Geschichten:Vertraute der Krone - Cantzlers Vertraute

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Anwesende:

Im Zedernkabinett, Anfang Firun 1038 BF

»Fridega, Du wirst für mich nach Bogenbrück gehen. Sei meine Augen und meine Ohren«, schärfte Horulf ihr ein. »Ich kann nicht selbst auf die Burg gehen: Erstens muss ich nach Elenvina - ginge auch wann anders, passt aber im Tsa, wenn die Pässe wieder gangbar sind. Zweitens bin ich kein Kerkermeister - ich befrage keine Gefangenen. Drittens wollen wir etwas über Haffax und seine Gefolgsleute herausfinden - da schadet es nur, wenn Hierarchien anwesend sind. das Charmante an diesen Vertrauten der Krone ist doch, dass ihr Stand weniger wichtig ist als die Nähe zum Königshaus: Ob Edler oder Burggraf, die Krone vertraut dem Einzelnen, ob hoch, ob niedrig (Hauptsache adlig). Und viertens interessieren wir uns auch für die, denen wir vertrauen, obwohl wir ihnen nicht vertrauen sollten. Die finden wir auch besser, wenn die Hierarchie abwesend ist. Kurzum: ich fehle besser. ich könnte auch noch sechstens anfügen: Haffax hängt mir zum Aug heraus. Der hat uns jetzt so viel Zeit gekostet, dass ihm eigentlich nichts mehr gelingen kann. Also: Fidega. Augen und Ohren.«

»Nicht auch Hirn?«, fragte Fridega schnippisch nach.

»Nein, das brauche ich selbst. versucht es mit weiblichen Reizen.« Horulf war nicht zum Scherzen aufgelegt. Dennoch kicherte Gerobald von Ruchin kurz, ehe Fridegas Blick ihn zum Schweigen brachte.

»Ruchin, Ihr haltet in Gareth die Stellung. Vielleicht gelingt es Euch, dem Stab des Heerbannes etwas näher zu kommen. Isppernberg?«

Gleichzeitig sagten Fridega von Isppernberg und ihr Vater Marbert: »ja?«

»Nein, Isppernberg, der Ältere. Euch hätte ich gern in Nattergrund, nehmt ein paar gute Leute mit, die sich auf grobe Feierlichkeiten verstehen. Eychgras - Ihr bleibt in der Satdt Hartsteen, ebenfalls mit Eskorte. Wir wollen vorsichtig sein - denn Fridega ist auf Bogenbrück auf sich gestellt.« Horulf wirkte ernst.

»Unter all den verlässlichen Freunden nicht sicher?«, fragte Ruchin spitzfindig nach.

»Sicher ist sicher. Nennt es Misstrauen oder wie immer Ihr wollt.« Horulf trank aus seinem Pokal, dann an Fridega gewandt: »Ist die Drossel da?«

»Ja, der andre auch …«, antwortete Fridega.

»Gut, sollen reinkommen.«

Turda Fuxfell baute sich selbstbewusst vor dem kleinen Kreis auf. Sie hatte ihr rotbraunes Haar im Nacken verknotet, trug zweckmäßige, unauffällige Kleidung und geschmeidige Handschuhe und Stiefel. Sie hätte alles darstellen können - von der Kutscherin über die Phexgeweihte bis zur Marktschreierin. Neben ihr stand, sie weit überragend, ein leicht gerüsteter Krieger mit breiter Brust und kurzem Hals, schmalen Lippen und kleinen Augen.

»Exzellenz«, hob Turda an, »ich kann kurz berichten, was ich und die anderen Herrschaften hier zusammengetragen haben?«

»Mach’s kurz. Nur das neueste«, gab Horulf zurück.

»Die Garether haben sich für Veriya von Gareth entschieden. Storkos ›Turmkabinett‹ hat vor drei Nächten getagt. Die Herren Alarich und Gerwulf waren ebenfalls zugegen. Damit schicken die Garether niemanden von großer Bedeutung.« Turda unterbrach sich, weil Ruchin eine fragende Bewegung gemacht hatte: »Die Garether?«

»Das Haus Gareth«, antwortete Fridega, »mein Spezialthema: Das Haus Gareth hat sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr als politische Partei profiliert, Es nutzt die Bedrohung durch Haffax, um seine Ansichten über die Reichsführung durchzusetzen - gegen die großen Familien, gegen die Provinzen, gegen die Ochsenbluter Urkunde. Hochzeit Paligan, Hartuwal ermordet, Alarich Reichserzkanzler - seitdem spulen die eine klare machtpolitische Agenda ab.« Horulf nickte seiner Schreiberin anerkennend zu, wie man einem Hund begegnet, der seine Kunststücke gut gelernt hat.«

»Ah«, machte Ruchin, dessen Stärke auf anderem Bereich lag.

»Barnhelms Lager ist wie immer undurchschaubar«, setzte Turda fort - und zu Ruchin gewandt: »Barnhelm kann für das Haus Rabenmund ja nicht mehr viel gewinnen. Der darpatische Zweig hat seit der Hochzeit mit Bregelsaum offenbar alle ehrgeizigen Ziele auf einmal über Bord geworfen. Für Barnhelm kann es also nur noch um ihn selbst gehen. Aber zu welchem dauerhaften Zweck ist unklar. Er kann sehr ritterlich und aristokratisch argumentieren - so dürfte er auch Lanzeslaus von Ruchin, Euren Vetter, Herre Gerobald, in sein Lager gelockt haben. Und manch anderen.«

Horulf ergänzte: »Wisst Ihr schon, wen auf Bogenbrück wir Barnhelm zuzurechnen haben?«

Turda schüttelte den Kopf: »Orelan von Leuenwald vielleicht, wenn er da ist? Vielleicht auch ein anderer Kaisermärker? Es könnte auch irgendjemand aus dem Dunstkreis Schroeckhs sein.«

»Schroeckh?«, fragte Ruchin.

»Barnhelms Kreatur, ganz sicher«, entgegnete Horulf barsch.

»Was die Interessen der Alten Häuser betrifft, Exzellenz, so solltet Ihr dies am besten wissen.«

»In der Tat. Da bedauerlicherweise mein gräflicher Vetter gedanklich praktisch wieder auf Heerfahrt ist und Luidor von Hartsteen seinem Fieber frönt, sind die Alten Häuser nicht untätig - über die Provinzgrenzen hinweg. Denn immerhin haben die Provinzherren ein Interesse daran, dass die alte Ordnung bestehen bleibt, also die Privilegien, die durch die Ochsenbluter Urkunde gewährt wurden. Ich glaube, ich habe einen alten Fuchs im Politikgeschäft überzeugen können, auf Bogenbrück die Haffax-Anhänger mit den richtigen, also unseren Fragen zu konfrontieren. Einen Wüstenfuchs sozusagen«, Horulf lachte unangenehm keckernd, »einen aranischen.«

»Bleiben noch die jungen Häuser und die Bürgerlichen, Exzellenz«, fuhr Turda Fuxfell fort. »Das sind die, denen wir grundsätzlich eine gedankliche Nähe zu Haffax unterstellen müssen. Leistungsadel und so weiter, Halscher Neuadel, kommerzielle Interessen. Persönlichkeiten wie Parinor von Borstenfeld …«

Horulf prustete: »Persönlichkeiten? Vögel! Schranzen! Blutegel!«

»Borstenfeld jedenfalls. Ihre Hochgeboren, die Brotmeisterin, hat hier ihr Augenmerk drauf gehabt.« Turda übergab an Treumunde von Eychgras: »Haffax zeigt, dass Erfolg nicht davon abhängt, ob man das richtige Wappen trägt oder sich höfisch benehmen kann, erst recht nicht von der Großmutter oder dem Titel, mit dem man sich schmücken kann; sondern Erfolg hängt davon ab, was jeder einzelne selbst in die Waagschale werfen kann. Was uns hier erwartet, ist schwer zu sagen. Vielen von denen, die Ihr ›Vertraute der Krone‹ nennt, könnten dieser politischen Richtung anhängen.«

»Sei’s drum. Wir werden uns noch schlauer machen.« Horulf raffte seien Papiere zusammen. »Noch Fragen?«

»Ja«, meldete sich Turda Fuxfell. »Was macht der hier?« Sie deutete auf den Mann neben ihr, der die ganze Zeit keine Miene bewegt hatte.

»Ein Auftrag in Perricum«, antwortete Horulf.

»Bei allem Respekt, Eure Exzellenz«, protestierte Turda, »dieser Mann ist ein Mörder und Verbrecher. Er hat gemeinsame Sache mit diesem Conserrano aus Gallstein gemacht und ist ein Bruder eines Greifenfurter Pulethaners. Er ist nicht vertrauenswürdig.«

»Das sagt Ihr, während er neben Euch steht?«, wunderte sich Treumunde.

»Phh …, ich weiß, was ich kann«, entgegnete Turda selbstbewusst.

»Quendan von Ahrenstedt hat schon in der Vergangenheit einige … Aufträge für mich erledigt. Ich vertraue ihm voll und ganz«, sagte Horulf, ›solange ich genug bezahle‹. »Jüngst hat er den plötzlichen Tod des Kanzleirates Quinn von Rossenrück … untersucht. Und diesmal hat er den Auftrag, einen Verräter in Perricum zu fangen. Der heißt nicht Kollberg, obwohl manche das denken. Ahrenstedt hingegen soll einen Unsichtbaren finden.«

Ahrenstedt verbeugte sich spöttisch.