Geschichten:Unter Sturmfelsern
Die Praiosscheibe senkte sich langsam über dem Raschtulswall und tauchte das Darpattal in ein sanftes Rot. Die Wellen plätscherten leise gegen die Uferböschung und ein warmer Frühsommerwind brachte die Luft über der Reichsstraße 3 in Bewegung. Am Wegesrand grasten drei Pferde, Zaumzeug und Sattel noch angelegt, und etwas weiter die Uferböschung hinab, befanden sich die drei Reiter, aßen und hingen ihren Gedanken nach. Robak und Maselrich, zwei Waffenknechte aus Wasserburg, unterhielten sich gedämpft, um ihren Herrn nicht zu stören, während sie ihren Hartkäse und das Weißbrot aßen. Etwas weiter, an einen Baum gelehnt, stand Ronderich von Sturmfels und blickte in die Fluten des Darpats. Doch sein Blick war mehr in die Vergangenheit gerichtet, als auf die braunen langsam vorbeiziehenden Fluten des Flusses. Es dämmerte bereits und seine Männer und er hatten noch gut drei Stunden Ritt vor sich, bis sie Löwentor erreicht haben würden. Müde und ausgezehrt vom langen Ritt, rieb sich Ronderich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. Viel war geschehen in den letzten Tagen, doch war er voller Zuversicht über das, was sich in Gluckenhang ereignet hatte.
Die Baronie Gnitzenkuhl und deren Baronin hatte er verlassen, als für ihn klar war, dass er vor Ort weniger für ihn zu tun war als in seinem eigenem Junkertum. Dort angekommen hatte er eine Einladung der Baronin Rondira von Sturmfels zu Gluckenhang vorgefunden. Sie schrieb von einem wichtigen Vorschlag, den er sich anhören müsse. Doch nicht nur das Siegel der Baronin fand sich unter dem Schreiben, sonderan auch das Aldrons von Firunslicht, des Landvogtes vom Arvepass. Eine von Sturmfels ließ er nun mal nicht lange warten und machte sich deswegen sogleich auf den Weg.
Als er mit seinen Knechten nach Fährfahrt und Ritt endlich auf Burg Gluckenhang eintraf, wurde er von der Baronin und dem Landvogt zu Arvepass freundlich begrüßt und traviagefällig aufgenommen. Am gleichen Abend noch traf man sich zu Speis und Trank und die beiden Gastgeber verloren nicht viel Zeit, sondern kamen zügig zum eigentlichen Grund der Einladung. So galt es einen neuen Bund im Perricum‘schen zu gründen, einen Waffenbund unter Adligen nördlich und südlich des Darpatufers, zur Stärkung Seiner Erlaucht und Sicherheit der Bewohner der Markgrafschaft.
Ronderich kehrte wieder zurück ins hier und jetzt und starrte noch immer in die Fluten des Darpats. Wieso man ihn nur gefragt hatte, dem All-Perricumer Waffenbund beizutreten, war ihm noch immer ein Rätsel. So hatte er doch die meiste Zeit seines Lebens im Krieg außerhalb der Markgrafschaft verbracht und seit seiner Rückkehr war bei weitem nicht genug Zeit vergangen, als dass man sich nun wieder an ihn erinnern würde. Er müsste dies mit seiner Schwester bereden, sie wusste schließlich immer Rat.
Mit einem Wink gab er seinen Männern zu verstehen, dass es an der Zeit war weiterzureiten. Er schwang sich in den Sattel und trieb sein Pferd zurück auf die Reichsstraße gen Praios. Auf dem Ritt dachte er darüber nach, ob er dem Waffenbund von Donner und Sturm beitreten werde. Schließlich fiel sein Entschluß: Heute Abend würde er ein Schreiben an Aldron von Firunslicht aufsetzen. Doch wusste er bereits schon jetzt, was er schreiben würde.