Geschichten:Der uralte Bund - Im Amselnest: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 17. September 2023, 10:33 Uhr

Amtsstube der Seneschallin in den Vogtstuben der Pfalz Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF

Während Fredegard von Hauberach und Yolande von Raukenfels die Gästelisten studierten, trat Hauptmann Hagen von Rallerau ein und trat vor Seneschalline Josline von Eslamsgrund.

„Darf ich offen sprechen“, der Blick des Hauptmann wandert in Richtung der beiden anderen Damen. Die Seneschallin nickte ungehalten „So sprecht schon!“

„Ich habe soeben eine Magd aus der Küche der Pfalz verhört und diese hat bemerkenswerte Informationen von sich gegeben. Sie hat gesehen, wie ein Mann, auf den die Beschreibung dieses Amsel-Magiers passt, in einer Ecke der Pfalz einem Zwergen ein Beutelchen übergeben hat – und das am Tag vor dem feigen Giftanschlag auf Frau Erlenfall.“

„Interessant!“, murmelte die Seneschallin.

„Wir wissen wo sich das Amselnest befindet, ich schlage eine umgehende Durchsuchung der Räumlichkeiten vor.“ Die Stimme des Hauptmannes klang militärisch zackig.

„So sei es, doch mögen die Gardisten auf der Hut sein, wir haben es hier mit Vögeln der verschlagenen Seite zu tun. Ich schlage vor, das Hochgeboren Hauberach und die hohe Dame Raukenfels euch begleiten.“

Die Alt-Baronin schien einen Moment nachzudenken, bevor sie sich mit einer Antwort an die Seneschallin wandte.
„Gerne werde ich der Durchsuchung beiwohnen und darauf achtgeben, dass dabei alles seine praiosgefällige Richtigkeit hat. Nicht, dass ich kein Vertrauen in die Fähigkeiten und Redlichkeit Eurer Wachen hätte“, Fredegard blickte mit einem freundlichen Nicken kurz zum Hauptmann herüber, „sondern um, soweit es in meinen bescheidenen Möglichkeiten steht, sicherzustellen und im Zweifelsfalle auch mit meinem Namen dafür einzustehen, dass niemand das Ergebnis, wie immer es auch ausfallen mag, ernsthaft in Zweifel ziehen kann. Und nun sollten wir keine weitere Zeit verlieren!“


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Gasthaus 'Rakulls Ruh' gelegen am Marktplatz gegenüber der Rakulls-Sakrale

Hauptmann Hagen von Rallerau führte die Untersuchung an. Zwei Gardisten, sowie Fredegard von Hauberach und Yolande von Raukenfels begleiteten ihn im Auftrag der Seneschallin.

Mit dem Ersatzschlüssel des Wirtes öffnete einer der Gardisten behutsam die Tür des Amselnestes im ersten Stock der Herberge. Die Herrschaften traten mit wachem Blick ein und fanden einen unaufgeräumten Raum vor. Gleich links neben der Tür war ein Kamin mit etwas Restglut. Ein großes Sofa nahm die hintere linke Ecke ein. Ein kleines Tischchen davor, hinter dem der Vorhang des linken Fensters hing. Daneben ein Sessel. Unter dem rechten Fenster mit Vorhang eine Truhe. An der rechten Wand waren zwei Bett-Alkoven. Beide Holzschiebetüren waren geschlossen.

An der linken Seite war zwischen Kamin und dem Sofa eine geöffnete Tür in einen Nachbarraum, durch die die Suchenden ein großes Himmelbett sehen konnten. Die Vorhänge des Bettes waren geschossen.

Während Hauptmann Rallerau den beiden Gardisten befahl Sofa und Truhe in Augenschein zu nehmen, inspizierte er den Kamin. Fredegard von Hauberach und Yolande von Raukenfels blieben im Eingangsbereich stehen und beobachteten die Szenerie sehr genau.

Im Kamin konnte Rallerau nur noch Reste von verbrannten Papier finden, doch war nicht mehr zu erkennen um was es sich mal gehandelt haben könnte. Der junge Gardist Boribert fand auf dem Sofa Reste von Rauschkraut und verzog tadelnd das Gesicht, während seine altgediente Kameradin Tsalinde die Truhe unter dem Fenster in Augenschein nahm und dort aber nur ein paar Kleider rausholte, die wohl zu einer Frau gehörten. Auch unter dem Sofa konnte Boribert nichts finden. Während Rallerau Tsalinde zum Sessel beorderte, war Boribert noch dabei das Sofa hoch zu stemmen, um die Unterseite des Möbelstücks sorgsam zu begutachten.

Die schon über 50 Winter zählende Tsalinde fühlte mit ihren Händen über das weiche Polster und in die Ritzen. Nichts. Schließlich hob sie ihn an und bemerkte, dass der Sessel an der Unterseite mit einem Stück Stoff über die gesamte Fläche verkleidet war, welcher an den Rändern mit einem groben Garn zusammengehalten wurde. Fast hätten ihre alten Augen ein kleines Detail übersehen: An einer Ecke war die Naht gelöst. Geschwind tastete sich die Gardistin ins Innenleben der Naht vor und förderte ein kleines Beutelchen hervor.

„Hauptmann, hier ist etwas!“, rief Tsalinde pflichtbewusst und reckte ihr Fundstück empor.

„Ah, bei Praios, ich wusste doch dass wir hier fündig werden.“ Mit diesen Worten nahm Rallerau das Beutelchen an sich und öffnete es. „Verdächtiger Inhalt, meine Herrschaften seht!“ Der Hauptmann zeigte Fredegard und Yolande den Inhalt des Beutels. „Im Namen des Götterfürsten, ihr seid meine Zeugen. Wir werden dieses Beweisstück konfiszieren. Frau von Raukenfels, würdet Ihr so gütig sein, dieses an Euch zu nehmen? Habt Dank!“

Mit einer Mischung aus Betroffenheit und Empörung hatte die Alt-Baronin das Fundstück genauestens in Augenschein genommen, nickte bedächtig und wandte sich dann dem Hauptmann zu: „Ja, das sieht in der Tat höchst verdächtig aus; allein der Umstand, dass der Beutel im Sessel versteckt war, dürfte schon für sich sprechen. Sei es wie es sei: Vor dem Auge des Götterfürsten bezeuge ich diesen Fund und dass er ohne jeden Fehl und Dunkelsinn zutage gefördert wurde.“

Geschwind wandte sich Rallerau wieder zu seinen Untergebenen. „Bei den Göttern, wir werden diese verfluchte Amselnest ausräuchern, Praios' Licht muss in alle Dunkelheit gebracht werden. Dieses Federvieh muss überführt werden. Eine Gefahr für die Kaiserpfalz ist eine Gefahr für das Reich und die Ordnung! Boribert, Tsalinde, ich will das dieses Nest auf den Kopf gestellt wird. Fangt mit den beiden Alkoven an!“

Wie vom Götterfürsten geführt, machten sich die beiden Gardisten mit Elan ans Werk. Es galt, das Böse auszumerzen. Tsalinde öffnete den den ersten Alkoven, in dem sie die beiden Schiebetüren mit einem Ruck zur Seite schob. In der Bettstatt fand sie nur ein paar Abenteuer- und Liebesromane. Klassiker wie "Die Nymphe vom See", "Der Abt mit der Peitsche" und "Raidris geheimen Abenteuer". War dies der Schlafplatz der Tochter der Oberamsel?

Boribert öffnete die Schiebetüren des zweiten Alkoven etwas bedächtiger, auf dem ersten Blick war nichts zu erkennen. Der Gardist wollte sich gerade zu seinem Hauptmann umdrehen und vermelden, „die Matratze ist seltsam ölig …“, als mit einmal starker Rauch aus dem Alkoven aufstieg.

„Was für ein Dämonenwerk ist das? Weg von dort, Soldat!“, rief Fredegard mit sorgenvoller, beinahe ängstlicher Miene, während sie unbewusst einen Schritt zurücktrat. „Was, bei allen Niederhöllen, hat dieser Magier hier getrieben oder treibt er gar noch? Mir scheint, Hauptmann, ihr solltet seiner schnellstmöglich habhaft werden, um weiteres Unheil abzuwenden.“
Es kostete die Perricumerin einiges an Selbstbeherrschung, sich ihre Zufriedenheit über den bisherigen Verlauf der Durchsuchung - welcher alle ihre Erwartungen übertroffen hatte - nicht anmerken zu lassen.

Geistesgegenwärtig riss der angesprochene Gardist die Schiebetüren des Alkovens zu und wich einige Schritt zurück.
Der Hauptmann wiederum schüttelte den Kopf und wandte sich an seine Gardistin, „holt Wasser! Bei Praios‘ Glanz, wenn dieser Rauch aus Feuer entsteht, wird das Wirtshaus brennen!“. Die Angesprochene machte sich sofort auf den Weg nach unten, um Wassereimer zu holen.
Hauptmann Rallerau blickte sich derweil entsetzt um. Hatte dieses Federvieh denn tatsächlich eine Falle gelegt?! Entschlossen wandte er sich zum Himmelbett, zwar hatten sie schon das seltsame Pulver gefunden, doch wenn hier noch mehr war, so stand es in Hagens heiliger Pflicht es zu finden und als Beweise gegen die umtriebigen Amseln zu nutzen! Mit der einen Hand zog er die Vorhänge zurück, während die andere auf seinem Heft ruhte.
Zuerst schien es so, als ob tatsächlich in dem Bett jemand schlafen würde. Doch schnell erkannte der Hauptmann, dass es sich dabei nur um Decken handelte, die einer Körperform nachgeahmt waren. Ein hölzerner Perückenhalter mit einer Perücke schaute aus dem Bettzeug, wie ein Kopf der auf dem Kissen lag.
Die Verwunderung des Hauptmanns steigerte sich sodann, als er den Kopfbereich genauer untersuchte und dort einen Zettel, mit der Aufschrift „Idiot“, fand.
Rallerau wandte sich erbost ab und ging wieder in den anderen Raum, um der Altbaronin den Zettel zu zeigen. „Die Amseln schienen einen Besuch erwartet zu haben. Verdammtes Federvieh, verhöhnt uns wo es nur kann!“, dann wandte er sich zu seinem verbleibenden Gardisten um. „Boribert, mach dich nützlich und durchsuch den Sekretär, vielleicht finden wir dort einen Hinweis auf den Verbleib der Vögel!“.

Unterdessen war die alte Tsalinde mit einem Burschen und Eimern voller Wasser zurückgekehrt. Sie öffneten den Alkoven und entluden ihren nasse Fracht in diesen. Es zischte und dichter Rauch quoll nochmal final hervor, als wolle sich etwas zum letzten Male aufbäumen bevor es endgültig verstarb.

Entgeistert hatte Fredegard die weitere Entwicklung verfolgt. Ihre Verblüffung rührte jedoch nicht aus der Sorge oder gar Furcht vor dem gerade Gesehenen her, sondern, ganz im Gegenteil, aus dem simplen Umstand, dass die Reichsedle ihr Glück nicht fassen konnte, wie sehr ihr die Amsel gerade ungewollt in die Karten spielte. Mit einer Mischung aus Amüsement und Neugier - verborgen hinter einer sorgenvollen Miene - wartete sie nun geduldig ab, was die Durchsuchung sonst noch alles an Überraschungen zutage fördern mochte.

Der junge Gardist tat wie ihm geheißen und schritt auf den Sekretär zu. Behände drehte er den Schlüssel, als unten aus dem Schrank eine Phiole auf den Boden runter fiel und einen beißenden stinkenden Rauch verbreitete. Boribert fing stark an zu husten und hielt sich die Kehle.

„Soldat! Zurück!“, entfuhr es dem Rallerau, auf dessen Stirn sich nun gut sichtbar Adern abbildeten. Dem pflichtbewussten und durch und durch praiosfrommen Mann stand der Ärger ins Gesicht geschrieben. Geschwind hielt er sich den linken Arm vor das Gesicht und eilte zu einem der nahen Fenster, um dieses sodann aufzustoßen. Währenddessen stolperte der hustende Gardist in das Hauptzimmer, um sich dort am Kamin abzustützen. Es dauerte etwas bis er sich gefangen hatte, doch der beißende Gestank schien sich in seiner Nase festgesetzt zu haben.
Die Gardistin blaffte den sie begleitenden Burschen an, ihrem Kameraden einen Becher Dünnbier zu bringen, woraufhin der Junge aus dem Zimmer eilte.
Der Hauptmann hatte indes die Tür zum Nachbarraum geschlossen „bei Praios und seinen elf Geschwistern! Diese Schar scheint ihr Nest besser zu schützen als so mancher Kaufmann sein Lager!“, stellte Hagen von Rallerau erstaunt fest. Was war der Grund für diese Vorkehrungen? In seinen Augen war dies alles mehr als verdächtig, wenngleich er zugeben musste, dass es nicht verboten war sein Heim zu schützen. Was das seltsame Pulver jedoch anging war er sich sicher, dass es sich hierbei um das gleiche Pulver handelte, von dem die Magd berichtet hatte.

Nachdem der Wirtsjunge einen Becher Dünnbier an den, immer noch desorientiert wirkenden, Gardisten gegeben und sich dieser gefangen hatte ordnete Hauptmann Rallerau die beiden Gardisten an in das Nachbarzimmer zu gehen und den Sekretär zu durchsuchen.
Zwar war der stinkende Rauch verschwunden, was es ermöglichte den Raum zu betreten, doch zur Enttäuschung der Ordnungskräfte konnte im Sekretär nichts Brauchbares gefunden werden.
„Ich schlage vor, dass wir mit unseren Erkenntnissen auf direktem Wege zur Seneschallin gehen. Sie muss unterrichtet werden und entscheiden, wie wir nun mit diesem Flattervieh verfahren sollen!“, stellte der Kommandant der kaiserlichen Garde zu Randersburg fest.

Die Reichsedle nickte zustimmend. „Ja, ich denke auch, dass wir hier fertig sind. Alles Weitere sollten wir in der Tat mit der Seneschallin besprechen.“ Ein letztes Mal ließ sie den Blick durch das Quartier schweifen, bevor sie sich mit der Bemerkung: „Was für ein Chaos!“ zum Gehen wandte.


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In den Vogtstuben der Pfalz Randersburg:

Mit versteinerten Gesichtszügen folgte die Seneschallin dem Bericht von Hauptmann Rallerau über die Ereignisse aus dem Amselnest.

„Was treiben diese Amseln … .“ Die Seneschallin wandte sich zu Yolande von Raukenfels. „Euch obliegt die Verantwortung die beschlagnahmte Substanz bei der Alchimistin analysieren zu lassen! Rallerau, und dann will ich die Amseln hier zum Rapport sehen!“

Der Hauptmann nahm Haltung an und verbeugte sich, mit einem gerechten Feuer in den Augen verkündete er, „ich werde dafür Sorge tragen die ganze Amselschar hierherzutreiben!“. Er machte auf den Hacken kehrt und ging zielstrebig aus dem Raum. Seine beiden Gardisten folgten ihm auf dem Fuße. Hagen von Rallerau freute sich innerlich darauf, mit seinen Mannen und Frauen dieses Federvieh festzusetzen!

„Hm, bin mal gespannt, wie der Kerl das alles erklären will. Wer weiß schon, was für Abgründe da sonst noch im Verborgenen lauern“, merkte Fredegard mit Blick zu Josline nachdenklich an.


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Ende Hes 1043 BF zur mittäglichen Praiosstunde
Im Amselnest
In der Silberfeder


Kapitel 33

Thiomaras Weg I
In der Silberfeder


Kapitel 17

Thiomaras Weg I