Geschichten:Auf Reshminas Spuren - Teil 6

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Die Aussicht auf einen Ausritt beflügelte den Weibel, und nach kürzester Zeit stand er vergnügt lächelnd A’urel zur Verfügung. Sayid war schon klar, dass diese Exkursion nur zum Ziel hatte ihm, und damit der Delegation des Markgrafen, klar zu machen, dass sie derzeit am besten gar nichts tun sollten, bis der Landvogt die Genehmigung des Marbans eingeholt hatte. So war das hier nun einmal, aber auf ihn wollte ja schließlich keiner hören. Er war ja nur der Weibel. Wohlweislich hatte er ein Spiel Rote und Weiße Kamele eingepackt, um eventuell entstehende Pausen sinnvoll zu nutzen. Der jüngste – eheliche - Spross des Marbans ging nur allzu gerne darauf ein. Er war ein geschickter Spieler, der jedoch mit den Gedanken noch woanders weilte. Er versuchte nebenbei ein wenig mehr über seine feurige Hauptfrau zu erfahren, die eine wahre Streiterin der Muter Kors zu sein schien. Doch er wurde derbe enttäuscht. Die Reaktionen des Weibels diesbezüglich waren unerklärlich spärlich. Vielmehr lobte er den Landvogt Aldron von Firunslicht über alle Maßen. Doch A’urel ließ nicht locker, und der Soldat sagte zwischen zusammengebissenen Zähnen und Zorn im Blick nur so etwas wie: Eine doppelzüngige Schlange wäre ein liebes Haustier gegen Malina von Niederriet – und wer die besteigen würde, könnte froh sein, wenn er Rahja weiter huldigen könnte…? „Ach wuas?“ Warf A’urel verwundert ein. „Wie mainst Du duas? Erzähl! Hat sie schon ainmal jemandän entmannt? Odär ist sie suo wild?“ Beim letzten Satz nahm die Stimme des Nebachoten eine hoffnungsvolle Tonlage ein, bevor er entsetzt beifügte. „Odär hat sie eine anstäckende Krankheit?“

„Nein, nein, so habe ich das nicht gemeint.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung und rollte mit den Augen. Scheinbar war er nicht gewillt mehr als das über seine Vorgesetzte zu verlieren. Schließlich versuchte er die Sprache wieder auf den Fortgang des Spiels zu bringen. Um die Aufmerksamkeit des Sprosses des Marbans wieder auf das Kamele - Spiel zu lenken, hatte er sich derweil absichtlich in eine ungünstige Situation manövriert, damit sein Begleiter gewinnen konnte. Erfreut über den Sieg stieß Sayid abschließend mit einem guten Tropfen Brannt, der aus der Kelterei seiner Familie stammte mit A’urel an. Nach einer Revanche, die dieses Mal der Mann des Landvogtes gewann, kamen sie in gelöster Stimmung am späten Nachmittag wieder zurück zum Lager an, wo bereits die Vorbereitungen zu einem Abendessen getroffen worden waren. Der Bericht gegenüber seiner Hauptfrau fiel spärlich aus, da er seiner Überzeugung Ausdruck verlieh, dass diese Vermesserei wenig Sinn hätte, wüssten doch die Hiesigen genau wo entlang die Grenze verlief, und man alles so belassen sollte wie es schon immer gewesen war. Ein ungläubiges Schnauben begleiteten die folgenden Worte der Hauptfrau. „Was soll das heißen? Befehlsverweigerung ist ein Vergehen, das weit reichende Konsequenzen hätte mein Lieber. Oder hat er dich etwa auch versucht zu betören?“ Sie genoss sichtlich die Überraschung die sich in des Weibels Gesicht einstellte. „Mit mehr Erfolg als bei mir will mir scheinen, wenn ich mir dein Gefasel anhöre.“ Jetzt stellte sich ein gehässiges Grinsen in ihrem sonst so hübschen Gesicht ein. Sayids Mund wollte schon zu einer heftigen Antwort ansetzen, als sie schon weiter sprach. „Du kannst dich entfernen. Ich benötige dich jetzt nicht mehr. Ich werde Phejanka noch ein wenig bewegen, ich hoffe nur, dass durch deine Verbrüderung mit A’urel nicht der Unmut unseres Vogtes auf uns zu kommt. Man wird sehen…!“ Mit diesen Worten verließ die Hauptfrau das Zelt und begann ihre Stute zu satteln. Morgen würde sie gegen diesen A’urel antreten. „Mal sehen welche Waffen oder welchen Wettkampf er wohl wählen wird.“ dachte sie so bei sich. In ihrem Rücken bohrten sich dabei Blicke die ihr mindestens eine schmachvolle Niederlagen wünschten eher aber mehr.

Das Ansinnen der kühlen Blonden konnte indes kaum unbemerkt bleiben. Die Stute, die sie gewöhnlich ritt, machte es dem Soldaten, der sie aus der provisorischen Weide holte schier unmöglich sie am Halfter zu halten. Grinsend näherte sich ihm die Hauptfrau und streckte die Hand nach dem Führstrick aus. „Na, macht sie sich mal wieder wichtig die Kleine?“ Zärtlich knuffte sie die stattliche Phejanka in die Seite, was sogleich ein Quietschen bei dieser hervorrief. Das satte Braun ihres Fells schimmerte fast golden in der untergehenden Sonne. Routiniert und ohne viel Federlesen konnte sie das widerspenstige Reittier Trensen und Satteln. Wurde sie Malina zu frech, folgte stets eine direkte Konsequenz. Dabei hatte man aber nicht den Eindruck, dass sie einander dabei böse waren, im Gegenteil, man konnte fast meinen sie teilten die gleiche Ungeduld. Auffällig war nur, dass die Hauptfrau bei der ganzen Arbeit kein einziges Mal einen Blick auf die Gruppe um A’urel warf. Sobald sie fertig war schwang sie sich schnell in den Sattel und preschte davon. So hatte sie auch nicht bemerkt, dass der junge Nebachote bei den übrigen Kriegern fehlte. Auch sein Ross graste nicht bei den übrigen Pferden. A’urel hatte sich derweilen von den anderen abgeseilt und lag alleine, hinter einem kleinen Hügel im Gras und genoss die Sonne. Arbeit, so stellte er immer wieder fest, war nichts für ihn. Er brauchte einfach Zeit für sich, sein Ross und all die Frauen die das Glück haben sollten ihn kennen lernen und vielleicht sogar das ein oder andere gemeinsame Opfer an Radscha geben zu können. Verwundert blickte er daher auf, als er die Geräusche eines schnell dahin reitendes Pferd hörte. Kurz fragte er sich, ob im Lager eventuell etwas geschehen sei, so dass ein Bote zu seinem Vater gesendet wurde, entspannte sich aber, als er die Hauptfrau sah, die anscheinend doch noch einen Ausritt unternahm und ihn so aus seinen süßen Gedanken riss. „Wän haben wir dänn da?“ Fragte er sich selbst. Seit Grinsen wurde immer breiter und breiter. Anscheinen, so dachte er, suchte Malina ihn.

Der kleine gewundene Pfad - vielleicht ein häufig genutzter Wildwechsel, oder ein Weg der hiesigen Bevölkerung - lockte Malina gen Efferd. Die Hitze des Tages hatte ein wenig nachgelassen, und der landeinwärts ziehende Wind verschaffte einen angenehmen Hauch auf der verschwitzen Haut. Lächelnd gab sie dem Drängen ihrer Stute nach, und lockerte die Zügel ein wenig. Phejanka hatte wie immer ein Gespür für die Stimmung ihrer Reiterin. Dieses Mal würde sie ihren Willen bekommen, und einfach nur ihrem Bewegungsdrang folgend die Landschaft vorbeifliegen lassen. Ihre Mutter war ein imposantes Schlachtross gewesen und ihr Vater ein temperamentvolles Jagdross. Diese Mischung hatte bereits einige Reiter vor Malina von Niederried verzweifeln lassen, wollte sich Phejanka, doch allzu oft nicht unterordnen. Doch die Launenhaftigkeit der beiden schien auf einer seltsamen Seelenverwandtschaft zu beruhen. Zusammen waren sie fast unschlagbar. Im fliegenden Galopp, den Kopf dicht über dem ihrer Stute, ließen sie das ausgetrocknete Bachbett hinter sich, passierten einige Viehunterstände und kamen nach einiger Zeit schließlich auf eine kleine Hügelkuppe zu. Sie wollten am nächsten Tag aufbrechen, um von dort aus weitere Messungen vorzunehmen. Plötzlich ruckten die Ohren ihres Tieres unruhig nach hinten, und auch Malina hörte, dass ein Reiter ihnen folgte. Sie blickte sich um, konnte aber im aufgewirbelten Staub nichts erkennen, sodass sie eine schnelle Kurve ritt, um von der Seite einen Blick nach hinten werfen zu können, wer sie da verfolgte. Schnell erkannte sie in dem schwarz/gold gekleideten Nebachoten A’urel, den Sohn des Barons. Der Krieger ließ die Zügel seines Pferdes locker und Malina musste anerkennend zugeben, dass A’urel reiten konnte – auch wenn sie sich eher die Zunge abbeißen würde, bevor sie ihm das gestand – und dass seine Stute herrlich anzusehen war, wie sie über die Ebene förmlich dahinflog. Der Krieger schien die Neuperricumerin bemerkt zu haben und hielt jetzt auf sie zu.

Als Malina bemerkte, dass A’urel nicht anhalten würde, nahm sie diesmal die Herausforderung an und trieb auch ihr Pferd an, so dass sie nach kurzer Zeit Seite an Seite über die Wiesen und Hügel dahinflogen. Keiner von beiden wusste wo das Ziel war oder wie lange das Wettrennen dauern sollte. Sicher was nur, dass jeder als erstes ‚dort’ sein oder zumindest länger durchhalten wollte. Die beiden Reiter kamen an mehreren Weilern vorbei, flogen über Felder, durchstreiften kleinere Baumgruppen und ritten sogar durch eine Herde von mehreren hundert brendiltalschen Rösser, die friedlich auf der Ebene graste und deren – nebachotische – Pferdejungen die beiden Wettstreiter laut jubelnd anfeuerten. Malina wusste nicht wie lange sie schon ritten, oder wie lange es noch dauern würde, doch genoss sie es förmlich die Muskeln Phejankas zwischen ihren Schenkeln zu spüren und den Wind, der ihr sanft aber bestimmend ins Gesicht wehte und den salzigen Geschmack des Meeres näher brachte. Der Nebachote war förmlich in seinem Element. Ein Wettstreit zu Pferd mit einer interessanten Frau. ER wusste genau, wohin er das Rennen lenkte und wusste, dass hinten den nächsten Hügeln schon bald der Strand und dann das Meer kamen. Er wusste auch, wie sein Ross reagieren würde und freute sich schon darauf dies über Malina erfahren zu können. Ob sie bemerken würde, dass ihm der Ausgang des eigentlichen Rennens egal war, sondern er ein ganz anderes Ziel verfolgte? Ein kurzer seitlicher Blick auf Malina brachte ihn dazu noch breiter, noch selbstbewusster, noch überheblicher zu lächeln. Erst kam der salzige Geschmack auf den Lippen, dann hörten die Reiter ein sanftes Rauschen und schließlich sahen sie das Meer, deren Wellen sich auf einem breiten, weißen Strand ausliefen, bevor sie die Dünen erreichen konnten. Die Reiter lenkten ihre Rösser parallel zum Wasser und jagten weiter über den Strand. Ihre Spuren und den aufgewirbelten Sand, spülte das Wasser hinter ihnen wieder weg, so dass es so aussah, als wären sie niemals hier gewesen. Schließlich hielten sie auf eine kleine Gruppe von schroffen Felsen zu, die nur einen schmalen Spalt als Durchlass aufwiesen. Zwei Reiter konnten – mit viel Geschick – zu gleichen Zeit hindurch, aber viel Platz war dann nicht mehr. Malina wunderte sich noch, wieso A’urel plötzlich sein Pferd zügelte und ihr den Durchlass gewährte. Als sie jedoch durch den Felsenspalt hindurch preschte, wusste sie auch wieso er das tat. Hinter den Felsen hatte sich eine Meerzunge gebildet, so dass Phejanka – nach einem kurzen Satz – tief in den Wellen stand. Abrupt und überrascht hielt das Ross daraufhin inne, genau in dem Moment in dem eine Welle Malina aus dem Sattel „schwemmte“, die zu überrascht war um auf die vielen veränderten Gegebenheiten reagieren konnte. Prustend kam sie wieder über Wasser und blickte sich verwirrt um. Die Meereszunge lief sich in einige Schritten auf einer kleinen Bucht aus, deren einziger Zugang jene Felsspalte zu sein schien, durch die Malina soeben gesprungen war. A’urel führte derweilen seine Stute gemächlich am Rand der Felsen entlang und in das Wasser hinein. Breit lächelnd konnte er sich seine Kommentar nicht verkneifen. „Bai uns ist äs eigentlisch brauch, sich vor einäm Bad zu entkleidän.“ Die Hauptfrau konnte bemerkten, dass der Nebachote an sich halten und anscheinend kräftig auf die Zunge beißen musste, um nicht laut loszulachen. Fast schon überheblich streckte er ihr die Hand aus um ihr aus dem Wasser zu helfen. Malina erst verwirrt, dann verärgert, blickte jetzt resignierend drein. Fast so als wenn sie kaum noch Kraft haben würde, um die dargebotene Hand annehmen zu können, ließ sie zu, dass A’urel ihr aus dem Wasser auf half. Zumindest so lange, bis sie wieder sicheren Stand hatte. Dann änderte sich ihr Blick zu einem entschlossenem Ausdruck, ihr Griff wurde kräftiger und mit einem kräftigen Ruck zog sie an A’urel. Dieser war jetzt seinerseits zu überrascht, um sich noch festhalten zu können, glaubte er doch schon über Malina gewonnen zu haben – so dass nun er neben der Hauptfrau ins Wasser klatschte und laut prustend Wasser ausspuckte. Nach Luft schnappend blickte er sich zu Malina um.

Sie zauste sich ihr Haar kurz und musste sich beim Anblick A’urels vor Lachen den Bauch halten. Wassertropfen lösten sich von den Spitzen des blonden Haares als sie es so schüttelte. Aus der sonst so akkurat und kühl wirkenden Hauptfrau war eine völlig andere geworden. Völlig wirr standen die Haare von ihrem Kopf ab. Die helle Bluse klebte ebenso an ihr wie die braune Lederweste, die sie offen darüber trug. Aus den nassen Reithosen würde sie vermutlich nicht mal mehr selbst herauskommen, da die auch schon im trockenen Zustand passgenau am Köper der Hauptfrau angelegen hatte. Das alles nahm der Nebachote in den wenigen Momenten wahr, in denen er noch immer verblüfft im Wasser saß. Tränen waren der Hauptfrau in die Augen getreten und trotz mehrmaliger Versuche wieder ernst zu werden, schlich sich beim Anblick des nun ebenfalls triefnassen Mannes immer wieder ein Glucksen ihre Kehle empor. Sie wirkte plötzlich um Jahre jünger, und man konnte eine Idee davon bekommen, wie sie außerhalb ihrer Funktion als Hauptfrau sein mochte. A’urel indes stimmte aus voller Brust in ihr Lachen mit ein. Mit dieser Aktion von ihr hatte er zwar nicht gerechnet, doch er war kein Kleingeist. Während er ihr hoffnungsvoll die Hand hinstreckte schüttelte sie nur grinsend den Kopf, und watete vorsichtig auf den Sandstrand zu. Dieser junge Kindskopf hatte ihr mit dem Wettrennen und zuletzt auch mit seinem Schabernack den Tag versüßt. Doch ein weiteres Mal würde sie sich nicht ins Wasser locken lassen. So frei hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Dafür war bei der Arbeit am Arvepass einfach keine Zeit. Das war ihr eigentlich überhaupt nicht recht, lieber wäre sie wütend auf ihn da er sie bewusst hierher gebracht hatte, aber daran war jetzt nichts mehr zu ändern. Eigentlich war sie ja ausgeritten, weil sie dieser ganzen Situation im Lager mit den nebachotischen Gästen aus dem Weg gehen wollte. Ziemlich erschöpft von den Anstrengungen des Tages, dem Ritt, dem unfreiwilligen Bad, und dem lange anhaltenden Lachen, lehnte sie sich rückwärts an einige Felsen an und schaute sich erst einmal nach den Pferden um. Phejanka war aus eigener Kraft an den Strand gekommen, und ruhte sich gemeinsam mit der Stute des Reiters unweit ihres Aufenthaltsortes aus. Darum würde sie sich nicht kümmern müssen. Doch wie würde es nun weiter gehen? fragte sich die Hauptfrau. Die Pferde brauchten eine Pause soviel stand fest. Dazu kam noch die Tatsache, dass sie, wenn sie mit diesen nassen Kleidern zurück reiten würden, sich vermutlich trotz der verbliebenen Wärme den Rotz einfangen würden. Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung wahr. Sie wandte sich wieder ihrem Begleiter zu. Aurel begann eben das Wasser zu verlassen. Kein übler Anblick, den er da bot, als er auf sie zuging. Ein wenig zu schmächtig vielleicht für ihren Geschmack, aber durchaus eine Versuchung. Seine Augen glitzerten frech und dann grinste er sie fast anzüglich an, als er ihrer Musterung gewahr wurde. Malina war klar, wenn sie die Stimmung nicht augenblicklich entschärfen würde, würde er sich geradezu aufgefordert sehen, zu versuchen sie zu der vermutlich langen Reihe seiner Eroberungen hinzuzufügen. Glücklicherweise war es genau das, was sie nicht mehr wollte: einen von sich überzeugten Mann, der dachte mit Frauen machen zu können was er wollte, und sich einfach die nächste nahm, wenn sie seinen Weg kreuzte. Diese Einsicht verschaffte ihrem Kopf, wieder die Herrschaft über ihren Körper. Siegessicher baute er sich vor ihr auf.

„Da es scheinbar euer Plan war hierher zu kommen, liegen hinter der nächsten Felsnase sicher trockene Kleider und etwas Heu für die Tiere. Ihr überlaßt ja scheinbar nichts dem Zufall - und ich dachte es würde ein faires Wettrennen! Wenn ihr morgen auf diese Art gegen mich kämpfen wollt, muss ich ja fast annehmen, das das kein ehrenhafter Kampf wird...“ Die Arme vor der Brust verschränkt - ihre Bluse konnte durch die Nässe nichts mehr verdecken - versuchte sie die alte Distanz wieder zu ihm aufzubauen. Das Lächeln in ihrem Gesicht sollte unverbindlich wirken, ebenso hatte sie die Wärme aus ihrer Stimme verbannt. Das Gesagte klang spöttisch, wenn auch nicht die übliche Arroganz mitschwang. A’urel schaute die Hauptfrau erst überrascht, dann völlig unwissend und schließlich fast gekränkt an. „Isch versischäre Dirr….“ Fast resignierend streckte er die Hände von sich. „Isch wußtä ja nischt einmual, dass Du aisraitest.“ Der junge Nebachote fing derweilen an sich zu entkleiden. „Fir ain Feuär hab’n wir zu wenig trockenes Holz. Doch wuenn wir unsäre Klaidär auf die Felsen lägen,wird Praios Antlitz sie schnell trocknän. Ibrigens, fair wuar Dain letzär Handgriff auch nischt.“ Grinsend und fast bewundernd lächelte A’urel die Hauptfrau an. Erst wrang er sein schwarzes, langes Harr aus, dass er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, dann sein eigentlich weit geschnittenes Hemd, dass er jetzt aber mehr vom Körper abziehen mußte. Malina konnte erkennen, dass ihr erster Eindruck richtig war. A’urel war durchtrainiert wie es sich für einen Krieger gehörte. Er schien stark genug um den nebachotischen Reiterbogen, der am Sattel seines Pferdes hing bedienen zu können, war aber gleichzeitig auch kein Muskelprotz sondern schien mehr sehniger und gewandter zu sein, als manch anderer. Auf dem Rücken des Nebachoten hatte dieser mehrere parallel laufenden Kratzspuren, so als hätte er mit einer Wildkatze einen Ringkampf hinter sich. Der Krieger schien sich nicht im Mindesten an der Anwesenheit Malinas zu stören und entkleidete sich immer mehr. Im Gegenteil, es schien fast so, als würde er die Blicke der Neuperricumerin genießen. Nachdem bereits Wams und Waffengurt auf einem Felsen aufgebahrt war, folgten seine Stiefel, die er zuerst ausgoss und schließlich seine Hose. Als A’urel jetzt völlig nackt war, musterte er Malina nochmal, bevor er sich auf den Sand in die Sonne legte. Sein Blick hatte wieder eine Art der Herausforderung, der Malina fragte, ob sie sich das auch trauen würde, oder ob sie lieber das Risiko einer Erkältung einging. Innerlich hoffte er natürlich, dass sie – ebenso wie er selbst - kaum einer Herausforderung aus dem Weg gehen würde, zumal sie hier wirklich ungestört und alleine waren.

Pah, dieser nebachotische störrische Esel, würde schon sehen aus welchem Holz sie geschnitzt war. Eine falsche Bewegung von ihm, und er würde erleben, was sie in der Lage war mit ihm anzustellen, selbst wenn sie nackt war! Wütend über sich selbst und die zur Schau getragene Gleichmut des jüngeren Mannes begann sie sich auszuziehen. Zunächst setzte sie sich in den Sand und versuchte mit aller Kraft die Stiefel von den Beinen zu bekommen. Als das nicht fruchtete versuchte sie alle Kniffe und nahm sogar eine Felsnase zur Hilfe, aber schwer schnaufend und mit hochrotem Kopf musste sie einsehen, dass sie wohl Hilfe brauchen würde. Die Reitstiefel und ihre Hose waren durch die Nässe so aufgequollen, dass es fast unmöglich schien sie von den nassen Beinen zu bekommen. A’urel hatte sie die ganze Zeit über nur ab und an betrachtet, doch als sie nun innehielt sah er sie ganz offen an und zog schließlich eine seiner dunklen Brauen fragend in die Höhe. „Kann isch eusch elfen?“ Er bemühte sich nicht einmal ein Grinsen zu unterdrücken. Mit schmal zusammengekniffenen Lippen nickte sie ihm nur kurz zu und streckte ihm dann ein Bein hin. Gemeinsam schafften sie es schließlich die Stiefel auszubekommen. „Danke!“ brachte sie nur mühsam hervor, bevor sie sich umdrehte und ihre Hose mit klammen Fingern Stück für Stück hinabschälte. A’urel hatte recht. Es war auf jeden Fall besser die Kleider trocknen zu lassen, denn sie merkte schon wie der Wind ihr eine Gänsehaut bereitete, und die restlichen Sonnenstrahlen würden schon dafür sorgen, dass ihr wieder warm würde. Sorgfältig breitete auch die Hauptfrau ihre Kleider auf den Felsen aus. Weste, Hemd, Hose und Untergewand lagen schließlich neben den Kleidern des Sohns des Marban. Die Wärme die diese großen Steine noch immer abstrahlten würde ausreichen um sie zu trocknen. Fraglich war nur wie lange es dauern würde. Verdrießlich drehte sie sich durchaus ihrer Nacktheit bewusst wieder um. Sie bemühte sich nicht die Scham zu bedecken, sondern ging schnurstracks an A’urel vorbei und suchte sich in wenigen Schritt Entfernung einen Platz, der noch schön warm und trocken war. Die große sehr hellhäutige Frau war durchaus einen zweiten Blick wert. Wie nicht anders zu erwarten bei einer Reiterin hatte sie feste und nicht eben schmale Oberschenkel unter deren Oberfläche gestählte Muskeln spielten. Ihr Oberkörper war recht beeindruckend für eine Frau. Sie schien viel Zeit auf den Schwertkampf zu verwenden, denn ihre Arme und der Oberkörper waren muskulös und derart ausgeprägt, dass man vermuten konnte, dass sie häufig trainierte. Wie schon die durchsichtige Bluse verraten hatte wurde sie von Travia mit einer Brust gesegnet, die Männer nervös machen konnte. Sie waren nich mehr so fest wie sie mit Sicherheit in jungen Jahren gewesen waren, dennoch musste sie sich nicht verstecken. Doch bei dieser genaueren Betrachtung sah der junge Krieger auch weniger Schönes. Narben, die sich an ihrer linken Seite, oben auf der rechten Schulter, und auch knapp unterhalb der rechten Brust befanden. Die Narbe an der Seite machte den Eindruck, als ob sie noch nicht so alt wäre. Mit einem tiefen Seufzer legte sich die Frau auf den Bauch und drehte den Blick in Richtung A’urel. „Was macht ihr denn den lieben langen Tag als Sohn des Marbans? Ich denke wenn nicht gerade Landvermesser auftauchen, werdet ihr nicht den ganzen Tag damit zubringen Leute bei ihrer Arbeit zu beobachten, oder?“

„Da hast Du rächt.“ A’urel drehte sich etwas zu Malina um, so dass er sich seitlich auf seinen Arm stützen und mit der anderen Hand im Sand malen konnte. „Main Vattär mainte ich solltä etwas sinnvolles tun und hat mir dahär ein Gudt gegäben, wo isch Pfärde zischtä.“

Malinas Augenbrauen zogen sich auffällig über den hellen Augen zusammen, fast so als wollten sie ein Dach bilden. Aha, dachte ichs mir doch, mal wieder einer, der sich die Hände nicht durch Arbeit schmutzig macht! Belustigt blitzten ihre Augen auf, fühlte sie sich doch in ihrem alten Urteil über ihn bestätigt.

„Ansonstän gibt äs hiär immär viel zu tun. Solltä isch dennoch etwas Zaidt habän, so versuchä isch Radscha näher zu kommen.“ Bei dem fragenden und skeptischen Blick Malinas mußte der Nebachote kurz auflachen. „Ja, so auch, da machä ich kainän häll drauß, zumal ich in Rashia’Hal viel gelärnt habä und weiß wie isch so manchä Verspannung wägmasieren kann. Abär mehr noch. Ich versuchä mich in där Kunst däs Zaichnens. Ich versuchä dabai Mensch und Tier so zu zaischnen wie ich sie mit mainen Augän sähe.“ Die Stimme A’urel hatte bei seinen Ausführungen fast einen weichen Ton bekommen. Nichts von der ständigen Herausforderung war mehr zu hören, nur mehr tiefe Zufriedenheit.

Die Verwunderung der Hauptfrau war nicht zu übersehen, aber auch das Misstrauen, dass sie ihrem Gegenüber nach wie vor entgegenbrachte, denn ihre Körperhaltung war alles andere als entspannt zu bezeichnen. Dieser Mann wurde ihr immer wunderlicher, statt das das Wissen, welches sie sich über ihn aneignete dazu beitrug ihn besser einschätzen zu können.

„Wenn Du willst versuchä ich ainmal Dich zu zaichnen. Mainen Blick kann ich sowieso nicht von Dir lassän. Und wuann isch etwas abgelängt bin, brauchä isch viellaicht auch nischt so auf main Blut acht’gäben.“ Noch ehe Malina antworten konnte, stand er auf und schritt zu den Pferden hinüber. In einer der Satteltaschen fand er ein mit Leder umwickeltes Bündel. Mit diesem Bündel kam er zur Hauptfrau wieder zurück, setzte sich nahe zu ihr und entrollte ein kleines Büchlein, sowie einige Kohlestifte verschiedenster Sträken, sowie ein kleines Fäschen Tusche und mehreren Federkielen. Abwartend nun, ob Malina zustimmen und eventuell anders setzen würde saß A’urel da. „Viellaicht verstähst Du dann, wieso isch so verrickt nach Dir bin.“ Die Augen des jungen Nebachoten, die jetzt tief und warm erschienen suchten Malinas Augen. Suchten sie um darin zu lesen, sich lesen zu lassen, wiederzufinden oder einfach zu verlieren…. „WAS…“ fast fluchtartig sprang Malina auf die Füße und schaute ihn mit geweiteten Augen an. Diese Bewegung geschah fließend und mutete kriegerisch an. Es erinnerte ihn an eine Art der waffenlosen Selbstverteidigung wie sie so dastand. . Überrascht blickte A’urel zu der kampfbereiten Kriegerin. Schnell ging er seine zuletzt gesagten Worte im Geiste nochmal durch. Was hatte er gesagt, dass Malina jetzt so reagierte? Ausgerechnet jetzt, wo er jegliches Männergehabe außen vor und nur seine Gefühle sprechen ließ? „...äh, mich?“ Die befehlsgewohnte Stimme hörte sich lustigerweise fast erschrocken und erstaunlich hoch, ja fast piepsig an. Röte war ihr in die Wangen geschossen. „Ich weiß nicht…“ unschlüssig schaute sie in die momentan recht harmlos blickenden dunklen Augen, die sie nach wie vor nicht loszulassen schienen. Wie auch, ihre Nacktheit hatte sie wohl für einen Moment völlig vergessen. Dann entspannte sie sich etwas, wobei sie das widerwillig kontrolliert tat. So als ob sie sich dazu zwang. Dann schüttelte sie kurz das Haupt und blickte auf die Malutensilien die er um sich ausgebreitet hatte. Das schien wohl sein Ernst zu sein. Andererseits… „Wer sagt mir, dass ihr nicht diese…Zeichnung nur dazu benutzt um mich vor meinen Männern bloßzustellen?“ Oder wie sie in Gedanken weiter dachte mich mit dieser Zeichnung davon abzuhalten meine Arbeit ordentlich zu verrichten, auf dass eure Blockade was die Vermessung betrifft weiterhin erfolgreich ist. Mit wachen Augen und neugierig was er darauf erwidern würde schaute sie ihn an. Ihr Misstrauen ließ sich nicht einfach wie die nasse Kleidung ablegen. Was wusste sie schon über diesen Mann - im Grunde nichts. Da stand sie splitterfasernackt mit ihm an Strand und er wollte sie MALEN! „Meine Narben…“ sie zeigte auf die, die er schon gesehen hatte und einige mehr „und mein Gesicht auf eurer Darstellung werden wohl kaum anders verstanden werden als dass ihr mich im Bett nackt gesehen habt. Unser Landvogt wird darüber sicher nicht“ - sie suchte nach Worten – „begeistert sein. Er wird sich fragen, wann ihr die Gelegenheit hattet mich so zu sehen.“ Jetzt begriff A’urel. Malina hatte Angst. Sie war – wie die meisten Raulschen – in dem gefangen, was kommen könnte und was andere von ihr denkten könnten. Er wußte, dass viele Raulsche so dachten und sich daher oftmals verkrampften, während viele Nebachoten – so wie A’urel und seine Familie - im Jetzt und Hier lebten, um jeden Augenblick so auszukosten, als wäre dies der letzte Augenblick des Lebens. Mit einem kurzen Ruck riß er eine Seite seines Buches raus, während er mit sanfter Stimme zu ihr sprach. Jetzt sah er nicht mehr wie der Jüngling aus, der nur eine Frau ins Bett locken wollte, sondern wie jemand aus dem die Erfahrung eines langen Lebens oder mehreren Generationen sprach. „Alles was heutä hier ge’schiet, wird niemandt erfahrän, wuenn Du äs nicht willst. Das gelobä ich bai meiner Ehrä und solltä isch ligen, so soll nie wiedär meine Mannäskraft anschwillän.“ Wie um das zu bekräftigen hielt er ihr das rausgerissene Blatt Pergament entgegen. „Mainä Zaichnung kuannst Du mitnähmen. Ich wärde sie nicht brauchän, da isch Dich immär in meinäm Herzän tragen wärde. Und ägal wuas noch geschiet, Du wirst mir nichts schuldän, ebenso, wie isch Dir nischts schuldän wärde. Das heutä und hier hat nichts mit unserän Aufgabän, Pflichtän und däm was viellaischt morgän kommen kann zu tun. Äs hat nischt damit zu tun, duas isch vor den andären Amayin angäben will oder mich brüskän will die Al’Shara ins Bätt bekommän zu habän. Es hat ainfach etwas damit zu tun, duass ich Dir zaigän will was ich wirklich empfindä, tief in mainem Herzän.“ Die Augen hielten Malina immer noch fest. Und genau jene Augen waren es, die Malina zeigten, dass der Jüngling, nackt wie er ihr gegenüber saß es ehrlich meinte. Sie wußte nicht, was noch von ihm kommen mochte, denn ihn einzuschätzen viel ihr schwer. „Malina.“ Hauchte A’urel fast. „Du bist etwas wirklisch Besondäres und ich wirdä mich freu’än wenn Du mir Dein Vertauän schenkst und ich Dich zaichnän darf.“

Dieser innere Kampf war wohl mit seinen letzten Worten für Malina entschieden worden. Männer die es wussten sie mit Worten und nicht mit tölpelhaften Angebereien zu überzeugen, waren einfach ihr Verhängnis. Sie ließ den Kopf hängen und dachte kurz nach. Was soll’s, wenn er nicht sein Wort hielt, wüsste sie was zu tun sei. Dann straffte sie wieder die Schultern und begegnete erneut seinem Blick der noch immer so beunruhigend auf ihr ruhte. Energischen Schrittes marschierte sie auf den Felsen zu, wo sie ihr Schwertgehänge gelassen hatte. Dort zog sie ihre Waffe heraus und betrachtete versonnen die wohlvertraute Klinge. Jeden noch so kleinen Kratzer kannte sie so gut wie ihre eigenen Narben. Wenn er sie zeichnen wollte, dann nicht völlig nackt. Sie drehte sich wieder zu ihm um, wo sie in sein deutlich überraschtes Gesicht blickte. Ein Lächeln schlich sich in ihre Augen. Dachte er etwa sie würde ihn angreifen? Schmunzelnd ging sie an ihm vorbei und lehnte sich unweit seines Platzes mit dem Rücken an die Felsen an. Die Schwertspitze versenkte sie leicht im Boden, sodass sie den Knauf gut mit der Rechten umfassen konnte. Den linken Arm stemmte sie in die Hüfte. Sie atmete noch einmal tief durch und sagte dann „ Gut, Hochgeboren, ihr könnt anfangen!“ Ihre Stimme klang ungewohnt leise und weich, selbst wenn sie in ihren Worten keinerlei Nähe zuließ. Der Blick ihrer hellblauen Augen wurde hinaus auf das sich verdunkelnde Meer gezogen. Einzelne Wolkenfetzen konnte sie am Himmel ausmachen. Der Wind frischte auf, stellte sie an der Geschwindigkeit ihres Weges fest. Die inzwischen getrockneten Haare wurden ihr leicht aus dem Gesicht geweht. A’urel brauchte einen Moment biss er begriff. Erst befürchtete er wirklich, dass Malina ihn entmannen wollte, doch als sie sich so an den Fels schmiegte, bildete sich ein Klos in seinem Hals, während ihm der Mund trocken und gleichzeitig wiederum das Wasser im Munde zusammenlief. Er konnte kaum glauben, was jetzt geschehen sollte. Ansonsten war A’urel immer recht angeberisch und protzig Frauen gegenüber aufgetreten. Er hätte es niemals für möglich gehalten, dass er mit offenen und ehrlichen Gefühlen von einer Frau ernst genommen werden würde. Erst zögerlich, aber dann bestimmend schritt er auf Malina zu und setze sich in kurzem Abstand von ihr wieder in den Sand. Er freute sich, dass sie ihm das Vertrauen schenkte und gab sich daher besonders viel Mühe die Frau die er vor sich sah so zu zeichnen wie er sie sah. Rahja sollte dagegen wie ein unscheinbares Weib aussehen. Der Nebachote konzentrierte sich zunächst während seiner Arbeit. Seine spitzfindigen oder oberflächlichen Kommentare blieben aus. Stattdessen tastete er jeden Zoll von Malinas Körper mit den Augen ab. Nichts blieb ihm verborgen. Die Hauptfrau konnte förmlich seinen Blick spüren und schien zu ahnen, an welcher Stelle ihres Körpers er sich gerade „aufhielt“. Zunächst schien die Situation hier ungewohnt für Malina. Sie, eine gestanden Frau, Offizierin von Soldaten, kampferprobt und auch in Liebesdingen nicht unerfahren stand hier nackt an einem Felsen gelehnt, nur mit ihrem Schwert bekleidet und ließ sich von einem jungen, nackten Nebachoten zeichnen den sie noch nicht einmal einen Tag lang kannte. Je länger A’urel jedoch zeichnete, desto sicherer wurde sich auch Malina. Sein Blick schien ihr in keinster Weise lüstern, sondern mehr interessiert. Irgendwie gelang es dem Nebachoten eine Wärme und Sicherheit auszuströmen, die sie vor einer knappen Stunde noch nicht von ihm für möglich gehalten hätte. Als A’urel langsam zum Ende zu kommen schien - Malina wußte nicht wieviel Zeit während des zeichnens vergangen war, hatte sie doch das Zeitgefühl hier in der geschützten Bucht verloren – fing er wieder zu sprechen an. Nebensächlich war es nun seinerseits die Haupfrau zu fragen. „Wie kommdt aigentlich ainä Frau wie Du an dän Arväpaß und schließlisch hierhär? Wolltest Du das immer schon machän, oder wuas hättest Du stattdässen gernä getan wänn Dain läben anders verlaufän wäre?“

„Ich dachte, nein ich war sicher zu wissen wohin mein Weg mich führen würde.“ Sehnsüchtig blickte sie zu ihrer Stute Phejanka hinüber. „Ich war an der Kriegerakademie in Rommilys. Ohne übertreiben zu wollen war ich eine der Besten meines Jahrgangs, von Anfang an.“ Stolz hob sich ihre Brust, und ihre Haltung zeigte wie wichtig ihr das wohl einst gewesen war. „Ja, das war bevor ich ihn kennen lernte.“ Sie wandte den Kopf ab und blickte weg. Die vollen Lippen nur mehr ein schmaler Strich und die Linke zur Faust geballt. „Er…wir…ich konnte mich nicht mehr auf meine Ausbildung konzentrieren, und er hat, obwohl er einer der Ausbilder war, jeden Moment der Zweisamkeit ausgekostet.“ Jetzt wandte sie sich A’urel wieder zu. Sollte er doch ruhig wissen, weshalb sie sich keinem Mann mehr ganz und gar hingeben würde. „Er wusste, dass ich mich mit Haut und Haaren der Reiterei verschrieben hatte. Nur die besten eines Jahrgangs erhalten die Chance dahin zu kommen, und er hat mich das ganze letzte Jahr getäuscht in dem Glauben ich würde dazugehören, nur damit ich mit ihm weiter das Lager teilte und die Zeit verbrachte. Als ich schließlich meine Abschlusspapiere erhielt und klar war, dass ich nicht zur Reiterei gehen konnte war ich kurz davor ihn…“ Sie ließ den Satz unvollendet zwischen ihnen stehen. Das Funkeln ihrer Augen sprach allerdings für sich. „Aber nein, der feige Herr ließ sich verleugnen. Er wagte es nicht mir noch einmal unter die Augen zu treten. Dieser Kerl schaffte es also weder sich zu entschuldigen oder wenigstens zu erklären.“ Ihre Stimme hatte an Kraft zugenommen und die Wut, vielleicht sogar purer Hass kamen zutage. Sie schloß die Augen und atmete mehrere Male tief ein und aus. Ihre Züge entspannten sich allmählich wieder. Und wieder begriff A’urel ein Stück mehr. Er wußte nicht, was er darauf sagen sollte. Auch er hatte sicherlich schon so manches Herz gebrochen, doch stand er immer dazu und ließ sich niemal verleugnen. Er wußte nicht, was er antworten sollte und schwieg daher, ärgerte sich aber über jenen ‚Mann‘ der einer solch tollen Frau, solchen Schmerz zugefügt hatte.

Schließlich legte A’urel Federkiel und Kohlestift zur Seite, stand auf und kam auf Malina zu. Stolz reichte er ihr das Pergament mit seiner Zeichnung. Als die Frau sich das Pergament anschaute, setzte ihr Atem kurz aus. Was sie sah war wirklich sie und dennoch auch nicht. Oder zumindest hatte Malina sich noch nie so gesehen. Sie konnte jeder noch so kleine Narbe erkennen, ihr Gesicht, ihren Körper und dennoch, sie schien jünger zu wirken, ohne dass A’urel sie wirklich verjüngt hatte. Die Narben entstellten nicht, sondern fügten sich zu ihrem Leib. Sie erkannte sich und auch wieder nicht. Sie sah eine stolze Frau, so Frau wie sie nur sein konnte, ohne verstellt zu sein. Sie sah ein Meisterwerk der Kunst, sie sah sich selbst, so wie A’urel sie sah. Unter der Zeichnung standen folgende Worte: ‚Malina von Niederried, Rahja von Beshir a Danal, Du bist etwas ganz Besonderes. Glaube immer an Dich, denn ich tue es auch. A’urel‘. „Gefällt es Dirr?“ Fragte A’urel sie zögerlich, bevor er näher trat, ganz nah, so dass sie seinen Atem auf ihrer Schulter und Wange spüren konnte. „Verstähst Du jetzt? Das bist Du fir misch, schon als ich Disch zum erstänmal sah. Mainä Radscha.“

Unwillkürlich bekam sie von seinem Atem eine Gänsehaut. Der Klos, der sich ihr im Hals gebildet hatte, machte es nötig mehrfach zu räuspern. Vorsichtig machte sie ein, zwei kleine Schritte von ihm weg, um wieder locker sprechen zu können. Seine Nähe machte sie zu nehmend nervös. Auch A’urels Bekenntnisse machten sie verlegen, obwohl sie sich ihm gegenüber doch so viel überlegener fühlen müsste in ihrem Alter. Er war einfach ein junger Heißsporn, den es nach Eroberungen dürstete. Er huldigte eben Rahja so wie er es für richtig hielt. Da ihre Familie und damit auch sie selbst es mehr mit Travia hielten, trafen hier zwei Welten aufeinander. Ihm das begreiflich machen zu wollen war völlig sinnlos in seinem Alter, so schätzte sie es ein. Auch wenn er hier und jetzt glaubte, dass sie SEINE Rahja sei, diese Gefühle würden sich schnell verflüchtigen wie der Duft einer Räucherschale im Tempel der Immerschönen. Dennoch war sie ihm dankbar für das was er ihr geschenkt hatte. „Das,…das…das ist schön. Nein ich meine…also ihr habt es hervorragend gezeichnet, obwohl…nunja ich glaube es sieht mehr nach mir aus, wie ich vor vielen Jahren einmal war.“ Sie hielt den Kopf schräg und betrachtete mit Interesse ihr Abbild. Ein Lächeln erstrahlte ihr Gesicht, als sie sich überlegte es in ihrem Zimmer im Arvepass aufzuhängen. Natürlich im hinteren Bereich, wo auch ihr Bett stand. Es würde ihr die Abende verschönern, wenn sie wieder einmal dir unerträgliche Kälte des Gemäuers verfluchte und sich zurück nach Perricum sehnte. „Viellaicht hatt Dich Dain Dienst am Pass abgestumpft und Du siehst nischt mähr richtig. Aber ich läbe wedär in der Vergangenheit, noch zaichnä ich diesä. Ich kann nur zaichnän wuas ich sähe und was auch da ist.“ Wieder stand A’urel hinter ihr und legte jetzt fast zögerlich seine Hände auf ihre Schultern. Sofort konnt er spüren wie sich ihr Körper unter seinen Händen versteifte. „Du hasdt mir ainmal vertraut. Tuä dies nocheinmal. Ich wärde Dich nirgends beriren, wo Du äs nicht willst. Ich möchtä Dir zaigän, duas man auch Zunaigung fireinander zaigän kann, ohnä das Recht der grainendän Mutter, wie eure Travia bei uns genanndt wird gebrochän wird, oder ohne dass man sich veraint wie Radscha es will. Isch wärde nichts tun, wuas Du nischt willst, dafir bist Du mir zu wichtig gewordän und ich respektirä Dich.“ Sanft und äußerst gekonnt fing der Nebachote an den Nacken der Hauptfrau zu massieren. „Außärdem.“ Raunte er ihr ins Ohr, „trägst Du das Schwärt und kannst immär alles be’endän, während ich unbewaffnet und Dir ausgeliefärt bin.“

Überraschender Weise drehte sich die Hauptfrau um. Sanft hinderte sie ihn daran seine Hände weiter ihr Werk tun zu lassen und schüttelte leicht den Kopf. Dann lächelte sie ihn einfach nur an während sie noch immer seine Hände umfangen hielt. Es kam ihm wie eine halbe Ewigkeit vor, wie sie so standen und sich in die fremden aber umso verlockenderen Augen vertieften. Schließlich brach sie das Schweigen und meinte während sie seine Hände freigab: „Ich denke ihr habt genug für mich getan heute.“ Erst ging sie einige Schritte rückwärts von ihm weg ohne ihn aus den Augen zu lassen. Dann drehte sie sich wieder um und verstaute ihre Waffe als erstes wieder sorgfältig. Dieser viele Sand und die salzgeschwängerte Luft waren Gift für die Schneide. Danach griff sie sich nach und nach ihre Kleidung und zog sie an. Es schien ihr nichts mehr auszumachen, dass A’urel ihr dabei zusah. Vielmehr machte es fast den Eindruck, dass auch sie genau beobachtete was er tat. Zuletzt rollte sie die Zeichnung sorgfältig und verstaute sie grinsend in ihrer Bluse.

Er hatte ihr Tun eine Weile schweigend beobachtet. Sein Mienenspiel war für sie nach wie vor schwer zu deuten. Sie musste sich eingestehen, dass sie gern gewusst hätte was sich in diesem Moment in seinem Geiste abspielte. Da er zunächst aber keine Anstalten machte sich ebenfalls anzukleiden, ging sie zu den Pferden. Phejanka schnaubte sie empört an, da ihr die Warterei wohl zu lange geworden war. Sie folgte ihr daher willig. Die zierlichere Stute des Nebachoten hingegen ließ sich bitten.

„Hier eure Stute, wir sollten zurück reiten.“ Sie nahm an, dass sie vermutlich seine Gefühle verletzt hatte, und er deshalb so schweigsam war, aber was erwartete er um Himmels Willen denn von ihr. Das sie als gestandene Hauptfrau, die am Arvepass unweit der Warunkei diente und gegen das übelste was auf Dere herumlief kämpfte, einfach so dahin schmolz? Sie war aus einem anderen Holz geschnitzt, selbst wenn sie die Bemühungen des jungen Mannes zu schätzen wusste. Sie grübelte was sie tun sollte. Schließlich gab sie sich einen Ruck und trat näher an ihn heran. „Es wäre schön wenn ihr mich noch zurück geleiten würdet. Es war ein schöner Ausritt und ein schöner Abend, auch wenn er vielleicht in euren Augen anders hätte enden sollen.“ Sie sagte das ohne einen Vorwurf in der Stimme, eher so als ob sie ihn verstünde aber keine Möglichkeit sähe gewisse Dinge zu ändern.

Erst war der junge Nebachote nachdenklich. Es schoß ihm durch den Kopf, was sein Vater jetzt zu ihm sagen würde. Eslam war als Mann bekannt, der nicht groß fragte oder redete oder gar auf die Wünsche und Gefühle anderer achtete, vielmehr nahm dieser einfach das was er wollte und so wie er es wollte. Doch für ihn – A’urel – kam dieses Verhalten nicht in Frage. Eventuell hatte er zuviel von seiner verstorbenen Mutter geerbt, was ihn emotionaler machte, aber bei Malina, das spürte er war es zudem noch etwas anderes, etwas, dass er nicht greifen konnte. Als die Hauptfrau ihn ansprach fing er wieder zu lächeln an. Nein, dieser Abend hätte in seinen Augen nicht anders enden müssen. Sicher, noch vor dem Ausritt hätte er dies erwartet, doch nach den Stunden hier alleine mit Malina, mit der nackten Malina, da wußte er, dass sie zu wertvoll war um nur mal über sie drüber zu rutschen und dann wieder ihren Namen zu vergessen. Nein, sie war anders als die Mädchen die er bisher gekannt hatte und die schließlich mit ihm das Lager geteilt hatten. A’urel erhob sich daher und kam der Aufforderung Malinas nach und kleidete sich wieder an. Er ließ sich Zeit, so als würde er nach wie vor die Blicke Malinas genießen. Schließlich, er zog gerade seine Stiefel über, konnte er nicht mehr an sich halten und mußte loslachen. Als er den fragenden Blick der Frau bemerkte fragte er sie nach Luft schnappend. „Malina, wuas wirdä wuohl ejmand denken, hätte uns diesär beobachtet?“

„Hm, es käme vor allem darauf an, wer es gewesen wäre. Zum Beispiel mein Weibel Sayid: er hätte euch für verrückt erklärt, mir überhaupt näher als unbedingt nötig zu kommen.“ Sie seufze kurz auf. „Die Soldatin, die sich um Phejanka kümmert, hätte vermutlich mich für verrückt erklärt, wie ich so eine Gelegenheit nur verstreichen lassen konnte. Ein Fremder? Vielleicht hätte er von weitem gedacht wir wären ein junges Liebespaar, dass sich erst kennen lernt.“ Fast so als bereute sie ihre Worte richtete sie ihren Blick wieder auf die Wolken. „Wir sollten los!“

Schließlich wurde auch A’urel wieder ernst. Er ging, gefolgt von seinem Ross, zu Malina rüber und schaute ihr nochmals tief in die Augen. „Auch isch fuand äs wunderschän. Gärne zaigä ich Dir das nächstemal das wuas ich Dir heutä angekindigt habä. Ich wirdä Dich gernä wieder sehen.“

Malina nickte ihn spitzbübisch an. „Ich weiß ja nicht wie lange wir hier noch mit diesen Vermessungen zubringen werden. Eigentlich sollten wir zügiger vorankommen, aber gewisse Vorkommnisse- sie schaute ihn bedeutungsvoll an- hindern uns immer wieder.“ Sie gab Phejanka ein Zeichen und gemeinsam machte man sich auf den Weg zurück. Die Abenddämmerung brachte einige Tiere zutage denen die Hitze des Tages zu sehr zusetzte. Auch das Zirpen, dass sich inzwischen überall zwischen den Gräsern und dem Gesträuch erhob passte zu der aufgeräumten Stimmung in der die beiden zurück kehrten. „Ich weiß nicht, wie es mit meiner freien Zeit bestellt ist, wenn der Landvogt erst wieder im Lager ist. Schließlich ist es meine Aufgabe das Lager und die Leute zu befehligen, um ihn zu entlasten.“ Sie lächelte ihn bedauernd an und zuckte kurz mit den Schultern, da sie ratlos war. Das war hier schließlich kein Ausflug und sie sozusagen ständig im Dienst. „Ich werdä jedenfalls nicht wait weck sain.“ Die Aussicht, Malina wieder zu sehen, beflügelte den jungen Mann, zumal das Angebot – und als ein solches nahm er es wahr – erneut einen Nachmittag zu verbringen, diesmal von der Hauptfrau ausging. A’urel lächelte Malina nochmal zu, bevor er sein Roß langsam zum nahe gelegenen Lager der Nebachoten lenkte.

Turam erwartete A’urel. Aufgebracht fuhr der ältere Krieger den Sohn Eslams an. „Wuo warst Du? Dain Brudär hattä Dir aine Aufgabä gegebän?“ Es war ersichtlich, dass bei allem Spaß den A’urel mit seiner Pferdevorführung am Mittag gebracht hatte der Anführer der kleinen nebachotischen Gruppe nicht damit einverstanden ist, dass A’urel so lange weg war. „Ich werdä mainem Vatär berichtän.“ Antwortete A’urel nur kurz und trieb sein Pferd an, das sich daraufhin von Turam, der in das Geschirr des Pferdes gegriffen hatte losriss und davon preschte.



A’urel dachte nicht daran zu Eslam zu reiten. Er war spitz wie selten und mußte einfach seinen Überdruck den er unterhalb seines Gürtels spürte loswerden. So ritt er geradewegs zu Celina. Die junge Frau lebte alleine nahe der Stadt Brendiltal und hatte schon mehrmals mit dem jungen Baronet das Lager geteilt. Als er an ihrem kleinen Haus ankam und schon zu ihrem Fenster hinaufklettern wollte, hielt er dennoch inne. Bisher hatte es ihm nichts ausgemacht von einer Frau zur nächsten zu reiten, schließlich war er genug Mann, als dass es Vergeudung wäre alles für eine aufzusparen. Doch diesmal hielt den jungen Nebachoten etwas zurück. Er wußte nicht was es war, wußte auch nicht wie er es beschreiben sollte, noch wußte er ob er das Gefühl gut war. Er wußte nur, dass er mit diesem Gefühl jetzt nicht durch das Fenster da oben und ins Celinas Bett steigen konnte. Verwirrt gab er Korisane, seiner Stute die Sporen und ritt nach Hause. Er brauchte jetzt jemanden, dem er seine Gedanken anvertrauen konnte.


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