Geschichten:Grauen am Darpat - Misstrauische Gäste

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Dramatis Personae


Junkerngut Kaltengrund, 30. Ingerimm 1032 BF


Die Mutter Leomaras war in fließende Gewänder in heller Fliederfarbe gekleidet. Feine Stickereien zierten die Säume. Ein schweres Damasttuch, welches mit verschieden farbenen Garnen gewebt worden war ergänzte die schlichte elegante Robe. Ihr Haar war in der Farbe dem ihrer Tochter ähnlich. Einzig die Augen stachen in einem Blau aus dem Gesicht und besaßen keinerlei Ähnlichkeiten zu den Augen Leomaras. Ihre Gestalt war zierlicher und etwas kleiner als die von Leomara. Erstaunt nahm sie die angespannten Gesichter der Anwesenden, Abelmirs Trotzmaske und Leomaras Stellung zwischen ihm und Kain wahr. Über das ganze Gesicht lächelnd ging sie mit ausgebreiteten Armen auf den inzwischen fast panisch dreinblickenden Fachmann der Heilkunst zu.

„Mein lieber Herr Leander, welche Freude euch einmal wieder hier zu sehen. Viel zu selten führen euch eure Schritte gen Kaltengrundt. Ich hoffe das liegt nicht an mir.“ Mit gespielter Besorgnis schaute sie ihn an, zwinkerte jedoch dabei schelmisch.

„Wie froh ich bin, dass ihr euch gleich von euren Studien los reißen konntet, und hierher geeilt seid. Sicher, es ist weit unter eurem Können hier einfache Verbände anzulegen, doch tut mir den Gefallen und versorgt mir meine Gäste. Sie haben ihr Leben riskiert um uns von den Gefahren die aus der Wildermark zu uns hierher schwappen zu schützen.“

Die unerhörte Schmeichelei aus dem Mund ihrer Mutter veranlasste Leomara zu einem unterdrückten Hüsteln. Dem eitlen Gecken entlockte sie jedoch ein halbwegs geglücktes Lächeln und er beeilte sich zu seiner Tasche zu kommen, wo er nun jediglich Verbände und einen einfachen Holztigel zum Vorschein brachte.

Kor’win wurde derweil von Palinai von Isenbrunn mit beruhigenden Blicken bedacht. Sacht nahm sie ihm die merkwürdige Tinktur aus den Händen und stellte sie in sicherer Entfernung ab. Scheinbar konnte sie gut nachvollziehen, was ihn dazu angetrieben hatte derart die Fassung zu verlieren. Doch kaum dass sie dies getan hatte trat sie erneut an die hitzige Gruppe heran und hakte sich vertrauensvoll bei Leomara ein. Der Tinkturenmischer beeilte sich an ihre Seite zu kommen. War sie auch schon Mitte vierzig und sicher keine atemberaubende Schönheit, so strömte sie doch eine gewisse Vertrautheit und Ruhe aus, die ihn scheinbar besänftigt hatte.


Auch Kor’win ließ sich von Palinai vorerst besänftigen. Zwar immer noch wütend, beherrschte er sich dennoch. Ob dies auch Respekt vor der Präsenz Palinais, oder allgemein aus Respekt vor der Herrin des Hauses heraus geschah, konnte man nur schwer beurteilen.

„Aber wo denkt ihr hin, eure Gesellschaft zu genießen ist mir immer eine Ehre.“ Abelmir warf noch einige unsicher Blicke zu dem Nebachoten, der ihn so rüde behandelt hatte und immer noch mit grimmigem Blick fixierte, doch er riß sich am Riemen und ging nun merklich zaghafter zu Kain.

Selinde von Löwenhaupt- Hauberach nahm den bereitgestellten Tigel, öffnete den Propfen und roch kurz daran. „Wirselkraut, wenn ich mich nicht täusche?“ Der Medicus nickte und meinte kühl:

„Eure Nase ist erstaunlich gut.“ Die Worte der Baroness schienen etwas von Kor’wins Anspannung zu nehmen. Zumindest gewährte er, dass der Medicus sich Kain wieder nähern durfte.

Marnion beschloß noch etwas für Entspannung zu sorgen und wendete sich an die Hausherrin.

„Seid vielfach bedankt Euer Wohlgeboren, für die gastfreundliche Aufnahme in Euerem Haus und das Ihr so gütig seid uns Eueren Diener hier zur Pflege unserer Wunden zur Verfügung zu stellen. Ihr habt eine sehr tapfere Tochter, wenn ich das bemerken darf. Sie hat uns mit sicherer Hand und Umsicht durch die Fährnisse unseres kleinen Ausflugs geführt und in wahrer Treue dafür gesorgt, dass wir alle lebend den Weg zurück fanden.”

Bei seinen Worten machte der Junker eine formvollendete Verbeugung vor der Herrin des Hauses und brachte einen Handkuss an, bevor er wieder in den Kreis der Gefährten zurück trat.

Der Geweihte betrat das Zimmer. Er hatte sich einigermaßen gut erholt und mit der neuen Kleidung, dem Überwurf und seinem Schwertgehänge konnte er seinen rondrageweihten Stand entsprechen. Er verhielt sich ruhig und wollte das Gespräch nicht unterbrechen. Langsam, immer noch leicht hinkend, trat er näher.

Unswin verzog angewidert das Gesicht, auch wenn dieser Ausdruck bei seinen schweren Narben kaum zum Vorschein trat. Dieser Junker war wirklich widerwärtig durchtrieben. Die ganze Fahrt über hatte er den Sterbenden markiert, nur um am Hafen wie ein junges Fohlen wieder aufzustehen. Und hier auf dem Gutshof schienen ihn seine Verletzungen weniger zu behindern als eher anzustacheln weiteres sinnloses Süßholz zu raspeln. Sicherlich hatte Leomara ihren Teil zum Überleben der Gruppe beigetragen, aber das hier vor allen auf diese Weise breitzutreten, schmälerte in Unswins Augen eher das Geleistete. Wahrer Heldenmut brauchte keine affektierte Zurschaustellung.

„Habt dank für diese netten Worte Junker Marnion von Kelsenstein.“ Schmunzelnd musterte sie den Nebachoten und schaute wieder zu ihrer Tochter hinüber. Eine Frage lag in ihrem Blick, doch schien ihr wohl nicht der rechte Moment gekommen, um diese zu erörtern.

Völlig ruhig lächelte sie die Versammelten an und nickte auch ihrerseits Korwin zu. Dann sprach Pallinai weiter als ob nichts passiert sei.

„Dann hoffe ich, dass die Versorgung der Wunden schnell und sorgfältig wie immer von statten geht. Ich werde in der Küche sofort Bescheid geben, dass ihr hier seid. Erinnert ihr euch noch an die köstlichen kleinen Brote, die unsere Köchin mit Speck zu füllen pflegt? Bis ihr hier soweit seid, wird alles bereitet sein, dass wir im Empfangsraum wie in alten Tagen ein wenig plaudern können.“

Erleichtert nickte ihr der Mann zu.

An die anderen gewandt meinte sie, es wird in euren Räumlichkeiten eine Kleinigkeit für euch bereit stehen, und man wird euch holen, wenn wir mit meine Gatten Roderick von Isenbrunn speisen werden. Kaum war die Frau wieder aus dem Raum kehrte der gleiche Hochmut auf das Gesicht des ihnen äußerst unsympathisch wirkenden Heilers zurück.

Schnippisch meinte er: „Ich brauche Ruhe, dass hier ist kein Jahrmarkt. Bitte einer nach dem anderen. Wenn die Herrschaften vielleicht solange drüben warten wollen, ich rufe wenn der Nächste kommen kann.“

Kor’wins Augen verengten sich bei diesen Worten zu schmalen Schlitzen. Mit verschränkten Armen stellte er sich an das Fußende der Liege und sah Abelmir herausfordernd an. Seine Haltung sprach Bände. Versuch mich hier wegzubewegen und Du brauchst selbst einen Medicus.

Der Geweihte ging zu Leomara herüber. War das da vorne der Medicus? Gute Laune schien er nicht zu haben. Im ruhigen Ton sprach er. „Leomara, vielen Dank euch und eurer Familie für die Aufnahme und Versorgung.“


Nun war es Zeit diesen Quacksalber in seine Schranken zu weisen. Marnion nahm sich vor dem Mann gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, bevor es wieder zum Streit mit Kor´win kommen konnte.

„Der Gelehrte Herr soll die Ruhe bekommen, die er für seine Kunst benötigt. Bestimmt werden wir es schaffen Stille zu bewahren, solange der Gelehrte Herr ihrer bedarf um seine wohlfeile Behandlung durch zu führen. Dennoch möge er verstehen, dass die hier anwesenden Hohen Damen und Herren nach ihren gemeinsamen Abenteuer noch etwas zusammen bleiben werden. Des Weiteren mag es dem Gelehrten Herrn, mit der Erlaubnis von Ihrer Wohlgeboren von Isenbrunn, gestattet sein, sich nach den erfolgten Behandlungen zurück zu ziehen.”

Marnion liebte es nicht sich derart höfisch zu verhalten, doch wußte er nur zu gut vom Hofe des Grafen, das es nur zwei Wege gab sich eines aufmüpfigen Dieners zu entledigen. Entweder warf man ihn aus dem Fenster, oder wies ihn seinen Platz, wie es einer Person von Stande vor Praios Zierde. Eigentlich war er bei dem Quacksalber für die erste Möglichkeit, überlegte er schmunzelnd und wäre damit sicherlich nicht alleine gewesen.

Die Worte des anderen verletzten Nebachoten stimmten Abelmir, so hatte es den Anschein, milder, er schien sie von nun ab völlig zu ignorieren. Während er sich daran machte an zwei Stellen, an denen die Wundränder noch klafften nach zu nähen, begann er leise in einer Gelehrtensprache mit sich selbst zu sprechen.

Dabei entspannte sich sein Gesicht wieder, und er war völlig auf sein Tun konzentriert. Nach erstaunlich kurzer Zeit, in denen Kain nur einmal schmerzhaft aufstöhnte, als er nämlich umgebettet wurde, damit auch die rückwärtige Seite verarztet werden konnte, bat er auch schon den Nächsten zur Behandlung. Leomara hatte wohlweislich ein weit geschnittenes Hemd angezogen, dass sie nun nur etwas lüpfen musste, damit er ihre Bauchverletzung neu versorgen konnte. Die Delfinkette war an einer Stelle von dem häßlichen unsauberen Riß durchtrennt worden, doch sie hoffte, dass des Junkers Flickkunst sie nicht entstellt hatte. Wenn der Medicus überrascht war, dann zeigte er sich unbeeindruckt ob ihres Hautbildes, doch er untersuchte die Naht genau und behandelte sie erst mit Alkohol und anschließend strich er sie sorgfältig mit der Paste ab. Damit er den Verband anlegen konnte, musste sie sich allerdings hinstellen, sodass jeder die recht unschöne Verletzung kurz im Blick hatte. Auch den Rondrageweihten wollte dieser dann untersuchen.

„Habt vielen Dank, doch habe ich mich bereits um meine Wunden gekümmert“, winkte freundlich der Geweihte ab.

Der Novize wartete geduldig bis auch er an der Reihe war. Bei Leomaras Untersuchung hatte er kaum den Blick von ihr genommen und mit Erleichterung festgestellt, dass ihre Wunden offensichtlich auch auf den zweiten Blick nicht lebensbedrohlich waren. Nachdem sich der Medicus um seinen Ordenbruder gekümmert hatte trat auch Unswin vor, um sich die Wunde am Kopf reinigen zu lassen. Zwar hatte diese inzwischen von selbst aufgehört zu bluten, doch hatte er schon oft gesehen welch grässliche Auswirkungen verdreckte Wunden haben konnten. Und weil die Waffen dieser dreckigen Räuber nicht im besten Zustand waren, wollte er lieber kein Risiko eingehen.

Als letzter kam der Junker aus dem Raschtulswall an die Reihe. Der Wunde am Oberschenkel gönnte der Medici nur einem kurzen Blick, bevor er sie reinigte und neu verband. Als er aber die Eintritts- und Austrittswunde des Dolchs am Oberkörper von Marnion sah, schüttelte der Gelehrte sein Haupt, während er leise Worte in der alten Sprache der Raulschen sprach. Auch Marnion konnte erkennen, das sich die Wundränder an seiner Brust zwar fast geschlossen hatten, aber um die Wunde herum die Haut einen roten Kreis zierte. Das bedeutete nichts Gutes. Der Doktore nahm sich Zeit für seine Untersuchung. Etwas schien ihn beunruhigt zu haben. Er sparte nicht mit seiner Heilpaste, und mahnte den Kelsensteiner, jede Anstrengung zu meiden, bis er ihn wieder untersuchen würde, da seine Wunde möglicherweise malificiert sei und an einem gefährlichen Loci platziert sei. Ansonsten könne er für nichts garantieren. Marnion nickte ihm ernst zu und nahm sich vor seinen Rat zu beherzigen, auch wenn er nicht alles von dem gelehrten Geschwätz verstanden hatte.


Die Prozedur hatte sicher fast zwei Stundengläser gedauert. Der Gelehrte war sichtlich erschöpft, und dankbar endlich alle Wunden versorgt zu haben.

„Ich werde morgen die schlimmsten Verletzungen noch einmal persönlich in Augenschein nehmen.“ meinte er unbestimmt in den Raum gesprochen, bevor er sich Im Namen Peraines und der anderen Elf verabschiedete und sich entfernte.

Kor’win hatte sich derweilen neben Kain gesetzt. Der junge Nebachote saß noch mit entblößten, aber verbundenem Oberkörper am Rande des Zimmers auf einer Decke auf dem Boden und lehnte sich erschöpft an die Wand. Kain versuchte sich nichts anmerken zu lassen, immerhin waren noch Frauen anwesend, doch hatte ihn die Wunde stärker mitgenommen, als er gedacht hatte. Aufmunternd klopfte der ältere Nebachote ihm auf die Oberschenkel und fragte leise.

„Na gäht es?“ Und erhielt ein Nicken als Antwort. „Du hattest mächtiges Glick gehabt. Wieso tatäst Du das?“ Doch Kor’win wußte wieso Kain diese Art des Angriffs gewählt hatte und wieso er nicht einfach aus sicherer Entfernung mit dem Bogen die Feinde behagt hatte, weil es so gefährlicher war. Immer wieder ging Kain solche Risiken ein und Kor’win hoffte nur, dass ein Schützling alt genug wurde, um diese Lebenseinstellung eines Tages ändern zu können.


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