Geschichten:Die Pforte aufgestoßen - Wohin des Weges
Auf der Straße zwischen Dorf Hopfelden und Burg Pfortenstein, Anfang Praios 1047 BF
Die Kutsche rumpelte seit geraumer Zeit unsanft über die Straße Richtung Leihenbutt. Salix von Hardenstatt blickte missmutig zu Lingmar Buchner. Einzig der Gedanke an sein kleines Stadthaus, welches er seit kurzem für seine Unternehmungen zur Verfügung gestellt bekommen hatte, hellte seine Gedanken auf. Es mochte zwar stimmen, dass die Jahreszeiten im Herzen des Reichs milder waren als in der Markgrafschaft, das änderte allerdings nichts an der fehlenden Federung seiner Kutsche.
Beinahe wehleidig dachte er an seinen Aufenthalt in Gareth zurück und an den Umstand, dass er es abermals versäumt hatte eine namhafte Stellmacherei aufzusuchen. Andererseits hatte er schon jetzt Probleme seine Kutsche unauffällig in einer der Stellmachereien unterzubringen, denn in Altenbutt würde sie auffallen wie ein Ork in Zackenberg.
Die Idee bereits am Anfang des Götterlaufs und dann sowohl den Herbst als auch den Winter im Königreich zu verbringen, um die Pläne der Familie Zackenberg voranzubringen, war eine gute gewesen. Davon war der Perricumer auch immer noch überzeugt. Weniger durchdacht war jedoch sein Reisegefährt, das musste er sich eingestehen. Zumindest würde er für das Reisen vor Ort auf die Kutsche verzichten. Zu Gunsten eines Pferdes… Ob das so viel besser war?
Rufe von draußen rissen ihn aus den Gedanken und überrascht schob er einen der Vorhänge zur Seite, um herauszufinden weswegen sie stehengeblieben waren. Einer seiner Reiter kam bereits zum Fenster. „Mein Herr, Männer des Barons versperren uns den Weg und verlangen zu erfahren, wer wir sind und was unser Ziel ist“. Der Mann mit dem voluminösen Kaiser-Alrik-Bart und den glatten und langen schwarzen Haaren blickte fast schon säuerlich drein, ob dieser Unterbrechung. Doch Salix hob lediglich die Hand und nickte knapp, ehe er sich an Lingmar wandte.
„Wärst du wohl so freundlich…?“, ein Lächeln huschte über die Gesichtszüge des Jungen, der seinen Reisemantel griff und aus der Kutsche stieg. Der Reiter mit dem Kaiser-Alrik-Bart führte ihn sodann nach vorne wo eine Handvoll Bewaffneter, in den Farben der Baronie, standen und mit ihren Hellebarden den Weg versperrten.
„Den Zwölfen zum Gruß, werte Hüter der Wege und Straßen!“, begann der Junge mit freundlich heller Stimme. „Ich bin Lingmar Buchner, Diener des Salix von Hardenstatt. Wir sind auf dem Weg von Gareth nach Leihenbutt!“.
Eine Frau, die die anderen vier Gardisten um einen guten Kopf überragte, trat hervor. „Den Zwölfen zum Gruß, Lingmar Buchner, Diener des Salix von Hardenstatt. Der Name deines Herrn sagt mir nichts! Er scheint mir weder aus Rallerspfort noch aus Waldstein zu sein. Welchen Geschäften geht ihr nach?“, wollte sie mit befehlsgewohnter Stimme wissen.
Lingmar lächelte breit, „Ihr habt ein gutes Verständnis von Namen! Mein Herr kommt aus den perricumer Landen. Er reist im Auftrag der Familie Zackenberg, genauer: seiner Exzellenz der Heermeister Perricums, Zivko von Zackenberg-Bennstedt. Seine Exzellenz unterhält Verbindungen zum Baron von Leihenbutt. Weder er noch wir führen Unbill im Schilde, werte Hüterin des Rechts und der Ordnung!“.
Die Angesprochene winkte ab, „schon gut, ich habe ja verstanden“. Mit diesen Worten bedeutete sie ihren Mannen Platz zu machen und kam selbst einige Schritte auf Lingmar zu. „Wir tun hier alle nur, was uns aufgetragen wurde“.
Dieser nickte verstehend, „Ihr müsst Euch nicht entschuldigen. Es ist das gute Recht des Barons und seiner Mannen zu erfahren, was Unbekannte auf seinem Land machen. Doch erlaubt mir die Gegenfrage: weshalb diese Sicherheitsvorkehrungen? Ich kann mich nicht daran erinnern, im letzten Götterlauf etwas ähnliches erlebt zu haben“.
Die Frau nickte knapp, „Aye! Neue Maßnahmen wegen der überhandnehmenden Überfälle auf Handelszüge. Hier im Grenzgebiet kommt es immer mehr zu Auseinandersetzungen zwischen Räubern und unbescholtenen Bürgern. Der nahe Wald und so… Habt ihr das nicht gewusst?“.
„Räuberbanden die Handelszüge überfallen? Sowas kommt sicherlich mal vor, aber dass dies überhandnimmt? Nein das war mir nicht bekannt. Dann ist diese Strecke hier gar nicht sicher?“. Lingmar blickte mit Entsetzen der Frau entgegen, die sogleich beschwichtigend die Hände hob.
„Nichts, was wir nicht unter Kontrolle bekommen könnten. Ich meine, seine Hochgeboren von Rallersgrund hat sich der Sache ja nun angenommen, da kannst du und dein Herr sicher sein, dass sich dieses Problem alsbald erledigt hat“. Zuversichtlich nickte sie winkte der Kutsche sowie den beiden Reitern zum Abschied hinterher.
In der Kutsche blickte Salix fragend zu Lingmar, der grinste nur breit. „Scheint so, als ob unsere Freunde für mächtig Unruhe hier in der Region sorgen“. Der Adlige nickte zufrieden und lehnte sich zurück. Wenn er seinen Quellen trauen konnte – und das konnte er – dürften ihre Freunde nicht die einzigen Problemherde in der Gegend sein. Sorgenvoll blickte er aus dem Fenster der Kutsche und dachte an den nahen Wald, durch welcher der Elfenpfad führte.