Geschichten:Rabenschar - Die Landvögte: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 15. Dezember 2022, 09:09 Uhr
Burg Angareth, Markgräflich Arvepass, 8. Rahja 1045 BF
Bärfried von Hardenstatt blickte missmutig auf den Papierstapel vor ihm. Der markgräfliche Wegevogt Rudegar von Alding hatte sich zwar erfreut über die Idee, die Passstraße von Perricum nach Beilunk auszubauen, gezeigt, doch Mittel hierfür konnte er ihm noch nicht zusagen. Die Kassen der Markgrafschaft ließen derzeit ein solch großes Unterfangen leider nicht zu, überall werde Geld gebraucht, vor allem jetzt, wo man unverhofft einen starken Zuwachs an interessierten Rekruten für die Garderegimenter verzeichnen konnte. Man müsse nun ganz genau schauen, wo welcher Geldstrom hin ging. Viele Worte um die eigentliche Nachricht zu verpacken, “nette Idee aber Geld wird es dafür nicht geben”.
Der Einäugige verstand das nicht, immerhin war der Arvepass DIE Landverbindung zwischen Perricum - Altzoll sowie Perricum - Beilunk. Spätestens nach der Befreiung bewegten sich auch wieder mehr Händler als Waffenknechte über den Pass und wäre die Strecke besser ausgebaut, würden sicherlich noch mehr Kaufleute diesen Weg wählen. Was schließlich auch der Markgrafschaft selbst zugutekommen würde.
“Ihr seht unzufrieden aus, unschöne Nachrichten, Euer Hochgeboren?”, fragte Inelde von Seehof in ihrem gewohnten Kasernenton, der Bärfried aus seinen Gedanken riss. Beinahe hätte er die Kastellanin vergessen, die vor ihm in einem Sessel Platz genommen hatte. Seit geraumer Zeit ging Inelde dem Landvogt zur Hand. Er hatte sie darum gebeten, ihm bei seiner Einarbeit zu helfen und langsam entwickelte sich eine geschäftsmäßige Beziehung zwischen den beiden. Bärfried überließ ihr das Kommando über die Burgverwaltung und sie zeigte ihm im Gegenzug nicht allzu sehr, dass sie mit einer anderen Person in seinem Amt gerechnet hatte.
Langsam nickte der Einäugige, “das will ich meinen. Der Wegevogt war zwar begeistert von meiner Idee, doch er sichert mir keine Mittel zu. Der Arvepass verschlingt wohl schon zu viel Silber”.
“Der Seneschall scheint es immer noch nicht verwunden zu haben, dass Ihr und nicht einer der seinen hier seid”. Stellte die Kastellanin mit einem Schmunzeln fest.
Bärfried runzelte die Stirn und blickte verwirrt zu seiner Gegenüber. “Der Seneschall? Was soll dieser denn mit der Sache zu tun haben? Die Wege und Straßen sind der Wirkungsbereich des Wegevogts”.
Inelde schüttelte langsam den Kopf, “der Wegevogt ist ein guter und loyaler Freund des Seneschalls und Ihr habt den Unmut des letzteren auf Euch gezogen. Davon ab, glaubt Ihr wirklich, dass in der markgräflichen Administration irgendwas ohne das Wissen des Seneschalls geschieht?”.
Der Landvogt lehnte sich in seinem Stuhl zurück und stützte den Kopf auf seiner Rechten ab. Er biss sich auf die Unterlippe, ihm wurde schlagartig abermals bewusst, wie blauäugig er noch immer war. Wer gehörte zu wem und durch wessen Finger gingen welche Strippen? Dennoch, dass der Seneschall in der markgräflichen Administration den Ton angab, hätte selbst Bärfried wissen müssen! Er musste aufhören naiv nach klar erkennbaren Feinden zu suchen.
Das Schlachtfeld hatte sich geändert. Unwillkürlich musste er an seine Zeit an der Rabenbrücke denken. Dort konnte er seine Gegner ebenfalls nicht von Unbeteiligten unterscheiden. Wie auch jetzt trugen sie keine Wappen oder Zeichen, die sie eindeutig markierten. Dann kam ihm eine Idee.
“Wenn ich schon nicht auf die Unterstützung des Wegevogts oder des Seneschalls bauen kann, dann vielleicht auf die Günstlinge des Markgrafen? Und wer sind die größten Günstlinge, wenn nicht die Landvögte Knoppsbergs oder der Perrinmarschen?”. Die Kastellanin zog überrascht die Augenbrauen hoch, nickte jedoch zustimmend.
“Wir setzen ein Schreiben auf, ich möchte mich mit den Landvögten der anderen Lehen auf Baronieebene treffen. Wir sollten uns gegenseitig beistehen und helfen, wenn die Administration sich quer stellt”.
“Eine interessante Idee”, befand Inelde. Tatsächlich gefiel ihr der Einfall sogar sehr gut. Am meisten überraschte es sie jedoch, dass der Einäugige selbst darauf gekommen war. Das hätte sie ihrem Herrn nicht zugetraut, vielleicht könnte dieser ja doch noch ein tauglicher Politiker werden? Oder zumindest aufhören sehenden Auges in ein Fettnäpfchen nach dem anderen zu treten.