Geschichten:Wuchernde Nesseln - Großmutters Fragen: Unterschied zwischen den Versionen

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Burg Allingsruh, Efferd 1046 BF
Wirklich hübsch geworden, dachte Brinian von Nesselregen, als er sich im Hof von Burg Allingsruh umsah. Soeben hatte er sein Ross in die Obhut eines Stallknechts gegeben und beiläufig den Willkommensbekundungen von Burgvogt Leodan von Schüpplitz gelauscht. Er erinnerte sich noch, wie schäbig und heruntergekommen der graue Kasten von einer Burg ausgesehen hatte, als er ihn das erste Mal betreten hatte. Mit etwas Geduld und den nötigen finanziellen Mitteln waren jedoch mittlerweile sowohl die Schäden des großen Fehdejahres behoben als auch die ein oder andere bauliche Erweiterung ins Werk gesetzt worden; vor allem der neue Erker mit den Bleiglasfenstern und das Wappenportal aus Steinfelder Sandstein am Palas zeugten nun vom Wohlstand und dem Selbstbewusstsein der Nesselregens. Er würde bei passender Gelegenheit ein paar schmeichelnde Worte dazu anbringen.
„Führt mich zu meiner Großmutter“, brachte der junge Ritter den Grund seines Besuchs gegenüber dem Burgvogt zum Ausdruck, welcher ihn just danach gefragt hatte.
„Hier entlang“, Schüpplitz wieselte durch die verschlungenen Gänge und Korridore voran bis in den Burggarten von Allingsruh. Dort, inmitten der sommerlichen Kräuter- und Blütenpracht saß Gunilda von Nesselregen in einem Lehnstuhl und nippte hin und wieder an einem Becher kühlen Weins, während sie mit zusammengekniffenen Augen systematisch einen Stapel Dokumente von dem Beistelltisch neben ihr durchging und auf einer bereitliegenden Wachstafel kurze Notizen griffelte.
Brinian von Nesselregen straffte sich und trat näher. Seine Großmutter hatte ihn rufen lassen und er wusste so gut wie jeder andere in der Familie, dass man sie besser nicht warten ließ. Über Gunildas Züge glitt ein geübtes Lächeln, als sie ihren Enkel erblickte und huldvoll näherwinkte: „Schön, dass du endlich da bist. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass dir etwas zugestoßen sein könnte.“
Brinian schüttelte innerlich den Kopf. Die Alte wusste ganz genau, wie lange man vom Burggrafenhof der Halsmark bis hierher brauchte. Aber Zeit war Geld und Geld schien sie nie genug zu haben. „Ach, Großmutter“, flunkerte er darum, „Mit deinem Feyello kann mein Ortho einfach nicht mithalten.“
„Augen auf beim Pferdekauf!“, mahnte die Junkerin, schob die Papiere beiseite und bot ihm den bereitstehenden Klappstuhl an. Brinian ließ sich nieder und bekam von einer herbeieilenden Dienstmagd ebenfalls einen Becher Wein gereicht. Nachdem Großmutter und Enkel angestoßen und einige weitere belanglose Höflichkeiten ausgetauscht hatten, fragte er schließlich: „Was ist es, weshalb du mich so dringend hast rufen lassen?“
Gunilda von Nesselregen antwortete mit einem fast gequält daherkommenden Lächeln: „Ich mache mir Sorgen, mein Lieber. Seit zwei Götterläufen bist du nun verheiratet und Erben sind nicht in Sicht. Natürlich frage ich mich, woran das liegen könnte, denn schließlich hängt doch so einiges davon für die Familie ab, nicht wahr?“
Daher weht also der Wind!, dachte der Ritter, dem die vertraglichen Bestimmungen seiner Eheschließung mit Ulvia von Quintian-Quintian wohl vertraut waren und fühlte angesichts des angeschlagenen verdächtig süß-leidenden Tones Unruhe in sich aufsteigen.
„Du weißt, ich bin nicht mehr die Jüngste“, fuhr Großmutter fort, als Brinian nicht sofort antwortete, „Darum, ganz im Vertrauen gefragt: Wie oft macht ihr’s denn so?“, fragte sie unvermittelt und so direkt, dass sich ihr Enkel fast am Wein verschluckte.
„Äh...“, brachte er schließlich heraus, „Immer wenn ich in Oberdommel bin.“
„Und wie oft ist das?“, bohrte die Alte unbarmherzig nach, von der ausweichenden Erklärung offenbar nicht zufriedengestellt.
Brinian spürte das Blut in den Kopf schießen. Tatsächlich hatte er seine Frau vielleicht einmal im Vierteljahr gesehen, doch um sich keine noch größere Blöße zu geben, stammelte er nun nicht ganz wahrheitsgemäß: „Vielleicht einmal im Mond? Meine Stellung am Hof in Menzelshall...“.
„Ich will mich ja nicht einmischen, aber ich wünschte, du würdest häufiger Wert auf deine Stellungen in Oberdommel legen“, meinte sie bestimmt, „Oder macht dir Ulvia etwa Probleme?“
„Nein, sie kommt ihrer ehelichen Pflicht nach und verweigert sich nicht. Aber wir sind uns einfach nicht sehr nahe“, kleidete Brinian die völlige Abwesenheit rahjagefälliger Zuneigung zwischen den beiden in beschönigende Worte.
„Manchmal klappt es mit der Minne und manchmal nicht. Zum Glück geht es auch ohne“, beschied ihm die Alte daraufhin salopp bevor sie eisern nachlegte: „Wenn es nicht am Vollzug an sich liegt, solltest du dich und deine Gemahlin mal untersuchen lassen. Im Kloster Perainsgarten gibt es für solcherlei Angelegenheiten eine Spezialistin. Zusätzlich empfehle ich eine segensbringende Spende an den Tsatempel in Hartsteen, dergleichen hat bekanntlich schon das ein oder andere Wunder gewirkt. Die Baronin von Bärenau zum Beispiel hat hinterher geworfen wie ein Karnickel. Wie viele Gören hat sie mittlerweile in die Welt gesetzt? Sieben? Acht? Ein bis zwei Kinder von dir und Ulvia würden ja schon reichen, damit Oberdommel sicher in unsere Hand kommt – alle weiteren sind ohnehin nur dazu gut, dass man sie ins Kloster steckt. Doch egal was du unternimmst, Hauptsache es trägt endlich Früchte! Oder ist das etwa zu viel verlangt?“
Brinian schüttelte ergeben den Kopf: „Nein, Großmutter.“
Auch wenn ihn die Aussicht keineswegs freute, es hatte keinen Sinn, mit der Alten zu diskutieren: Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass sie sowieso immer alles besser wusste.
„Es wäre mehr als bedauerlich, wenn wir aufgrund eines solchen Fehlers die gesamte Investition in Oberdommel abschreiben müssten; es ist kein Kleingeld, das die Familie dafür aufgewendet hat!“, beendete Gunilde von Nesselregen schließlich ihre Ansprache und der geschäftsmäßig harte Zug um ihren Mund verschwand: „Doch jetzt genug davon. Erzähl mir, wie ist jetzt die Situation in Menzelshall? Hat die Burggräfin einen neuen Favoriten...?“
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Version vom 21. August 2024, 17:17 Uhr

Burg Allingsruh, Efferd 1046 BF

Wirklich hübsch geworden, dachte Brinian von Nesselregen, als er sich im Hof von Burg Allingsruh umsah. Soeben hatte er sein Ross in die Obhut eines Stallknechts gegeben und beiläufig den Willkommensbekundungen von Burgvogt Leodan von Schüpplitz gelauscht. Er erinnerte sich noch, wie schäbig und heruntergekommen der graue Kasten von einer Burg ausgesehen hatte, als er ihn das erste Mal betreten hatte. Mit etwas Geduld und den nötigen finanziellen Mitteln waren jedoch mittlerweile sowohl die Schäden des großen Fehdejahres behoben als auch die ein oder andere bauliche Erweiterung ins Werk gesetzt worden; vor allem der neue Erker mit den Bleiglasfenstern und das Wappenportal aus Steinfelder Sandstein am Palas zeugten nun vom Wohlstand und dem Selbstbewusstsein der Nesselregens. Er würde bei passender Gelegenheit ein paar schmeichelnde Worte dazu anbringen.

„Führt mich zu meiner Großmutter“, brachte der junge Ritter den Grund seines Besuchs gegenüber dem Burgvogt zum Ausdruck, welcher ihn just danach gefragt hatte.

„Hier entlang“, Schüpplitz wieselte durch die verschlungenen Gänge und Korridore voran bis in den Burggarten von Allingsruh. Dort, inmitten der sommerlichen Kräuter- und Blütenpracht saß Gunilda von Nesselregen in einem Lehnstuhl und nippte hin und wieder an einem Becher kühlen Weins, während sie mit zusammengekniffenen Augen systematisch einen Stapel Dokumente von dem Beistelltisch neben ihr durchging und auf einer bereitliegenden Wachstafel kurze Notizen griffelte.

Brinian von Nesselregen straffte sich und trat näher. Seine Großmutter hatte ihn rufen lassen und er wusste so gut wie jeder andere in der Familie, dass man sie besser nicht warten ließ. Über Gunildas Züge glitt ein geübtes Lächeln, als sie ihren Enkel erblickte und huldvoll näherwinkte: „Schön, dass du endlich da bist. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass dir etwas zugestoßen sein könnte.“

Brinian schüttelte innerlich den Kopf. Die Alte wusste ganz genau, wie lange man vom Burggrafenhof der Halsmark bis hierher brauchte. Aber Zeit war Geld und Geld schien sie nie genug zu haben. „Ach, Großmutter“, flunkerte er darum, „Mit deinem Feyello kann mein Ortho einfach nicht mithalten.“

„Augen auf beim Pferdekauf!“, mahnte die Junkerin, schob die Papiere beiseite und bot ihm den bereitstehenden Klappstuhl an. Brinian ließ sich nieder und bekam von einer herbeieilenden Dienstmagd ebenfalls einen Becher Wein gereicht. Nachdem Großmutter und Enkel angestoßen und einige weitere belanglose Höflichkeiten ausgetauscht hatten, fragte er schließlich: „Was ist es, weshalb du mich so dringend hast rufen lassen?“

Gunilda von Nesselregen antwortete mit einem fast gequält daherkommenden Lächeln: „Ich mache mir Sorgen, mein Lieber. Seit zwei Götterläufen bist du nun verheiratet und Erben sind nicht in Sicht. Natürlich frage ich mich, woran das liegen könnte, denn schließlich hängt doch so einiges davon für die Familie ab, nicht wahr?“

Daher weht also der Wind!, dachte der Ritter, dem die vertraglichen Bestimmungen seiner Eheschließung mit Ulvia von Quintian-Quintian wohl vertraut waren und fühlte angesichts des angeschlagenen verdächtig süß-leidenden Tones Unruhe in sich aufsteigen.

„Du weißt, ich bin nicht mehr die Jüngste“, fuhr Großmutter fort, als Brinian nicht sofort antwortete, „Darum, ganz im Vertrauen gefragt: Wie oft macht ihr’s denn so?“, fragte sie unvermittelt und so direkt, dass sich ihr Enkel fast am Wein verschluckte.

„Äh...“, brachte er schließlich heraus, „Immer wenn ich in Oberdommel bin.“

„Und wie oft ist das?“, bohrte die Alte unbarmherzig nach, von der ausweichenden Erklärung offenbar nicht zufriedengestellt.

Brinian spürte das Blut in den Kopf schießen. Tatsächlich hatte er seine Frau vielleicht einmal im Vierteljahr gesehen, doch um sich keine noch größere Blöße zu geben, stammelte er nun nicht ganz wahrheitsgemäß: „Vielleicht einmal im Mond? Meine Stellung am Hof in Menzelshall...“.

„Ich will mich ja nicht einmischen, aber ich wünschte, du würdest häufiger Wert auf deine Stellungen in Oberdommel legen“, meinte sie bestimmt, „Oder macht dir Ulvia etwa Probleme?“

„Nein, sie kommt ihrer ehelichen Pflicht nach und verweigert sich nicht. Aber wir sind uns einfach nicht sehr nahe“, kleidete Brinian die völlige Abwesenheit rahjagefälliger Zuneigung zwischen den beiden in beschönigende Worte.

„Manchmal klappt es mit der Minne und manchmal nicht. Zum Glück geht es auch ohne“, beschied ihm die Alte daraufhin salopp bevor sie eisern nachlegte: „Wenn es nicht am Vollzug an sich liegt, solltest du dich und deine Gemahlin mal untersuchen lassen. Im Kloster Perainsgarten gibt es für solcherlei Angelegenheiten eine Spezialistin. Zusätzlich empfehle ich eine segensbringende Spende an den Tsatempel in Hartsteen, dergleichen hat bekanntlich schon das ein oder andere Wunder gewirkt. Die Baronin von Bärenau zum Beispiel hat hinterher geworfen wie ein Karnickel. Wie viele Gören hat sie mittlerweile in die Welt gesetzt? Sieben? Acht? Ein bis zwei Kinder von dir und Ulvia würden ja schon reichen, damit Oberdommel sicher in unsere Hand kommt – alle weiteren sind ohnehin nur dazu gut, dass man sie ins Kloster steckt. Doch egal was du unternimmst, Hauptsache es trägt endlich Früchte! Oder ist das etwa zu viel verlangt?“

Brinian schüttelte ergeben den Kopf: „Nein, Großmutter.“ Auch wenn ihn die Aussicht keineswegs freute, es hatte keinen Sinn, mit der Alten zu diskutieren: Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass sie sowieso immer alles besser wusste.

„Es wäre mehr als bedauerlich, wenn wir aufgrund eines solchen Fehlers die gesamte Investition in Oberdommel abschreiben müssten; es ist kein Kleingeld, das die Familie dafür aufgewendet hat!“, beendete Gunilde von Nesselregen schließlich ihre Ansprache und der geschäftsmäßig harte Zug um ihren Mund verschwand: „Doch jetzt genug davon. Erzähl mir, wie ist jetzt die Situation in Menzelshall? Hat die Burggräfin einen neuen Favoriten...?“



 Wappen Mittelreich.svg  Wappen Koenigreich Garetien.svg   Wappen Grafschaft Hartsteen.svg   Wappen Baronie Rabensbrueck.svg   Wappen Familie Allingen.svg  
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Texte der Hauptreihe:
Eff 1046 BF spät am Mittag
Großmutters Fragen
Unentbehrlich


Kapitel 2

Autor: Benutzer:Steinfelde