Benutzer:Robert O./Briefspiel

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Auf dem Holzweg - Gebotene Eile

Mitte Praios 1041 BF, Kressenburg

Die kleine Keilholtzer Reisegruppe war schnell vorangekommen. Neben Baron Ardo, seinem Vater Wulfhart und dem entfernten Vetter Unswin, bestand sie noch aus den diversen Knappen und Pagen der hohen Herren. Sie hatten von Gareth aus den Weg durch Waldstein, den Elfenpfad, gewählt. Ardo war vor allem neugierig, wie weit die bauliche Instandsetzung dieses Handelsweges auf der garetischen Seite fortgeschritten war. Die elfische Gräfin hatte sich damals sehr entschieden gegen den weiteren Ausbau ausgesprochen, was den hochfliegenden Plänen des Waldsteiner Adels und den angrenzenden Greifenfurter Baronen etwas den Wind aus den Segeln genommen hatte. So stimmte es Ardo sehr froh zu sehen, dass die Waldsteiner Edlen sich unter dem Einfluss Leomars von Zweifelsfels doch mehrheitlich gegen den Wunsch ihrer Gräfin zu stellen schienen und das einzig Richtige taten, was den Handel in dieser Region voranzubringen vermochte. Der Karrenweg Richtung Greifenfurt war an vielen Orten verbreitert und stellenweise gar mit Feldsteinen befestigt worden. Auch zwei neue Gasthäuser waren dem Kressenburger aufgefallen, die bei seiner letzten Durchreise noch nicht fertig gestellt gewesen waren. Auch das letzte Teilstück durch das Gebiet der Junker von Hagenbronn war trotz der schwelenden Feindschaft friedlich verlaufen. Drei gut gerüstete Ritter samt ihrem Gefolge schüchterten die Büttel genug ein, dass sie sich diesmal kaum mehr als ein paar unfreundliche Blicke und ein mürrischen Knurren gewagt hatten. So war die Heimreise vom Kaiserturnier in Gareth deutlich angenehmer gewesen, als Baron Ardo es erwartet hatte.

Im heimatlichen Kressenburg öffneten sich schnell alle Tore vor ihnen. Ardo merkte vor allem am Baufortschritt des Praios-Tempels, dass er schon wieder für mehrere Monde fern seines Lehens gewesen war. Die üblichen Schuldgefühle überkamen ihn und zum wiederholten Male nahm er sich vor, in Zukunft deutlich mehr Zeit bei seiner Gemahlin und den Kindern zu verbringen. Sie waren auch kaum auf den Burghof geritten und von den Pferden gestiegen, als eine kleine lärmende Kleinkinderschar aus den Stallungen stürmte und sie umringte. Kurz danach traten zwei jungen Edeldamen dazu. Die eine zierlich von Gestalt und von fast elfenhafter Anmut. Die andere nicht minder schön, doch von eher muskulöser Statur, der man die Kriegerin auf eine halbe Meile Entfernung ansah, die zudem einen etwa fünf Monde alten Säugling auf dem Arm hielt.

Noch bevor Wulfhart und Ardo ihre Gemahlinnen begrüßen konnten, trat eine dritte, noch etwas jüngere Frau dazu, gewappnet und in den Farben der Mark gewandet. Das eher gezwungene Lächeln, das sie zur Schau stellte als sie Ardo sah, sagte dem Baron, dass seine Tante nicht auf einen Freundschaftsbesuch vorbeigekommen war. Nachdem sich der größte Trubel des Willkommens gelegt hatte, nahm die Ritterin der Mark den Baron dann auch kurz zur Seite, um ihre Botschaft los zu werden.

„Die Greifin wünscht dich umgehend zu sehen, Neffe! Ich weiß, du bist gerade erst heimgekehrt, aber es wird das Beste sein, du lässt dein Pferd sofort wieder satteln und begleitest mich jetzt sofort, damit wir noch vor Sonnenuntergang in der Residenz sein können.“

Düstere Schatten

Düstere Schatten - Roter Schnee

Kressenforst, Baronie Kressenburg, Tsa 1037 BF

Weilands Familie stellte bereits seit Generationen die Forstmeister im herrschaftlichen Forst von Kressenburg. Seit sein Vater vor wenigen Wochen durch Fieber und Kälte geschwächt zu Boron gerufen worden war, hatte er die Aufsicht über die fünfzehn Dutzend Rückpferde, sowie die fünf Dutzend Holzfäller und Köhler übernommen. Bis zum Tode des Vaters war er selbst jeden Tag mit in den Wald gezogen und hatte als Gespannführer die großen Stämme aus dem Wald geborgen.

Weiland kannte seine Leute und wusste an diesem Abend sofort, dass etwas nicht stimmte. In einer großen Gruppe standen die zurückgekehrten Holzfäller am Waldrand zusammen und diskutierten aufgeregt. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie Weiland, während er sich noch von einem Köhler über den Zustand der Kohlemeiler unterrichten ließ. Schließlich entließ er den Mann und ging zu den Holzfällern hinüber. Die Gruppe teilte sich und ließ ihn in ihre Mitte. Betretenes Schweigen empfing ihn. Offensichtlich wollte keiner zuerst das Wort an ihn richten. Sein Blick fiel auf Irmentrud, die erfahrenste der Gespannführer und Vorarbeiterin der Holzfäller.

„Was gibt es? Ist etwas vorgefallen von dem ich wissen sollte?“

Unbehaglich die Hände ringend trat die breitschultrige Frau einen halben Schritt vor.

„Nun Weiland, es ist so, dass wir noch ein Gespann vermissen. Du weißt, dass wir uns immer hier treffen, wenn die Praiosscheibe hinter den Hügeln versinkt. Jetzt ist es inzwischen fast völlig dunkel und wir haben noch immer kein Zeichen von Herdbald und den anderen.“

„Herdbalds Truppe sagst du? Die waren doch für die südwestlichste Ecke des Forstes eingeteilt. Vier Leute, zwei Pferde, um den alten Saumpfad wieder gangbar zu machen. Können sie sich nicht einfach verspätet haben?“

„Das wollen wir auch gerne glauben. Aber du weißt selbst am besten, dass keiner freiwillig nach Einbruch der Dunkelheit im Wald bleibt. Schon gar nicht so tief drinnen.“

Nachdenklich fuhr sich Weiland durch den dichten blonden Vollbart. Es geschah schon dann und wann, dass sich ein junger Bursche oder ein junges Mädel im Wald von seinem Gespann absetzte, um im nahen Greifenfurt sein Glück zu versuchen. Doch das ein komplettes Gespann verschwand, noch dazu mitten im Winter, davon war ihm noch nie zu Ohren gekommen. Gerade der alte Herdbald hätte nie seine Familie zurückgelassen. Irgendetwas stimmte hier nicht. Der Forstmeister blickte im schwindenden Licht noch einmal prüfend zum Waldrand, bevor er seine Entscheidung fällte.

„Geht jetzt nach Hause. Heute können wir nichts mehr tun. Wenn Herdbald und seine Leute bis zum Morgengrauen nicht auftauchen, werde ich mit dir, Irmentrud, und deinem Gespann den alten Saumpfad abgehen. Vielleicht hatten sie einen Unfall und warten nun auf Hilfe.“

Trenner Greifenfurt.svg

Am nächsten Morgen stapften fünf dick vermummte Gestalten unter Weilands Führung durch den winterlichen Forst. Sie folgten dem kaum erkennbaren Pfad nach Südwesten, immer tiefer in diesen Ausläufer des Reichforstes hinein. Der Wind hatte über Nacht aufgefrischt und die meisten Spuren des Vortages verwischt. Doch zeigte hin und wieder der tiefe Abdruck schwerer Stiefel in einer Schneewehen, dass die Suchenden auf dem richtigen Weg waren. Fast zwei Stunden lang kämpften sie sich durch den Schnee und hatten noch immer keine Spur von den vermissten Holzfällern gefunden.

Gerade als der Forstmeister die Suche aufgeben wollte, hörte er wenige Schritte hinter sich Irmentrud lauthals fluchen. Weiland drehte sich um und sah, dass die Frau über etwas in einer Schneewehe gestolpert sein musste. Während er noch zurückstapfte, hatten es die anderen plötzlich sehr eilig von der Wehe wegzukommen, während sie hastig das Praioszeichen zum Schutz gegen Böses vor sich in die Luft zeichneten. Der junge Forstmeister trat langsam zwischen seine Leute und tat es ihnen sogleich nach, als er sah was sie entdeckt hatten.

Dort wo die alte Irmentrud gestolpert war, war die Schneewehe aufgebrochen und unter der blütenweißen Oberfläche zeigte sich blutroter Schnee. Inmitten des großen roten Flecks lag indes der große Kopf eines der Rückenpferde und schien die wie gebannt blickende Gruppe aus seinen toten Augen anzustarren. Weiland hatte bereits Kadaver von Tieren gesehen, die von Wölfen oder Bären gefressen worden waren, aber das hier war anders. Die Halswirbel waren zermalmt, doch ansonsten schien der Kopf unversehrt zu sein. Der Forstmeister trat nahe heran um die Wundränder genau zu begutachten und irgendwie drängte sich ihm der Gedanke auf, dass der Kopf mit einem einzigen mächtigen Biss vom Rumpf getrennt worden sein musste. Was auch immer das Kaltblut getötet hatte, musste riesenhaft groß gewesen sein.

Weiland unterdrückte einen Schauer und weiß seine Leute an die nähere Umgebung abzusuchen. Nach einer halben Stunde hatten sie kaum fünfzig Schritt entfernt hinter einer dichten Dornenhecke, einen ausgeweideten kopflosen Pferdekadaver gefunden, dazu mehrere blutverschmierte Lumpen, die einmal wärmende Winterkleidung gewesen sein mochten. Aus einem der Kleidungsstücke fischte der Forstmeister ein kleines Bernsteinamulett, welches er und Irmentrud zeitgleich wieder erkannten.

„Das hat Herdbald gehört“, murmelte die Alte unbehaglich. Weiland nickte nur grimmig. Was auch immer das Pferd zerfleischt hatte, hatte offensichtlich auch die ganze Gruppe der Holzfäller erwischt. Doch er konnte sich beim besten Willen kein Tier vorstellen, dass solche Kraft und Grausamkeit an den Tag legte. Irgendetwas Widernatürliches ging hier vor sich und er fühlte sich plötzlich sehr klein und verletzlich.

„Ich denke wir können die Suche hier abbrechen. Unsere Freunde werden wir wohl erst in Borons Hallen wieder sehen. Wir sollten Vögtin Wolfhilde bescheid geben, damit sie oder der Herr Baron sich darum kümmern kann. Das hier übersteigt alles was ich je gesehen habe.“ Er deutete auf das kleine blutige Bündel Kleidung. „Nehmt die Sachen mit. Wenn wir schon unsere Freunde nicht lebend gefunden haben, so sollen ihre Familien doch zumindest nicht im Ungewissen über ihr Schicksal bleiben.“

Hastig klaubten sie zusammen was sie gefunden hatten, banden es in einen sauberen Umhang und machten sich auf den Heimweg. Die alte Irmentrud ging voran, der Forstmeister bildete die Nachhut. Immer wieder blickten sich alle furchtsam um und hetzten fast im Laufschritt zurück gen Kressenforst. Erst als zwischen dem lichter werdenden Unterholz die Hütten ihres Dorfes auftauchten, wagten es die Männer und Frauen langsamer zu gehen. Erst einige Dutzend Schritt nachdem sie die letzten Bäume hinter sich gelassen hatten, wagte Weiland stehen zu bleiben und sich umzudrehen. Die ganze Zeit hatte er nichts gehört und nichts gesehen, doch war es ihm als blicke der Wald mit kalten toten Augen zurück. Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken hinauf. Er schüttelte sich und eilte sich seinen Gefährten zu folgen.

Düstere Schatten - Löchriger Strauch

Weiler Greifenwehr, Baronie Kressenburg, Ende Efferd 1038 BF

"Alrik! Alrik, komm hier herüber! Das wirst du nicht glauben!"

Der Dorfvorsteher von Greifenwehr eilte sich voller Sorge die zwanzig Schritt aufzuholen, die Gerlinde ihm vorausgegangen war.

"Was hast du gefunden? Stimmt etwas nicht?" Ein wenig außer Puste von dem kurzen Sprint kam er neben der jungen Frau zum Stehen. Tatsächlich verschlug ihm der Anblick der sich ihm bot die Sprache.

"Was sagst du dazu Alrik? Das sieht aus, als wäre eine Rotte Rieseneber durch die Hainbuchen gegangen."

"Rieseneber? Das müssten verdammt große Eber gewesen sein. Eine wütende Herde Auerochsen würde wohl eher passen."

Kopfschüttelnd schritt Alrik durch die niedergetrampelten Reste der jungen Bäume. In den vier Götterläufen die sie die Pflanzung der Wehrhecke nun schon beaufsichtigten, hatten sie nicht mit mehr als Wildverbiss oder Schäden durch fegende Hirsche zu tun gehabt. Jetzt aber war die fünfzig Schritt tiefe Pflanzung auf einer Breite von zwanzig Schritt komplett verwüstet. Irgendetwas wirklich Großes musste hier durchgekommen sein. Die jungen Bäume waren niedergedrückt, meist zersplittert, als habe ein mächtiger Windstoß sie beiseite gefegt. Der Boden war tief und nass von den Regenfällen der letzten Wochen und es gab viele Spuren. Schwere Stiefel hatten ihre Abdrücke hinterlassen, genau wie beschlagene Pferdehufe. Wer hier durchgekommen war, musste entweder schwer beladen oder schwer gerüstet gewesen sein.

"Gerline, das hier war doch eine offene Lichtung gewesen bis wir mit der Pflanzung begonnen haben, richtig."

"Ja, hier war auch ein Wildwechsel. Aber der Herr Baron hatte wohl immer den Verdacht, dass dies hier auch ein Schmugglerweg sein könnte."

Nachdenklich nickend schritt Alrik weiter durch die verwüsteten Hainbuchen. Dabei kamen ihm die zwei Söldner in den Sinn die vor ein paar Tagen im Dorf gewesen waren und sich nach seinem Vater erkundigt hatten. Der hatte in besseren Zeiten in der Adlergarde gedient, war aber in den Wirren der Hartsteener Grafenfehde einem Schwert zum Opfer gefallen. Eine merkwürdige Spur ließ ihn stocken. Er kniete sich nieder und fuhr mit den Fingern die Linien im Waldboden nach. Waren das Abdrücke von Schuppen? Aber so groß, mussten die eigentlich von einer Rüstung, einem Schuppenpanzer, stammen. Dennoch war die Struktur der Schupppen im nassen schwarzbraunen Waldboden so natürlich wie die einer Natter oder Eidechse, nur ebend um ein Vielfaches größer. Kopfschüttelnd seufzend erhob sich Alrik und wandte sich zurück zu Gerline, die auf dem Saumpfad gewartet hatte.

"Zumindest hat es offensichtlich jemandem nicht gefallen, diesen Weg versperrt vorzufinden. Lass uns umkehren. Wir müssen wohl in Sankt Therbûn nach neuen Setzlingen für das Frühjahr anfragen. Außerdem muss ich dem Herrn Baron umgehend Bericht erstatten. Das hier wird er wissen wollen."

Keilholtzer Neuordnung

Geordnete Verhältnisse

Ich, Ardo von Keilholtz ä.H., Baron zu Kressenburg, verfüge Folgendes als meinen letzten Willen:
 
 
 
 
1. Als Erbe der Baronswürde bestimme ich meinen Vater Wulfhelm von Keilholtz.

2. Ihm nachfolgen soll mein Erstgeborener Answin Shazar. Sollte dieser sein Erbe nach dem Willen der Zwölfen nicht antreten können, so bestimme ich an seiner Statt eines meiner nachgeborenen Kinder in der Reihenfolge ihrer Geburt.
3. Sollte nach der Götter Willen keines meiner Kinder das Erbe antreten können, so bestimme ich meine Geschwister aus der ersten Ehe meines Vaters in der Reihenfolge ihrer Geburt, mir nachzufolgen. Bedingung dafür sei, dass sie und ihre Nachkommen den Namen der Familie Keilholtz fortführen.
4. Sollte nach der Götter Willen keines meiner genannten Geschwister das Erbe antreten können, so bestimme ich die Geschwister meines Vaters und ihre Nachkommen in der Reihenfolge ihrer Geburt. Bedingung dafür sei, dass sie und ihre Nachkommen den Namen der Familie Keilholtz fortführen.
5. Sollte es dem Herrn Boron gefallen mich und meinen Vater zu sich rufen, bevor mein rechtmäßiger Erbe die Mündigkeit erreicht, so bestimme ich meine Gemahlin Praiadne Leuinherz Keilholtz zur Verweserin der Baronie Kressenburg, bis mein Erbe dieses antreten kann.
6. Meiner Gemahlin Praiadne Leuinherz Keilholtz sei das Edlengut Greifenwehr bis zu ihrem Tode als Wittibengut zugesprochen, auf das es ihr im Leben an nichts mangele.
7. Meine derischen Besitztümer vermache ich meinem rechtmäßigen Erben, ausgenommen der nachfolgend genannten.
8. Aus meiner Privatschatulle erhält die Praioskirche Zwölf mal Zwölf Dukaten um den Bau des neuen Kressenburger Tempels voranzutreiben.
9. Meine Gemahlin Praiadne Leuinherz Keilholtz erhält mein Gebetsbüchlein, auf das es ihr in dunklen Stunden Trost spende.
10. Mein Bruder Firnward von Keilholtz erhält mein Schwert Orkentod.
11. Meine Knappin Mechthild von Kieselholm erhält mein Streitross Boromil. Sollte das treue Tier mit mir verstorben sein, so erhält sie ein Streitross aus der Zucht des Märkischen Marstalls.
12. Es ist mein Wunsch und Wille in der Krypta des Praios-Tempels Sankt Garafan vor dem Tore zu Kressenburg meine letzte Ruhestatt zu finden. Dieselbe soll sein die Grablege meiner Familie auf immerdar.

Gegeben am 1. Tag des Herrn Phex anno domini 1037 nach Bosparans Fall
 
 
 
 
Gesiegelt und bezeugt

Badilak von Praiostann
Ardo von Keilholtz ä.H.

Praiomel von Kieselholm

Zwei auf einen Streich

Praiadne erfährt, dass sie Zwillinge erwartet. (ING 1037)

Ein Ritter in der Not

Praios 1035 BF

Auf dem Elfenpfad firunwärts von Kressenburg

„Hainrich! Die bist und bleibst ein unnützer Tölpel!“ Heiltrud von Budenhog funkelte ihren Kutscher wütend an. Sie mochte nicht groß von Statur sein und seit dem Banditenüberfall im letzten Götterlauf nur noch eine Hand haben, doch in ihrem Zorn flößte die hagere Endvierzigerin dem baumlangen Leibeigenen gehörig Angst ein. Mit gesenktem Kopf, seine Filzmütze zerknirscht in den Händen windend, stand er da und ließ die Standpauke über sich ergehen. „Erst fährst du die Kutsche zu Bruch und nun warten wir schon eine geschlagene Stunde, dass es endlich weitergeht. Glaubst du wir wollen die drei Meilen bis zur Stadt zu Fuß gehen?“

„Aber Mutter.“ Zögernd doch vernehmlich meldete sich eine zarte Stimme aus dem Inneren der Kutsche. „Die Jolande hat doch gescheut weil die Rotte Wildschweine vor uns über den Weg gelaufen kam. Dafür kann der Hainrich doch nichts. Er hat es immerhin geschafft die zerbrochenen Speichen zu reparieren.“

Verächtlich stieß Heiltrud die Reitgerte gegen die Kutschwand. „Das bringt uns überhaupt nichts, wenn er das Rad nicht wieder auf die Achse bekommt!“

„Bitte, hohe Dame, wenn Ihr Eurer Tochter erlauben würdet auszusteigen, dann könnte ich das schaffen…“ Der Zuspruch von ungewohnter Stelle ließ den Mann wider besseren Wissens ungefragt sprechen.

„Nein!“ Scharf zischte die Reitpeitsche und traf den Kutscher an der Schulter. „Sie wird sich wegen deiner Unfähigkeit nicht ihr Praiostagsgewand besudeln oder sich jetzt zur Mittagszeit dieser Hitze aussetzen. Überleg dir etwas, aber mach schnell!“

„Mutter?“ Ulmia hatte die Gardine im Inneren der Kutsche beiseite geschoben um sich selbst ein Bild von den Reparaturen zu machen. „Dort hinten auf dem Hügel kommen zwei Reiter. Vielleicht können die uns helfen.“

„Zurück in die Kutsche, Kind!“ Hastig fuchtelte Heiltrud mit ihrem Stecken. „Wer weiß ob es nicht wieder Raubgesindel ist. Einer alten Schachtel wie mir werden sie schon nichts anhaben, aber wenn sie dich erblicken ist es um dich geschehen.“

Die Reiter die das Mädchen entdeckt hatte kamen schnell näher. Während sich Hainrich schützend vor das Fenster der Kutsche stellte und die Gardine fürsorglich zuzog, trat die ältere Edeldame den Neuankömmlingen forsch entgegen. Schnell stellten sich ihre Befürchtungen aber als unbegründet heraus, denn sie erkannte ein ihr bekanntes Wappen auf dem Waffenrock des Vorderen. Kurz darauf hatten die Reiter, ein junger Rittersmann und sein Waffenknecht, die Kutsche erreicht und zügelten ihre Pferde.

„Die Zwölfe zum Gruße hohe Dame. Ihr seht so aus, als könntet Ihr Hilfe gebrauchen.“ Ungezwungen stieg der junge Ritter von seinem Ross und trat näher.

„Ein paar starke gesunde Arme können wir brauchen, denn meinem Kutscher mangelt es an Kraft wie mir scheint.“ Heiltrud blieb vorsichtig. „Doch sagt, welchem Zweig der Familie Pilzhain entstammt ihr? Ich habe dieses Wappen seit meiner Jugend nicht mehr gesehen und muss gestehen Euch nicht zuordnen zu können junger Herr.“ Der Ritter krempelte indes die Ärmel seines Gewandes hoch und hieß seinen Begleiter abzusteigen. Offensichtlich wollte der Edelmann selbst Hand anlegen, was ihn in den Augen der alten Dame nicht gerade im Ansehen steigen ließ.

Brin von Pilzhain bin ich geheißen und der Baron zu Schnayttach bin ich wie mein Vater vor mir. Alrik und ich sind auf dem Weg zum Hochzeitsturnier von Baron Ardo, wie Ihr wohl auch wenn ich recht annehme.“ Sich in die Hände spuckend gab er Hainrich und seinem Gefährten mit einem kurzen Nicken ein Zeichen. Brin und Alrik traten je an eine Seite der Kutsche und wuchteten das Gefährt nach oben. Aus dem Inneren war ob des plötzlichen Wandels der Lage ein erschrecktes Keuchen zu vernehmen. Die beiden Schnayttacher waren überrascht, doch ließ glücklicherweise keiner von beiden wieder los. Hainrich beeilte sich indessen das notdürftig reparierte Rad wieder auf die Achse zu schieben und mit einem Keil zu fixieren.

„Das dürfte bis zur Stadt halten.“ Zufrieden klopfte Brin die Hände aneinander. „Doch sagt, wer reist denn hier noch mit Euch?“

„Meine Tochter, Ulmia von Keilholtz, Euer Hochgeboren.“ Mit einem herrischen Blick schickte Heiltrud ihren Kutscher zurück auf seinen Platz. „Sie ist über meinen Mann, Boron habe ihn selig, eine entfernte Base des werten Barons von Kressenburg. Und ihr nehmt ganz recht an, dass wir zur Travienfeier geladen sind.“

Während die Mutter sprach, hatte sich die junge Edeldame im Inneren der Kutsche wieder gefangen und schob nun den Vorhang ihres Fensters beiseite, um ihren Retter in Augenschein zu nehmen. Der junge Ritter, der sich als Baron von Schnayttach vorgestellt hatte, gefiel ihr auf den ersten Blick ausnehmend gut, wenn seine Hände von der gerade erledigten Arbeit auch schmutzig und sein Wappenrock an einer Stelle eingerissen war.

„Seid ganz herzlich bedankt für Eure Hilfe, Hochgeboren.“ Ihre Stimme war auf Grund ihrer plötzlichen Schüchternheit sehr leise, doch klang sie klar und lieblich aus dem Inneren hervor.

„Keine Ursache, edle Dame. Ich komme nur meinen ritterlichen Pflichten nach“ Der junge Baron betrachtete das Mädchen mit dem liebreizenden Gesicht und der wohlklingenden Stimme einige Augenblicke länger als ziemlich und brachte sie damit zum erröten. Bei ihrer vornehmen Blässe fiel das besonders auf und brachte ihn zum Schmunzeln.

Ein hartes Räuspern Heiltruds lenkte Brin jedoch schnell wieder ab und ließ Ulmia ruckartig den Vorhang schließen. „Nun denn, Hochgeboren. Würdet Ihr uns eventuell die Ehre erweisen, uns bis in die Stadt Geleit zu geben? Es mag nicht mehr weit bis zur Kressenburg sein, aber wie wir gerade leidvoll erfahren mussten, ist man auch in den friedlichsten Landen nicht vor Unfällen und der Unfähigkeit seiner Leibeigenen gefeit.“ Hainrich auf dem Kutschbock zog instinktiv den Kopf weiter zwischen die Schultern.

„Ich bestehe darauf, hohe Dame.“ Brin beugte artig das Haupt. Galant half er Heiltrud dabei die Kutsche zu besteigen, nicht ohne einen schnellen Seitenblick auf Ulmia zu riskieren. „Ihr und die edle Jungfer sollt gänzlich unbeschadet euer Ziel erreichen. Dafür bürge ich mit meiner ritterlichen Ehre.“ Mit wenigen großen Schritten war er bei seinem Pferd und saß genauso rasch und gewand wieder im Sattel wie er abgestiegen war. „Auf Alrik, du übernimmst die Vorhut, aber bleib in Rufweite! Warne uns rechtzeitig wenn etwas den Weg stören sollte. Ich bleibe bei der Kutsche.“

Der Waffenknecht bestieg ebenfalls sein Pferd und auf ein Nicken des Pilzhainers hin gab der unglückliche Kutscher seinem Ross das Zeichen langsam anzuziehen. Das reparierte Rad knarrte zuerst bedenklich, doch nach den ersten Metern, als sich die Schmiere wieder besser verteilt hatte, tat es reibungslos seinen Dienst. Mit einem scharfen Pfiff trieb Hainrich das Pferd in den Trab, Alrik setzte sich an die Spitze und die nun fünfköpfige Reisegesellschaft setzte ihren Weg nach Kressenburg ungestört fort.

Keilholtzer Familienplanung

  • Ardo und Praiadne (oo 15. Praios 1035 BF):
    • Answin Shazar (10.11.1035)
    • Irmenella Rohaja (03.02.1037)
    • Holdwiep Travina (30.01.1038)
    • Eberhelm Wulfhart (30.01.1038)
    • Tsaiana Yppolita (18.08.1040)
    • Urion Hlûthar (28.02.1042)
    • Edelbrecht Greifenstolz (02.01.1043)
    • Rabana Noiona (11.05.1044)
    • Alrik Borotin (11.05.1044)
    • Firuna Ifirnia (12.07.1045)
    • Hesine Madalieb (23.06.1046)
    • Raulgunde Phexlieb (18.09.1047)
  • Rondwin und Yolande von Sindelsaum (oo im Rondra 1036 BF):
    • Alwene Darpatinger (27.08.1036, Rondwins Bankert)
    • Familie Sindelsaum
  • Travhelm und Firre Hadamar von Bieberwald (*1017)? (oo ???):
    • ???
  • Firnward und Grimhild von Zweifelfels (oo nach Ritterschlag):
    • ???
  • Lisane
    • Pagendienst ist im Frühjahr 1037 BF beendet, Schwertvater suchen!
    • geeigneten Gatten suchen, ggf. politische Heirat
  • Wulfhart und Rahjamunde von Schroffenstein-Grünfels (oo 15. Travia 1036 BF):
    • Familie Schroffenstein?
  • Roderich und Brunhilde:
    • ???
  • Wulfhelm
    • geeignete Gattin suchen, ggf. politische Heirat
    • diverse Bankerte

Praiosgefällige Anarchie

Kriegsrat vor den Toren

13. Hesinde 1036 BF, Vor den Toren der Reichsstadt Eslamsroden, am Abend

Jetzt wusste Gerbald, warum er statt der Panzerrüstung ein leichtes Kettenhemd trug. Die zwei Lagen Unterkleidung hätten nie darunter gepasst und er hätte jämmerlich frieren müssen. Dabei spürte er bereits jetzt die Kälte in den Knochen. Ja, er war alt geworden und musste sich zu seiner Schande gestehen, dass er in den letzten Jahren das ein oder andere Dunkle zu viel getrunken hatte. Nun, war es wohl an der Zeit diese Nachlässigkeiten zu bereuen. Bei dieser Winterbelagerung würden die Rationen wieder magerer ausfallen. Trotz seiner sechzig Götterläufe war er aber immer noch eine imposante Erscheinung. Nicht zuletzt auf dem Waldsteiner Turnier hatte er allen bewiesen, dass auch mit den alten Haudegen noch zu rechnen war.

Diesen Gedanken sann er auf dem kurzen Ritt zu Ardos Hauptquartier nach, begleitet nur von einem seiner Ritter und seinem Knappen Odilon, der ein entfernter Verwandter des Keilholtzers war. Ardo hatte ihn ihm vermittelt, wollte Gerbald doch noch einmal in der ihm noch verbleibenden Zeit einen Ritter ausbilden.

Ohne Probleme erreichten die drei Ardos Hauptquartier. Der junge Kressenburger Baron, der vom Alter her sein Enkel hätte sein können, kam ihm ebenfalls in Kette gerüstet mit festen Schritten entgegen. Der festgetretene Schnee knirschte unter seinen Stiefeln. Ein Junge und ein Mädchen die mit den typischen Kurzschwertern und Lederwämsern von Knappen gerüstet waren, kümmerten sich sofort um die Pferde der Ankömmlinge. Nach einer kurzen Begrüßung bat Ardo sie in die gute Stube des Hofes, wo sich auch Wulfhart von Keilholtz und Ardos Knappin aufhielten. Zudem gesellten sich noch ein halbes Dutzend von Ardos Rittern. Neben Ritter Eldwin erkannte Gerbald noch den alten Imminger, Junker Braniborian, die Ritter Alwin und Kasimir aus Kieselbronn und Kasimirs junge Knappin Robana, die jüngeren Schwester seines eigenen Knappen. Zugegen war auch ein Geweihter des Praios, welchen Ardo wohlweislich mitgenommen hatte. Auch der Hundsgraber nebst Knappe hatte sich inzwischen eingefunden, nachdem er erst vor wenigen Stunden mit seinen Truppen vor der Stadt eingetroffen war.

Gerbald neigte den Kopf vor dem Geweihten und begrüßte die Gefährten. Dann setzte er sich auf einen Stuhl an einen Tisch, auf dem eine Karte der Umgebung ausgebreitet war und legte die Tasche des gefangenen Botens darauf. Ein weiterer Knappe brachte Krüge mit verdünntem heißen Wein für alle.

„Meine Herren, wir können mit dem Verlauf der Blockade bisher zufrieden sein, denke ich. Soweit ich es beurteile, hat es bisher niemand geschafft aus der Stadt zu entkommen oder in sie hinein zukommen. Diese Depeschen haben meine Reiter heute einem Melder abnehmen können, der sich nach Greifenfurt durchschlagen wollte,“ er wies auf die Tasche und holte die Brief hervor. „Ich habe die Siegel unberührt gelassen, kann mir aber denken, was in den Briefen steht. Der Stadtmeister wird in einseitiger Darstellung von unserer hinterhältigen Belagerung berichten und um Hilfe ersuchen.“ An den Praiosgeweihten gewandt vor er fort: „Euer Gnaden, ihr alle seid meine Zeugen, dass diese Siegel nicht gebrochen waren und ich die Regeln des Krieges gewahrt habe. Auch der junge Melder ist wohlauf und nur mein Gefangener.“ Der Priester nickte knapp und nahm die Briefe an sich.

"Was mich beunruhigt ist, dass sie auf das Vermittlungsangebot seiner Eminenz überhaupt nicht reagiert haben", gab Ardo zu bedenken. "Selbst seine Forderung mit einem Glaubensbruder aus der Stadt zu sprechen blieb unbeantwortet. Ich mache mir größte Sorgen um das Wohl der Geweihtenschaft der Stadt, vor allem wenn man bedenkt, dass der Mob anderswo bereits Geweihte auf den Scheiterhaufen gezerrt hat. Man sollte den Gefangenen dehingehend einmal eingehend befragen."

"In der Tat", stimmte der Praiot dem Kressenburger bedächtig zu um sich sogleich wieder an Gerbald zu wenden. "Euer Hochgeboren, es wäre gut, wenn Ihr mir den Gefangenen nach unserer Besprechung so schnell als möglich zur Befragung vorführen würdet."

DEUS VULT

Bauarbeiten

  • Bauholz: aus Kressenburg
  • Stein: ggf. eigener Steinbruch (Neuerschließung mit Folgenutzung, mit Volker abklären) oder aus dem Finsterkamm (Spieler?)
  • Versorgung der Arbeiter: zusätzliche Getreidelieferungen aus Eslamsroden und Hexenhain
  • Gold: aus Gareth?
  • Marmor: Eslamsgrund? oder andere Quelle?
  • Arbeiter: Tagelöhner aus der Region (Mark und Waldstein), ggf.dauerhafte Erhöhung der Einwohnerzahlen durch Zuzug? (mit Volker abklären)

Gästeliste zur Einweihung

Geladene Gäste:

Sertiser Sonnenstände

Abendmahl

Die junge Praios-Geweihte und ihre Begleiter, der Bannstrahler und der junge Breitenhainer Ritter, wurden von Burgvogt Reo Rondriol vom Wirsel auf der Pfalz Breitenhain empfangen. Wortreich entschuldigte sich der Kastellan für die Abwesenheit des Pfalzgrafen, sei dieser doch zur Grafenkrönung seines Anverwandten nach Hartsteen unterwegs. Auf einen Wink hin eilte der Stallknecht herbei und nahm die Pferde der Neuankömmlinge in Empfang.

"Wenn Ihr gestattet Euer Gnaden, so werde ich Euch sogleich das beste Zimmer der Burg herrichten lassen und Euch einen persönlichen Diener zuweisen. Verzeiht wenn Ihr mich in unangemessener Eile seht, doch ich habe ein dringendes Hilfegesuch aus Baronie Linara erhalten, welches ich im Namen seiner Hochwohlgeboren noch heute beantworten muss."

"Was hat es denn damit auf sich?" Neugierig und ein wenig misstrauisch forschte die Greifenfurterin sogleich nach.

"Oh, nur eine unbedeutende Kleinigkeit Euer Gnaden. Die Baronin von Linara ist letzte Woche bei einem Turnier schwer gestürzt. Ihr treuer Vasall Junker Irberod hat derweil die Geschäfte übernommen und hat sogleich einige verdächtige Gestalten aufgegriffen, die er der Hexerei und der Schwarzen Magie verdächtigt."

"Und das nennt Ihr eine Kleinigkeit?" Praiodanes Stimme klang in ehrlichem Zorn laut über den Burghof. "Warum wendet sich der Junker an den Pfalzgrafen? Gibt es in Linara denn keinen Vertreter des Götterfürsten der sich der Sache annehmen kann?"

"Ich fürchte nein, Euer Gnaden," sagte Wirsel kleinlaut. "Die Baronin herrscht nun seit gut zweieinhalb Jahrzehnten über ihre Lande doch ein von Praios gesegnetes Bauwerk werdet ihr dort nicht finden." Leise raunte der Kastellan der Geweihten zu. "Sie ist eine Halbelfe müsst Ihr wissen, die von Kaiser Hal dort eingesetzt wurde."

"So, so, eine Halbelfe also sagt Ihr," wiederholte Praiodane laut. "Das erklärt natürlich die Zustände die Ihr beschreibt."

Wirsel zuckte kurz zusammen und blickte unsicher über den Burghof. "Ja, so ist es Euer Gnaden. Und weil der werte Herr Junker meinen Herren als praiosfürchtigen Mann kennt und schätzt, hat er ihn um Hilfe gebeten."

Die Greifenfurter Geweihte überlegte kurz und fällte dann eine schnelle Entscheidung. "Da seine Hochwohlgeboren noch eine zeit auf Reisen ist, kann ich hier vor Ort sowieso nichts ausrichten. Schreibt Junker Irberod, dass ich persönlich nach Linara kommen werde um über die Verdächtigen Gericht zu halten. Sendet den Boten noch heute. Wir haben eine lange Reise hinter uns und werden eine Nacht ruhen bevor wir morgen in aller Frühe aufbrechen."

"Sehr wohl Euer Gnaden. ich werde es genauso einrichten wie Ihr es wünscht." Artig machte Wirsel einen Diener. "Wenn Ihr mir dann bitte nach drinnen folgen wollt? Das Abendessen wird in etwa einem Stundenglas serviert werden."

Die Blaue Sau

Kressenburger Aufruf zur Jagd

Baron Ardo läd seine Freunde zu einer Jagdgesellschaft in den Kressenburger Forst.

Rückkehr eines Barons

Ein verschollen geglaubter Adliger kehrt aus den Tiefen des Reichsforstes zurück.

Wiederaufnahme der Geschäfte

Stänkereien

Stänkereien auf Burg Gnitzenkuhl
Baronie Gnitzenkuhl, Ingerimm 1035 BF

Teil 1

Fassungslos starrte Geshla auf das Missgeschick, das sich soeben ereignet hatte. Sie war an einen der Eimer gestoßen, in dem die Windeln zuerst in Wasser eingeweicht wurden bevor man sie auskochte. Entsetzt starrte sie auf die teuren Schuhe, auf denen sich langsam ein unfeiner Fleck ausbreitete, unfähig auch nur ein Wort zu sagen.

„Bitte sagt nicht, dass dies nun auch wieder meine Schuld sei Hochgeboren!“ kam trocken von ihrem Gegenüber, die gerade dabei war ihre zweitgeborene Tochter zu betten. „Ich war wirklich nicht vorbereitet, dass Ihr Euch zu so später Stunde in unsere Räume gesellen möchtet. Und natürlich riecht es hier streng, wenn wir gerade damit beschäftigt sind…“

Energisch hob die Baronin zu Gnitzenkuhl ihre Hand, und gebot damit Stille. Erstaunlicher Weise verstummte dabei sogar der einjährige Greifwart, der soeben von seiner Amme frisch gemacht worden war und lautstark dagegen protestiert hatte, war es doch empfindlich kalt. Doch nun erwartete er von der dunkelhaarigen Frau wohl eines der Spiele, die Unswin, sein Vater, sonst mit ihm trieb.

„So kann das hier nicht weiter gehen!“ presste die Baronin hinter vorgehaltenem Spitzentuch hervor, was Greifwart zum Glucksen brachte, hielt er es doch für eine neue Variante des „Guckucks- DA“ Spieles seines Vaters und grinste erwartungsvoll Geshla von Gnitzenkuhl an. Seine Amme musste sich ein Schmunzeln verkneifen.

Leomara von Keilholtz, die erste Ritterin am Hofe brachte nur ein müdes „Ganz wie ihr meint!“ hervor und hoffte, dass man ihr endlich ihre Ruhe ließ. Erst dieses früh morgendliche Malheur mit der zerstörten Vase Olmergas von Gnitzenkuhls. Greifi konnte wirklich nichts dafür, dieser Tisch war einfach schon in die Jahre gekommen und hatte dem Ansturm des Jungen nichts entgegen zu setzen gehabt. Da war die Vase eben polternd zu Bruch gegangen. Angeblich ein Geschenk Olmergas an Geshla. Häßlich war sie trotzdem- die Vase! Dann hatte sie für die Landwehr die Waffenkammern inspiziert und eine Inventur mit dem Waffenmeister erstellt, sowie gemeinsam mit dem Vogt besprochen wie man vorzugehen gedachte, beim Erfassen der Wehrfähigen. Die Schulzen und ansässigen Adligen würden dabei eine Rolle spielen und bald hier vorstellig werden müssen. Immer, wenn sie sich mit dem Gemahl ihrer Mutter auseinander setzen musste, war es anstrengend. Doch seine Sachlichkeit führte allmählich dazu, dass sie einfach zusehends vergaß, dass er einmal eine Rolle in ihrem Leben gespielt hatte. Jetzt noch dieser unangemeldete Besuch in Räumen, die kaum für eine Familie ausreichten.

„Ich gedenke am morgigen Abend mit Hochwürden Travidan von Firunslicht, Hochwürden von Wasserburg sowie einigen Adligen, dem Vogt und Eurer Frau Mutter zu speisen. Wir haben uns lange nicht gesehen.“ Leomara nickte desinteressiert, waren ihr diese Verpflichtungen einer Baronin doch meist eher notwendiges Übel, denn eine Freude. „Ich erwarte Euch nebst Unswin ebenfalls!“

„A…!“ Leomaras Widerrede blieb ihr im Halse stecken, als sie in Geshlas Miene blickte. Darin stand zu lesen, dass es keine Einladung, sondern ein Befehl gewesen war. Nach einem Moment der Stille kam ein gepresstes „Sehr wohl!“ aus ihrem Munde. Die Baronin nickte nur kurz und entfernte sich dann schleunigst. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, erhob sich sogleich wieder enttäuschtes Gebrüll, war doch der kleine Keilholtzer um sein neckisches Spiel gebracht worden und forderte es nun lautstark ein.

Teil 2

Torandir von Darben-Dürsten stand hoch aufgeschossen hinter seiner Schwertmutter und hatte bereits Leomara von Keilholtz sowie deren Gemahl Unswin bedient, da Chaantrea am heutigen Abend frei hatte. Nun blieb ihm die Zeit in aller Ruhe den Blick schweifen zu lassen. Es war eine Weile her, dass die Tafel in Geshlas Burg derart gefüllt gewesen war. Wie immer war der alte Oblodor von Mistelstein mit seiner Gemahlin für ihn ein Ereignis der besonderen Art. Er kannte sonst keinen, dessen Temperament mit dem seiner Schwertmutter mit halten konnte. Allerdings bedauerte er sehr, dass Hochwürden von Wasserburg nicht zugegen war. Seine übertriebene Fürsorge gegenüber der Baronin wirkte bisweilen derart belustigend auf ihn, dass er sich auf den Abend mit dem Tempelvorsteher des hiesigen Praiostempels gefreut hatte. Doch jener hatte sich bereits am Nachmittag durch seinen Novizen wegen Unpässlichkeit entschuldigen lassen. Als die Baronin dies kundt getan hatte, war vom Mistelsteiner so etwas wie „…aus der Ferne glänzt sie am meisten!“ zu hören gewesen. Zu schade aber auch!

Hamardan von Rotfurt hatte man leider ans andere Ende der Tafel gesetzt, wo er neben Wohlgeboren Ginaya von Alxertis kaum Schaden anrichten konnte. Die beiden kannten sich scheinbar gut, zumindest wirkte ihr Gespräch recht vertraut und wortreich. Ganz anders Derendan von Zillingen, der als Vertreter seiner Familie zugegen war, und mit seinem Nachbarn aus der Familie Bergstamm jediglich ein paar wenige Worte zur Begrüßung gewechselt hatte.

Während der Knappe so schaute, fiel sein Blick auf das noch wenig vertraute Gesicht eines jungen Knaben- der Novize des neu erbauten Travia Tempels. Konzentriert hatte dieser den noch vollen Krug zwischen seinem Tempelvorsteher Travidan von Firunslicht-Oppstein und der Herrin Palinai von Isenbrunn hindurch bugsiert, in Richtung des Kelches. Doch dann begann seine Hand auch schon zu zittern. Ob der Krug zu schwer, oder der Bursche zu aufgeregt war, beides war möglich dachte Torandir so bei sich. Jaja, aller Anfang war schwer. Wenn sie entlassen wurden, weil die Herrschaften alleine sein wollten, würde er sicher Gelegenheit haben den Knaben einmal näher kennen zu lernen. Über seine Familie wusste er nichts. Wie sein Alltag wohl im Vergleich zu dem eines Knappen aussah? Seine schier zügellose Neugier begann sich zu regen, und so wartete er ungeduldig die Zeit ab, zu der man sie entlassen würde.

Teil 3

„…darum möchte ich am heutigen Abend, nachdem wir ein so gedeihliches Beisammensein verleben durften, verkünden, dass ich mich entschlossen habe, meiner ersten Ritterin Leomara von Keilholtz für ihre herausragenden Dienste um die Belange in Gnitzenkuhl - ich erinnere hierbei nur um den wagemutigen Einsatz bei dem Kampf wider das sogenannte Untier am Darpat - ein Rittergut als Lehen zu überlassen.“

Gut gelaunt, und scheinbar gänzlich unempfänglich für das frostige Schweigen von Seiten ihres Vogtes, lächelte die Baronin in die Runde und erhob ihren Kelch in Richtung der soeben ernannten nun lehnspflichtigen Leomara von Keilholtz. Travidan kam ihr sogleich nach, konnte er es doch nur gut heißen, dass die junge Familie endlich ein eigenes Heim bekommen würde. Die Baronin war eben eine wirklich götterfürchtige Frau. Der Ruf, der ihr im hiesigen Raum nachgesagt wurde war völlig haltlos. Oblodor grunzte ein „..das hat se verdient, bei Rondra!“, während sein Sohn Anshelm von Mistelstein Leomara über die Tafel hinweg nur zuzwinkerte.

Unsicher, was Geshla damit im Schilde führte, räusperte sich die Rittfrau kurz, bevor auch sie überrascht lächelnd den Kelch erhob. Ihre Frau Mutter, Palinai von Isenbrunn, hatte noch vor ihr sogleich strahlend den Kelch erhoben und lächelte, als hätte man ihr persönlich den Dank ausgesprochen.

‚Von welchem Lehen spricht sie bloss?‘ grübelte die Rittfrau in Gedanken weiter. ‚Stadtritter vielleicht? Welches Gemäuer wollte sie mir damit nur zukommen lassen? Innerhalb der Stadt gab es keine Gebäude welche aufgrund mangelnder Erben wieder in Geshlas Besitz gefallen wären. Auch habe ich seit dem Bau des Travia Tempels kein Wort davon gehört, dass Aurentian von Feenwasser weitere Aufträge erhalten soll…!‘

„Auf die Hohe Dame Leomara, möge das Rittergut Mittstätten von nun an ihr, und ihrer Familie ein neues Zuhause sein, so wie es uns Travia gebietet.“ Kam dann schließlich von Seiten Geshlas, die zu diesem Augenblick die Aufmerksamkeit aller auf sich wusste. Überrascht riss Leomara die Augen auf. ‚Das Erbe der Familie der Roten Hand. Diese Schlange…!‘

Kurz herrschte Schweigen, und alle Ortskundigen bis auf Geshla blickten aus unterschiedlichsten Gründen auf den Tisch, bis Palinai in die Stille hinein sprach was vermutlich einige dachten: „Aber Hochgeboren, ihr wisst doch so gut wie jeder hier in der Gegend, dass man sich sagt, dass die Geister der Alten nicht ruhen, und das Gemäuer noch immer heim suchen! Nicht umsonst steht es seit… damals leer.“

Kühl musterte Geshla die in die Jahre gekommene Frau, und ehemalige Geliebte ihres Vaters, des Barons Seraminor von Gnitzenkuhl. Was nur hatte er an dieser blassen, farblosen Frau gefunden? Sie konnte nicht aus Ihrer Haut heraus. Nie würde sie Freundlichkeit für diese Person aufbringen können, derentwegen so viel Unheil entstanden war. Ihre besten Jahre waren vorüber, verblüht wie eine Primel, oder am falschen Platze um weiter zu gedeihen.

„Uuuund? Wer, wenn nicht Eure rondragefällige Tochter, nebst ihrem wackeren Gatten, seines Zeichens Mitglied im Orden des Zorns, sollten es schaffen diese dummen Gerüchte zu zerstreuen. Wäre an dem Gemäuer wirklich etwas götterlästerliches, so hätte das zweifellos Hochwürden von Wasserburg ausgemerzt. Oder zweifelt ihr etwa an …?“

„Sicher nicht Hochgeboren!“ Fiel ihr Leomara da ins Wort und funkelte streitlustig ihre Mutter an. „Wir sind wirklich außerordentlich erfreut, geradezu sprachlos, ob dieser Großzügigkeit Eurerseits.“ Leomara hatte sich wieder gefangen, und war sich sicher, dass egal was dieses Gemäuer für Geheimnisse barg, kaum Grund sein konnte, das Lehen auszuschlagen! Sie schubste Unswin an, damit auch jener seinen Dank bekunden konnte…

Das schwer vernarbte Gesicht des Ordensritters zeigte ein Lächeln, dass je nach Blickwinkel süffisant, freundig oder nachsichtig wirken konnte, und wohl in diesem Moment tatsächlich eine Mischung all dieser Facetten war. Bedächtig griff der junge Mann mit der Linken zu seinem Kelch, erhob sich und strich dabei mit der Rechten sein Wams zu recht. Dann hob er das Glas mit ernstem Blick in Richtung der Baronin.

"Euer Hochgeboren! Frau Travia wünscht von uns Mildtätigkeit und Gastfreundschaft. Ich bin in Eurem Hause häufig Gast gewesen. Ihr habt Euch mir, meinem Orden und nicht zuletzt meiner Familie so freigiebig gezeigt, wie man es sich nur wünschen kann. Nun gebt Ihr meiner Familie ein eigen Heim, einen Platz zum Leben und zum Wachsen. Dafür gebürt Euch Travias Dank." Er machte eine Pause und die Baronin setzte gerade ein strahlendes Lächeln auf, im Begriff dem Ritter zu antworten, als Unswin mit ruhiger Stimme fortfuhr. "Herr Praios fordert von uns aber auch Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit. Deshalb kann ich nicht verhehlen, dass ich ob des schlechten Leumunds des Gemäuers in Sorge bin, dessen Herrin meine Frau nun ist und das meine Kinder zukünftig beherbergen wird. Auch ist mir Euer wachsender Unmut über die derzeitige Situation in Eurer Burg bewusst, der mich zuletzt fürchten ließ Eure Gastfreundschaft über die Gebühr beansprucht zu haben." Das Lächeln Geshlas schmolz sichtbar dahin, doch Unswin hatte noch immer nicht geendet. Er spürte wie Leomara neben ihm unruhig auf dem Stuhl herumrutschte und legte ihr die freie Hand auf die Schulter. "Frau Rondra verlangt zudem von uns sich den Aufgaben aufrecht und mutig zu stellen die Dere für uns bereit hält. Ich werde meine Frau also mit Freuden und nach Kräften dabei unterstützen, sich den Herausforderungen zu stellen die dieses Lehen mit sich bringt. Ganz so wie Ihr es gesagt habt." Unswin führte seine Rechte nun zum Herzen während er in seiner Rede zum Ende kam. "Nicht zuletzt aber will ich meiner Freude Ausdruck verleihen, dass Ihr, Euer Hochgeboren, meine Frau als würdig befunden habt dieser Aufgabe gewachsen zu sein. Denn dieses Lehen bedeutet nicht nur Heim und Herd für unsere Familie, sondern auch Verantwortung. Den Menschen gegenüber deren Herrin Leomara von nun ab sein wird, aber auch Euch gegenüber, der sie fortan nicht nur Waffentreue sondern auch Rechenschaft schuldet. Ich entbiete euch daher meinen aufrichtigen, von Herzen kommenden, Dank." Unswin hob sein Glas noch ein Stück höher, nahm einen Schluck des köstlichen Weines und setzte sich dann zufrieden wieder auf seinen Platz.

Nervös nahm Leomara einige tiefe Schlucke. Das war knapp, doch er hatte noch den rechten Ton getroffen wie sie unschwer an Geshlas Miene sehen konnte. Sie griff nach seiner Hand und sah ihn liebevoll an. Unswin erwiderte den Blick, legte dann die Hand auf ihren Bauch und küsste sie zärtlich auf die Stirn, was ihm einen säuerlichen Blick seines Schwiegervaters einbrachte. Seit er den Rahjabund mit seiner Frau geschlossen hatte, beugte der Ordensritter die Regeln der Etikette gerne einmal, was die körperliche Nähe zueinander in Gesellschaft anging.

"...nachdem wir das also geklärt haben, die Formalitäten werden wir wann anders erledigen, würde ich sagen, dass wir nun hinüber gehen ins Kaminzimmer!"

Teil 4

Auf dem Weg dorthin sprach sie jemand von hinten an. Es handelte sich um den Führer der hiesigen Nebachoten, Hamardan von Rotfurt.

"Mögäh Rondrra waita eurer baida Schwärrtarm führen! Isch bin froh, dass nun ändlich ainä starke Hand wieder das Sagen übernähmen wird in Midstätten. Es wird ja auch Sait, nicht wahr! Oirä Tochter wird sicher ebenfalls eine wackere Streiterin werden." Bei diesen Worten schaute er allerdings vor allem Unswin und nicht Leomara an.

Der Ritter war von der ungewohnten Aufmerksamkeit einen Moment überrascht, ergriff dann aber das Wort, als Hamardans Blick auf ihm hängen blieb. "Kor mit Euch, Mar'olum han Rohd'far." Unswin führte zum Gruß die rechte Faust an seine Brust und sah dem einen halben Kopf größeren Nebachoten fest in die Augen. In den Götterläufen die er nun schon zwischen den Nebachoten Perricums zugebracht hatte, hatte er gelernt dieses kämpferische Volk zu respektieren und bemühte sich ihren Sitten zu entsprechen wenn er mit ihnen verkehrte. Lediglich mit diesem unsäglichen Kelsensteiner aus Wasserburg, der seiner Meinung nach mehr Ferkina als Nebachote war, hatte der Ordensritter bisher nicht warm werden können. "Ich danke Euch für Eure Worte. Wenn die Kleine später einmal so kämpft wie sie diese Nächte über schreit, dann wird sie dereinst wohl als große Kriegerin gelten." Er verzog bei diesem Gedanken amüsiert das Gesicht, was seine Narben beunruhigend in Bewegung brachte. "Doch was die Zukunft für uns bereit hält wissen allein die Götter. Diese plötzliche Belehnung zum Beispiel ist nicht unbedingt das Naheliegendste womit wir gerechnet hätten. Ich denke wir werden eine gewisse Zeit brauchen um in Mittstätten alles herzurichten bevor wir endgültig übersiedeln können. Zumal Ihro Hochgeboren keine Eile mit dem Lehnseid zu haben scheint." Fragend sah der Ritter zu Leomara um zu erfahren, was diese wohl zu dem Verlauf der Dinge zu sagen hatte.

Die ignorierte aber einfach den Blick ihres Gemahls, funkelte statt dessen aber Hamardan an, der nun endlich auch die Güte hatte ihr einen Blick zu schenken.

"So, EINE starke Hand wird Mittstätten bald führen." Sie lächelte den imposanten Mann keineswegs schüchtern an. Ihr stand momentan zwar nicht der Sinn nach Streit, aber wenn er sie, oder Unswin schon mit den ohnehin nicht ernst gemeinten Worten behelligte, würde sie sicher nicht dazu schweigen.

"Schön, dass ihr erkannt habt, dass wir beide eine Einheit bilden." Verwundert musste sie fest stellen, wie sich ein Lächeln in des Mannes Züge schlich, der bislang kaum ein freundliches Wort für sie übrig gehabt hatte. Er blickte ihr geradewegs in die Augen und senkte auch nicht beim weiter sprechen den Blick.

"Nachbarschafltliche Bande sind in den jetzigen Zeiten wichtig zu pflegen- einerlei ob es sich nun um das Nachbargut handelt, oder um eines im Raschtullswall..." er legte hier eine kleine Pause ein und trank einen Schluck aus dem Kelch, den er noch immer mit sich führte. "...darum hoffe ich, dass wir unsere kleingeistigen Dispute der Vergangenheit überlassen und statt dessen im Hier und Jetzt leben. Feinde bedrohen unsere Heimat, ist es da nicht Zeit gewissen Unstimmigkeiten zu vergessen?"

"Das ist ein Gedanke den ich nur gutheißen kann", ergriff Unswin wieder das Wort. "Die zwölfgöttliche Gemeinschaft beschäftigt sich schon viel zu lange mit den Streitereien untereinander, im Kleinen wie im Großen. Unser Widerstand gegen unsere wahren Feinde wird dadurch geschwächt, brauchen wir doch Einigkeit um erfolgreich gegen ihre verderbte Macht zu bestehen." Wieder blickte er seine Frau an. Er wusste um ihre Vorbehalte und ihre offene Art mit Streitereien umzugehen. Hier und jetzt bot sich aber eine Gelegenheit zur Versöhnung mit einem nebachotischen Nachbarn, eine der ersten Aufgaben die ihm vom Orden damals mit auf den Weg nach Perricum mitgegeben worden waren. "Du weißt, ich war nie ein Freund der Nebachoten, Leomara, und ich bin mir sicher, dass wir die Aufgaben in Mittstätten allein lösen können. Doch wir haben ohnedies genug Feinde denen wir uns zu stellen haben. Niemand verlangt herzliche Freundschaft, doch ein vernünftiges Miteinander kann uns alle nur stärker machen." Der Ordensritter wusste, dass er seiner Frau nur einen Rat geben konnte. Es war ihr Lehen, Perricum ihre Heimat, wo er nach nur wenigen Götterläufen für viele noch immer ein Fremder war. Er würde ihre Entscheidung in dieser Sache bedingungslos akzeptieren, doch hoffte er, dass seine Worte auf fruchtbaren Boden gefallen waren.

Haltung bewahren! Nur keine Miene verziehen... Die Gedanken der Rittfrau überschlugen sich fast. Was im Namen der Götter wusste dieser Fuchs? Oder wusste er nichts und der Vergleich mit dem Gut im Raschtulswall war ein Zufall? Warum sprach er Unswin ausgerechnet auf Yppolita an? Warum nicht auf den Erstgeborenen, der traditionell mehr Gewicht hatte? Ihr wurde ganz übel beim Gedanken daran, dass Marnions Bote unter Umständen bei Hamardan genächtigt haben mochte, und das Schriftstück...! Aber nein, es war doch gesiegelt gewesen, und das Siegel ungebrochen. Um Zeit zu gewinnen täuschte sie einen Husten vor, der ihr ein wenig Zeit verschaffte ihre Fassung wieder zu finden, zumindest nach aussen hin.

"Sicher, ich werde alle unsere Nachbarn mit gleichem Maß messen, oder", sie setzte ein Lächeln auf, "...vielmehr die gleiche Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Als erste Ritterin der Baronin war ich es, die ihren Willen nach draußen trug, und damit ihr Sprachrohr. Diese Aufgabe wird vermutlich nun jemand anders übernehmen." Sollte er glauben, sie würde sich erpressen lassen, hatte er sich mächtig getäuscht. Geshla würde an ihrer Meinung fest halten, die sie zu den Nebachoten hatte. "Doch ich denke, dieser Abend sollte allen Adligen aus Gnitzenkuhl zeigen, dass Hochgeboren die Bedrohung ernst nimmt, und sich nun zuallererst den Aufgaben stellt, die wichtig sind um dem Feind zu trotzen und ihn zu besiegen."

Der passionierte Pferdezüchter nickte nur kurz zustimmend Leomara zu, ehe er dann zu Unswin gewandt sprach: "Wohl gesprochen. Ein gelungener Abend, und es freut mich ausserordentlich zu hören, dass ihr erkennt, dass Perricum mit seinem bunten Bild an Völkern und Meinungen erhalten werden muss, und nicht eine der Sichtweisen die allein Rechte ist! Wenn ihr mich nun entschuldigt?"

Unswin ließ dem Nebachoten mit einem höflichen Nicken den Vortritt. So recht wusste er Harmardan und sein Verhalten nicht einzuordnen, aber die für Feinheiten der Gesellschaft, seien es die der Nebachoten oder die der Raulschen, hatte er nie viel Sinn gehabt. Im Grunde hatten sie nur einige belanglose Nettigkeiten ausgetauscht. Das Einzige was er sich davon erhoffte war ein entspanntes Verhältnis mit den zukünftigen Nachbarn, damit er und seine Frau sich den wichtigen Dingen widmen konnten ohne in kleinliche Streitereien verwickelt zu werden. Mit einem Blick auf Leomara erkannte er im von Kerzen erhellten Halbdunkel, dass ihr einige Schweißperlen auf der Stirn standen obgleich es an diesem Abend weder zu warm noch zu schwül war. Sofort gewann seine Besornis wieder die Oberhand.

"Ist dir nicht wohl mein Herz? Soll ich uns bei Geshla entschuldigen? Die Gesellschaft ist ja groß genug, da wird sie es sicherlich verschmerzen können, wenn wir den Abend etwas früher ausklingen lassen."

"Danke, ... es geht schon. Diese unerwartete Neuigkeit will erst einmal verdaut werden." Deutlich leiser fügte sie hinzu: "...und glaube nicht, dass es ein Leichtes wird das Gut wieder zu alter Blüte zu führen! Man sagt sich sogar die Böden wären verdorben von der Brut die dort hauste!" Entschlossen blickte sie aber in Richtung ihrer Frau Mutter, die unterdessen ein paar Worte mit dem jungen Tempelvorsteher der Travia wechselte, derweil der Medicus und Alchemist Geshlas mit weingeschwängertem Blick unverholen der Zofe Fiorella nachstierte. "Aber ich bin aus anderen Holz geschnitzt als meine verzagte Frau Mutter. Wir werden das schon schaffen, wenn auch" sie blickte hinab auf den leicht gewölbten Bauch, "die Zeit etwas ungünstig ist um in ein marodes Gemäuer zu ziehen. Ich hoffe ja, dass uns ein wenig Unterstützung zuteil wird beim Umzug."

"Geshla wird uns sicherlich nicht gleich vor die Tür setzen", versuchte Unswin sie zu beruhigen, "zumal der Lehnseid formal noch gar nicht geleistet wurde. Bis das Kind geboren ist werden wir sicherlich noch hierbleiben können und in der Zwischenzeit lassen wir das Gut von den Handwerkern herrichten. Wenn wir erst einmal ein stabiles Dach über dem Kopf haben, können wir uns den anderen Problemen widmen die das Gemäuer bereiten sollte." Eherne Zuversicht sprachen aus der Stimme des Ordensritters. Seit er in Warunk nur knapp Golgari von den Schwingen gesprungen war, ließ er sich nicht mehr so leicht wie früher aus der Ruhe bringen. "Wenn es dann soweit ist wird Chaantrea auf jeden Fall mit zupacken und ich wenn Alfred in der Nähe ist, wird er es sich sicherlich auch nicht nehmen lassen zu helfen. Zudem kannst du auch ein paar deiner zukünftigen Untergebenen mit Karren zur Friedburg bestellen und unsere Sachen abholen lassen."

Reise mit Yppolita

Reisestrecke: Kuslik – Punin – Gerbaldsberg – Gareth – Perricum – Seereise nach Festum

Dramatis Personae:

Von Kuslik nach Punin

Auf einem Flußschiff auf dem Yaquier, Ende Ingerimm 1034 BF

Balrik saß in seiner Kabine und blätterte in einem grüneingebundenen Hesinde-Büchlein, das er sich in Kuslik besorgt hatte.

Vor einigen Tagen war er mit dem gerbaldsmärker Pfalzgrafen und dem Magier Anaxios von Ochs aus Kuslik abgereist und begleiteten die Schwester der Kaiserin, Yppolita von Gareth, nach Punin. Dort wolle sie endlich ihre Adeptenprüfung ablegen, wie sie auf dem Magierkonvent verlauten ließ, und anschließend wieder zurück in ihren Exil nach Festum reisen.

Sie beschloßen bis nach Punin auf einem Flußschiff zu reisen, das den Yaquier flußaufwärts fuhr. Der Kapitän war ein stämmiger Mittvierziger namens Phedro Neander, ein Horasier, der sich sehr umgänglich und von der Anwesenheit der Kaiserinschwester sehr geehrt zeigte. Zu seiner Mannschaft aber war er streng und er ließ keinen Zweifel daran, daß er hier das Sagen hatte.

Eigentlich wollte auch der greifenfurtener Baron Ardo von Keilholtz Yppolita auf der Reise begleiten. Doch hatte er kurz vor der Abreise den Zorn eines Magiers auf sich gezogen, der ihn kurzerhand mit einer Art Teleportzauber verschwinden ließ – zumindest war das Balriks erster Gedanke.

Erst nachdem Anaxios sich mit diesem Magier auseinander setzte, erfuhren sie, daß dieser Magier Thargelion von den Nebelwassern war, ein Zeitmagier, der Ardo einfach kurzerhand einige Monate in die Vergangenheit setzte!

Balrik hatte schon während seiner Zeit an der Kriegerakademie viele Sagen von einem Magier gehört, der in einem Turm in Weiden wohnte, dem sogenannten Nachtschattenturm, der in der Lage war durch die Zeit zu reisen – und da war auch der Name dieses Zeitmagiers gefallen.

Nachdem Anaxios ihnen versichert hatte, daß Ardo kein Leid zugefügt wurde, und derzeit wohl wieder in Greifenfurt weilte, und Balrik und Giselbert geraten hatte, den Magier nicht weiter zu behelligen, gaben sie sich mit der Antwort zufrieden. Dennoch hatte sich Balrik vorgenommen, eine Nachricht ins Kressenburgsche zu schicken um sich zu vergewissern. Auch Yppolita hatte ihnen später geraten, den Magier in Ruhe zu lassen. Auch sie vertraute hier Anaxios' Rat.

Es klopfte an der Tür.

"Hoher Herr", hörte Balrik die Stimme eines Matrosen. "Wir erreichen bald Punin."

"Danke. Ich komme gleich."

Balrik steckte das Büchlein weg und packte seine Sachen. Auf dem Deck angekommen sah er bereits die almadanische Fürstenstadt vor ihnen auftauchen. Es war ein sonniger Tag und die Eslamidische Residenz ragte auf dem Goldacker in einem strahlenden Weiß reinsten Eternienmarmors hervor. Auch die Magierakademie der Stadt, ihr Ziel, ragte über die Häuser der Stadt empor und war gut zu erkennen. Vor nicht einmal einem Jahr, hätten sie es sich nicht erlauben können, so offensichtlich durch das Fürstentum zu reisen. Als noch Selindian Hal die Kaiserkrone beanspruchte und von Punin aus Hof hielt, war es nicht ungewöhnlich, daß Adlige, die zu Kaiserin Rohaja standen, als Geiseln genommen wurden.

Doch nun war Selindian Hal tot und Almada wieder unter der Kontrolle Rohajas, und diese hatte Gwain von Harmamund zum neuen Fürsten von Almada ernannt.

"Eyne bejachtliche Stadt, njecht wahr?", sagte Igor Wasjeff im bornischen Aktzent und trat neben ihn. Auch er war beim Magierkonvent zugegen gewesen und reiste mit ihnen seit Kuslik auf dem Schiff. "Und das Wissen erst, das hier zu finden ist! Eier Schützling hat eyne jute Wahl jetroffet, hier ihre Prüfung abzulegen."

Balrik sagte nichts darauf. Der Grund warum Yppolita Punin wählte, war nicht das Wissen das hier zu finden war, sondern weil diese Magierakadmie die einzige Graue innerhalb des Reiches war. Andererseits, wenn es sich Balrik recht überlegte, Yppolita hätte trotz allem wohl kaum eine Akademie gewählt, in der sie nichts erlernen könnte ...

Allmählich kamen auch die anderen an Deck, die in Punin aussteigen wollten. Giselbert hatte seinen Lederhut auf dem Kopf und einen Rucksack geschultert. Anaxios war in einer Lektüre vertieft, die er in Händen hielt, und halb abwesend aus dem Schiffsinneren kam.

Nur Yppolita war bereits an Deck gewesen und betrachtete die Landschaft.

Auch ein fünfzehnjähriges Mädchen und ein neunjähriger Junge kamen auf das Deck; ebenfalls mit Rucksäcken geschultert. Das Mädchen trug sogar ein Kurzschwert.

"Habt ihr alle Eure Sachen?", fragte Balrik.

"Ja, wir haben alles", antwortete das Mädchen.

Das Mädchen und der Junge waren Mechthild von Kieselhom und Firnwulf von Hirschfurten, die Knappin und Page Ardos von Keilholtz. Balrik hatte sich den beiden angenommen, nachdem Ardo auf solch übernatürliche Weise verschwand.

Schließlich machte das Schiff an der Pier fest und Yppolita bezahlte den Kapitän für die Reise aus. Anschließend begaben sie sich in die Magierakademie.