Geschichten:Der uralte Bund - Gwendares letzte Reise: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 18. September 2023, 10:23 Uhr
Markt Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF
Die unscheinbare Kutsche, die der Ritter von Radewitz aus dem Fuhrpark der Pfalz requiriert hatte, rumpelte als bald aus dem Tor der Pfalz. Die Federung war nicht mehr die Beste. Aber für die letzte Fahrt der Frau von Bergensteen, die in aller Stille, in Boron gefälligen Grund führen sollte, war sie unauffällig und zweckdienlich. Madara von Amselhag hatte neben Jolande von Grevinghoff und dem Ritter von Radewitz gegenüber, im alten Sitz der etwas altersmuffigen Kabine Platz genommen. Die Geweihte saß in der Ecke und besah sich aus dem Fenster scheinbar die mittägliche Stadt, auf die sie zu rumpelten. Madara tat es ihr gleich und ließ ihre Gedanken eine Weile aus dem Fenster an ihrer Seite schweifen, bis sie die Stille in der Kutsche mit einer Frage zu bereichern versuchte.
„Mir geht nicht aus dem Kopf, warum unser Koch während des Verhörs so einen Sinneswandel durchgemacht haben könnte, wie er aus dem Protokoll zu entnehmen ist. Wenn Loderia von Pilperquell mit ihrer Vermutung recht hat und sich ein Kult von Namenlosen Paktierern in der Pfalz eingeschlichen hat und seit einiger Zeit Leute mit finsteren Kräften manipuliert, so müssten doch auch bei anderen Personen am Hof Wesensveränderungen zu bemerken sein.“ Madara schaute den Ritter ihr gegenüber fragend an. „Herr von Radewitz, ihr seid der Pfalz wesentlich länger zu Diensten, als wir hier verweilen. Ist eurer Aufmerksamkeit irgendetwas aufgefallen? Das Leute in eurem Umfeld sich verändert haben und in letzter Zeit anders reagieren oder sich sonst im Wesen veränderte haben? Vielleicht fällt euch etwas ein, das uns weiterhilft ein weiteres Unheil zu verhindern.“ Der Ritter schaute Madara mit versteinertem Blick an und sagte pflichtbewusst nichts. Aber es reichte Madara wenn der Ritter etwas zum Nachdenken hatte. Wenn er ein Handlanger der Verschwörer war, machte es keinen Unterschied. Wenn nicht, würde der stete Tropfen der Erkenntnis hoffentlich auch irgendwann den stocksteifen Ritter knacken. Ein kleiner Umweg führte mit dem Einverständnis des Ritters zu einer Stadtbekannten Medica, die sich auch in alchemistischen Fragen auskennen sollte. Die Proben von Wein und Wasser, die die Gefährtinnen in der letzten Nacht ausschalteten, wollten noch analysiert werden. Die Alchemistin wollte nichts versprechen, aber ein überzeugendes Salierung mit einem Bonus, wenn Erkenntnisse schon am Abend vorlägen, ließ die gute Medica alles stehen und liegen lassen. So fuhr man schnell weiter zur Unterkunft Gwendares.
Die Kutsche hielt im Hof beim Gehege der Hunde. Jolande und Madara besahen sich Bardo und Cella kurz und der Ritter gab dem Kutscher die Anweisung zu warten. Die beiden Hunde saßen traurig in ihrem Gehege. Warum hatte man ihnen nur den blutigen Umhang Gwendares in den Zwinger geworfen, fragte sich Madara.
Sie betraten das Gasthaus durch den Hofeingang und stellten sich beim Wirt vor, der beteuerte das er Gwendare den ganzen Morgen hat schlafen lassen und hoffe das es ihr nach den Unannehmlichkeiten gut gehe. Dabei sah er besorgt auf die Borongeweihte. Madara setzte eine traurige Miene auf. „Können wir ungestört reden?“ Der Wirt nickte und zog sich mit seinen Gästen in einen kleinen Salon zurück, in dem schon für das Mittagsmahl eingedeckt war. „Frau Bergensteen hat ein gesegnetes Alter erreicht. Erst die Vergiftung ihrer Hunde und dann auch noch dieser Giftanschlag auf sie in der letzten Nacht, durch diesen falschen Knecht, der eure Not ausnutzte und sich bei euch eingeschlichen hat. Wir müssen mit dem schlimmsten rechnen. Wir bestehen auch in eurem Interesse auf absolute Diskretion und eure Mithilfe. Frau Bergensteen war in wichtiger diplomatischer Mission unterwegs und war scheinbar unabsichtlich in die Mühlen der Politik am Hofe geraten. Daher sollten wir alles was hier geschehen ist nicht nach außen dringen lassen. Auch damit der Ruf eures Hauses keinen Schaden nimmt. Wir wollen der guten Gwendare auf ihrem letzten Weg die letzten Segnungen mitgeben und auch Ehrwürden Silvano schließt sie in seine Gebete mit ein. Ist euch noch etwas eingefallen das wichtig sein könnte? Ansonsten würde es uns sehr helfen, wenn wir Ruhe bei der Verabschiedung Gwendares haben und ihr in der Zeit vielleicht all eure Kontakte in der Stadt nutzen könntet um diesen Egbert auf zu finden. Ihr kennt ihn schließlich am besten, auch wenn der Name und seine Angaben alle falsch sein mögen und er sein Aussehen verändert haben kann. Gebt vor er hätte euch bestohlen oder betrogen. Vielleicht haben wir Glück und ihr findet den Übeltäter, der eurem Haus dieses Unglück schenkte. Bitte veranlasst das zwei Knechte die Truhe von der Kutsche holen und vor die Tür stellen und klopfen. Ansonsten möchten wir bei der Zeremonie der Boroni nicht gestört werden.“ Der Wirt nickte Ergebens.
So gingen die vier Schicksalsgefährten hinauf zu Frau Bergensteens Zimmer und schlossen auf. Beim erneuten betreten des Zimmers, in dem sie die grauenhafte Nacht verbracht hatten, hielt Madara Jolandes Hand fest und sprach ihr Mut zu. Nach dem alle den Raum betreten hatten und mit dem schrecklichen Anblick der Ermordeten auf ihrer blutigen Bettstatt konfrontiert wurden, brach Jolande in Tränen aus und fiel Madara in die Arme. Die Boron-Geweihte hatte die Tür unterdessen schnell wieder geschlossen und verriegelt und schickte sich bald an einen ersten Segen über die Tote zu sprechen. Mit der schluchzenden Jolande im Arm und tröstenden Worten auf den Lippen, ließ Madara bald ihren forschenden Blick über das Zimmer schweifen. Bis auf ein paar Fliegen hatte scheinbar niemand das Zimmer betreten. Alles war wie sie es verlassen hatten und Gwendare ruhte entsetzlich friedlich in ihrem Blut. Der Hausritter stand nur still da und besah sich den Raum von der Tür aus auch ausgiebig. Bald klopfte es an der Tür. Madara richtete Jolande auf. “Ich brauche jetzt die Ritterin Jolande. Komm. Wir wollen Gwendare würdig waschen und ihr ein gutes Begräbnis bereiten.“ Jolande sammelte sich und Madara nickte dem Hausritter zu. Sie schloss die Tür auf und öffnete die Tür einen Spalt. Die Transporttruhe stand dort und die Knechte hatten sich bereits zurück gezogen. Madara fragt den Hausritter ihr bitte zu helfen und beide trugen die Kiste in den Raum. Nach dem die Tür wieder zu war schlug die Geweihte vor, erst einmal gemeinsam zu beten. Eine Räucherschale, die sie entzündet hatte überdeckte bald den metallischen Geruch der sich in dem Zimmer breit gemacht hatte und alle stimmten in das Gebet zu Ehren der Toten ein.
Nach dem Gebet machte sich Madara so gleich an die Arbeit. Sie legte ihr Gewand bis auf die Unterkleidung fein säuberlich ab und holte die Putzutensilien aus der Kiste. Jolande trug sie auf beim Wirt nach heißem Wasser für warme Umschläge zu fragen. Den Wirt würde man später vom dahinscheiden Gwendares, nach schwerem Todeskampf überzeugen. Dann fing sie an mit einem Stecheisen das verkrustete Blut, das sich rund um das Bett ausgebreitet hatte weg zu kratzen. Der Ritter hielt an der Tür wache und die Priesterin kümmerte sich um die Tote. Gab ihr Segen und begutachtetet die Leiche auf das Genauste, wie Madara vermutete. Bald kam Jolande mit dem heißen Wasser wieder und fing an hinter Madara die Blutreste auf zu wischen. Nach geraumer Zeit fragte die Boroni nach Hilfe um Gwendares Körper zu reinigen und dann auf Jolandes sauberes Bett um zu betten. Danach wurde das blutige Bett gereinigt und die alten Lacken verschwanden in der Truhe und wurden durch Neue, von der Pfalz mitgebrachte ersetzt. Die Arbeit war anstrengend und zog sich über den Mittag dahin. Doch dann war das Ergebnis vorzeigbar. Die blutigen Lumpen waren in der Kiste verschlossen und Gwendare lag ehrerbietend auf frischem Leinen in ihrem Bett. Die Boroni hatte die Augen wieder in die Augenhöhlen bekommen und Gwendares geschlossenen Liedern sah man Nichts an. Mit geschickten Händen und sanften Druck hatte die Boroni es sogar geschafft, den entsetzlichen Anblick Gwendares gegen die einsetzende Totenstarre zu einem friedlichen Anschein zu formen. So lag Gwendare nun zur Verabschiedung in einem gereinigtem Zimmer bereit. Yolande und Madara hatten frische Kleidung aus ihren Taschen angelegt. Der Wirt wurde vom traurigen Ableben informiert und das man Gwendares Leichnam gleich zum Boronanger überbringen wolle. Man werde ihr Alter als Grund anführen und so Schaden von seinem Haus abwenden. Gwendare wurde also für tot erklärt. Verstorben in einer bitterkalten Nacht.
Die Tote wurde in die Kutsche verbracht und die Geweihte fuhr mit der Toten vor zum Anger und wollte die Zeremonie vorbereiten. Der Hausritter blieb mit den beiden verdächtigen Frauen erst ein mal zurück und hielt sie beim Packen der verbliebenen Habseligkeiten im Auge. Madara schlug vor alles in Jolandes Unterkunft in den Goldenen Stiefel zu bringen und dort zusammen etwas zu essen, bevor man zum Anger gehen würde. Die Hunde würde man mitnehmen. Vielleicht werden Bardo und Cella noch wichtig, dachte sie sich. Schließlich würden sie den Mörder und seinen Geruch kennen. Der Wirt wurde noch einmal eingehend unter acht Augen befragt und ob er etwas über den Knecht oder die verschwundene Magd Wynna in Erfahrung bringen konnte oder sonst etwas Interessantes in der Stadt getratscht wurde.
So machten sich die Drei bald zu Fuß mit den Hunden an der Leine auf zum goldenen Stiefel, der glücklicherweise eh auf dem Weg zum nahen Boronanger lag. Die Hunde mussten dringen einmal ausgeführt werden. Im Goldenen Stiefel bestellten sie einen Tisch und auch die Geweihte traf bald wie vereinbart ein und berichtetet das sie Jolande am Anger gut untergebracht habe, alles mit dem Angerknecht in die Wege geleitet war und sie jetzt erst einmal dringend etwas zu essen haben müsse, bevor man sich zur letzten Zeremonie begeben möge.
So saßen die Vier beim Speisen in gedrückter Stimmung zusammen. Die Hunde lagen unter dem Tisch und Madara und Yolande erkundigten sich ausführlich beim Wirt nach der Magd Wynna und ihrem verbleib und beschrieben auch diesen falschen Knecht Engbert so gut sie konnten und warnten den Wirt, er sei ein Betrüger, der Wynna nichts Gutes wolle. Madara hat dabei die Hunde immer gut im Blick und hoffte darauf, das sie vielleicht etwas witterten. Aber auch dieser Wirt konnte nichts Erhellendes mehr beitragen und fluchte nur auf das Personal. Der Ritter von Radewitz hörte sich alles aufmerksam an und die Geweihte schmauste ausgiebig. Madara lud den Ritter und auch Jolande zur Firunstunde ein, sie in den Rondratempel zu begleiten, um dort im Gebet vor der Leuin auf Silvanos Bericht zu warten und erkundigte sich, ob die Boroni ihre Rituale bis dahin abgeschlossen habe.
„Die möglicherweise unbewussten Erinnerungen werden sich im Rahmen eines Traumes oder auch in einer Vision während des Schlafenden zeigen, sofern welche Vorhanden sind. Daher sollte das das letzte sein, was wir an diesem Tag tun. Und was die Beisetzung angeht, so wird bis heute Abend alles so weit vorbereitet sein“, erklärte die Geweihte und wirkte nach dem Essen schon nicht mehr so erschöpft, wie zuvor.
Madara rieb sich mit beiden Zeigefingern die Schläfen um das Gehörte zu verarbeiten. War sie doch davon ausgegangen, das man nur auf den Anbruch der Dunkelheit warten muss. Schlafen hätte man diese Geweihte auch schon früher schicken können. Dann warf sie ein, dass es fraglich ist, ob die Information die Jolande vielleicht preisgeben kann in der Frühe des nächsten Tages noch von Wert sein werden. Der Mörder würde diese Nacht ja nicht unbedingt ruhen.
Bevor sie den Goldenen Stiefel verließen half Madara noch Jolande mit, die Habseligkeiten Gwendares in ihr Zimmer zu schaffen und fragte sie in einem günstigen Moment unter vier Augen, ob sie ihren Fuchs nicht mit zum Begräbnis nehmen wolle. Sie könnten den Fuchs vielleicht gut bei Gwendare auf dem Anger verbergen und die Geweihte einweihen, falls jemand nun nach ihren Leben trachtete. Dann wüste jemand wo das Artefakt verborgen sei.
Jolande führte Madara vor der Abreise noch zu den Hunden, die gleich die vertraute Nähe Jolandes suchten. Der Hausritter war einen Moment unaufmerksam als er mit dem Kutscher am reden war. Da holte Jolande den Fuchs aus einem Versteck im Zwinger. Madara riss die Augen überrascht auf, als eine bittere Ahnung sich in ihrem Geist manifestierte.
Sie flüsterte Jolande zu ihn gut zu verstecken und schnell mit den Hunden in die Kutsche zu steigen. „Wir müssen zur Medica zurück. Schnell!“ Rief sie Ritter und Kutscher zu. Kurz nach dem sie losgefahren wahren brach es aus Madara heraus. „Wir können nicht so lange mit der Wiederherstellung der Erinnerungen warten. Ich habe die ganze Zeit schon überlegt, warum der Mantel von Gwendare zerrissen bei den Hunden lang. Der Mörder oder sein Handlanger oder wer immer dieser Engbert war, hat schon im Gasthaus von Frau Bergensteen gelauert. Ich glaube Jolande wurde beim Getränke holen schon irgendwie beeinflusst. Vielleicht so wie unser Koch. Nachdem der oder die Mörder bei uns im Zimmer waren und wir schliefen, müssen die irgendwie aus dir herausbekommen haben, das du den Fuchs bei den Hunden versteckt hast und wollten mit Gwendares Mantel die Tiere täuschen. Aber das hat nicht funktioniert. Bardo und Cella haben die Verkleidung erkannt und den Mantel zerrissen. Der Sucher musste ohne den Fuchs fliehen und konnte irgendwie nicht über den Tag zum Zwinger zurückkehren. Das heißt, sie werden es erneut versuchen und dieses mal fürchte ich um dein Leben, Jolande. Wir müssen Jolande früher zum Träumen bekommen. Last uns zur Medica fahren und schauen ob sie schon etwas weiß und Jolande mit Tränken beim Erinnern oder beim Träumen weiterhelfen kann. Bitte, bei Boron, Frau Rian helft uns. Die Zeit läuft uns davon. Sprecht doch sonst bitte mit der Medica, ob sie nicht etwas hat, mit dem wir Jolande schneller in das Reich der Träume bekommen oder wir ihre Erinnerungen durch ihre Kunst wieder herstellen können. Ich fürchte die hereinbrechende Nacht. Uns läuft die Zeit davon. Und wir dürfen uns dieses mal nicht überrumpeln lassen.“
Bei der Medica ließ man kurz halten und fragte nach ersten Erkenntnissen. Und diese bestätigte, das Wasser und Wein mit Schlafmittel versetzt waren. Auch wollte Madara wissen, ob sie etwas Ähnliches hätte, das man erwerben könne um schnell ins Reich der Träume zu gelangen oder etwas das beim Wiedererlangen von Erinnerungen half. Des weiteren fragte sie nach Orazal Kleber , einem Antidot gegen Schlafgift oder einem Aufputschmittel und ob sie die hässliche Katzenstatuette in ihrem Schaufenster kaufen könne.
Eine Stunde vor Sonnenuntergang war man also am Anger angekommen und begab sich zur letzten Zeremonie. Madara hielt mit den beiden Hunden an der Leine die Augen offen und blieb immer in Jolandes Nähe und besah sich die nähere Umgebung, ob dort Gefahren oder Spitzel lauerten. Erst wollten sie nun jedoch Gwendare ihr Totengeleit geben. Als der Ritter bei den Vorbereitungen wieder einmal mit einer Aufgabe von der Boroni abgelenkt wurde, schlug Madara den anderen beiden Frauen vor, die echte Fuchsstatuette heimlich zwischen den Beinen der Toten, unter dem Totengewand zu verstecken und wenn möglich mit dem Orazalkleber am festen Boden zu sichern. Auch an den Seiten sollte ruhig Orazal haften, damit man die Figur nur noch am Kopf fassen konnte, ohne selber fest zu kleben. Das wollten sie der Boronie überlassen, die ungestört an der Leiche arbeiten konnte. Jolande sollte die Katzenstatuette nehmen, die nun bei schlechten Lichtverhältnissen dem Fuchs sehr ähnlich sah, nachdem Madara ihr eine Pfote abgebrochen hatte. Mal schauen ob noch Gäste zur Zeremonie auftauchten.
Madara hoffte sehr das die Geweihte anschließend doch noch Jolandes Erinnerungen wieder herstellen konnte und das sie das weiter bringen mochte, bevor sie eilends mit der Kutsche zur Pfalz hinauf eilen wollte um zur Firunsstunde am Rondratempel zu sein, um im Gebet ausharrend auf Silvanos Bericht zu warten.
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