Geschichten:Huttsche Wirren
Feidewald, kurz nach dem Tode des Sighart von Hartsteen auf Hutt: Anselm von Quintian-Quandt betrat das Empfangszimmer des Grafen. "Die Zwölfe zum Gruße - und habt meinen Dank, dass Ihr mich empfangt, Euer Hochwohlgeboren."
"Seid mir willkommen. Ihr wolltet mich sprechen - in der Huttschen Sache sagtet Ihr?"
"Ja, und zwar wollte ich Euch meine Ansprüche auf dieses Lehen darlegen"
"Ihr habt Ansprüche auf Hutt? Wie kann das sein?"
"Eben das will ich Euch darlegen: Zu Zeiten des Grafen Rondrasil erkannte Eleonore von Hartsteen, das erste Kind des damaligen Barons auf Hutt, Jaban, den Hilbert von Quintian-Quandt in Liebe und nahm ihn zum Gemahl. Aus dieser Verbindung entstamme ich in direkter und ältester Linie. Damals wurde entgegen dem Brauch, den ältesten Spross zum Nachfolger zu erwählen, der Zweitgeborene, Hluthar, nach dem Tode seines Vaters Jaban belehnt."
Geismar nickte bedächtig. "Das ist zumindest bedenkenswert, werter Vetter. Ich werde Euch meine Entscheidung beizeiten mitteilen."
Anselm verabschiedete sich und Geismar begann zu grübeln. Es war verlockend, einen Verwandten als Baron auf Hutt einzusetzen. Außerhalb der Grafschaft würde es wohl nicht allzu übel angesehen werden, wenn ein Haus, das offen gegen Reichsrecht verstieß, ja sich sogar erdreistete, selbst einen Grafen auszurufen, eines Lehens verlustig ging. Doch was, wenn dieser sich in der Baronie nicht durchzusetzen vermochte? Würde das nicht seinem Ansehen schaden, das gerade jetzt durch die Dreistigkeit Luidors wichtiger war denn je?
Schließlich entschied er sich, das Wagnis einzugehen. Allein die Aussicht, diesmal einen Schritt schneller zu sein als die Hartsteens, ließ ihn lächeln.
Burg Hutt - Ende Efferd 35 Hal
In Gedanken versunken stand Alrik von Hartsteen am Fenster und ließ seinen Blick schweifen über das so friedlich scheinende Umland. Er wusste, dass der Schein trügerisch und die Ruhe der alten Tage vorbei waren, aber insgeheim sehnte er sich nach der alten Ordnung. Jedenfalls war er nicht gewillt, den Menschen des näheren Umlandes und der winzigen Ortschaft Hutt, die unterhalb der Burg gewachsen war, den Wirren des restlichen Landes auszusetzen. Gar zu grässliches hatte er gehört von Schergen der Schwarzen Landen, von Plünderern und Räubern. Selbst der so hoch angesehene Orden des heiligen Zorns der Göttin Rondra habe bereits die in äußerster Not lebenden Bauern um ihr Hab und Gut gebracht, so jedenfalls erzählten die Gerüchte aus dem südlichen Hartsteen. Das, so hatte er sich geschworen, würde hier nicht geschehen. Solange er mit seinen etwa vierzig Mannen und Frauen, allesamt der Familie Hartsteen und ihm treu ergeben, die alte Trutzfeste Hutt hielt, würde das Chaos hier nicht einbrechen. Dafür würde er, der Baron auf Hutt, sorgen.
Jäh riss ihn ein Pochen an die schwere Eichentür aus seinen Gedanken. "Herein!" rief er.
Die Tür öffnete sich und Gerbald von Windischgrötz, hochbetagter Ritter auf Hutt und bereits treuer Gefolgsmann des verschiedenen Sigharts von Hartsteen, betrat den Raum. Die vielen Götterläufe waren dem Mann kaum anzusehen, sein Auftreten fest und würdig.
"Hochgeboren verzeihen, aber eben erreichte diese Depesche Hutt. Eine unserer Brieftauben, die an seine Hochwohlgeboren von Hartsteen, Euren Herren Bruder Luidor, auf der Beerdigung Eures Vaters überbracht worden ist, kam vor wenigen Minuten an. Das Schreiben ist an Euch gerichtet." Gerbald übergab dem Baron die kurze Mitteilung.
Wichtige Nachricht. Geismar belehnt Anselm von Q-Q mit Hutt. Unbedeutender Sproß. Harmlos aber müssen Vorsicht walten lassen. Vorbereitung auf Belagerung. L.
Ernst schaute Alrik von Hartsteen seinen Gefolgsmann an. "Ihr habt die Nachricht bereits gelesen, also trefft die Vorbereitung. Dem 'Herrn Baron'
soll ein würdiger Empfang bereitet werden. Schützt den Ort und weist die Männer an, sie sollen die Augen offen halten."
Gerbald nickte und verließ den Raum. Es gab einiges zu tun.
(P. Seeger, J. Suberg)