Geschichten:Ein altes Versprechen
Gallstein, Burg Mor'Tres
Die Hand mit dem Stein verharrte, als sich eine andere darauf legte um die Bewegung zum Halten zu bringen.
"Was willst du machen?"
"Ein Wurf und die Mistviecher rennen davon."
"Niemand schadet einer Katze. In ganz Gallstein nicht."
"Wer sagt denn das?"
"Es ist altes Gesetz und die Barone setzen es hart durch. Ich selbst habe mal gesehen, wie seine Hochgeboren einem Mann die Hand abschlug, weil er einen Stein nach einer Katze geworfen hatte. Willst du immer noch werfen?"
Der Angesprochene sah nach hinten und erbleichte. "Wenn man vom Bösen spricht ... Der Herr kommt." Ein kurzes, dumpfes Geräusch, dann befand sich der Stein wieder auf dem Wehrgang. Vorsichtig wurde er durch einen Fuß weiter in den Schatten geschoben.
"Was gibt es? Warum hat man mich gerufen?"
Stumm deutete der Wachhabende nach unten, während sein Kollege, dem die Lust auf Steinewerfen vollendens vergangen war, nun ebenfalls versuchte in den Schatten der Zinnen einzutauchen.
Der Baron sah über die Brüstung, direkt auf die Brücke hinab. Keine Überraschung, keine einzige Regung war in seinem Antlitz zu erkennen, doch seine Stimme war leise, sehr leise...
"Geht. Niemand soll sich hier aufhalten. Gebt Cyberian Bescheid. Er soll meine Gemahlin holen, mit ihr zum Tor kommen und nun lasst mich allein."
Der Befehl wurde umgesetzt, so das der Gallsteiner allein auf dem Wehrgang, zwischen den wuchtigen Tortürmen stand, auf denen jeweils eine Hornisse bereit war um den Tod auf die Brücke zu speien, wenn Angreifer kommen würden. Doch diesmal würden sie nicht in Betrieb genommen werden. Auf der Brücke wälzten, schnurrten und warteten Katzen. Wohl an die 50 Tiere sein, so dachte sich der Baron, doch es schienen immer noch weitere Tiere hinzu zu kommen.
Ein Nicken, dann machte sich der Gallsteiner auf den Weg. Längst war alle Farbe aus seinem, ansonsten schon blassen, Gesicht gewichen. Er sprach mit sich selbst, während er die Treppe nach unten nahm um zum Tor zu gelangen. "Ich hätte nicht gedacht, das ausgerechnet ich es erleben müsste, aber mein Bruder hätte die Zeichen nicht erkannt. Es ist eben so. Man kann sich nicht verstecken. Was versprochen wurde, muss gehalten werden."
Er öffnete die Mannsluke und als sie aufschwang, trat der Baron ohne zu Zögern auf die Brücke, wo die Katzen warteten.
Grüne, gelbe, manchmal golden, auch rote und unbestimmbar farbige Augen richteten sich auf ihn. Die pelzigen Leiber bewegten sich, umringten den Herrn von Mor´Tres, zeigten keinerlei Scheu. Schon sprang die erste Katze an ihm hoch, schlug ihre Krallen in die Hose um weiter nach oben klettern zu können. Weitere Tiere folgten dem Beispiel. Der Baron rührte sich nicht, auch nicht, als ein großer schwarzer Kater mit goldenen Augen, seine Fänge in die rechte Hand des Gallsteiners schlug. Tief drangen die spitzen Zähne in das Fleisch ein.
"Wie es geschworen wurde, so soll es sein. Ein Wort für das andere, durch Blut gezeichnet. Schutz gegen Schutz. So war es, so wird es sein. Wir haben es nicht vergessen und sind bereit zu unserem Wort zu stehen."
Der Kater ließ ab vom Baron, sprang zu Boden und lief weg. Ihm folgten nach und nach alle anderen Katzen. Laut schnurrend zogen sie ab, so als wären sie tief zufrieden mit dem, was sie erreicht hatten.
Zum Schluss stand der Gallsteiner alleine auf der Brücke. Langsam hob er seine Hand, betrachtete sie, als würde er sie zum ersten Mal sehen. Fein rann das Blut herab. Um die Bißstellen herum war das Fleisch bläulich verfärbt und feine Äderchen in der gleichen Farbe zogen sich unter der Haut dahin.
Es würde also beginnen. Er hätte es wissen müssen, wenigstens in dem Augenblick, als dieser alte, blinde Nebachote, der weise Mann, die Vision von fallenden Greifen hatte. Die alte Ordnung würde vergehen, oder wieder neu erstehen, je nachdem, wie man es sehen wollte. Wie auch immer. Es würde Blut fließen. Viel Blut.
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