Von Kron und Lehen
Der Adel des Neuen Reiches
“Weil alles auf Deren seine Ordnung haben muß, wie die Zwölfgötter es wollten, und weil auch unter ihnen einer nur der Götterfürst ist, schufen sie unter den Menschen solche von Stand und solche, die ebendenselben Gehorsam und Respekt schulden, wie PRAios erhaben es befahl. Und darum setzten sie einen Horas über die Menschen.”
So schließt das Zwölfgötter-Edikt des Kaisers Silem-Horas 100 v. BF. (1093 v. H.), das ein für allemal alle anderen Götter neben den Zwölfen zu Götzen erklärte und zudem ein wichtiges Gesetz aus alten Tagen umschrieb: die Lex Imperia, mit der Kaiser Yarum-Horas im Jahre 444 v. BF (1437 v.H.) endlich schriftlich das Adels- und Lehenswesen an seinem Hofe regelte, und von da an den Hochadeligen ihren Platz zuwies und auch die Pflichten niederlegte, die Lehensträger und Lehensgeber verbinden; und auch wenn vielerorts bezweifelt wird, daß die Ursprünge der Hierarchie unter den Adeligen tatsächlich in diesen Zeiten, von denen uns kaum mehr als das Mythische überliefert ist, in eben dieser schriftlichen Form niedergeschrieben worden sein können, so gelten doch bis heute die Grundlagen dieses Lehensrechts. Denn nimmerdar könnte ein Aventurier anzweifeln, daß diese von den Göttern selbst kommen.
Doch hier soll nur von dem Adels des Mittelreiches berichtet werden, den Raul von Gareth, der Große, der Reichsgründer, in dem Monumentalwerk “Codex Raulis” auf seine neuen Füße stellte: Denn Kaiser Raul sah sowohl die Notwendigkeit, sich von den alten Traditionen im neuen Reich zu lösen, als auch das harte Gesetz, daß der Kaiser nicht bestehen kann ohne die Treue der Großen seines Reiches, der mächtigen Vasallen und Hintersassen, die allüberall Land und Leute hüten. Dies also setzte er fest und griff dabei weniger auf die althergebrachten Hierarchien Bosparans zurück, sondern schuf vielmehr neue mit Hilfe jener, die den Sieg der Garether zu erringen halfen, und von denen wir heute noch die Familien Eberstamm und Berg kennen.
So kann der Hesindegeweihte Siopan von Salmingen schreiben: “Der Adel regiert im Mittelreich und ist in jeder Beziehung die beherrschende Schicht. Doch gibt es unter ihnen Stufen und Ränge, die sich aus der Nähe zum Kaiser respektive der Nähe zum Volke, wohl aber auch aus der Nähe zur Capitale oder aus der Nähe zu den Grenzen des Reiches erklären lassen.”
Von der Hierarchie des Adels und ihrer Abkunft
Die Rangordnung ist an der Heeresschildordnung abzulesen, jenem Anhang an den Codex Raulis, der nicht nur die Lehensfähigkeit der Familien verzeichnet, sondern auch die sieben Stufen des Adels festlegt: Die Mächtigsten unter den Adeligen sind die Provinzherren, Männer und Frauen von großer Macht, deren Familien vor vielen Generationen bereits die Obhut über einen großen und wichtigen Reichsteil anvertraut worden ist. Die einen sind die Herzöge, jene Provinzherren, die unter - so schreiben es die alten Urkunden - Yarum-Horas die weit von Bosparan entfernten Provinzen regierten, wohingegen die Fürsten den inneren Provinzen vorstanden.
Längst hat sich dieses Bild heutzutage geändert. Und der Ursprung des heutigen Titels Herzog (Ew. Hoheit) - der von Nordmarken, von Weiden und von Tobrien - liegt für die meisten im Dunkeln, doch zitieren wir hier erneut Seine Gnaden Siopan: “Der ,Herzog‘ bezeichnet jene Herren und Damen, die sich durch rondragefällige Taten im Kampfe auszeichneten, indem sie nämlich für Reich und Recht und in Praios’ Namen an der Spitze des Heeres zogen, wofür sie mit Land belohnt wurden. Das Wort aber - nämlich “harjatuga” nahm Herre Raul der Große von den Thorwalschen, glaubte man doch wohl seinerzeit, daß eben jene sich die robuste Stärke und die Qualitates der Natura bewahrt hätten, mit denen die Götter uns Menschen einst ausstatteten.”
“Anders steht es mit den Fürsten (Ew. Durchlaucht) - denen vom Kosch, von Darpatien, von Albernia und von Almada -, denn jene ehrenvollen Männer und Frauen bekamen das Land, weil sie das Vertrauen des Kaisers ob ihrer untadeligen Herkunft, ihres edlen Betragens bei Hofe und ihrer Vornehmheit genossen. Darum auch saßen sie stets an der Tafel des Kaisers auf den fürdersten Plätzen, woher auch der Titel kommt. Da sie aber auf andere Weise ihr Land erhielten und es sich nicht erstritten hatten mit Ruhm und Wagemut, hielt der Kaiser seine Hand über diese Provinzen und blieb ihr König; und so ist es auch heute noch. Sonderlich ist dies bei Almada, denn der Fürst des Landes ist der Kaiser selbst. Und sonderlich ist es bei Albernia, hat doch der edle Herre Cuano Land und Krone aus des Kaisers Hand empfangen und ist nun König wie der von Garetien. Man mag sich fragen, warum der Kaiser die verdienten Bergs und Eberstamms nicht zu Herzögen machte, doch waren sie ihm so lieb, daß er sie bei Hofe behielt und nicht in die Ferne schicken wollte.”
Anders steht es mit den Markgrafschaften, die aus anderen Provinzen herausgelöst wurden - weil Provinzherren zu mächtig wurden oder sich als nicht fähig genug erwiesen. Denn dieser Titel ist nicht erblich, auch wenn die Stimmen der mittelreichischen Markgrafen (Ew. Erlaucht) - von Greifenfurt, von Beilunk, von Warunk, von Windhag und von Winhall - genausoviel Gewicht haben wie die anderen Stimmen der Provinzherren.
Die Provinzen sind aufgeteilt in verschieden große und verschieden wichtige Grafschaften und Landgrafschaften, wobei jene mit militärischer Bedeutung Reichsmark genannt werden, jene Länder um große Städte aber Marken. Ihre Herren - Grafen (Ew. Hochwohlgeboren) Landgrafen, Markverweser oder Markvögte - genießen gleichen Rang, doch nur Grafen und Landgrafen dürfen vererben. Die ersten unter den Grafen sind jene von Hartsteen in Garetien, die weiland dem Throne Rauls am nächsten standen. Der Titel Graf kommt von Greif (Gerifa, Gerava), der ursprünglich den Sendboten des Kaisers zu bosparanischer Zeit bezeichnet. Dies änderte Raul nicht, jedoch bekamen seine Sendboten und Amtsträger bisweilen noch die erweiterte Funktion, auf ein gewissen Stück Land achtzugeben; als die Grafen seßhaft wurden, wurden die Länder auch erblich. Andere kommandierten als Vögte des Reiches die Pfalzen, kaiserliche Burgen, die überall im Reich verteilt waren und die der Kaiser benötigte, um sowohl durch schiere Präsenz überall an seine Herrschaft und die Vasallen durch häufige Besuche an ihre Bindungen zu erinnern. Aus diesen Reichsvögten wurden die Burg-, Gau- oder Pfalzgrafen (Ew. Hochedelgeboren), die noch heute die treuesten Bastionen des Kaiserhauses selbst in den entferntesten Reichsteilen darstellen und stets gewahr sind, kaiserliches Blut zu beherbergen. Grafschaften sind in kleinere Lehen unterteilt, deren Lehnsträger ein Baron (Ew. Hochgeboren) oder eine Baronin ist, die auch Freiherren und -frauen genannt werden. Über den Ursprung des Freiherrn ist wenig zu rätseln, bezeichnete er doch früher vor allem rechtsfähige und freie Männer und Frauen, die solche Ämter übernehmen durften, später aber zu erblichen Titeln wurden. Über den Ursprung des Titels Baron liefert Siopan von Salmingen zwei Deutungen: “Die einen meinen, der Baron führe sich zurück auf “baro”, der nur den freien Mann bezeichnet und eine Entwicklung vergleichbar dem Freiherren gemacht hat. Andere meinen, der nivesische “berja” oder “barjun” habe Pate gestanden, bezeichnete er doch früher den stärksten Kämpfer einer Sippe, der zugleich ihr Anführer war. Darum habe Raul - meinen jene - den niedrigsten Landesherren diesen Titel gegeben, um sie zu steter Leistung zu ermahnen und an ihre Pflicht zum Heerbanne zu erinnern.” Ursprünglich könnte das Wort Baron aber auch auf das altgaretische brôn zurückgehen, was in etwa schwer gerüstet bedeutet (vgl. auch Brünne oder Bronnjar). Die Berône, wie sie zur Zeit Rohals hießen waren also die schwersten durch Heerbann rekrutierbaren Truppen. Der niedere Adel, wiewohl weit über den Gemeinen oder gar den Unfreien stehend, setzt sich aus Junkern, Edlen (Ew. Wohlgeboren) und Rittern zusammen, wobei die Vergabe dieses - oftmals nicht erblichen - Titels nicht mehr zwingend mit der Vergabe von Land verbunden ist. Es sei darauf hingewiesen, daß ein Adeliger nicht zwingend von Geburt an adelig ist, sondern sich diesen Titel auch erwerben muß, wobei dies üblicherweise durch Knappschaft und Ritterschlag geschieht. Bemerkenswerterweise sind die meisten Hochadeligen Ritter, noch bevor sie ihr Erbe antreten, weshalb sich in allen Stufen der Heeresschildordnung Ritter finden.
Vögte, auch Landvögte oder Reichsvögte, nehmen stets den Rang des Landes ein, als dessen Verwalter sie eingesetzt wurden. Jedoch ist dieser Titel nicht erblich, sondern wird nur an bewährte Männer und Frauen vergeben, die sich für ein solches Amt - denn ein solches ist es mehr als ein Adelsrang - qualifiziert haben.
Ältere und Jüngere Häuser
Nicht selten kommt es vor, daß große und weitverzweigte Familien sich aufteilen in verschiedenen Häuser, so gibt es zum Beispiel das ältere, das mittlere und das jüngere haus Sturmfels. Diese Häuser entstehen dadurch, daß sich die Linien der Familie durch eine große Kinderzahl aufspalten. Sollte sich herausstellen, daß ein Zweig der Familie abseits der Stammlande politische Bedeutung erlangt oder aber sich distanzieren möchte vom Rest der Familienmitglieder aus Selbstsucht oder Hader, so nennt es sich selbst ein Haus. Die älteste Linie eines Hauses ist stets jene, die ihren Ursprung ununterbrochen in den Stammlanden hat, ein jüngeres Haus kann nur ein abgelegener Teil der Familie sein, der sich zurückführt auf ein jüngeres Geschwisterkind, das das Stammlehen nicht erben konnte und deshalb sein Glück außerhalb suchte. Kurios ist, daß von den wenigen mittleren Häusern, die es in den besonders verzweigten Sippen gibt - wie etwa Sturmfels oder Mersingen - keines vor dem jeweiligen jüngeren Haus entstanden ist; vielmehr haben die Vertreter dieser Linie sich in ihrem Selbstbewußtsein zweischen das ältere und das jüngere Haus geschoben.
Bei der Familie Rabenmund stellt sich der Sachverhalt anders dar: Hier führen sich die drei Häuser zurück auf drei Geschwister, von denen der älteste Bruder der Vater von Answin von Rabenmund gewesen ist, der somit zum älteren Haus gehört.
Heiraten
Hochzeiten sind im Mittelreich nur allzu selten Entscheidungen aus Liebe und Zuneigung. Oft nämlich dienen sie dem politischen Zweck, der eigenen Familie Einfluß, Freunde und Unterstützung zu sichern. Nicht selten werden Kinder einander versprochen, noch ehe sie dem Kindesalter entsürungen sind, in Garetien gar manchmal schon vor der Geburt. In vielen Adelsgeschlechtern gelten zahlreiche Nachkommen viel, ermöglichen sie doch, persönliche und familiäre Bande zu knüpfen, die sich - frei nach dem Sinnspruch “Blut ist dicker als Wasser” - für die Interessen der Familie vielfgach nutzen lassen. Immer wieder spielen finanzielle, dynastische, territoriale, machtpolitische und rechtliche Gesichtspunkte eine so überragende Rolle, daß hinter dem Wohl der Familie das Wohl des einzelnen Mitgliedes zurücktreten muß.
Heiraten sind unter Verwandten ab dem siebten Grad erlaubt, wobei die Braut den ersten Grad darstellt, die Mutter den zweiten, der Grossvater den dritten, der Urgroßvater den vierten, dessen zweiter Sohn den fünften, dessen Tochter den Sechsten und der Bräutigam den siebten. Bei politisch wichtigeren Hochzeiten kann von diesem Prinzip genauso abgewichen werden wie auf der tobrischen Alm. Damit bleiben die Ehen aber anfechtbar, was bisweilen als Hintertür ganz gern gesehen wird, um der endgültig scheinenden Verbandelung zweier Häuser gegebenenfalls noch entkommen zu können.
Namensrecht & Erbansprüche
Ein heikles Thema ist das adelige Namensrecht. Grundsätzlich gilt das folgende Prinziup: Baron Gneiserich von Sturmfels zu Greifenstein, also Titel + Vorname von Familienname zu Lehen. Anstelle des Adelsprädikates “von” können auch “zu”, “auf”, “vom” oder “zum” stehen. Es existiert auch eine Liste der Adelstitel.
Wenn die Sprößlinge zweier Familien heiraten, so ist es Brauch, daß beide Ehepartner nachher den bedeutungsvolleren Namen tragen. Wenn z.B. ein Mersingen ein Hebenstreyt heiratet, so heißen nacher beide Mersingen. Dies ist ein generelles Prinzip, und anhand der Heeresschilderorndung und dem lokalen Ansehen einer Familie ist es selten fraglich, welcher Name sich durchsetzt.
Sollten die Familiennamen als gleichwertig erachtet werden, oder es wird ein Kompromiss gesucht, kann es auch vorkommen, daß ein Doppelname gewählt wird, in unserem Beispiel Mersingen-Hebenstreyt. Sollte einer der beiden Heiratenden schon vorher einen Doppelnamen geführt haben, so entfällt zumeist der weniger wichtige, z.B. wird aus dem Hebenstreyt-Mersingen bei der Hochzeit mit einem Luring am ehesten ein Mersingen-Luring.
Da auch auf adeliger Ebene Gleichberechtigung herrscht, tragen Mann wie Frau nach der Heirat üblicherweise denselben Namen. Selten einmal drückt beispielsweise die Gattin ihre Herkunft in einem Doppelnamen aus, wenn der Gatte nur den einfachen führt.
Es kann aber auch sein, daß beide Ehepartner ihren Familiennamen behalten. So bleibt Alrik von Hebenstreyt ein Mitglied der Familie Hebenstreyt und Alrike von Mersingen ein Mitglied der Familie Mersingen. Nur muß sich letztendlich noch darauf geeinigt werden, welchen Namen eventuelle Kinder tragen, und dies erfolgt wieder nach obigem Schema.
Im Mittelreich erbt üblicherweise das älteste Kind Besitz und Gut von den Eltern, gleich ob es männlich oder weiblich ist. Erst jüngst ist dieser Erbgrundsatz auch für die Kaiserwürde gültig geworden, die nun auch auf eine Tochter übergehen konnte. Es gibt zwar Zweifler, die meinen, dieses Erbrecht sei für die Königswürde Garetiens nicht geändert worden, so daß Selindian Hal als ältester Sohn erben müßte, doch ist deren Einfluß nur gering.
Die anderen Geschwister gehen zumeist leer aus, erben eventuell ein Edlengut oder erhalten eine Leibrente, zumeist aber müssen sie sehen, wo sie bleben. Solche finden sich häufig in geistlichen Orden oder bei den Rittern wieder, einige treten in das Heer ein, andere verschreiben sich gar einem völlig ungebundenen Abenteuerleben.
Bastarde und Bankerte gelten im Mittelreich als Teil der Familie, so sie nicht ausdrücklich verstoßen werden, und dürfen zumeist auch den Namen ihrer Eltern führen. Sie sind jedoch vom Erbe ganz und gar ausgeschlossen und müssen ihre uneheliche Herkunft in ihrem Wappen - das zu tragen sie berechtigt sind - durch den roten Bastardbalken kenntlich machen.
(N. Gaul, F.W. Bartels, BB)
die garetischen Kroninsignien
Eine Übersicht über die Insignien Garetiens wurde von Siopan von Salmingen erstellt.