Geschichten:Die Zweifel einer Baronin - Teil 3: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 25. Juli 2008, 19:40 Uhr

Gleich am nächsten Morgen nach ihrem Gespräch mit Baldus eilte Thalionmel von Erlenstamm zu ihrer Nichte, die sich bereits zu einer Andacht in die Kappelle aufmachen wollte.

"Kind, liebe Alissa, ich möchte kurz mit dir sprechen!"

Alissa, sehr freundlich, doch still, nickte ihrer Tante zu und folgte ihr auf ihr Zimmer. Als sich beide Frauen gesetzt hatten, begann die Baronin:

"Ich weiss, mein Fehler ist, dass ich manchmal die Menschen zu wenig lobe oder damit zu lange warte. Das will ich nun wieder gut machen. Ich wollte Dir sagen, wie froh ich bin, dass Du die Sache mit Belcampo so souverän gehandhabt hast. An diesem Tag sah ich möglicherweise schon die künftige Baronin von Erlenstamm vor mir. Du hast Mut und Entschlossenheit gezeigt, das Nötige zu tun, wie unschön es auch sein mag. Du hast endgültig meine allerhöchste Achtung erlangt. Es wird Dich sicher interessieren und ist Dir sicher auch nicht entgangen, dass Du auch in der Truppe den allerhöchsten Respekt geniesst. Wir können nun viel besser an der Moral und Ausbildung der Soldaten arbeiten. Und ich bin nun auch Überzeugt, dass Du beim Prozess gegen die Rädelsführer von Oberhainen vielleicht noch mehr Respekt erlangen wirst. Alissa, ich bin so stolz auf Dich."

"Danke", murmelte Alissa, blickte ihre Tante aber mit einem traurigen Blick an. "Das bedeutet mir viel, aber ich muss meiner Aufgabe noch ein wenig weiter nachkommen. Bittet mich noch nicht, meinen Auftrag zu erläutern. Ich werde Euch alles zu gegebener Zeit erklären." Alissa machte Anstalten, sich zu erheben. "Noch eine Kleinigkeit", sagte Alissa. "Meine Tochter wird bald geboren werden. Es wäre mir angenehm, wenn ich dafür die notwendigen Vorbereitungen treffen könnte."

"Moment", entgegnete die Baronin, "von welchem 'Auftrag' redest Du da? Dass Du die Geburt Deines Kindes vorbereiten kannst, steht ausser Zweifel, aber vergiss nicht, und das wird Dich nicht hindern, Deinen Pflichten gegenüber der Baronie weiter nachzukommen, sofern es Dich körperlich nicht übermässig anstrengt. Wir müssen nun auf dem, was Du an jenem Tag auf dem Burghof eindrücklich demonstriert hast, aufbauen. Ich sehe keinen Grund, nun inne zu halten. Und wenn Du einen Grund siehst, musst Du ihn mir mitteilen, denn dann betrifft es die Baronie, und für die bin ich nun mal verantwortlich. Ausserdem bin ich Deine Tante ... Du kannst mir also vertrauen."

"Liebe Tante, ich habe Euch niemals enttäuscht, wenn es um meine Pflichten ging und auch jetzt bin ich immer dem nachgegangen, was ihr mir aufgetragen habt. Und natürlich vertraue ich euch, aber ich bitte euch, vertraut mir auch dieses eine Mal. Es betrifft nicht die Baronie, sondern allein mich. Sobald ich diesen Auftrag erfüllt habe, der Euch nicht zum Schaden ist, werde ich euch alles erklären, aber ich bitte Euch, bringt mich nicht dazu, mein Versprechen zu brechen."

Der Gesichtsausdruck der Baronin wurde ernster. "Wenn Du Dein kleines Geheimnis für Dich behalten willst, bitte. Aber Deine Arbeit darf darunter nicht leiden. Und dass dem so sein könnte, ist angesichts Deiner sehr zeitintensiven Kappellenbesuche, die selbst einem Hochgeweihten zur Ehre gereichen würden, nicht von der Hand zu weisen. Jedenfalls können wir beim sehr bald anzusetzenden Gerichtstermin in Treilin auf Dein kleines Geheimnis keine Rücksicht nehmen. Das wirst Du sicher verstehen."

Alissa sah ihre Tante mit traurigem Blick an. Sie war tatsächlich enttäuscht, dass ihre Tante Alissa so wenig Vertrauen entgegen brachte. Wenn es darum ging, dass von Alissa Loyalität verlangt wurde, folgte sie ohne zu zögern. Wenn es aber einmal um das Vertrauen in ihre Nichte ging, konnte die Baronin kaum über ihren eigenen Schatten springen. "Ich werde meinen Pflichten wie immer nachkommen, Euer Hochgeboren. Und da sich mein Auftrag beinahe erfüllt hat, wird es auch zu keinerlei Beeinträchtigungen kommen. Ich werde Euch berichten, sobald er erfüllt ist. Doch nun entschuldigt mich." Alissa stand auf und versuchte ihre Enttäuschung zu verbergen, was ihr aber überhaupt nicht gelang. Beinahe gequält blickte sie ihre Tante an, drehte sich dann um und ging.

Das Gesicht der Baronin verfinsterte sich. Wortlos aber liess sie ihre Nichte ziehen. Sie war sich nicht sicher, wie sie Alissas traurig-enttäuschtes Gesicht deuten sollte, und was es mit besagtem Geheimnis auf sich hatte. Sie war ihrerseits enttäuscht, denn in ihren Augen war es völlig klar, dass sie sich angesichts der Wesensveränderung von Alissa um ihre Pflichterfüllung sorgen musste. Das hatte mit dem normalen Vertrauen zwischen Verwandten nichts zu tun, aber das schien Alissa nicht zu verstehen. So war auch die Baronin enttäuscht.

Schliesslich, lange Zeit nachdem Alissa gegangen war, stand sie selber auf und begab sich zu Baldus und Ole, um ihnen Order für die Gerichtsverhandlung zu geben und den Termin inklusive Instruktionen an Alissa weiterzuleiten. Sie selber mochte ihre Nichte an diesem Tage nicht noch einmal sehen, wenn es nicht sein müsste.



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