Geschichten:Albernische Gäste - Teil 10

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Ra’oul keuchte auf, er hatte offenbar das Bewusstsein wieder erlangt. Lyn fasste seine Hand und seine Augenlider flackerten. “Lyn... Mainän Säbel.....” “Ruhig,” flüsterte sie. “Wir haben den Schurken gefangen und seine Schergen vertrieben.”

Doch der Nebachote versuchte sich vergebens nach dem Griff seines Reitersäbels zu strecken.

Linea schüttelte frustriert den Kopf und kramte in ihrer Tasche. “Das hier wird ihm alles nur kurzweilig helfen.” Sie erneuerte einen Kräuterverband und schnürte den Arm fest mit einem Verband zu. “Ich gebe ihm so noch höchstens einen Tag, falls Peraine gnädig ist. Ich brauche die Medizin, die ich zu Hause habe.”

“Dann reite zurück!” sagte Rondrio. “Du kennst den Weg gut und bist eine geschickte Reiterin. Cyberian begleitet und beschützt sie, bitte.” Wir sind alle angeschlagen; ihr beide seid noch frisch. Reitet wie der Wind und holt die Arznei.”

Linea wandte sich noch einmal Lyn zu. “Jetzt da er wach ist, haltet ihn wach. So sind die Chancen besser, dass er den morgigen Tag noch erleben wird. Kommt, Cyberian, wir eilen uns.”

Der Junker hatte von Firunshöh gerade fertig verschnürt, da sprang er auch schon wieder in den Sattel. “Wir werden rechtzeitig wieder zurück sein.” Versprach er kurz und folgte dann Linea.

Lyn vernahm die Worte wie in Trance. Wie durch einen Nebel sah sie, wie Linea und Cyberian sich auf ihre Pferde schwangen und davon ritten. Vorsichtig hielt sie Ra´ouls Hand. Und strich ihm sanft über den Kopf. Seine Kleidung war blutgetränkt und das Blut was aus ihrer Wunde am Oberarm rann, vermischte sich mit seinem. Den pochenden Schmerz in ihrem Arm nahm sie nicht war, nur den Schmerz in ihrem Herzen. Sie wusste, das seine Chancen schlecht standen, doch Lineas Worte schälten sich aus dem Schmerz, der sie umgab. Wach halten musste sie ihn, doch wie? Sie zwang sich dazu, den eiskalten Griff, der ihr Herz gefangen hielt, abzuschütteln und daran zu glauben, dass er es schaffen konnte.

Sie musste ganz fest daran glauben und ihm die nötige Kraft geben.

Sie sah Ra´oul mit ihren grünen Augen zärtlich an, aber er war schon wieder kurz davor, die Besinnung zu verlieren. “Ra´oul, Du darfst jetzt nicht schlafen”

Energisch drangen Lyns Worte in das Unterbewusstsein des Nebachoten. Sie sah, wie er gegen die Schwäche ankämpfte, die ihn zu übermannen drohte. “Jetzt noch nicht, später erst.” Lyn drückte ihm den Griff seines Säbels in die Faust und langsam schlug er die Augen wieder auf, dankbar mit dem Säbel in der Hand sterben zu können. Ihre Stimme schien ihn in ihren Bann zu ziehen. “Ra´oul, ich bitte dich, schlaf jetzt nicht. Du wolltest mir doch noch Nebachot zeigen.” Eine Welle der Hilflosigkeit drohte Lyn zu überrennen. Er durfte jetzt nicht sterben, sie wollte doch noch mit ihm Perricum sehen und ihm Albernia zeigen. Verwirrt schüttelte sie den Gedanken ab. Sie würde ihm nie Albernia zeigen können. Sie hatte ja selbst gesehen, wie unerwünscht er dort war. Doch konnte sie ihm davon erzählen. So begann sie ihm von ihrer Heimat zu berichten, von den saftigen Wiesen, den sanften Hügeln, den dunklen Mooren und dem immerwährenden Nebel. Sie berichtete ihm von den Feen und Geistern, dem Gundelwald und was ihr in ihm wiederfahren war. Dabei schaute sie ihm in die Augen und hielt ihn mit ihrem Blick und ihrer Stimme gefangen. Sie sah, wie er ihrer Stimme lauschte und es schaffte, gegen die Müdigkeit und die immer häufiger vorkommende Schwächeanfälle anzukämpfen.

Lyn vergass die Zeit um sich herum. Sie hatte nur Augen für Ra´oul und spürte tief in sich mehr als nur eine große Zuneigung für ihn.

“Lyn!” hauchte Ra’oul schließlich ganz leise. Die Albernierin glaubte auch erst, dass sie sich verhört hatte, doch beugte sie sich dann zu Ra’ouls Gesicht um ihn besser verstehen zu können. Langsam, schwach und leise war dessen Stimme.

“Du.... rädest..... zuviel.” Flunkerte er schwach, doch bevor sie überrascht ihre Augen öffnen konnte, hatte seine freie Hand die ihre ertastet und er schenkte ihr unter großer Anstrengung ein dankbares Lächeln. “Abär... das mag... ich.... Lyn... Isch... liebä.....” Ein Hustenanfall bei dem Ra’oul auch Blut spuckte unterbrach seine Rede und Lyn merkte wie sein Griff schwächer wurde.... Ra´ouls Worte waren schwach gewesen und schwer zu verstehen, aber Lyn hatte verstanden, was er sagen wollte. Für einen kurzen Moment wurde ihr Herz leichter, doch Ra´oul drohte schon wieder in die Bewusstlosigkeit abzudriften.

Rondrigo war heran getreten, sein linker Arm hing schlaff herab. Er legte vorsichtig die Hand auf Lyn’s Schulter. “Keine Sorge, irgendwie wird er es schon überleben. Ihr hättet die Wunde sehen sollen, die der Junker von Firunshöh ihm im Reichsgau beigebracht hatte. Das hatte damals wirklich schlimm ausgesehen.” Rondrigo hielt es sehr mit Praios und dessen Tugenden. Deswegen log er auch so erbärmlich.

Lyn lächelte höflich, denn sie wusste die Aufmunterung zu schätzen.

“Jetzt stell Dich nicht so an, wegen einer Fleischwunde,” scherzte Rondrigo. “Schau dir mal meinen Arm an! Ich müsste da eigentlich liegen und mich verarzten lassen.”

Ra’oul lachte und verfiel aber dann doch wieder ins Husten. “Ich waiß! Ich ruh’ mir nuär kurz aus und bin glaich wiedär auf dän Beinän.” Er machte tatsächlich Anstalten sich aufzusetzen, doch Lyn hielt ihn sanft, aber bestimmt zurück. Er holte tief Luft, so als wollte er noch etwas sagen, doch seine Augenlider flackerten und Borons sanfte Arme schlossen sich um ihn.

Erschrocken hielt Lyn den Atem an. War er nur bewusstlos, oder gar...


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