Garetien:Rilja von Langkoppel
Einst rote, jetzt ergraute Haare, dazu ein gebeugter Gang, schwer auf einen krummen Stock gestützt, und ein rotgetigerter Kater, der ihr nicht von der Seite weicht - kein Zweifel, so sieht eine alte Hexe aus.
Falsch geraten. Rilja ist ein Koboldskind, eine Schelmin von - wie es aussieht - gut siebzig Sommern. Als junges Mädchen verließ sie der Liebe zu einem Menschen wegen die Gefilde der Feen. Lange lebte sie mit ihrem geliebten Gatten und einer stetig größer werdenden Familie bei Ilsur. Kaum verwitwet, mußte sie den Beginn der borbaradianischen Invasion erleben. Sie wollte ihre Familie retten - und tatsächlich gehörten alle zum ersten Flüchtlingszug, der Gareth erreichte. Als ihre Sprösslinge glücklich untergebracht waren, entsann sich Rilja der Stätten ihrer Kindheit. Tatsächlich fand sie die Eingänge in die Feenwelt wieder - und ihre Lebensaufgabe:
Eine böse Fee, die gegen die Gesetze ihres Volkes verstoßen hat, wird in einen Stein gebannt, aus dem sie nie wieder entkommen soll. Rilja entdeckte in einer verschneiten Höhle (war nicht Frühling gewesen, als sie diesen Ort verließ?) einen ganzen Kerker solcher Feen - filigrane Statuen von Tieren und Menschen. Seither ist sie Hüterin dieses Gefängnisses. Zugleich hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, die Menschen vor diesen Feen zu schützen - indem sie ihnen vermeintlich gefährliche Statuen stiehlt und in ihrem Eiskerker verbirgt. So hat sie einige Figuren erwischt, die wirklich besser menschlichem Zugriff entzogen wären, aber häufig trifft es auch ganz normale Stücke, die dann für ihre Besitzer völlig unerklärlich verschwinden. Auf ihren Diebestouren kann sich Rilja neben ihrer Magie auch auf die Hilfe ihrer ausgedehnten Verwandschaft verlassen. Inzwischen hat sie fast in jedem Stadtteil Enkel und Urenkel, von der Schankmagd in der Eckkneipe bis zum hochherrschaftlichen Stallburschen.
Die Zeit in der Eisgrotte scheint langsamer zu vergehen: in den über zehn Jahren, die Rilja nun schon wieder in Gareth weilt, ist sie nicht nennenswert gealtert. Das Tor in ihre Feenwelt ist eine unscheinbare - und für den Uneingeweihten völlig nutzlose - Tür an der Rückseite eines kleinen Tsa-Schreines in Langkoppel. Den Schrein hatte Burggraf Oldebor von Weyringhaus anlässlich der Geburt seiner ersten Tochter Ondinai errichten lassen - wieso das ausgerechnet an diesem Ort geschah, vermag heute niemand mehr zu sagen.
(O. Baeck)