Benutzer:Orknase/Briefspiel
Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.
Grishelm
Gishelm von Schwarztannen hat ein Leben mit vielen Höhen und Tiefen geführt.
Esenfeld
Fremder
ZSF01: Ein Fremder kommt nach Esenfeld
Wehrhof Esenfeld, Rahja 904 BF
»Es ist Zeit«, hob der Fremde an und bedachte die Frau ihm gegenüber aus seinen kalten, blauen Augen voller Abscheu. Der Mann saß hoch zu Rosse. Es war ein harter Mann von kräftiger Statur, dabei ungewöhnlich groß und mit noch immer dichtem schwarzen Haar. Über einem Kettenhemd trug er einen Wappenrock in schwarz und gelb, den Farben der Baronie Schwarztannen. Ein Schwert in einer kunstvollen Scheide hing an seiner linken Seite. Seine Begleiter waren ebenfalls gerüstet und bewaffnet. Grimmig schauten sie drein. Der Bannerträger, der das Wappen der Familie Schwarztannen führte, blickte zum wolkenverhangenen Horizont hinauf. Ein einzelner Regentropfen verirrte sich auf seine Wange. Ein Sturm zog auf. Noch jedoch war es unerträglich heiß und schwül.
»Einen weiteren Götterlauf«, erwiderte sie ihm und blickt ihn mit ihren weichen, braunen Augen wie ein verhuschtes Reh an. Ihr rotblondes Haare fiel sanft um ihr Gesicht. »Nur noch einen. Es wird der letzte sein. Ich bitte dich, Ardo, nur noch dieses eine Mal.«
»Nein«, erwiderte der Ritter barsch und ließ seine Rechte durch die Luft schnellen, »Nichts da.«
»Im Namen der Götter«, hob sie nun an und beugte beide Knie, ihr Haupt hielt sie dabei gesenkt, »Im Namen der Sturmherrin, ich flehe dich an. Lass mir meine Kinder. Es ist ein einziger weiterer Götterlauf um den ich dich bitte. Nur einen noch. Danach sind sie dein. Ich schwöre es.« Bei den letzten Worten blickte sie auf. Ihre Blicke trafen sich. »Vor dem Gerechten.«
Er lachte nur: »Vorbei sind die Zeiten, da der Blick eines scheuen Rehes mich milde stimmte.«
»Sie sind noch zu jung«, beharrte sie, »Gibt ihnen noch einen weiteren Götterlauf, Ardo.«
»Wozu?«, spie er nur hervor, »Was solltest ausgerechnet du, ihnen geben können?«
»Die Liebe einer Mutter«, kam ihre Antwort prompt, »Und wenn eine die Liebe einer Mutter zu ihren Kindern versteht, dann gewiss die Leuin höchst selbst.«
»Liebe gewinnt keinen einzigen Kampf, sie macht einen nur...«, er hielt einen Moment inne und blickte sie mit seinen harten Augen an, »... weich.«
Erste Regentropfen begannen zu fallen.
»Die Kinder brauchen endlich ihren Vater!«
Nun lachte sie: »Ihren Vater? Ihren VATER?« Ihre Stimme überschlug sich. Leise begann Donner über sie hinwegzugrollen. »Vor Götterläufen hätten sie dich gebraucht. Vor Götterlaufen! Meine Brüder sind mehr Vater als du...«
Da stieß er seinem Pferd die Haken in die Flanken. Es preschte nach vorne. Und er trat ihr mit seinem Stiefel mit voller Wucht ins Gesicht. Sie kippte zur Seite. Blieb reglos liegen. Nur ihre Augen bewegten sich noch. Folgten ihm. Er wendete das Pferd, brachte es zum Stehen. Heftiger Regen setzte ein. Ergoss sich. Linderte die Hitze. Wusch das warme Blut von ihrem Gesicht. Mächtiger Donner fegte über sie hinweg. Das Banner, die goldene Hand auf rot, begann in der aufgekommenen Brise hart zu Flackern.
»Lasst sie liegen«, befahl er. Und alle gehorchten. Die beiden Knaben begriffen, dass er der gestrenge Herr sein musste, von dem ihnen ihre Mutter immer erzählt, ja sie eindringlich gewarnt hatte. Er war der Ritter zu Esenfeld. Er war ihr Vater.
Vater
ZSF02: Die beiden Knaben lernen ihren Vater kennen.
Ardo von Schwarztannen stieg vom Pferd ab. Seine Gefolgsleute taten es ihm gleich. Knechte kamen herbeigeeilt, kümmerten sich um die Pferde, während Regen und Wind über sie hinwegpeitschten. Donner grollte markerschütternd. Wütende Blitze zuckte vom Himmel herab. Erhellten den inzwischen stockfinster gewordenen Innenhof Esenfelds. Die Männer, der Ritter zu Esenfeld allen voran, drängten in den Wehrhof hinein. Die beiden Knaben, die noch immer stocksteif unweit der Tür standen, fassten sich unbewusst an den Händen, der kleiner der Knabe drängte sich an seinen größeren Bruder. Beide hatten sie das pechschwarze Haar ihres Vaters und die weichen, tiefbraunen Augen ihrer Mutter. Hinter ihnen standen zwei junge Männer. Sie ähnelten der noch immer am Boden und im Regen liegenden Frau. Ihre Gesichter totenblass und ausdruckslos, ihre Tränen hatte der Regen verborgen. Beinahe unbemerkt, zogen sie sich zurück. Ließen ihre Hände von den Schultern der Knaben gleiten und verschwanden im Haus.
Mit festen Schritten ging der Hausherr auf die Knaben zu. Fixierte sie mit seinen harten blauen Augen. »Was steht ihr noch hier rum?«, blaffte er sie an, »Sorgt dafür, dass meine Männer etwas vernünftiges zu Essen und Trinken bekommen so lange Efferd uns zürnt.«
Ungläubig blickten die beiden noch immer dicht aneinander gedrängten Knaben, der eine mehr als einen Kopf kleiner als der andere, zu dem Fremden auf. »Rondra«, wisperte der jüngere der beiden. Die linke Augenbrauen des Ritters zuckte steil nach oben, seine Hand schnellte nach hinten und dann auf die Wange des Knaben. Der schrie entsetzt auf, drückte sich in die Arme seines großen Bruders. Tränen schossen ihm in die Augen.
»Erhebe noch ein einziges Mal das Wort gegen deinen Vater und du liegst da draußen neben deiner Schlampe von Mutter«, drohte er mit erhobener Hand. Es war jene Hand, mit der den Knaben gerade eben geschlagen habe.
»Ja, Hoher Herr«, erwiderte der ältere der beiden, während er noch immer seinen heftig, schluchzenden Bruder in seinen Armen hielt, »Geht doch schon einmal hinein. Wir werden Euch sogleich bewirten.«
Wieder lag der harte und kalte Blick des Mannes auf den beiden Knaben. Und ohne seine Söhne eines weiteren Blickes zu würdigen, ging der Ritter zu Esenfeld an ihnen vorbei. Seine Männer folgten.
»Ich werde dich beschützen, Moribert«, wisperte der größerer Knabe dem noch immer weinenden kleineren zu als die Männer außer Hörweite waren, »Bleib einfach immer hinter mir, dann kann er dir nichts tun.« Er fuhr seinem Bruder über das kurze schwarze Haar. Die beiden trennten sich. Moribert tropfte noch immer Blut aus der Nase. Der Regen wusch es fort. »Grishelm«, wimmerte der jedoch nur erstickt, »Ist das wirklich unser Vater?« Sein Blick glitt zu der noch immer reglos im Regen liegenden Frau. Ihrer Mutter. Ihre Augen waren noch immer geöffnet. Hatten die beiden Knaben fixiert. Grishelm senkte den Blick.
Zwei Brüder
ZSF03: Der Vater hasst die Mutter der Knaben.
Der Herr zu Esenfeld blieb über Nacht, denn der Zorn Efferds - viele eher Rondras, wenn man dem leisen Wispern der Bediensteten hinter vorgehaltener Hand glaubte - verzog sich nicht so schnell. Lange grollte es bedrohlich. Der Himmel in ein giftiges dunkles Grün getaucht. Und Blitz und Blitz zuckte herab. Einer setzte sogar die große, mächtige Eiche im Innenhof Esenfels in Brand. Erst da erlaubte der Herr, die Hausherrin endlich fortzuschaffen und das auch nur, weil sie im Weg lag nicht etwa aus ... Mitleid.
Und erst als die Herrschaft schlief, war einer der Brüder der Frau aufgebrochen, um einen Geweihten der Herrin Peraine aus Hexenmühle zu holen. Indes saß der andere an ihrem Bett, hielt die reglose und kalte Hand seiner Schwester in der eigenen und musterte ihr ausdrucksloses, blasses Gesicht den Tränen nahe. Moribert krabbelte dem Mann auf seinen Schoß und schmiegte sich dicht an ihn. Den noch freien Arm legte er um den Knaben und hauchte ihm anschließend einen Kuss aufs Haar. Grishelm indes trat neben seinen Onkel an das Bett seiner Mutter.
»Ist das wirklich unser Vater?«, hob Grishelm hoffnungsvoll an, »Sag, dass er es nicht ist, Salvin. Sag es! Bitte!«
Der Mann schluckte schwer und schüttelte traurig seinen Kopf: »Er ist euer Vater.« Er nickte langsam. Gänsehaut jagte Grishelms Rücken hinab. »Ardo von Schwarztannen-Scharfenstein ist euer Vater. Und du, Grishelm, bis sein Erbe.«
»Ich will nicht, dass er mein Vater ist!«, entfuhr es dem Knaben da, »Ich will nicht sein Sohn sein. Auch nicht sein ... Erbe.«
Verständnisvoll nickte Salvin.
»Kannst du nicht unser Vater sein?«
»Nein«, nun nickte er, »Das geht nicht. Ihr seid seine Kinder. Es gibt keine Zweifel. Ihr seid sein Fleisch und Blut.«
Einige Tränen liefen dem Knaben über das Gesicht und trotzig erwiderte er: »Ich will das aber nicht. Ich will nicht, dass dieser Mann mein Vater ist. Ich will das nicht.«
»Ich weis, Grishelm, und ich verstehe dich. Sehr gut sogar.« Seit der Geburt der Knaben war Salvin, wie auch sein Zwillingsbruder Salentin, immerzu um sie gewesen. Hatten sie abends in den Schlaf gewiegt, ihnen Lieder vorgesungen, Geschichten erzählt, waren bei ihren ersten Schritten, ja bei ihren ersten Worten dabei gewesen. Sie hatten gemeinsam mit ihnen Esenfeld entdeckt. Waren in Bäume geklettert und hatten im Mühlbach geplantscht und im Wald getobt. Und wenn die Beine der Kinder zu schwer waren von den vielen Abenteuern, dann hatten sie sie nach Hause getragen. Sie waren immerzu für die Knaben da gewesen. Immer. Jederzeit.
»Hasst er uns?«, riss Grishelm seinen Onkel aus seinen Gedanken. Unruhig verlagerte der Knabe das Gewicht von einem auf das andere Bein. Einen Moment blickte der Mann auf den Knaben in seinen Armen. Der ruhige und regelmäßige Atem verriet, dass er eingeschlafen war. »Hasst er uns?«, wiederholte der ältere der Knaben.
»Nein«, versicherte der Mann sanftmütig, »Nein, er hasst euch nicht. Nicht seine Söhne. Seine Erben. Nein, gewiss nicht. Ich denke sogar...« Er hielt einen Moment inne. Wirkte angespannt. »... das er euch liebt. Auf seine... hm... eigene Art.« Salvin zog seine Augenbrauen nach oben. »Sicherlich. Er liebt euch. Da bin ich sicher.«
Doch Grishelm beruhigte das nicht: »Hasst er ... hasst er Mutter?«
Salvin konnte nicht anders, er konnte nur nicken. Und dann nach einem erschreckend langen Augenblick, in dem er schwieg und seine Schwester ernst betrachtete, hauchte er so leise, dass man es gerade so verstehen konnte: »Es war nicht immer so, Grishelm. Er war nicht immer so. Sie waren einander sehr zugetan. Ungleich, doch irgendwie glücklich. Doch dann ist Algerte etwas Schreckliches passiert. Etwas Entsetzliches.«
Gänsehaut erfasste den gesamten Körper des Knaben. So hatte er seinen Onkel noch nie sprechen hören. So voller Schmerz. Voller Grauen. Und weil Salvin nicht mehr sagte, wusste der Knabe, dass es etwas wirklich Schreckliches gewesen sein muss.
Geweihte
ZSF04: Eine Geweihte der Peraine kommt (unerwartet) nach Esenfeld.
Im Morgengrauen kam Salentin mit einer Geweihten der Herrin Peraine aus Salzungen wieder. Das Missfiel dem Hausherren zwar zu tiefst, aber er wusste sehr wohl, dass man einen Diener der Zwölfe nicht ohne weiteres abwies und so bat er sie herein: »Peraine mit Euch, Euer Hochwürden.« Demütig beugte er sein Haupt, trat zurück und ließ die Geweihte herein. »Habt Dank für Euer Kommen, auch wenn es nicht notwendig gewesen wäre, dass ihr persönlich erscheint.«
Die ältere Geweihte nickte sanftmütig. Eine Strähne ihres kurzen, grauen Haares fiel ihr ins Gesicht. Sie strich es sich wieder zurück. »Sorgte Euch nicht, Hochgeboren. Wie ein jeder von uns, bin auch ich nur eine Dienerin und deswegen diene ich«, erwiderte sie und fügte unnötigerweise noch hinzu: »So wie auch Ihr nur ein Diener unter dem Angesicht der Götter seid.«
Ardo von Schwarztannen blickte die Geweihte schweigend und nahezu reglos an. In seinen Augen funkelte Zorn. Unangenehme Stille breitete sich aus.
»Seid doch so gut«, ergriff nun die Geweihte wieder das Wort, »und bringt mich zu eurer werten Gattin, damit ich sie mir ansehen kann.«
Der Hausherr nickte nur mürrisch, bot der Hochgeweihten seinen Arm an und schritt mit ihr voran. Und während sie miteinander gingen, wollte sie von ihm: »Ist meine gute Freundin Algerte wieder einmal gestürzt, Hochgeboren?«
»Ein bedauerlicher Unfall«, erwiderte er ihr trocken und vermied es sie anzusehen, »Wieder einmal, Hochwürden.«
»Hm«, macht die Geweihte da nur und legte die Finger ihrer freien Hand an ihr Kinn, »Meine gute Freundin ist seit damals einfach nicht mehr sie selbst.« Sie seufzte schwer und schaute betrübt drein. »Armes Kind.« Sie hielt einen Moment inne. »Phex sei Dank hat sie eure beiden Söhne an der Seite. Sie liebt sie sehr. Vor allem da...« Sie verstummte.
Der Hausherr schwieg.
»Vermutlich werdet Ihr nicht lang bleiben können, Hochgeboren?«, fuhr sie fort.
»Ich bedauere, aber Ihr habt recht«, erwiderte er ihr, »Ich bin nur gekommen um meine Söhne zu holen.«
Die Geweihte blieb abrupt stehen und schaute ihn lange, ohne ein einziges Wort zu sagen, an. Stoisch hielt er ihrem Blick stand.
»Hochwürden«, ergriff er nun das Wort, »Ich muss mich jetzt nun wirklich empfehlen. Mein Bruder erwartet mich dringend auf Burg Scharfenstein.«
»Ich verstehe«, damit löste sie sich aus seinem Arm, »Werdet Ihr beide Knaben mit Euch nehmen?«
»Sicherlich. Es ist Zeit, dass sie das Leben am Hofe kennenlernen.«
»Auch Moribert? Er scheint mir noch recht jung.«
»Beide«, entgegnete er ihr nur mit unnachgiebigen Blick, »Tut, was Eure Herrin von euch verlangt. Peraine mit Euch, Hochwürden.« Damit verabschiedete er sich.