sie ist alt geworden, Marbodane. Ich meine, wie lange ist es her, dass du nicht mehr hier warst?“ Unwissend zuckte sie mit den Schultern. „Ich hatte nicht erwartet, dass sie dich nach all den Götterläufen noch erkennt. Sie erkennt ja geradeso noch Dankwart und mich, aber dich?“ Fragend blickte sie ihre Gegenüber an.
„Tiere haben ein Gespür für den Tod“, wusste ich, „Das sagt man auch uns nach oder viel mehr unserem Herrn...“
„Dann bist du gekommen, weil... ?“, die Frau schluckte schwer, „... jemand von uns sterben wird?“
Ich nickte.
Erinnerung
Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF
Tessia schluckte schwer und versuchte sich an einem Lächeln während sie mir kehlig erklärte: „Sterben müssen wir alle eines Tages, nicht wahr?“
„So ist es“, erwiderte ich und sah in ihren Augen die Angst, die Angst jemanden den sie von Herzen liebte zu verlieren. Ich kannte diese Angst nur zu gut, zwar nicht von mir selbst, aber von jenen Menschen, denen ich begegnete. Mein Herr war bei den meisten gefürchtet, so nahm er ihnen doch das Liebste. Und obgleich er doch auch der Herr über den Schlaf und auch über die Träume war, so dachte kaum jemand an diese Aspekte wenn er meiner ansichtig wurde...
„Nun gut“, schloss die Junkersgemahlin sichtlich ernst, „Dann wollen wir mal auf die Haselburg gehen. Ich würde gerne sagen, dass Dankwart sich freuen wird, dich zu sehen, Marbodane, aber ich fürchte, dass das nicht der Wahrheit entspricht...“
Verständnisvoll nickte ich: „Ich weiß, Tessia, ich weiß. Er grollt mir noch immer...“
„Tief in seinem Herzen weiß er wohl, dass du keine Schuld trägst“, nun klang ihre Stimme bitter, „Aber...“ Regelrecht hilflos zuckte sie nun mit den Schultern. „Schon bevor wir dich und deine Schwester nach dem Tod eures Vaters auf der Haselburg aufgenommen haben, haben wir Kinder verloren. Das letzte kurz bevor du dein Noviziat begonnen hast...“ Damals hatte es meinem Oheim gereicht. Er hatte meine Anwesenheit einfach nicht mehr ertragen. So hatte er mich fortgeschickt. Ein Noviziat in der Boron-Kirche war ihm passend erschienen, schließlich hatte ich stets gewusst, wann jemand stirbt, eine seltsame Gabe, die nicht nur ihn verängstigt hatte. Zu jenem Zeitpunkt hatte man mir meinen heutigen Namen gegeben: Marbodane. „... danach hat uns Tsa diese zweifelhafte Gnade nicht mehr zuteil werden lassen.“
„Bist du traurig darüber?“
„Ich weißt nicht recht“, meinte sie da unsicher, „Irgendwie schon und irgendwie auch nicht. Ich... ich weiß es einfach nicht. Ich meine...“ Wieder zuckte sie mit den Schultern. „Dankwart und ich haben immerhin Lechdan und das ist mehr als manche andere haben. Ich will auch nicht undankbar sein, aber... aber manchmal frage ich mich schon, warum ausgerechnet uns das passieren musste...“ Etwas fragend blickte sie die Geweihte an.
„Darauf kann ich dir keine zufriedenstellende Antwort geben“, erwiderte ich leise seufzend, „Aber vielleicht ist euch das passiert, weil ihr das ertragen konntet, jemand anders wäre vermutlich daran zerbrochen...“
Tessia schwieg sich dazu aus, aber an ihrer Reaktion sah ich deutlich, dass sie meine Worte nicht richtig an sich heranlassen konnte und auch gar nicht wollte.
Wenige Augenblicke als die Haselburg – eher ein befestigtes Haus als eine Burg – vor uns auftauchte, wollte sie sehr ernst von mir wissen: „Ist es Lechdan? Wird er sterben?“
Ich schüttelte den Kopf: „Es ist jemand hier. Hier auf der Haselburg.“
Seltsamerweise schien sie erleichtert. Vermutlich lag es einfach daran, dass die größte Sorge meines Oheims stets jene gewesen war, auch noch Lechdan zu verlieren. Er war eben ihr einziges Kind und der designierte Erbe. Aus diesem Grund hatte mein Oheim mich auch fortgeschickt, ganz so als könnte er damit verhindern, dass es weitere Tote gäbe...
Mutter
Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF
„Wie geht es...“, Tessia stockte einen Moment während sie ihren Habicht in die Voliere brachte, entschied sich dann aber ihre Frage zu Ende zu formulieren, „... deiner Mutter?“
Es dauerte entsetzlich lange, bis ich eingestand: „Ich habe sie schon sehr lange nicht mehr gesehen. Sehr lange.“
„Hm“, machte die Haselbuscherin da, „Ist sie denn nicht mehr... im... im Kloster?“
„Das Kloster ist groß“, erwiderte ich ihr da, „Vielleicht ist sie noch da, vielleicht aber auch nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Dann hielt ich einen Moment inne. „Abgesehen davon war ich auch nicht sonderlich oft im Kloster, eigentlich war ich nur dann da, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Das war nicht oft. Die meiste Zeit war ich unterwegs. Manchmal glaube ich, dass das die Absicht meiner Lehrmeisterin war. Sie wollte mich nicht zu sehr mit der Vergangenheit konfrontieren...“
„Schade“, kommentierte die Junkerin seufzend, „Schade ist es trotzdem. Sie ist immerhin deine Mutter.“
„Ja“, entfuhr es mir kehlig, „Das schon, aber... sie könnte mir ohnehin nichts erzählen. Sie hat... hat vor geraumer Zeit eine Schweigegelübde abgelegt...“
„WAS?“, entfuhr es der Älteren vollkommen fassungslos als sie die Voliere wieder verließ, „Warum?“
Wieder zuckte ich mit den Schultern: „Auch das weiß ich nicht. Meine Lehrmeisterin hat es mir gesagt. Vor meiner Weihe. Zu dieser Zeit hatte ich nämlich überlegt sie aufzusuchen und nach... nach meinem Vater zu fragen. Aber...“ Meine Stimme brach. Über meinen Vater wusste ich kaum etwas. Er war seit langem tot. Ich hatte ihn nie kennengelernt. Selbst meine ältere Schwester Daria konnte sich kaum an ihn erinnern. „... dafür war es zu spät.“ Ich versuchte mich an einem Lächeln, denn ich spürte den mitleidigen Blick meiner Base auf mir Ruhen. „Als sie es mir sagte, hatte sie Tränen in den Augen. So wie du jetzt...“
„Ach, Marbodane“, schniefte sie, „Ich hatte so gehofft, dass sie dir irgendwann alles erklären könnte, denn ich...“ Sie schluckte schwer. „... ich weiß nicht, ob es Dankwart je tun wird und ich selbst weiß zu wenig. Und... und wenn er es nicht tut dann... dann...“ Tessia zuckte sichtlich hilflos mit den Schultern. „... dann wird es für ewig im Dunkeln liegen.“
„Und du?“, wollte ich zaghaft wissen, „Weißt du nichts?“
Tessia schaute zu Marbodane auf. Die Boron-Geweihte war inzwischen etwas größer als ihre Base. „Ich weiß nur das, was man sich darüber erzählt. Was man sich hier darüber erzählt“, erwiderte sie mit rauer Stimme und zuckte sogleich entschuldigend mit den Schultern, „Ich weiß nichts darüber, was wirklich war, denn man erzählt sich viel, auch Dinge, die nicht wahr sind und da ich nicht weiß, was war...“ Sie hielt inne. „Was soll ich dir da erzählen?“
Das dritte Kind
Vernunft
Burg Praiosborn, Anfang Hesinde 1045 BF
Zärtlich strich Nurinai ihrer ältesten Schwester das Haar aus der schweißnassen Stirn. Die Reichsritterin war blass und erschöpft.
„So geht das nicht weiter, weiße Lilie“, hob sie an, „Du kannst nichts mehr bei dir behalten. Das ist nicht gut.“
Ailsa ni Rían ließ sich erschöpft in ihre Kissen gleiten.
„Du liegst seit Tagen nur in deinem Bett, kannst kaum aufstehen, noch weniger essen und davon nichts bei dir behalten. Das geht so nicht weiter.“
„Dann hilf mir“, flehte die Reichsritterin mit halbgeöffneten Augen während sie mit ihren Fingern nach ihrer Schwester zu greifen versuchte, doch ihr fehlte die Kraft auch nur ihre Finger auszustrecken, „Bitte, blühende Narzisse, bitte.“
Nurinai deckte ihre Schwester zu, wobei sie nahezu beiläufig anmerkte: „Wir müssen Schwester Lindegard bitten zu kommen.“
„Nein“, erwiderte Ailsa da so energisch sie konnte und schüttelte schwach ihren Kopf, „Nein.“
„Doch“, nun setzte sie sich zu ihr und strich ihr erneut das feuchte Haar aus der Stirn, „Doch. Es führt kein Weg daran vorbei.“
„Aber... aber warum hilfst du mir denn nicht, blühende Narzisse? Warum nur?“, mit glitzernden Augen schaute sie die Geweihte an.
„Ich bin eine Dienerin des Schweigsamen“, erklärte sie mit ruhiger und leiser Stimme, „So lange dieses Kind nicht tot ist kann ich nichts tun. Wir brauchen jemanden, der sich nicht nur mit den Lebenden beschäftigt sondern auch jemanden, der sich mit Schwangerschaft und Geburt auskennt. Lindegard ist die beste Wahl.“
„Sie ist Dregos Hofkaplanin!“, entfuhr es der Ritterin entsetzt, „Sie wird ihm alles verraten. Alles.“
„Nein“, nun schüttelte Nurinai den Kopf, „Gewiss nicht, weiße Lilie, gewiss nicht. Sie wird dir helfen und sie wird schweigen, weil wir sie darum bitten.“
„Das kannst du nicht wissen“, raunte sie, „Sie ist ihm loyal, nicht mir.“
„Sie ist vor allem ihrer Herrin loyal und jenen, denen sie beisteht. Sie ist eine Geweihte, was denkst du eigentlich von uns? Wenn man einen Geweihten bittet zu schweigen, dann muss dieser schweigen. Außerdem was hätte sie davon, dich zu verraten?“
Noch immer schüttelte Ailsa unwillig den Kopf: „Ich will sie nicht hier haben.“
Nun seufzte die Geweihte: „Ist dir überhaupt klar, dass du da möglicherweise das Todesurteil über dein Kind sprichst? Du brauchst dringend jemanden, der dir hilft. Jemand, der etwas davon versteht. Jetzt sei doch einmal vernünftig. Ein einziges Mal. Soll dein Kind leben oder sterben?“
Fassungslos schaute die Reichsritterin nun ihre Schwester an.
„Also?“
„Leben“
„Dann schicken wir nach Schwester Lindegard.“
„Gut.“
Vorläufig
Burg Praiosborn, Ende Hesinde 1045 BF
„Ich mache mir ernsthaft Sorgen“, erklärte Lindegard Tempeltreu mit fester Stimme nachdem sie die Reichsritterin gründlich untersucht hatte, „Was Ihr mir erzählt, dass klingt wirklich nicht gut. Wie lange geht das schon so?“
„Es war eine geraume Zeit mal besser“, erwiderte Ailsa mit brüchiger Stimme, „Seit Beginn des Winters ist die Übelkeit dann wiedergekommen und das schlimmer als zuvor.“
Einfühlsam nickte die Hofkaplanin: „Ich kann Euch nur dringend raten mich nach Scharfenstein zu begleiten. Dort kann ich mich jederzeit um Euch kümmern, der Peraine-Tempel ist nicht weit und Euer Gatte...“
„Drego weiß es nicht“, fiel ihr Ailsa ins Wort.
„Oh?“, entfuhr es Lindegard sichtlich fassungslos, „Aber... aber... aber warum das denn nicht?“
Die Reichsritterin blickte betreten drein, machte aber keine Anstalten etwas zu sagen. Die Hofkaplanin blickte hilfesuchend zu den Schwestern der Baronin.
„Na“, meinte Scanlail ni Rían da mit leicht spöttischem Unterton, „Denkt mal scharf nach.“
„Halt den Mund, thorwalsche Rose“, zischte Ailsa.
„Ich habe überhaupt nichts gesagt. Ich hab nur gesagt, dass sie mal scharf...“
„Klappe zu“, polterte Nurinai ni Rían da energisch und brachte damit ihre beiden älteren Schwestern zur Räson, „Ihr werdet ihm nichts sagen.“
„Ähm“, Lindegard stutzte. Sie zog ihre Stirn kraus. „Ja. Also... also wenn Ihr das so wünscht, dann... dann werde ich natürlich schweigen, aber... ich... ich verstehe nicht warum.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Warum solltet Ihr Eurem Gatten und Vater des Kindes Tsas erneuten Segen vorenthalten?“
Da lachte die Skaldin: „Erstaunlich, wie schnell ihr zum Kern des Probl...“
„SCHNAUZE“, schrie Ailsa wütend und warf ein Kissen nach ihrer Schwester.
„Oh, jetzt habe ich aber Angst“, foppte Scanlail sie da.
„Ich hasse dich!“, entfuhr es der Reichsritterin, „Du bist echt das Letzte.“
„Ja, ja“, winkte die Angesprochene da ab, „Ich dich auch. Ich dich auch.“
Nurinai verdrehte nur genervt die Augen.
Und die Hofkaplanin begriff plötzlich was das Problem war und ihr entfuhr ein: „Oh Herrin Peraine steh mir bei.“ Dann war es einen Moment still. „Ich hallte es trotzdem für besser, wenn ihr mit mir nach Scharfenstein kommt. Ja, ich könnte hier bleiben, aber meine Mittel hier sind begrenzt und zudem weiß ich in Schwarztannen ganz genau wo ich Hilfe finde, wenn ich mit meinem Können am Ende bin.“
„Nein“, erwiderte die Baronin entschieden, „Ich gehe nicht zurück. Ich will das nicht.“
Lindegard seufzte: „Gut. Dann... dann werden wir es so versuchen.“ Sie schluckte. „Ich werde Euch das ein oder andere da lassen und Euer Gnaden darin unterweisen, wie es anzuwenden ist. Wenn es jedoch nicht besser wird oder gar noch schlimmer, dann muss euer Weg nach Scharfenstein führen ansonsten fürchte ich, dass nur Golgari auf Euer Kind und vielleicht auch sogar auf Euch wartet.“
Heimkehr
Burg Scharfenstein, Firun 1045 BF
Es ging nicht lange gut, dann sah selbst Ailsa ein, dass ihr ganzer Starrsinn nicht half und es besser war sich zu fügen und bei Drego zu kreuze zu kriechen. Die Reise nach Scharfenstein war eine unfassbare Tortur, aber es gelang. Unglücklicherweise war der erste, der sie aufsuchte ihr Gatte...
„Orknäschen?“, rief Drego von Altjachtern und eilte eilig in das Zimmer hinein, „Orknäschen! Da bist du ja endlich! Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich freue. Oh, Orknäschen, mein liebes Orknäschen, jetzt bist du endlich wieder hier. Endlich.“
Die Reichsritterin saß auf dem Bett und blickte auf. Stordan und Lorine zogen ihre gerade die Stiefel aus. Die Schneeflocken auf ihrem Umhang begannen zu schmelzen.
„Ich habe die Kinder mitgebracht“, erklärte sie ihrem Gatten erschöpft.
„Du bist ja ganz blass“, stellte er fest, „Geht es dir immer noch nicht besser?“
„Hat Schwester Lindegard mit dir gesprochen?“
Nun schluckte er: „Sie hat nur gesagt, dass es dir gerade nicht gut geht. Mehr wollte sie mir nicht sagen. Auch nicht, was genau mit dir ist.“
„Drego“, sie schluckte schwer, „Wir müssen reden. Setz dich zu mir. Lorine und Stordan lasst uns allein.“ Die Pagen ginge. Schwerfällig setzte sich Drego neben sie auf das Bett. Sie trug noch immer ihren schweren Umhang.
„Was ist mit dir, Orknäschen?“
„Ich bin schwanger.“
Erst breitete sich ein erfreutes Lächeln auf seinem Gesicht aus, dann jedoch verfinsterte sich zunehmend seine Miene. „Das kann nicht sein“, erwiderte er kopfschüttelnd und fügte mit schriller werdenden Stimme hinzu: „Seit der Geburt unserer Kinder hast du mich immerzu abgewiesen.“
„Ja“, sie wandte ihren Blick von ihm ab. Vor diesem Augenblick hatte sie sich seit Monden gefürchtet und immer gehofft, er würde nie kommen. Nun war es so weit und es war noch entsetzlicher als sie es sich ausgemalt hatte. Sie wusste, dass er sie liebte. Aus tiefem Herzen liebte er sie und sie musste ihm jetzt das Herz brechen.
„Aber... aber... aber das hieße doch...“ Er konnte nicht aussprechen, was doch jeder von ihnen wusste.
„Ja“, bestätigte sie, „Das heißt es.“
„Wer?“, verlangte er zu wissen, „Wer war es?“
Sie schüttelte ihren Kopf.
„Du sagst mir jetzt sofort seinen Namen“, er packte sie an ihrer Schulter, „Sag ihn mir. SOFORT!“
Doch wieder schüttelte sie ihren Kopf.
„Ich habe ein Recht es zu wissen. Ich habe die Pflicht es zu wissen. Ich werde ihn zur Rechenschaft ziehen. Ich muss ihn zur Rechenschaft ziehen. Du bist MEINE FRAU. MEINE.“
„Nein.“
Da packte er sie noch fester, schüttelte sie und verlangte erneut und dieses Mal noch energischer und unnachgiebiger: „Sag ihn mir.“
„Du tust mir weh!“, wimmerte sie, „Geh jetzt. Geh bevor du etwas tust, was du bereuen wirst.“
Abrupt ließ er sie los, als wäre sie ein ekelerregende Spinen, die er versehentlich mit den Fingern gepackt hatte: „Ich... ich... ich wollte nicht... Ich...“
„Ja, ich weiß“, erwiderte sie und strich sich eine einzelne Träne von ihrer Wange. Es schmerzte sie ihn so zu sehen. Das hatte sie so doch nicht gewollt. Nein, ganz gewiss hatte sie das so nicht gewollte und deswegen sagte sie etwas, was ihr zum Vorteil gereichen sollte: „Ich auch nicht, Drego. Ich auch nicht. Geh jetzt bitte, ich muss mich hinlegen. Mir ist nicht gut.“
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