Geschichten:Dregos Bande - Vertrauen und Herausforderung

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Kronling, Mitte Praios 1035 BF

Unweit der Stadt Kronling, die im Schatten Gareths ein Dasein als Mietstall und Treffpunkt vor und nach Reisen fristet, hat Graf Danos seine Zelte aufgeschlagen. Die Ansammlung von Zelten wirkt wie ein Feldlager - und ist es auch. Der ›König der Ritter‹ hat zur Wallfahrt aufgerufen und erwartet hier jene, die sich im anschließen wollen. Das Lager ist gut und straff organisiert. Es gibt sogar Wachen, die Knappen umsorgen die Streitrösser. Proviant wird geschickt umverpackt, um auf den Rössern und wenigen Lastpferden mitgeführt werden zu können. Graf Danos hat höchste Beweglichkeit befohlen und gleichzeitig größte Sparsamkeit. Komfort hat keiner zu erwarten, der mit dem Reichsforster reitet. Doch dafür winken ritterliche Queste, rondragefällige Wallfahrt und nicht zuletzt großer Ruhm.

Graf Danos hat seinen Ruf im Reich durch die Eroberung der Stadt Luring durch ihn allein erneuert, weshalb nicht wenige Ritterinnen und Ritter vorstellig werden. Doch Graf Danos ist wählerisch. Er mag Prahlhanse nicht und keine Aufschneiderinnen. Am liebsten hat er seine eigenen ehemaligen Knappen dabei, die er selbst ausgebildet hat und die er kennt. Doch auch andere finden sich ein und des Grafen Billigung. Am aufgeregtesten sind freilich die Knappen, die älteren noch mehr als die jüngeren, können sie doch erwarten, den Ritterschlag ›im Felde‹ erhalten zu können!

Aber alle erhoffen sich, die nötigen Questen bestehen zu können, die ein ›König der Ritter‹ mitbringen muss: im Auftrag des Kaisers, im Auftrag des Lichtboten und im Auftrag des Schwertes der Schwerter. Dieser Zug verspricht allen Beteiligten diese Chancen - und es ist Graf Danos selbst, der am meisten hofft, in seiner Schar würdige Nachfolger für den Titel des ›Ritterkönigs‹ finden zu können.

Schmerzlich hat Danos einige seiner wichtigsten Stützen ziehen lassen - oder eben nicht. Seine Gattin Rumhilde muss den Hof zusammenhalten und darf nicht mit. Seiner Tochter Lechmin, die tränenreich gefleht hatte, hat er verboten mitzureiten. Der lange Odo muss in Luring bleiben, um das Regiment zu führen. Auch Nimmgalf braucht er in Reichsforst, nicht auf dieser Queste, was den wackeren Mann schwer getroffen hat. Und Drego? Seinen Sohn hätte Graf Danos am liebsten mitgenommen, doch diesen Gedanken als illusorisch verworfen: Drego ist zu weich für die Wildermark, zu weich für das Ritterdasein und zu unernst für eine Wallfahrt. Und Drego muss lernen zu herrschen. Deshalb hat Graf Danos die anderen zurückgelassen, damit sie nicht seine, sondern seines Sohnes Stütze sein sollten, während der Wallfahrt. Sein Sohn sollte lernen zu herrschen. Darum würde Danos ihn zum Regenten küren.

Vormittags hat Drego hier sein sollen. Der Vater weiß um den Lebenswandel seines Sohnes und will ihm nicht aufbürden, vor dem Tag aufstehen zu müssen, um am Morgen in Kronling anzukommen. Doch als Drego mit seinen Freunden das Lager der Wallfahrer erreicht, ist es nach dem Mittagessen. Die Nichte des Grafen, Maya, meldet den Sohn:

»Ritter Danos, Euer Sohn ist hier. Er hat ein paar … Freunde mitgebracht, die …«

»Was denn, Maya«, fragt Ritter Danos, der gerade mit eigener Hand sein Streitross Grandolinde striegelt.

»Die sind …«, die aufgeweckte Zwölfjährige errötet.

»Zudringlich?«

»Ja«

»Ich kümmere mich darum.« Graf Danos drückt seiner Nichte den Striegel in die Hand und begibt sich zu der Gruppe Reiter, die unschlüssig am Lagerrand steht. Es sind die üblichen Verdächtigen, die Speichellecker, Claqueure und Brandstifter, die Drego stets umgeben und für die Graf Danos nur Verachtung erübrigt.

Als der Graf sich der Gruppe nähert, löst sich Drego sofort von seinen Begleitern: »Vater, hier bin ich!«

»Um Stunden zu spät«, tadelt Danos, als er seinen schmächtigen Sohn in die Arme nimmt.

»Es tut mir Leid, Vater, wir …«

»Es interessiert mich nicht. Schick deine Bande weg, Drego. Sie sollen sich irgendwo volllaufen lassen. Wir haben zu reden.« Drego winkt seinen Begleitern zu, die sich gen Kronling wenden. Vater und Sohn begeben sich zu einem militärischen Zweimannzelt, vor dem ein kleines Kochfeuer brennt. Schafsfelle sind über Sättel gebreitet. Hier lassen sich beide nieder.

»Drego, ich werde zu ritterlicher Wallfahrt aufbrechen«, eröffnet Graf Danos das Gespräch. Der Sohn schweigt. Mochten sich beide auch nicht besonders gut kennen, Drego weiß, wann er besser den Mund zu halten hat.

»Ich rechne mit einer langen Abwesenheit. Wir werden der Königin die Wildermark befreien. Vielleicht dauert dies ein Jahr. Dann aber wird die Arbeit nicht getan sein. Wir werden gen Osten reiten und das ganze Reich befreien müssen. Ich werde jedenfalls nicht ruhen, ehe auch das gebeutelte Tobrien frei ist. Das mag Jahre dauern.«

Drego schweigt noch immer. Er versucht, den Faden nicht zu verlieren und seinem Vater zuzuhören. Das ist so schwer wie auf einem schlaffen Seil zu balancieren.

»Verstehst du, Drego. Jahre. Ich werde einen Regenten einsetzen müssen.« Graf Danos fasst bei diesen Worten die Hand seines Sohnes. »Verstehst du? Ich kann nicht so lange fort bleiben, ohne die Dinge zu regeln.«

Drego nickt, Er weiß, dass er jetzt Verständnis heucheln muss, sonst hört der Vater gar nicht auf. »Ja, ich weiß.«

»Drego, es ist an der Zeit, dass du Verantwortung lernst. Du bist mein Erbe und wirst die Zwillingssteine von Luring erben, die Führung des Hauses und der ganzen Grafschaft. Dazu hast du jetzt Gelegenheit. Ich werde Jahre weg sein, in denen du mit allem Rückhalt die Regentschaft proben kannst.«

»Danke, Vater, für das Vertrauen.«

»Danke mir nicht, Drego. Die Regentschaft wird für dich Herausforderung und Prüfung sein. Doch du wirst nicht allein sein.«

»Ich weiß«, wirft Drego unvorsichtig ein.

»Nein, Drego, deine Saufkumpane meine ich weiß-praios nicht! Ich meine jene, die auch mich stützten: Odo, Nimmgalf, deine Mutter und Ederlinde! Überhaupt: Stütze dich auf Ederlinde. Ich habe lange mit ihr gesprochen: Sie wird alles tun, dir beizustehen. Ihr seid Bruder und Schwester. Und beide Luring. Sie weiß, was zu tun ist. Ansonsten verlass dich auf Odo. Er kann Probleme beseitigen und Gegner beschwichtigen. Er weiß ebenfalls bescheid.«

»Danke, Vater. Ich werde sie fragen«, entgegnet Drego zu eilfertig,

»Das ist keine Bitte, Drego. Deine Freunde können dir nicht helfen, eine Grafschaft zu regieren. Graf zu sein! Lass sie in Gareth oder da, wo der Pfeffer wächst. Verlass dich auf echte Freunde.«

»Ja, Vater. Ich werde dich nicht enttäuschen.«

Vater und Sohn umarmen einander und reden noch weiter und klären Details. Aber sie klären nicht das Unverständnis zwischen sich, zwischen dem ›König der Ritter‹ und seinem Sohn, dem die Fußstapfen seines Vaters um Längen zu groß sind.



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18. Pra 1035 BF
Vertrauen und Herausforderung
Der Wechsel


Kapitel 3

Die gute und die schlechte Nachricht
Autor: BB