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Version vom 9. September 2006, 15:32 Uhr
»War der Winter warm und mild, treibt’s der Sommer dürr und wild«
Der Tsa ist ungewöhnlich warm in diesem Jahr, die Knospen treiben schon jetzt, doch prophezeien die Wetterkundigen schon jetzt ausbleibenden Regen und dörrende Hitze.
Aus dem Collegium zur Verwaltung des kaiserlichen Notkorns und zur Aufrechterhaltung der Reinhaltungsgebote sind dieser Tage viele, viele Seufzer zu hören. Die Schreibstube dieser Unter-Unterabteilung der Allgemeinen Reichskanzlei war früher ein eigenständiger Teil der Unterkanzlei für Bürgerschutz in der Kanzlei für Reichsangelegenheiten, doch wurde sie mit vielen anderen Abteilungen des Bureaucraten-Wasserkopfes der kaiserlichen Verwaltung zusammengetan, eingedampft und abgespeckt, herumgedreht und schließlich in eine kleine Schreibstube gesteckt, in der vier Kanzleiassessoren ihren Dienst verrichten – bessere Schreiber, aber schlechter bezahlt. Das Murren über die Reformen, die unter Federführung des Reichserzkanzlers Hartuwal Gorwin vom Großen Fluß geplant und ausgeführt worden waren, ist längst verstummt. Übrig geblieben ist ein kleinerer – und zum lebhaften Erstaunen der Amtsträger auch effizienterer – Apparat, der straff organisiert ist entlang klarer Linien und Fäden, die allesamt in die Schreibstube eines Mannes und seiner engsten Mitarbeiter führen: die des Reichserzkanzlers. Übrig geblieben ist auch ein kleiner Graben innerhalb des Apparates, der sich kennzeichnet durch die Verwendung zweier unterschiedlicher Namen für die Reform. Die einen sagen »Brinsche Reichsreform«, weil ihre Grundzüge unter der Herrschaft des unglücklichen Reichsbehüters Brin festgelegt worden sind; die anderen sagen »Emersche Reichsreformen«, weil die Reform letztendlich unter der Reichsregentin Emer in die Tat umgesetzt worden sind, aber auch, weil sich diese anderen der neuen Lage angepaßt haben. Inmitten dieses Grabens sitzen wenige, die sich noch nie für eine Seite entscheiden wollten; diese sprechen diplomatisch von »Hartuwals Reformen«. Zu diesen gehört auch die Kanzleiassessorin Alwene Witkraat-Graupenkuhl, zuständig für eben das eingangs erwähnte Collegium des kaiserlichen Notkorns, das heuer wieder Seufzer produziert wie weiland kurz nach der Reform.
»Es war ein schlechtes Jahr, das 29-30er. Die Ernte war ausreichend, aber nicht immens, und die Speicher in Roßkuppel sind nur hälftig gefüllt worden. Der Winter war mild, aber die tobrischen Mäuler zahlreich, so daß nun die Speicher ganz und gar leer sind. Korn ist jetzt teuer. Brot ebenfalls. In normalen Jahren hätten wir nun die Bestände aus den Speichern verkauft – auch weil sie zu verderben drohen, nach einem Jahr der Lagerung – und damit den Kornpreis spürbar gesenkt. Dieses Jahr hingegen nicht. Das Brot weiter teuer bleiben und bis zur Ernte noch teurer werden.« Das erfuhr der Herold aus dem Mund der kundigen jungen Frau, die mit ihrem milden Herzen sicherlich auch eine vorbildliche Badilakanerin abgegeben hätte. »Die Ernte im Sommer 30-31 aber wird wohl nicht besonders gut ausfallen: ›War der Winter warm und mild, treibt’s der Sommer dürr und wild‹,«bemerkte Frau Wikraat-Graupenkuhl, indem sie eine Bauernregel aus der Goldenen Au zitierte. »Wir richten uns in Gareth auf einen heißen und trockenen Sommer ein, der die Felder zu staubigen Wüsten verwandeln wird und nur dem Adel und den Müllern die Bäuche füllen dürfte. Es kommen schlimme Zeiten. Ach was: Es sind schlimme Zeiten.«
Beten wir alle zu Mutter Peraine, daß der Ertrag der Felder unter dem sommerlichen Antlitze des Götterfürsten nicht zu Staub zerfalle, und zu den Zwölfen, daß sie sich trotz der Trockenheit auf Regen werden einigen können!