Geschichten:Hartsteener Banner - Bendrichs Pech: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 21. März 2023, 18:20 Uhr
Festung Feidewald, Travia 1035 BF
Das Warnsignal dröhnte vom Thaliaturm der Festung Feidewald herüber in die Rüstkammer. Bendrich von Quintian-Quandt straffte sich, als sein Diener ihm die Schulterstücke am Brustpanzer befestigte. Endlich hatte das Warten ein Ende. Griseldis kam zur Tür hereingestürzt. Sie sah blass und übermüdet aus: „Sie kommen mit Leitern!“
Bendrich hörte, wie Feidewalder Waffenknechte im Laufschritt über die Zwingerbrücke in Richtung Tor der Unterburg hasteten.
„Ich bin gleich fertig“, der alternde Festungskommandant nickte und blaffte den Diener an, dem zum wiederholten Male eine Schnalle durch die Finger rutschte: „Wird’s bald? Da hat ja deine gichtige Großmutter beweglichere Pfoten.“
Schließlich saß die Rüstung und der einäugige Krieger griff nach den Handschuhen: „Los jetzt.“
„Euer Helm, Herr“, rief ihm der Rüstknecht nach.
„Bring ihn nach!“, Bendrich langte im Hinauseilen noch nach seinem Schwertgurt, den ihm Griseldis hinreichte.
Der Hof bot ein Bild des Chaos. Bewaffnete rannten zu ihren Posten und das Gesinde schleppte Steine hinauf auf die Wehrgänge, um dem Feind einen harten Empfang zu bereiten. Beißend vermischte sich der Gestank von heißem Pech mit dem Brandgeruch der Feuer. Auf das Hofpflaster klapperte kraftlos ein verirrter Pfeil, der gleich darauf von einem der Burschen aufgelesen wurde; alsbald würde er den Belagerern Spitze voran zurück geschickt werden. Immer wieder zischten vereinzelt Bolzen oder Pfeile über sie hinweg oder knallten gegen eine Mauer. Bendrich erklomm die Stiege zum Wehrgang, auf dem sich die Schützen hinter den Zinnen postiert hatten. Ab und zu trat einer von ihnen aus seiner Deckung und schoss einen Pfeil hinunter auf die Belagerer. Ein Blick durch eine Schießscharte zeigte dem Festungskommandanten, dass diese im Schutze von Setzschilden und dicken Flechtmatten schon fast den Trockengraben erreicht hatten und sich eifrig darum bemühten, diesen an einigen Stellen mithilfe von mitgebrachten Planken und Balken zu überbrücken und mit Körben voll Erde aufzufüllen.
„Dann wollen wir ihnen mal beim Grabenfüllen helfen“, bellte Bendrich, „Mehr Steine hier herüber! Und bringt auch Pech her!“ Dann sah er wieder hinunter zu den wuselnden Stahlkappen und Bannern: Hartsteen, Schwingenfels, Schallenberg, Allingen, Katterquell, Gneppeldotz, Steinfelde, Baerfold, auch die Nesselregens hatten offenbar die Seiten gewechselt und ihre Farben im Lager der Angreifer aufgestellt. Als die gegnerischen Soldaten den Mauerfuß erreichten und sich anschickten, die Leitern aufzustellen, gab Bendrich den Befehl. Seine Leute kippten das heiße Pech hinunter auf die über die Köpfe gehaltenen Schilde und in Bendrichs Nase drang der Geruch von verbranntem Fleisch. Als die Ordnung der Angreifer verloren ging, folgte ein wahrer Steinregen von den Zinnen. Das Geschrei und Wimmern der Verbrühten und mit zerschlagenen Gliedern Daliegenden oder Davonkriechenden gellte zu den Verteidigern herauf; an die Leitern schien da unten niemand mehr zu denken. Dann bemerkte er, wie einer seiner Leute mit einem Bolzen in der Brust über die Mauerbrüstung kippte und hinab stürzte. Im einsetzenden Geschosshagel der Belagerer, der die Verteidiger in Deckung zwang, zogen sich die überlebenden Angreifer vom Graben zurück.
„Denen haben wir’s gezeigt“, tönte eine der almadanischen Söldnerinnen und ballte die Faust.
Vereinzelte Hurra-Rufe brandeten auf, doch der Festungskommandant schüttelte nur mit dem Kopf: „Der Tag ist noch lang. Die kommen wieder.“
Auf ein Keuchen hinter ihm drehte sich der alternde Kämpfer um und sah, wie sich Griseldis, an das zum Hof hin befindliche Wehrganggeländer gelehnt, übergab: „Das ist die falsche Richtung, Base“, grinste er sie an. Doch sie winkte nur ab und würgte erneut.