Geschichten:Spuren von Purpur - Nur meine Pflicht
Burg Freudenstein, Nacht zum 24. Efferd 1044
Schon seit einer halben Stunde waren Selindes wollüstige Schreie durch die Burg zu hören. Anscheinend wollte die Baronin keine Zeit verlieren und hatte ihren Verlobten Ludolf schon jetzt in die ehelichten Pflichten eingespannt, auch, wenn die Hochzeit erst im Tsa stattfinden würde.
Die Nacht war sehr warm. Irnfrede lag im Bett in ihrem Gästezimmer und konnte keinen Schlaf finden. So viele Dinge gingen ihr durch den Kopf. Sie hatte erfahren, dass ihre neue Burg Erlenstamm zwar schon fertig errichtet war, es aber noch an jeglicher Inneneinrichtung fehlte. Sie würde es ihrem Vater irgendwie beibringen müssen, dass sie noch gehörige Geldmittel bräuchte, um die Burg bezugsfertig stellen zu können.
Aber das war nicht das einzige, was sie bewegte. Immer wieder war sie in Gedanken bei Ritter Geromel. Er war so groß, so stark, er sah so unglaublich gut aus und dass er sich so heldenhaft in den auf sie gezielten Dolchstoß ihrer Entführerin geworfen hatte, war … Irnfrede seufzte voller Sehnsucht. Ihr Herz schlug jedes mal schneller, wenn sie in seiner Nähe war, oder auch nur wenn sie an ihn dachte. Sie sehnte sich mehr als alles andere danach, in seinen Armen zu liegen und seine Nähe zu spüren.
Und die anhaltenden Brunstlaute ihrer künftigen Lehnsherrin machten es ihr auch nicht leichter an irgendetwas anderes zu denken.
Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus und schlich barfuß und nur mit einem dünnen Nachthemd bekleidet aus ihrem Zimmer. Sie lief den Flur entlang und bemerkte, dass die Tür zu Geromels kleiner Kammer nur angelehnt war. Sie lugte vorsichtig hinein und sah, dass der Ritter anscheinend unbekleidet unter einer Decke lag und sich unruhig hin und her wälzte. Er trug immer noch den Verband um seine Hüfte, auch wenn die Wunde schon einigermaßen gut verheilt war.
Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Er war so athletisch, so männlich. Sein Körper voller Muskeln. Er hatte nicht einen Schmerzenslaut von sich gegeben, als der Dolch ihn durchbohrt hatte.
Irnfrede fasste sich ein Herz, und schlich in seine Kammer. Als sie hinter sich die Tür schloss, öffnete Geromel die Augen: „Wer… Herrin? Was macht Ihr hier? Ihr solltet besser gehen!“ sagte er leise aber bestimmt.
„Ich.. ich kann nicht schlafen, Geromel!“ antwortete sie. „Ich auch nicht. Aber das wird sich ja hoffentlich bald legen.“ Er zog sich die Decke etwas höher. „Trotzdem müsst Ihr gehen, Herrin. Ich bitte Euch! Wenn man Euch hier sieht…“
Irnfrede atmete tief durch, nahm allen Mut zusammen und setzte sich auf sein Bett.
„Bevor ich gehe, muss ich Euch noch eine Frage stellen: empfindet Ihr etwas für mich?“
Geromel blickte sie überrascht an. Er zögerte. „… Herrin…ich…“
„Als ihr Euch ohne zu zögern in den Dolch warft, nur um mein Leben zu retten, war ich da nur ein Auftrag für Euch, oder bedeute ich Euch mehr?“
Geromel rang um die richtigen Worte: „Ich hatte… habe den Auftrag, Euer Leben zu schützen!“
„Das weiß ich.“ Irnfrede kam näher an ihn heran, so dass er ihr tief in ihre smaragdgrünen Augen blicken konnte. „Aber ist da nicht noch mehr?“
Geromel drehte den Kopf zu Seite, und klemmte die Lippen zusammen: „Ich tat… nur meine Pflicht, Herrin!“
„Dann seht mir in die Augen und sagt es mir ins Gesicht!“ forderte Irnfrede.
Geromel sah sie an. „Was?“
„Sagt mir, dass ich für Euch nur ein Auftrag bin, und dass Ihr mich nicht liebt.“ Ihre Stimme zitterte.
Geromel schloss die Augen. Sie konnte sehen, wie es ihn innerlich zu zerreißen schien.
„Die Wahrheit?“ fragte er.
„Ja, ich muss die Wahrheit wissen, Geromel, auch wenn sie wehtut!“ ihre Augen waren feucht, und eine kleine Träne kullerte ihr über die Wange.
Er zwang sich ihr tief in die Augen zu blicken: „Also gut: Ich… liebe Euch… n…“
Er machte eine Pause, atmete tief durch und schloss kurz die Augen. Dann öffnete er sie erneut.
„Ich liebe dich mehr als mein eigenes Leben, Irnfrede! Ich war bereit für dich zu sterben und bei den Göttern, ich bin es immer noch!“
„Oh, Geromel!“ seufzte sie laut, schlang ihre Arme um seinen Hals und küsste und heiß auf den Mund. Rasch hatte sie sich das Nachthemd abgestreift, und ihre Körper fanden zueinander.
In dieser Nacht entfachten zwei liebende Seelen, die endlich vereint waren, ein wahres Feuerwerk der Leidenschaft, so dass es der Göttin Rahja in Alveran ein Wohlgefallen war. Und auch ihre junge Schwester Tsa fand Gefallen daran.
So formte die Göttin aus Sternenlicht eine kleine neue Seele, hauchte ihr den Kuss des Lebens ein, und schickte sie auf die Reise nach Burg Freudenstein, die in dieser Nacht ihrem Namen alle Ehre bereitete.
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