Geschichten:Verschollene Eber - Beratung mit knurrendem Magen

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Nachdem sich inzwischen einige höherrangige Edle zum vorläufigen Ablauf der Rettungsaktion geäußert hatten, hielt es Ardo von Keilholtz ä.H. für angebracht, sich ebenfalls zu Wort zu melden und erhob sich. Nicht, dass er für den Moment sonderlich bessere Vorschläge zu machen hatte, aber es konnte nie schaden als engagiert in Erinnerung zu bleiben. Langes Diskutieren und Lamentieren lag Ardo sowieso nicht sonderlich und den Prinzen schätzte er inzwischen ebenso ein. Außerdem würde bei einem schnellen Abschluss der Beratung mehr Zeit für die notwendigen Vorbereitungen bleiben.

„Mein Prinz, es muss und wird ohne Frage unser wichtigstes Ziel sein, euren Bruder und seine Gemahlin unbeschadet aus den Fängen ihrer elenden Entführer zu befreien. In diesem Raum findet sich sicherlich niemand, der nicht bereit wäre, alles dafür zu tun, was notwendig sein wird. Auch ich möchte dem Vorschlag des Rittmeisters von Reiffenberg und seiner Wohlgeboren Baron von Hundsgrab-Bugenbühl zustimmen. Für den Fall, dass es noch weitere Hinweise gibt, die wir noch nicht kennen und die uns bei der Suche helfen können, ist das Erlenschloss das logische erste Ziel. Sobald wir den Ort dieser unverfrorenen Straftat in Augenschein genommen haben, wird sich unser weiteres Vorgehen mit Sicherheit von selbst ergeben.“

Mit einer knappen Verbeugung vor der Runde der Adligen setzte sich Ardo wieder und verfolgte aufmerksam den weiteren Verlauf der Gespräche. Insbesondere interessierte ihn, was der Vertreter des in seiner Familie als verweichlicht geltenden jüngeren Hauses beizutragen hatte.

Auch Answin von Boronshof hatte den Ausführungen des Rittmeisters und seiner Nachredner mit Interesse gelauscht, beschränkte sich aber auf ein Kopfnicken, um seine Meinung zur vorgeschlagenen Reiseroute kundzutun. Dieser Weg schien ihm ebenso offensichtlich und es blieben aus seiner Sicht keine Argumente hinzuzufügen.

Die Tür zum Sitzungssaal sprang auf und ein junger Mann in den Farben der Mark trat ein. Das dunkelbraune Haar fiel ihm nass halb über das Gesicht und die ganze Haltung des Burschen zeugte davon, dass er in wichtigen Angelegenheiten unterwegs war. Beim Anblick der versammelten Edlen verhielt er aber in der Bewegung, nickte grüßend in die Runde und ging dann gemessenen Schrittes auf den Prinzen zu. Zwei kurze geflüsterte Worte, dann nickte Edelbrecht freudig und lächelte in die Runde der Edlen.

„Mein Bannerträger, Bernhelm von Dunkelsfarn-Winterweiler, richtet mir gerade aus, dass für alle hier Versammelten ein Gemach bereitet ist. Auch hat man in der Küche für alle, die verspätet ankamen, noch etwas bereitet. Wenn also sonst keine weiteren Überlegungen, unsere Besprechung betreffend, im Raum stehen sollen…“

Timokles hatte nickte über die Worte des Rittmeisters nur knapp mit dem Kopf, in Gedanken versunken. Er kannte die genannten Örtlichkeiten, jedoch hatte er nur davon gelesen in geographischen oder politischen Werken des Mittelreichs. Er freute sich schon die Residenz der Prinzen vom Kosch zu betrachten und konnte es gar nicht erwarten. Ob Urion ihn mitnehmen würde morgen früh, oder wollte er erst schauen, wozu er fähig war? So zuckte er zusammen, als sich die Tür öffnete, der Bote eintrat und er wieder in die Realität zurückgeworfen wurde. Bei der Erwähnung von Essen merkte er, wie allzu menschliche Gefühle in ihm wach wurden und er konnte ein deutliches Grummeln in seinem Magen nur schwerlich unterdrücken.

Anselm Hilberan schaute sich aufmerksam und gleichermaßen entspannt um. Er verspürte zwar keine allzu großen Hungergefühle, doch ein gemütlicher Abend mit den anwesenden Adligen vermochte durchaus einige Entspannung von den Amtsgeschäften versprechen. Die Angelegenheit um die Thronfolge war wahrhaft delikat. Sollte sich dies alles als ein Blendwerk entpuppen? ‚Nein’, dachte sich Anselm, ‚zu solch Taten würde es eher in südlicheren Gefilden kommen, doch hier in der Mark und auch im Kosch gäbe hier sicherlich nicht; ganz zu schweigen von der konträren Reputation des Prinzen. Allerdings – einfach nur etwaige Lösegeldforderungen – dies schien zu einfach zu sein.’„Von meiner Seite aus habe ich derzeit nichts gegen eine Verlagerung der Versammlung einzuwenden – auch wenn ich betonen möchte, dass mich die Frage Ihro Hochwürden durchaus beschäftigt und ich gerne darüber etwas weiter diskutieren würde.“

Urion schaute den Junker von Pechackern erfreut an. Dieser hatte ihm aus der Seele gesprochen. Mit soviel Zustimmung hatte Urion nicht gerechnet. Insbesondere bezüglich seines Vorschlages zuerst nach Erlenschloss zu reisen. Sicherlich waren die Spuren der Entführung schon verwischt. Aber Urion war sich sicher, dass allein die Untersuchung der Kutsche weitere Erkenntnisse bringen würde. Verdammt!! Er hatte sein halbes Leben damit zugebracht Streitrösser zuzureiten, Späherpferde zum Springen zu bringenn und auch Kutschenpferde auszubilden. Es musste Spuren geben, die nur ein geschulter Pferdekenner sehen konnte. Und wenn es nur die Schnittfläche an den Führstricken der Pferde waren. Und mittlerweile hatte ihn die Unrast des Prinzen angesteckt. Er wollte los.

Dennoch interessierte ihn der Hintergrund der schrecklichen Tat und er nickte dem Hundsgraber zustimmend zu.

"Der Junker hat recht, mein Prinz. Wir sollten weitere Motive in Erwägung ziehen Auch ich glaube nicht an einen dynastischen Hintergrund, aber auch nicht an eine primitive Lösegelderpressung. Was kommt noch in Betracht? Welche Feinde hat der Kosch? Könnte es Rache sein oder Beeinflussung; gar Erpressung? Stehen im Raulschen Reich gerade Entscheidungen an bei denen Euer Herr Vater oder euer Bruder ein gewichtiges Wort mitzureden hätte? Was ist mit der Ernennung der darpatischen Thronfolgerin? Welche Interessen haben die Nachbarn des Kosch? Ich denke da an Nordmarken!"

Insbesondere die letzten Gedanken hatte Urion frei gedacht. So etwas hätte er sich damals auf dem Reichskongress zu Elenvina nicht einmal zu Denken gewagt. Aber er wusste, hier in der Mark dachten viele von Stand anders.

Ardo von Keilholtz ä.H. beschloss nun doch vorerst zu schweigen. Die Diskussion begab sich jetzt vollkommen auf das Feld der Spekulationen. Um hier ernsthaft mitreden zu können ohne Gefahr zu laufen, sich der Lächerlichkeit Preis zu geben, wusste er einfach zu wenig über die politischen Ränkespiele, die unter der glänzenden Oberfläche des Hochadels gespielt wurden. Dafür war er schlicht zu gradlinig erzogen worden. Zu seinem Glück wusste Ardo das auch. ‚Wenn du keine Möglichkeit siehst anzugreifen, dann halte still und beobachte den Gegner. Irgendwann wird sich eine Lücke ergeben, in die du hineinstoßen kannst.’ Die klugen Worte seines Ausbilders in Baliho hallten in seinem Kopf wieder. Bedächtig nippte Ardo wieder an seinem Wein und beschränkte sich darauf, die Reaktionen der Anwesenden, vor allem die des Prinzen und der Geweihtenschaft, auf die zuletzt geäußerten Mutmaßungen abzuwarten.

Auch Lyeria hatte den bereits ausgesprochenen Ratschlägen des versammelten Adels wenig hinzuzufügen. Genau wie Alderich neben ihr und einige der übrigen Versammelten im Raum nickte sie zustimmend, fügte dieser Geste jedoch noch knappe Worte hinzu: „Dieses Vorgehen erscheint äußerst sinnvoll.“

Prinz Edelbrecht hatte sich ungewohnt ernst zurückgelehnt, wohl um über die Frage ein wenig nachzusinnen. Nun fasste er die Versammelten ins Auge: „Meine Freunde, egal wie ich es drehe und wende, mir fällt beim besten Willen nicht ein, was irgendjemand außer einer Stange Lösegeld fordern könnte.“ Ein resigniertes Lächeln glitt über das Gesicht des Prinzen, als er ergänzte: „Der Kosch ist schließlich nicht Eslamsgrund...“

Diese Antwort hatte Urion nicht erwartet. Seine Anspannung stieg weiter an. Jetzt würde er auf die Entscheidung des Prinzen bezüglich seines Rates warten. Er konnte jederzeit aufbrechen.

Mit dem Eintritt des Bannerträgers war Answin von Boronshof wieder zu Bewusstsein gelangt, wie sehr ihm der Magen knurrte. Und so verfolgte er die danach erneut kurz aufflammende Diskussion eher missmutig. Nicht dass es ihn nicht interessiert hätte, aus welchen Beweggründen das Paar entführt worden sein könnte - aber für solcherlei Spekulationen hatten sie noch eine ganze Reise und folglich viele Stunden im Sattel Zeit. Auch wenn er mit Erstaunen zur Kenntnis nahm, wie viele mögliche Gründe Rittmeister Urion von Reiffenberg aus dem Stehgreif aufzuzählen vermochte.

Dennoch nahm er die kurze Antwort des Prinzen eher mit Erleichterung zur Kenntnis, darauf hoffend, dass sich die Gesellschaft vertagen würde. Was die markgräfliche Küche zu dieser Stunde noch zubereitet hatte, war sicher besser als das, was es auf Boronshof zuletzt gegeben hatte - wenn man einmal von der gebratenen Brieftaube absah...

Prinz Edelbrecht seufzte noch einmal kurz, dann erhob er sich und nickte seinem Bannerträger zu. „Gut, werte Freunde. Das Ziel unserer ersten Etappe ist gesetzt, die Zeit der Abreise bestimmt, so werde ich euch alle morgen Früh wieder sehen. Wer mag, begleite uns noch in den Rittersaal, wo man ein wenig Speis und Trank bereit hält, die Übrigen mögen sich an die Dienerschaft wenden. Man wir euch zu euren Gemächern geleiten.“ Schnell leerte sich der Saal und die Gesellschaft verlief sich zu unterschiedlichen Zielen.

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